Erst Platz nummer fünf und dann nach Hause

Als ich den Anhänger mitsamt der Else in die Perleberger Halle zerre und das Tor zuschiebe ist der Urlaub endgültig vorbei. Und rückblickend muss ich sagen, dass es die beste Entscheidung seit langem war, die 570 Kilometer nach Rheinland-Pfalz zu fahren, um dort im Kreise von echt tollen Menschen zu fliegen und eine ganze Menge über mich und meine fliegerischen (Un)Fähigkeiten zu lernen – darunter vieles, was ich beim stupiden Kreisen über den Brandenburgischen Ebene gar nicht hätte lernen können.

Wenngleich ich vorzeitig von der Mönchsheide abreisen musste hatte ich auch am Wochenende noch einmal Gelegenheit zu fliegen und meine 100 Plätze – 100 Flüge-Liste um Eintrag nummer fünf zu erweitern. Schon bei der Urlaubsplanung hatte ich einkalkuliert, die Else eventuell am Pfingstwochenende in Gera einmal zusammen zu stecken und über meiner Heimatstadt zu kreisen. Gesagt, getan. Auch wenn ich angesichts der Feier am Vorabend erst gegen 12 Uhr auf dem Flugplatz aufschlug und damit das Fenster mit gutem Wetter verpasste war es noch einmal schön, in den eleganten Clubklasse-Flitzer zu steigen und mich mit sanftem Zug in den Himmel schnippsen zu lassen. Zwar reichte es nur für drei Platzrunden, da weit und breit kein Steigen zu finden war, aber die angenehme Plauderei mit den Kameraden des Geraer Luftsportvereins tröstete über die mangelnde Thermik hinreichend hinweg. Außerdem konnte ich mit dem Besuch in Leumnitz endlich eine Schuld begleichen, denn schon zwei Jahre zuvor hatte ich hier eine Runde im Puchacz mitfliegen dürfen und dafür eine Kiste Bier versprochen. Die lieferte ich zur Überraschung der Geraer ab. Außerdem bekam ich auf dem Platz Besuch von meinem ebenfalls Luftfahrtbegeisterten Cousin, mit dem ich in Kindheitstagen mit Flugsimulationen wie LHX oder Red Baron erste fliegerische Erfahrungen sammelte, und seiner kleinen Tochter. Beide schauten sich den Flugbetrieb an und ließen sich das Flugzeug erklären. Während mein Cousin definitiv zu groß für das Cockpit der Else ist muss die Kleine noch ein bisschen wachsen, bevor sie da richtig rein passt. Meine drei Flüge mussten die beiden allerdings vom Boden aus miterleben, aber der gemeinsam Flug im DoSi kommt bestimmt.

Allerdings musste natürlich auch an diesem Flugtag etwas kaputt gehen. Nach dem Abrüsten fiel mir auf dem Weg zum Hängerstellplatz ein schleifendes Geräusch auf. Eine Aluleiste hatte sich vom Boden des Anhängers gelöst und kratzte über den Asphalt. Mit Bohrmaschine, Schraubendreher und vier Metallschrauben, die ich aus dem Fundus des LSV klauen durfte, konnte ich die Misere aber beheben.

So bleibt die Erinnerung an einen netten Nachmittag mit den Segelfliegern meiner Heimatstadt. Auf bald, Kameraden!

Mönchsheide im Rückblick: Wie Weihnachten und Ostern, und das sogar mit Bananen…

Wieder zuhause mischt sich die Freude über die bisher wohl besten Flugtage meiner kurzen Zeit als Lizenzpilot mit der Trauer angesichts der Erkenntnis, dass es bis zur 30. BBSW eigentlich noch viel zu lange hin ist. Aber der Reihe nach.

Für mich endete die Mönchsheide 2015 planmäßig bereits drei Tage vor Wettbewerbsschluss, da ich mit meinen ehemaligen Schulkameraden auf 11 Jahre Abitur anstoßen wollte (das Zehnjährige hatten wir irgendwie verpennt…) So ist schon das Briefing am Donnerstag eine etwas wehmütige Angelegenheit, da mir hier die letzte Chance offeriert wird, doch wenigstens einmal rumzukommen. Nach Bernds ultraausführlicher Meteorologen-Selbstinszenierung, die er wie üblich mit subtil-humorvollen Einlagen würzt, haut Gerd die Tagesaufgaben raus. Von der Mönchsheide geht es nach Düren-Hürtgenwald, der Wendezylinder hat 15km Durchmesser. Wendepunkt zwei ist der Flugplatz Dahlemer Binz mit gleichem Zylinder. Zum Schluss heißt es noch einmal auf die andere Rheinseite hüpfen und den Flugplatz Elz bzw. seinen 30-km-Zylinder anpiksen. Mindeststrecke 153,0km, über die Wenden 255,7 und maximal 361,5km. Mindeststrecke 150? Das waren bisher immer um die 90… Sollten die Meteorologen wirklich derartiges Hammerwetter bestellt haben, dass einer wie ich 150 Kilometer fliegt? Wer weiß. Die Mindestflugzeit beträgt drei Stunden. Startbereitschaft 11.30 Uhr, also hinmachen.

Auch wenn ich noch allerhand Kram zu erledigen habe stehe ich nicht in Reihe eins, was mir zusätzlich Zeit verschafft. Tatsächlich habe ich in den paar Tagen auf der Mönchsheide gelernt, die knappe Zeit zwischen Aufstehen und Startbereitschaft so zu strukturieren, dass ich damit eingermaßen hinkomme. Auf der anderen Seite weiß ich inzwischen, was ich wirklich am und im Flieger brauche und beginne, so etwas wie eine vernünftige Aufbewahrungsstruktur in meinem Auto zu entwickeln, um nicht permanent nach irgendwelchen Kleinigkeiten wie beispielsweise Abklebeband suchen zu müssen. Das entspannt dann doch ein wenig. Mit dem Eintippen der Wendepunkte ins Navi bin ich startbereit.

Um 12.08 Uhr Ortszeit zerrt die Morane das Seil straff, die Else rollte und es macht klick. Das Seil ist aus der Kupplung raus und das Schleppflugzeug bewegt sich noch 20 oder 25 Meter weiter, bevor der Pilot abbremsen kann. Ein paar Starthelfer schieben meinen Flieger ein Stück nach vorne, damit das Seil noch einmal eingeklinkt werden kann. Per Funk kommt von Gerd die Bitte, bis zum Abflug den Flieger zu bremsen, damit der Schlepper das Seil straffen kann. Also Klappen voll raus, denn die Radbremse wird am Endanschlag des Klappenhebels aktiviert. Kaum steht das Seil unter Spannung, knarzt der Funk und ich erhalte Anweisung, die Klappen einzufahren. Als die Bretter in den Flächen verschschwunden sind, gibt die Morane vollgas und wir zischen los.

In nur dreieinhalb Minuten zerrt mich der Motorflieger auf 600 Meter und ich finde direkt westlich des Platzes gleich Steigen, um mich auf fast 1000 Meter über Grund hochzukurbeln. Na das läuft ja mal, denke ich und nehme mir fest vor, dieses Mal in Richtung des Windes Thermik zu suchen, um mich dann nach Abflugfreigabe nur kurz bis über die Startlinie versetzen zu lassen und dann Kurs auf den ersten Wendepunkt zu nehmen. Während ich auf die Freigabe warte, ziehe ich ein wirres Muster aus Kreisen im Steigen und Sinken in die Luft. Hier geht es Aufwärts, da Abwärts. Mal ist ein Flieger über mir, ein paar Minuten später sehe ich den gleichen irgendwo drei Etagen tiefer. Das Warten nervt, und ich verputze den ersten Müsliriegel, um wenigstens etwas Geschmack zwischen die Kauleisten zu bekommen.

Um 13.17 Uhr knarzt es im Funk: „Der Abflug für die Standard-/Clubklasse ist frei, India Lima bitte bestätigen.“ Ich bestätige die Abflugfreigabe und melde selbst kurz darauf meinen Abflug. Mit 1400 Meter AGL sollte doch irgendwie was gehen. Nach zwei Angstbärten habe ich 1500 Meter und gleite mit gleichmäßigem Tempo bei recht geringem Sinken Richtung West-Nordwest. Mit konstantem Wechsel zwischen kursgenauem Gleiten und Kurbeln in starken Aufwinden fliege ich den ersten Streckenabschnitt bis auf Höhe der Ortschaft Berbuir und reiße den 15er-Zylinder von Düren-Hürtgenwald an. Da das Wetter weiter im Westen nicht viel besser wird und ich ehrlich gesagt keine Lust habe, mich wieder vom Acker kratzen zu lassen, nehme ich gleich Kurs auf den Zylinder der Binz, den ich eine gute Viertelstunde später tangiere.

Zwei geschafft. Nun heißt es mit dem Wind vorfliegen. Und das macht unter den teils dunkelgrauen Wolken richtig Spaß. Bei Tempo 120 laut Fahrtmesser bin ich über Grund rund 135 bis 140 Stundenkilometer schnell, und wenn es richtig zuckt ziehe ich die Fahrt weg und kreise ein. Ich brauche nichtmal eine halbe Stunde und bin wieder in Sichtweite der Mönchsheide. Blöd nur, dass sich hier erstmals vorsichtig meine Blase bemerkbar macht und ich es kommen sehe, mit der erstmaligen Benutzung einer Pisstüte noch eine Premiere bei der BBSW zu erleben. Ich schiebe den Gedanken beiseite und konzentriere mich auf die Navogation.

Kurz vor Mühlheim-Kärlich habe ich gerade noch 500 Meter über Grund, und in dem Wissen, dass das nicht bis nach Hause zurück reicht, gucke ich bereits nach landbaren Feldern. Davon gibt es hier genug, ich kann mich also weiter auf die Thermiksuche konzentrieren, die tatsächlich Erfolg hat und mich und die Else wieder auf 1800 Meter über Grund bringt. 1300 in einem Bart ausgekurbelt, das ist sportlich. Bei Sankt Sebastian hüpfe ich über den Rhein und Kreise über Bendorf noch einen Aufwind aus, bevor ich mit einem kurzen Stück Ostkurs den Zylinder von Elz anschneide und dann direkt umdrehe.

Beim Eindrehen in den Endanflug habe ich 1400 Meter über Mönchsheide-Niveau, laut Navi komme ich mit 300 Meter Reserve dort am Platz an. Neben mir fliegen noch zwei andere ihren Endanflug, allerdings gleiten die beiden besser als ich. Genau in der Mitte des Anfluges drehe ich noch zwei Angstkreise, die vielleicht 50 Meter bringen und nur einen homöopathischen Effekt für die Psyche haben. Egal, die Höhe reicht. Mit bis zu 180 Sachen lasse ich die Else durch die Lusft flitzen und melde beim Überfliegen des Rheins meine Position an die Wettbewerbsleitung. Südlich des Platzes überfliege ich die imaginäre Ziellinie und ordne mich schließlich in die Platzrunde ein. Um 14.34 beende ich die letzte Kurve, gleite tiefer und setze die Else einigermaßen ordentlich ins Gras. Als ich aus dem Fliegersteige muss ich grinsen. Rumgekommen, zum ersten Mal. Ein perfekter Abschluss für meine erste BBSW.

Jeder Flieger, der mir begegnet, fragt mich, ob ich es geschafft habe, und es gibt Schulterklopfen und ernstgemeinte Glückwünsche. Alle hatten mitbekommen, wie ich die Else an Tag eins auf den Bauch gesetzt hatte, wussten von den Problemen mit dem Funk und dem Pech mit der kaputten Bremse des Anhängers. Es sind ernstgemeinte Glückwünsche, und das freut mich umso mehr. Am Ende des Tages bin ich elfter in der Klassenwertung mit 161, Kilometern und einem Schnitt von 53,8 km/h. Ich wusste gar nicht, dass die Else so langsam fliegt… Damit kann ich sogar Robert hinter mir lassen, der zwar mehr Kilometer mit besserem Schnitt flog, aber durch den Index-Nachteil seiner ASW20 offenbar Punkte eingebüßt hat.

Mein letzter Abend auf der Mönchsheide wird nochmal so richtig schön. Gemeinsam mit Markus, Karin und den Jungs und Mädels vom LFC Erftland sitze ich beim Abendessen, wo diverse Witze, vor allem über den Deutschen Schäferhund, die Belegschaft zweimal fast völlig zusammenbrechen lassen. Jaja, so viel Humor hätten die Gebrauchtdeutschen ihrem Quotenossi nicht zugetraut. Nachdem ich mein Zelt zerlegt und das ganze Campinggeraffel ins Auto verfrachtet habe – an dieser Stelle ein Dank an Maurice und Dennis, die mir eine Schlafkammer ihres Zeltes freigeräumt haben – geht es noch auf einen Cocktail in die Flugplatzbar, wo der ein oder andere meiner Fehltritte als Mönchsheide-Anfänger genüsslcih ausgeschlachtet wird (jaja, liebe Besatzung von Bravo Tango, euch meine ich damit besonders!!) Aber auch hier zeigt sich noch einmal, dass die BBSW-Flieger ihren Ossi offenbar voll und ganz adoptiert haben, denn ich bekomme mehrfach Dresche angedroht für den Fall, dass ich 2016 nicht wieder antrete.

Das Briefing am Freitag nutze ich unter Störung des Protokolls noch einmal, um mich von allen zu verabschieden und herzlich für die tolle Aufnahme bei der BBSW zu bedanken. Bernd drücke ich eine Flasche Tequila Gold in die Hand mit der Bitte, alle, die mich in den zehn Tagen unterstützt haben, daran teilhaben zu lassen. Bernd, Bernd, Bernd, Ramona, Robert, Dennis, Maurice, Thomas, Nicole, Gerd, Andreas, Babette, Karin, Markus, Gerhard, Jan, Obelix, Lucas, Yorg, Yogi, Alice, Patrick, Marcus, Frauke und allen anderen danke ich für Tipps, Motivation, Spülmittel, Spiegelei mit Speck, Verlängerungskabel, technischen Sachverstand, Fokkernadeln, Nudelsalat, Reibekuchen, Hilfe beim Auf- und Abrüsten und einfach für eine tolle Zeit, die mir klar gemacht hat, dass das Fliegen nur halb so schöne wäre ohne die Menschen, die dadurch zusammen kommen. DANKE! Ich hoffe, ihr kommt am letzten Wertungstag alle gut houch! (das ist KEIN Tippfehler ;-)) Für mich bleiben unvergessliche Eindrücke, die vor allem beim Spachteln und Lackieren der LS1 nochmal richtig präsent werden dürften, und nicht zuletzt das gute Gefühl, auf einem Flugplatz tief im Westen der Republik immer willkommen zu sein. Auf ein Neues im nächsten Jahr!

Das Radioteleskop Effelsberg, Spitzname Eifelohr. Angeblich steht da immer ein Bart.
Das Radioteleskop Effelsberg, Spitzname Eifelohr. Angeblich steht da immer ein Bart.
Unter einer Wolke wird es ziemlich schnell ziemlich diesig...
Unter einer Wolke wird es ziemlich schnell ziemlich diesig…
Das Ziel in Sicht und ein Guide vorneweg.
Das Ziel in Sicht und ein Guide vorneweg.
Ich war da, Beweisstück A.
Ich war da, Beweisstück A.

Zum Abschluss will ich BBSW für mich hier noch einmal in Zahlen zusammen fassen:

Flüge gesamt: 6
F-Schlepps: 6
Flugzeit gesamt: 15h 10min
längster Flug: 5h 1min
Wertungsstrecke gesamt: 370,7km

Neutralisation, Aufrüsten, Abrüsten, Sauna

Für den heutigen Tag geht der böse Blick in Richtung unserer Meteorologen. Diejenigen, die normalerweise der Garant für tolles Flugwetter sind, haben auf ganzer Linie versagt. Jedenfalls gab die Wetterlage nichts brauchbares her, die Wettbewerbsleitung neutralisierte den Tag und verschaffte damit allen eine Atempause. Da es zunächst hieß, dass es bis zu den ersten Schauern noch eine zeitlang dauert, rüstete ich die Else auf und wollte zumindest etwas Flugzeit am Platz sammeln. Kaum die Akkus angeklemmt und die Instrumente gecheckt, prasseln die ersten Tropfen auf die Flächen. Der Blick zum Himmel legt ein Gespräch mit dem Meteorologen meines Vertrauens nahe, und der meint nur lapidar, dass rings um den Platz alles zu ist. Also verschwindet die Else mit Hilfe einiger Fliegerkameraden wieder im Anhänger und ich lege den Flugtag ad acta.

Der Rest des Tages wird nochmal sowas wie Urlaub, mit Fliegern des LSC Erftland verbringe ich einen schönen Nachmittag in der Sauna und lasse fünfe gerade sein. Es ist auch mal schön, die Leute jenseits des zumeist straff organisierten Flugbetriebes kennen zu lernen. Und die Leute, die auf die Mönchsheide kommen, scheinen durchweg zu den freundlichen zu gehören. Der Suchtfaktor steigt in jedem Fall.

Am Abend geht es im Flugplatzcasino noch einnmal hoch her. Man mutmaßt, ob ich vielleicht nur ein IM aus dem Osten sei, da meine mäßigen fliegerischen Fähigkeiten allenfalls Tarnung sein können. Allerdings, der Quotenossi scheint auf der Mönchsheide angekommen. Zumindest hält sich die Gehässigkeit des Klassenfeindes in Grenzen. In sehr engen Grenzen.

P.S.: Morgen Radio hören!

Ich rüste auf, es regnet, ich rüste ab.
Ich rüste auf, es regnet, ich rüste ab.
Die Familie fliegt immer mit.
Die Familie fliegt immer mit.
Die Kollegen vom Deutschlandfunk sind auch da, wollen über die BBSW berichten.
Die Kollegen vom Deutschlandfunk sind auch da, wollen über die BBSW berichten.
Abendimpression.
Abendimpression.

Zwei Starts, zwei Plätze und letzter in der Klassenwertung

Mein dritter Wertungstag auf der Mönchsheide brachte zwei Starts und zwei Landungen, und das ganze auf zwei verschiedenen Flugplätzen.

Als Aufgabe stand heute für die Club- und Standardklasse der Flug von der Mönchsheide über Düren-Hürtgenwald und Montabaur zurück zum Startplatz. Startbereitschaft: 11.30 Uhr. Fast hätte ich die Startvorbereitungen stressfrei hinbekommen, wären da nicht die Klemmen der Stromversorgung fürs Navi gewesen, die partout nicht auf dem Akku halten wollten und erst richtig saßen, als ich mit der Zange nachhalf. Geschenkt. Mit dem Wissen, dass mein Hänger laut Auskunft der Werkstatt um 14 Uhr repariert wird kann ich mich ganz entspannt auf Strecke machen und freue mich auf einen tollen Flugtag.

Um 12.34 Uhr Ortszeit geht das UL vor der Else in Stellung und zerrt das Seil straff. Bei dem böigen Wind habe ich zunächst Probleme, sauber hinterher zu fliegen, fange den Bock aber schließlich ein und folge einigermaßen ordentlich. Bei 600 Meter klinke ich aus und finde in Richtung Rhein auch satte Thermik, die mich bis auf 1400 Meter MSL bringt. Gut, denke ich mir, da geht ja wirklich was. Der starke Westwind aber ist eine echte Herausforderung. Als alle Clubbis in der Luft sind und die Abflugfreigabe kommt, versuche ich, in Richtung des Flugplatzes vorzufliegen, brauche aber bis zur Mönchsheide schon 300 Meter. Das wird so nix. Also zurück und nochmal hoch gekurbelt. Gleiches Spiel. Schließlich versuche ich es mit einem Schlenker nördlich am Platz vorbei und melde kurz vor 14 Uhr meinen Abflug vom Platz. Mehr schlecht als recht düse ich in wahnsinnigem Saufen nördlich entlang der Autobahn Richtung West-Nordwest und ärgere mich, dass ich kein vernünftiges Steigen finde. Aber hey, mein Navi funktioniert immerhin und die Dritte-Welt-Müsliriegel aus dem Pennymarkt schmecken vorzüglich. Es könnte mir also schlechter gehen.

Noch bis kurz vor Wormersdorf schaffe ich es im Gleitflug und beobachte, wie ein anderer Segler auf dem Platz in Bad Neuenahr-Ahrweiler landet. Ich drehe rum und beschließe, mir diese Option offen zu halten. Da ich keine Lust habe, erneut auf dem Acker zu liegen, aber gegen den Wind bei der mäßigen Thermik nicht anfliegen kann, nehme ich Kurs auf die Mönchsheide und werde abbiegen, wenn ich es nicht schaffe. Als ich kur vor der Autobahn nur noch 400 Meter über Mönchsheide-Nievau habe fällt der Entschluss, zumal sich der andere bereits eine Schleppmaschine organisiert hat und wir so gegebenenfalls ohne Landtransport zurück kommen.

Ich fliege den Platz relativ hoch an, da ich bei dem Gegenwind genug Reserve haben will und funke auf der Platzfrequenz meine Positionsmeldung samt Fahrweksmeldung – der Mensch ist ja lernfähig. Bei ordentlichen Böen schwebe ich auf den Platz ein und arbeite mich langsam an die Schwelle heran. Abfangen, Ausschweben und irgendwie auf den Wind reagieren. Im Rollen erwischt mich noch eine Böe und dreht den Flieger um fast 90 Grad. Ich habe keine Chance, mit dem Seitenruder gegenzeusteuern und rutsche vielleicht zwanzig Meter quer zur Landerichtung. Dann steht die Else. Kaum aus dem Cockpit, gucke ich mir sicherheitshalber das Fahrwerk an, kann aber keine Schäden feststellen. Gemeinsam mit dem Schleppiloten und dem anderen Segelflieger rolle ich die India Lima an den Start und gerne nehme ich das Angebot an, dass mir der Kamerad den ersten Start überlässt, damit ich nicht mit abgelegter Fläche starten muss. Der Motor der Remo brüllt auf und ich habe Mühe, bei den Böen den Kurs zu halten. Die Hand am Ausklinkgriff sehe ich zu, die Flächen der Else in der Luft zu halten und bekomme den Flieger nach einer gefühlten Ewigkeit frei. Zunächst geht es auf Höhe, dann in einer gleichmäßigen Kurve Kurs Mönchsheide. Kurz vor dem Platz klinke ich mich in 800 Metern aus, eigentlich viel zu spät, was Sportleiter Gerd Doepner später zu der lakonischen Bemerkung animierte: „Wenn der Flieger explodiert wäre, wären die Trümmer auf dem Flugplatz gelandet.

Jetzt, wo ich eigentlich nur noch Höhe abfliegen und landen will steigt es überall. Noch gut 20 Minuten kreise ich am Platz, übeein paar Slips und gehe dann zur Landung. Die fällt außerordentlich kurz aus, da ich nicht in die weiter hinten stehenden Segler brettern will. Man könnte auch sagen, fast zu kurz. Schließlich kommt ein Auto und nimmt die Else an den Haken. Jetzt heißt es, den Anhänger abholen. Die Jungs von Vergölst in Bad Breisig haben super Arbeit geleistet und aus allerlei Ersatzteilen, die ich am Vortag besorgt habe, alles so zusammen improvisiert, dass es wieder funktioniert. Schließlich kann ich die Else verladen und den Hänger wieder an seinen Platz fahren. Die Auswerung des Logfiles ergibt einen respektablen letzten Platz in der Clubklasse mit 20,9 Kilometern Strecke. Aber ich sehe den Tag positiv: Zweimal auf einem Flugplatz gelandet, und das zweimal mit ausgefahrenem Fahrwerk. Das hatte ich schon schlechter. Dazu keine Teile verloren und nichts kaputt gemacht, aber wieder einen funktionsfähigen Anhänger fürs Flugzeug. Das sind echte Erfolgserlebnisse!

Bei lecker Steaks, zu denen die Jungs und Mädels vom LSC Erftland den Quoten-Ossi einladen, klingt der Abend aus. Natürlich wird der Tag ordentlich ausgewertet, meine Querlandung als durchaus nicht unüblich für derartig heftige Windbedingungen klassifiziert und noch allerlei Fachvokabular auf den Tisch gepackt. Nur ein Beispiel: Die Flüsterlatte. Macht keinen Krach, steigt aber auch nicht. Tolle Erfindung.

Am Start.
Am Start.
Das Corpus delicti am Anhänger.
Das Corpus delicti am Anhänger.

Ein dunkler Tag auf der Mönchsheide

Es gibt sie einfach, diese Tage, die man am liebsten aus dem Kalender streichen würde. Für mich gehört der heutige definitiv dazu.

Es ging schon beim Aufrüsten des Fliegers damit los, dass sich eine der Fokkernadeln zur Sicherung der Ruderanschlüsse offenbar beim Abrüsten am Vortag verabschiedet hatte. Jedenfalls fand ich am Ausklingzug, an dem ich die Nadeln samt Sicherungsschraube für das Höhenleitwerk immer befestige, damit sie nicht verloren gehen, nur noch vier anstatt der üblichen fünf. Sofort schießt mir die Geschichte mit der Schraube von der Funkgerätblende durch den Kopf und ich sehe mich schon wieder dabei, den Flieger auseinander zu nehmen und das Teil zu suchen.

Beim Briefing höre ich nur mit halbem Ohr hin, da ich, wenn überhaupt, erst als letzter starten werde. Jeder Wegflug wäre heute ein Risiko gewesen, denn beim Anhänger für die Else hatte sich am Abend zuvor das Spannschloss für den Bremszug verabschiedet. Und mit Anhänger ohne Bremse möchte ich keinen Rückholer fahren lassen. Den halben Vormittag verbringe ich mit dem Versuch, Ersatz zu organisieren. Angesichts der Tatsache, dass da 3/8″-Gewinde verbaut sind, vergeblich. Als am Mittag die Segler in die Startaufstellung gehen, bin ich am Telefonieren und höre mir immer wieder an, dass der angerufene Teilnehmer nicht mit Zollgewinden dienen kann. Immerhin, eine Werkstatt bietet mir eine Notreparatur an.

Um 13.45 höre ich entsetzte Rufe über den Flugplatz schallen, das ein Segelflugzeug in den angrenzenden Wald gestürzt ist. Ein Helfer der BBSW ist Rettungssanitäter und rekrutiert das verfügbare Bodenpersonal für die Suche und Erstversorgung. Wir brettern mit unserne Autos über den Platz in Richtung des Waldes im Osten und nehmen wenig Rücksicht auf die Bodenwellen auf der Wiese und den Waldwegen. Dann teilen wir uns auf um einen größeren Bereich effektiver absuchen zu können. Nachdem ich nichts gefunden habe drehe ich um und erfahre, dass das Wrack enteckt und der Pilot ansprechbar ist. Mit meinen beiden Verbandkästen eile ich zur Absturzstelle und sehe das völlig zertrümmerte Flugzeug zwischen den Bäumen liegen. Der Sani betreut den Piloten, der sich meines Wissens nach selbst aus dem Cockpit hat befreien können. Er ist bei Bewusstsein und bereits erstversorgt. Für den Fall, dass noch Hilfe gebraucht wird, bleibe ich zunächst vor Ort und weise die kurze Zeit später eintreffende Feuerwehr ein.

Da ich weiter nichts ausrichten kann verlasse ich den Unglücksort und mache mir meine Gedanken über das, was ich selbst in der Luft so tue. Ist der Spaß am Segelfliegen dieses Risiko wert? Warum begibt man sich freiwillig in diese Gefahr? Am Donnerstag hätte ich selbst beinahe im Wald gelegen, wenn nicht ein ganzer Sack von Glückspfennigen mir eine zwar unsafte, aber immerhin unverletzte Landung ermöglichte. Es ist die eine Sache, über Abstürze von Segelflugzeugen in den Medien zu lesen. Es ist aber eine ganz andere, einen Verletzten vor den Trümmern seines Flugzeuges zu sehen. An Spekulationen zur Unfallursache werde ich mich nicht beteiligen. Interessant ist aber, dass laut einem Mitarbeiter der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung der noch ausgefahrene Motor dem Piloten vermutlich das Leben gerettet hat, weil er im kopfüber auf den Boden schlagenden Flugzeug wie eine Art Überrollbügel funktioniert hat. Das war ganz ganz großes Schwein, denn vom Cockpit war sonst nicht viel übrig geblieben. So richtig durch kommt das Erlebnis in meiner Psyche aber nicht, durch meinen Berufsalltag hab ich genug Verkehrsunfälle gesehen. Nur die stiller Ermahnung, sich an grundlegende Regeln der Fliegerei zu halten, schallt laut in meinem Kopf.

Am Nachmittag organisiere ich Ersatzteile für den Hänger und schaffe ihn in die Werkstatt. Als ob der Tag nicht Scheiße genug war, streife ich auf einem Supermarktparkplatz einen Begrenzungspfosten und zerkratze mir die rechte Seite des Autos. Ich bin pappsatt. Es war insgesamt zu viel an diesem 18. Mai.

Wieder auf dem Platz nehme ich einmal mehr die Else auseinander und suche in allen möglichen Hohlräumen nach der Fokkernadel. Auch wenn es wirklich unwahrscheinlich ist, dass sie im Flieger liegt, lässt es mir keine Ruhe. Ich weiß genau, wie ich neben dem Flieger stand und lange mit den Nadeln hantiert habe, um sie transporttauglich zusammen zu friemeln. Dabei ist wahrscheinlich eine auf der Wiese verschwunden. Mit Spiegel, Lampe und Teleskopmagnet untersuche ich die neuralgischen Stellen, kann aber nichts finden. Auch ein Griff in die geöffneten Handlochdeckel im Cockpit bringt nichts. Sie ist nicht im Flieger, würden Optimisten sagen. Bei mir als eher pessimistisch-realistisch eingestelltem Menschen bleibt dennoch ein ungutes Restgefühl. Ein blockiertes Ruder infolge eines verklemmten Gestänges endet in Bodennähe häufig in einem Unfall, und das würde ich mir nicht verzeihen.

Immerhin haben mir die Hausherren auf der Mönchsheide einen Platz in der Halle für die LS1 frei gehalten, sodass der Flieger im trockenen übernachten kann. Kaum ein Trost an einem solchen Tag.

Von streikenden Navis, Feingewinden und einer Wiese im Rheintal

So langsam habe ich begriffen, worauf es bei einem Segelflug-Wettbewerb ankommt. Früh aufstehen, früh aufrüsten, früh am Start stehen, zum richtigen Zeitpunkt abfliegen und landen. Eigentlich simpel.

Pünktlich um neun Ist die Else am Sonntag aufgerüstet und glänzt nach der Werkstattaktion am Freitag wie aus dem Ei gepellt. Da ich mangels Schleppstange und Flächenrad nicht allzu mobil bin, lande ich dennoch im ersten Drittel der Startaufstellung. Das stört aber nicht, da ich zur Abwechslung mal so ziemlich alles orfentlich vorbereitet habe. Die Dokumente sind eingepackt, das Trinksystem mit Wasser und einem Schuss Zitronensaft gefüllt, Müsliriegel als Snack für unterwegs liegen parat und der Flieger ist startklar. Eigentlich wollte ich die Flächen noch putzen, dafür reicht die Zeit allerdings nicht mehr.

Angesichts der zu erwartenden Wetterlage ist die Aufgabe etwas anspruchsvoller als am Donnerstag. Von der Mönchsheide geht es zum Flugplatz Düren-Hürtgenwald, der Wendezylinder hat einen Radius von 35 Kilometer. Wendepunkt zwei ist der Flugplatz Singhofen mit einem Zylinder von 30 Kilometern. Schließlich sollen wir den Platz in Dierdorf-Wienau anfliegen und im Radius von 15 Kilometern wenden. Mindestsrecke 109, über die Wendepunkte 254 Kilometer. Wer die Sektoren bis zum Äußersten ausreizt kommt gar auf 399 Kilometer.

Um 12.15 Uhr zieht das UL mein Seil straff. Der Schlepp an der kleineren Maschine ist um Welten entspannter als die beiden bisherigen hinter der Remo. Wir steigen zügig und bei 600 Metern klinke ich aus. Auf meinem Höhenmesser stehen da aber schon 800, denn ich habe am Boden auf MSL eingestellt. Der Fehler mit der falschen Höhenmesseranzeige soll mir kein zweites Mal passieren, und mit MSL-Werten kann ich super nach Karte fliegen. Während ich mit zig anderen im gleichen Bart kreise, das Flarm munter vor sich hin brüllt und wir uns auf Abflughöhe schrauben erfreue ich mich an der Höhenangabe über Grund, die mir das Navi permanent liefert. Die Freude währt ganze zehn Minuten, dann verschwindet die Kartendarstellung und der Bildschirm flimmert in mattem Licht. Durch mehrmaliges Drücken auf den Einschalter kann ich das Gerät wiederbeleben.

Kurz nach 13 Uhr Ortszeit melde ich meinen Abflug und versuche in Richtung West-Nordwest mein Glück. Über Bad Neuenahr-Ahrweile tanke ich etwas Höhe und fliege dann im gestrecken Galopp weiter. Da mein Navi zwischenzeitlich komplett den Geist aufgegeben hat orientiere ich mich an der Autobahn A61. Zwischen Kalkar und Orloff habe ich nur noch knappe 350 Meter über Grund und sehe mich schon eine Viertelstunde später auf einem der schicken braunen Felder unter mir stehen. Aber es klappt, ich finde Steigen und schraube mich hier auf knapp 1400 Meter hoch. 20 Minuten brauche ich dafür und nehme dann Orientierung in Richtung des zweiten Wendepunktes auf. Nur zehn Minuten später bin ich wieder über Bad Neuenahr und ballere unter den dicken, grauen Quellwolken mit Tempo 120 entlang, ohne groß an Höhe zu verlieren. So könnte es immer sein.

Mit einigen Zwischenbärten schaffe ich es bis nach Mühlheim-Kärlich und beobachte aus der Luft das dortige Kernkraftwerk, eine der größten Investitionsruinen Deutschlands, da es wegen fehlerhafter Baugenehmigungen nach nur 30 Monaten vom Netz gehen musste. Über dem Autobahnkreuz Koblenz-Nord erwische ich nochmal recht gute Thermik und hole mir genug Höhe für den Sprung über den Rhein, der mich mitten über das Stadtzentrum führt. Im Wissen, den Sektor von Wendepunkt zwei erreicht zu haben, drehe ich auf Nordkurs und versuch anhand von Bodenmarken eine Peilung zum letzten Wendepunkt zu bekommen. Mit 700 Metern geht es parallel zum Fluss zwischen Bendorf und Höhr-Grenzhausen durch, allerdings habe ich zu dem Zeitpunkt keinen Plan, wo der Wendepunkt genau liegt und vor allem, woher ich die Höhe nehmen soll, um da hinzukommen.

Ein große Wiese unter mir und ein paar Stoffbahnen deuten einen Gleitschirmplatz an, und ich beschließe, hier mein Glück zu versuchen. Bis ich Thermik finde bin ich auf nicht einmal mehr 250 Meter über Grund gesunken, allerdings ohne Gefahr, da ich die Landewiese perfekt unter mir hatte. In wirklich schweißtreibender Arbeit, einem klassischen Feingewinde-Schnitt, schraube ich mich nach oben. 25 Minuten brauche ich, um knapp 750 Meter gut zu machen, aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.

Über Kleinmaischeid und Dernbach fliege ich nach Norden und sehe schließlich rechts den Flugplatz Dierdorf-Wienau. Ich wechsle die Funkfrequenz und höre, wie sich dort Segelflugzeuge startbereit machen. Ich kreise dort am Platz auf Höhe und bin mir nicht sicher, welchen genauen Kurs ich nun fliegen muss, um die Mönchsheide zu erreichen. Dank des Rheins und einiger charakteristischer Flussmerkmale in der Entfernung kann ich in etwa abschätzen wie ich fliegen muss und mache mich auf nach Hause. Von Großmaischeid aus geht es dann nahezu gerade im Westkurs auf die Mönchsheide zu, die Luft trägt super und ich kann mit 130 fliegen ohne zu stark zu sinken. Nahe Melsbach allerdings beginnt das große Saufen. Der Zeiger des Varios klatscht an den unteren Anschlag und ich drücke nach, um die sinkende Luftmasse über dem bewaldeten Hügel schnell hinter mir zu lassen. Das wird knapp. Ziemlich in der Mitte drehe ich noch einen Verlegenheitskreis, der aber null Höhe bringt. Da unter mir bis auf zwei Wiesen alles unlandbar ist kann mich nur noch das Rheintal retten. In rund 150 Metern flitze ich mich bis zu 150 Sachen über die Bäume, bin mir aber absolut sicher, es zu schaffen, da das Profil steiler wird und ich direkt vor mir mehrere Außenlandefelder sehe.

Entweder ich kriege am Rheinufer noch Thermik oder es wird wieder eine Außenlandung. Zwichen Bad Hönningen und Rheinbrohl drehe ich letzte Runden, prüfe vier Felder und eine Wiese auf ihre Tauglichkeit als Behelfspiste. Schließlich fällt die Entscheidung für die schöne lange Wiese, die direkt parallel zum Rheinufer verläuft. Ich fliege in rund 150 Metern über Grund eine saubere Landeeinteilung und drehe in einen langen Endanflug. Fahrwerk raus, verriegeln und Konzentration auf die Klappenarbeit. Der Anflug ist frei, hinter zwei Zäunen kommt die Wiese. Ich lege einen perfekten Anflug hin und fange die Else sauber knapp über dem Boden ab. Es bumst und nach rund 50 Metern Rollweg steht der Flieger. Ich bin Happy und angepisst zugleich. Happy, weil die Außenlandung lehrbuchmäßig war. Angepisst, weil ich es mit 200 Meter mehr Höhe zum Platz geschafft hätte. Hätte.

Während ich auf Ramona und Robert warte, die mich dankenswerter Weise noch einmal vom Acker holen, erkläre ich zwei Kids, die die Landung beobachtet haben, das Flugzeug. Später kommt noch eine junge Familie dazu und es wird eine nette Unterhaltung. Mehrere Autos halten an man fragt, ob ich Hilfe brauche. Nö, alles ok. Mit der Fähre geht es zurück über den Rhein und nach gut zwei Stunden bin ich wieder am Platz.

Hammertag. Von denen, die außengelandet sind, bin ich mit Abstand am weitesten gekommen. Am Ende waren es fünf Stunden und zwei Minutern. Da ich den F-Schlepp wegrechnen muss, bleiben 4 Stunden und 56 Minuten als reine Segelzeit. Vier Minuten zu wenig für die Silber-C. Man hats halt nicht leicht…

Mit diesem Flug habe ich übrigens die Bedingungen für Gastflüge erfüllt. Und, Tatsache, über die Flugstunden und nicht über die 30 Starts seit Lizenzerteilung 🙂

Brauchen Sie Hilfe?? Nönö, Alles Ok!
Brauchen Sie Hilfe?? Nönö, Alles Ok!

Physio, basteln und bauen

Als mein Physiotherapeut am Freitagmorgen auf mir rumdrückt und ich nicht vor Schmerzen zusammenbreche scheint  sich zu bestätigen, dass zumindest mein Rücken bei dem Beinahecrash am Vortag nichts abbekommen hat. Wenigstens etwas.

Zurück auf dem Flugplatz sieht es zunächst nicht aus, als ob Großes zu erwarten wäre, da es die Nacht über geregnet hat und noch ziemlich zugezogen ist. Meteorologe Bernd ist verhalten optimistisch, dass es doch noch was wird und es wird ein zweites Briefing für 11.30 Uhr angesetzt. In der Zwischenzeit rüste ich die Else auf um noch einmal Schadensbegutachtung zu machen und vor allem das Funkgerät auszubauen und zu gucken, warum es am Vortag ausgesetzt und damit die Kette von dummen Zufällen und Fehlentscheidungen in Gang gebracht hatte.

Im Trubel des Aufrüstens bastle ich vor mich hin und fluche das ein oder andere Mal das Flugzeug und seine Konstrukteure an, weil man an gewisse Stellen einfach nur unfassbar beschissen heran kommt. Zwischenzeitlich helfe ich anderen hier und da beim Aufrüsten. Als ich wieder bei meinem Flieger bin rächt sich dies, denn ich finde von der Funkgerätblende nur noch drei Schrauben. Blöd nur, dass die Blende vier Löcher hat. Ob da aber vier Schrauben drin waren kann ich auch nach einem Anruf bei meinen Vereinskameraden nicht nach vollziehen, es gibt also drei Möglichkeiten: Erstens: Es waren nur drei Schrauben und alles ist gut. Zweitens: Es waren vier Schrauben und eine liegt irgendwo auf der Wiese oder im Anhänger. Drittens: Die Schraube liegt irgendwo im Flugzeug. Da ich Variante eins und zwei nicht verifizieren kann, muss ich von Variante drei ausgehen und bei dem Gedanken daran wird mir schlecht. Richtig schlecht.

Mies gelaunt latsche ich zum zweiten Briefing und hole mir die Flugaufgabe ab ohne sie mir genauer anzusehen, denn die Schraube rotiert durch meine Gedanken. Ich suche alles ab, finde sie aber nicht. Ich reiße wirklich alle Klappen und Verkleidungen auf, kann aber nix entdecken. Beim Abklopfen des Rumpfes verknackse ich mir die Hand und kann gerade noch an mich halten ohne das Flugzeug anzubrüllen. Startbereitschaft wird für 13.30 Uhr festgesetzt, und obwohl ich vorsorglich Akkus ins Flugzeug packe weiß ich, dass ich mit dieser Ungewissheit nicht starten werde. Das Risiko, dass die Schraube im Rumpf rumkullert und sich irgendwo in einem Gestänge verklemmt will ich nicht eingehen.

Als bereits alle anderen am Start stehen und ich noch immer den Schädel im Flieger habe kommt die Mönchsheider werkstattleiterin Frauke bei mir vorbei und begutachtet zunächst den Schaden von der Mit-ohne-Rad-Landung. Wir beschließen, das Flugzeug abzurüsten und in die Werkstatt zu verfrachten. Dort angekommen, saugen wir den Flieger komplett aus und reduzieren so die Flächenbelastung um ein gefühltes Kilo Erde, Staub und sonstigen Dreck, der im Rumpf des Fliegers herumvagabundiert. Zunächst nimmt Frauke alles genau unter die Lupe, leuchtet die zerkratzten Stellen von innen und außen ab.

Im Anschluss nimmt uns die Suche nach der Phantomschraube in Anspruch. Wir durchleuchten jeden nur erdenklichen Winkel der Else, und bei ihrem professionellem Umgang mit dem Spiegel bekomme ich den Eindruck, dass Frauke in einem früheren Leben mal als Zahnärztin oder Chirurgin gearbeitet haben muss. Nahezu überall findet sie Wollmäuse und Dreck, die Schraube aber – so sie je da war – bleibt verschwunden.

In der Zwischenzeit sind zwei Segler als „Thermikschnüffler“ gestartet, über Funk melden die aber auch nur Saufen. Um 15.02 Uhr neutralisiert die Wettbewerbsleitung den Wertungstag, da es für die vorgesehen Aufgabe nicht reicht. Dennoch lassen sich einige Piloten für einen Spaßflug in den Hiummel zerren.

Nach gut zwei Stunden in der Werkstatt geben wir die Suche auf. Frauke diagnostiziert, dass nach Menschlichem Ermessen in diesem Flieger nichts mehr liegt. Alle Steinchen, die beim Abklopfen noch Geräusche gemacht haben, sind rausgesaugt, und die Rudergestänge und Anlenkungen laufen laut Frauke auch alle so, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich da was verklemmt, gering ist. Ich mag Wahrscheinlichkeiten nicht besonders, vertraue aber auf ihr fachliches Urteil.

Während Frauke noch an meiner für das Oudie adaptierten LX20-Halterung bastelt, um die im Cockpit richtig fest zu bekommen, friemle ich das Funkgerät wieder an seinen Platz, dass offenbar vor meinen nicht vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten derartige Angst hatte, dass es einfach wieder ging. Senden, Empfangen, alles gut. Die Kratzer am Rumpf flicke ich mit weißem Panzertape, sodass auch der zerfledderte Gummilappen um die Schleppkupplung nicht im Wind flattert. Zum Abschluss spendiere ich der Else eine Rumpfwäsche und poliere die Haube auf Hochglanz. Schick sieht sie jetzt wieder aus, denke ich, als ich ihr über den schlanken Rumpf streichle. Langsam fange ich an, sie zu mögen.

Nachdem der Hänger wieder an seinem Platz steht werfe ich mir den Erbsensuppenrest vom Vortag ein und ziehe mit einer Flasche Tequila los, um mit Bernd und Bernd einen zu trinken. Die haben Orangen und Zimt besorgt und sind begeistert von der Zeremonie, mit der ich das goldene Wässerchen serviere. Wir machen uns einen schönen Abend und die beiden amüsieren sich köstlich über sächsisches Vokabular wie Daschndiescher, Tempo-Daschndiescher oder Norweschndier. Die Insider wissen hier bscheid. Dank Jonas und Nicola finde ich den Weg zurück zum Zeltplatz trotz leicht schwankenden Bewegungen um alle drei Achsen meines Körpers. Kaum im Bett, penne ich weg.

Die LS 1 in der Werkstatt. Diagnose:
Die LS 1 in der Werkstatt. Diagnose: „Schön isses nich, fliegt aber…“

Vom Höhenflug auf den Boden der Tatsachen

Als die Else wieder auf dem Globus steht bin ich kreidebleich. Zumindest haben mir das die Umstehenden im Nachhinein gesagt. Der Anflug auf den Flugplatz Wershofen ist das vermutlich mieseste, was ich in meiner überschaubaren Zeit als Lizenzpilot abgeliefert habe. Der Flieger ist zwar noch verwendbar und auch der Pilot zumindest an einem Stück, aber Blessuren haben beide davon getragen. Dabei war es bis zum unschönen Ende einer der besten Flugtage die ich bisher erlebt habe.

Mit dem Aufrüsten hatte ich tatsächlich einigermaßen pünktlich begonnen. Wecker auf 7.40 Uhr – völlig untypisch für mich im Urlaub – schnell nen Tee gekocht und dazu nen pappigen Doppelkeks reingewürgt und dann gings flux zum Anhänger. Nach kurzer Zeit sah die Else nach Flugzeug aus und an dieser Stelle ein Dankeschön an die vielen helfenden Hände. Beim Kontrollieren des Flugzeugs wird mir klar, dass es clever war, meinen hektischen Geist mit der selbstgemalten Checkliste auf alle wichtigen Punkt aufmerksam zu machen, um ja nichts zu vergessen.

Pünktlich zum Briefing sitzt das ganze Teilnehmerfeld in der Halle und lauscht den Ausführungen der Wettbewerbsleitung. Bernd Fischer referiert über das, was uns meteorologisch an diesem Tag erwartet, und einmal mehr frage ich mich, warum ich in diesem Fach in der Prüfung 100 Prozent hatte… Als Wettbewerbsaufgabe steht eine AAT mit drei Wendezylindern, die mit unterschiedlichen Radien über den Flugplätzen Wershofen, Elz und Dierdorf-Wienau liegen. Dank der Wendebereiche sind darin Strecken von 95 bis über 250 Kilometer möglich. Startbereitschaft: 12 Uhr. Noch eineinhalb Stunden um zu Frühstücken, den ganzen Kladderadatsch wie Karten, Außenlande-und-Zeit-bis-Rückholer-da-Lektüre, Müsliriegel, Sonnenbrillen und das Navi im Flieger zu verstauen. Die Halterung für letzteres passt natürlich nicht, sodass ich beschließe, es in die Seitentasche zu legen und immer mal drauf zu gucken. Durch meine Trödelei stehe ich ganz vorn in der Startaufstellung und bekomme dadurch zusätzlich Druck – und genau das hatte ich eigentlich vermeiden wollen.

Kaum sitze ich im Flieger und habe Dank des Extra-Kissens zum ersten Mal eine bequeme Position gefunden, rollt neben mir das erste Clubklasse-Flugzeug an. Ein Starthelfer reicht mir die Haube und ich verriegle, gehe meinen Startcheck in aller Ruhe durch. Doch irgend etwas stimmt nicht. Ich sehe den Sportleiter Gerd Doepner zwar unentwegt in seine Handfunke sprechen, höre aber nichts. Mein Funkgerät spinnt. Ich probiere es ein paar Mal, aber es passiert nix. Entnervt werfe ich die Haube ab, schäle mich aus dem Cockpit und bitte ein paar Helfer, den Flieger schnell an den Rand zu schieben. Während die anderen Starten, probieren wir, den Funk in Gang zu bringen, ohne Erfolg. Schließlich reicht mir jemand eine Handfunke mit passender Frequenz und meint lapidar „Nimm die mit!“. Ich starte als vorletzter oder letzter meiner Klasse und fliege dem Schlepper erstmal ziemlich scheiße hinterher, bevor ich die Else einigermaßen im Griff habe. Aber dann läuft der Schlepp gut, so langsam habe ich die richtige Position hinter der Remo raus. Bei 500 Meter wackelt die Remo mit den Flächen und ich ziehe am Griff, obwohl mich der Pilot vorne um 100 Meter beschissen hat. Über mir gondeln etliche Flieger in mehreren Bärten vor sich hin und versuchen, an Höhe zu gewinnen. Ich eiere erstmal gut hundertfünfzig Meter Höhe ab ehe ich sowas wie Steigen finde, komme dann aber immerhin an die 1000 Meter ran.

Es ist völlig irre, das erste Mal in so einem Pulk zu fliegen. Das Flarm brüllt ununterbrochen und blinkt wie eine Lichterkette an Weihnachten. Ich komme mir ein bisschen vor wie in einer Mischung aus Top Gun und LHX – einer uralten Flugsimulation, in der die Raketenwarnung auch gar fürchterliche Geräusche aus dem PC-Speaker des 486ers quetschte. Trotz der wilden Kurbelei, in der jeder seinen eigenen Bart zu fliegen scheint ohne sich groß um Kreisrichtungen zu scheren, ist es fantastisch, dabei zu sein. Am Hang des Rheintals geht es einigermaßen aufwärts, aber auch die anderen trauen sich nur zögerlich weg vom Platz.

Nach einer gefühlten Stunde reicht es mir und ich melde Abflug Richtung West-Südwest. Mit einem heiteren Mix aus Steigen und Gleiten komme ich einigermaßen voran und korrigiere den Kurs immer mal nach einem Blick aufs Navi. Das Trinksystem an der PET-Flasche funktioniert ausgezeichnet und ich genieße die Fliegerei über der tollen Landschaft. In einiger Entfernung sehe ich das Radioteleskop Effelsberg mit seiner riesigen Schüssel. Kurz darauf passiere ich den Funkturm auf dem Schöneberg, der mit 666 Metern zu den höchsten Erhebungen der Eifel zählt. Ich halte weiter Kurs auf den Wendepunkt, sammle hier und da ein paar Meter Höhe ein und freue mich, als ich den Wendezylinder erreiche. Da ich in der Entfernung noch immer Flugzeuge sehen kann, beschließe ich, noch bis zum Flugplatz weiter zu fliegen und dort kehrt zu machen oder – im Zweifelsfall – auf dem Platz zu landen.

Mit rund 700 Höhenmesser-Metern komme ich in Wershofen an, realisiere aber noch nicht, dass das Relief bis hierhin etwa 300 Meter angestiegen ist. Ich versuche weiter, Thermik zu finden und wieder weg zu kommen, und spätestens hier beginnt eine Reihe von Fehlentscheidungen. Wobei – die erste war schon gefallen in dem Moment, als ich mich ungenügend auf den Flug vorbereitet und die Geländehöhe nicht wenigstens mal auf der Karte überflogen habe. Sinnfreier Weise versuche ich, über einem Tal südlich des Platzes Thermik zu finden, weil da bereits ein anderer Segler seine Kreise zieht, aber als ich die Nadeln an den Bäumen zählen kann, wird mir doch anders. Richtig wäre nun gewesen, den Platz direkt von Süden anzufliegen und reinzulanden, aber ich versuch noch eine ordentliche Platzeinteilung, obwohl die Höhe dafür eigentlich gar nicht ausreicht.

Ich möchte nicht wissen in welcher Höhe ich die letzte Kurve fliege, und als ich merke, dass das Fahrwerk noch drinnen ist, verheddere ich mich beim Greifen nach dem Hebel vermutlich im dort liegenden Handfunkgerät (Nachtrag: Laut GPS-Log war meine Höhe in der letzten Kurve 15 Meter GND). Die Else bumst dank stimmigen Gleitpfades noch sanft auf die Erde, allerdings ziehe ich vor Schreck die Klappen ein – ein Fehler, der schon zu einigen Rotzlandungen mit dem Flieger führte. Sie steigt weg, und ich versuche nochmal, das Fahrwerk auszufahren, aber es klappt nicht. Das zweite mal treffe ich die Erdoberfläche und es rumpelt gewaltig. Über die Wiese und einen Feldweg rutsche ich in den Flugplatz hinein und komme schließlich zum Stehen. Ich lege die Haube beiseite und muss aus dem Cockpit, der Puls ist sonstwo und im Geiste frage ich mich bereits, ob das Anspannen der Muskeln und das rausdrücken aus dem Sitz meinen Rücken vor größerem Schaden bewahrt haben. Ich ärgere mich kein Bisschen darüber, dass ich jenseits der Mönchsheide gelandet bin. Aber wie ich das gemacht habe, das regt mich unfassbar auf. So viel Dummheit und unnötiges Risiko – das ist einfach nur mies.

Langsam kommen Mitglieder der Segelfluggruppe Wershofen auf mich zu, kopfschüttelnd, aber offenbar auch froh, dass ich unverletzt aussteige. Wir schieben den Flieger aus der Bahn und ich muss mich erstmal sammeln. Die Wershofener und zwei Flieger aus Koblenz leisten psychische Aufbauhilfe. „Es gibt zwei Sorten von Piloten. Diejenigen, die die Landung ohne Fahrwerk noch vor sich und die, die es bereits erlebt haben.“ Treffender hätte man es nicht kommentieren können. Das muntert mich wenig auf, und als ich die Kratzer am Rumpf der Else sehe frage ich mich, ab wann es Zeit ist, das ganze einfach sein zu lassen. Bin ich zu blöd? Eigentlich nicht, denn jede Fehlentscheidung, die ich getroffen habe, ist mir bewusst. Auch am Abend auf der Mönchsheide bekomme ich an vielen Ecken zu hören, ich solle das als Erfahrung verbuchen. Mir fällt der Satz vom Tauchaer Fluglehrer Uwe ein: „Am Anfang des Fliegerlebens hat man einen großen Sack mit Glückspfennigen. Das werden aber immer weniger und man tut gut daran, den Schwund mit Erfahrung auszugleichen.“ Ich hoffe, dass meine Pfennige mich noch ein bisschen beschützen.

Als Ramona und Robert mit meinem Auto und dem Hänger kommen regnet es. Als die Else verladen ist, hört es auf. Passender könnte es nicht sein. Dankbar nehme ich das Angebot an, mich zum Platz fahren zu lassen, zu viele Emotionen und Ärger über die eigene Unfähigkeit und das unnötige Risiko wollen erstmal verarbeitet werden. Am Abend erzähle ich die Geschichte mit meiner verkackten Landung bestimmt 20 Mal und höre von den Kameraden ähnliche Stories, die sie oder andere irgendwann erlebt haben. In den Gesprächen merke ich, dass hier auf der Bad Breisiger Segelflugwoche wirklich ein Kameradschaftsgeist gelebt wird. Das tut gut. Es baut auf nach solchen Erlebnissen. Hierfür gleich mal ein Dankeschön an alle, die dabei sind.

Mit der Landung im Feld steht für Freitag zunächst eine Kontrolle des Flugzeugs an. Erst wenn mir einer mit Sachverstand gesagt hat, dass die Blessuren an der Else nur kosmetischer Natur sind, gehe ich damit wieder in die Luft.

Fotos von meinem ersten, offiziellen Wettbewerbstag gibt es keine, dafür bin ich einfach zu satt gewesen.

P. S.: Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Landung in meine Wertung für die 100 Plätze – 100 Flüge aufnehmen soll. Eigentlich war es so mies, dass das Hohn wäre.

Landschaft, Landschaft, Landschaft.

„Seil straff“ gebe ich über Funk an den Schleppiloten der Remo durch und der Motor der in Holzbauweise gefertigten Echo-Klasse-Maschine brüllt auf. Die Else nimmt Fahrt auf und ich schwitze Blut und Wasser bei dem Versuch, die Flächen in der Luft zu halten. Erster F-Schlepp mit einem Plasteflugzeug an der Schwerpunktkupplung. Wir nehmen Fahrt auf, und in miesester Windenstartmanier bäumt sich mein Flieger auf. Einfangen, denke ich, drücke nach und zische in niedriger Höhe hinter der Remo her. Es kostet mich einige Beulen und Blessuren, bis ich eine einigermaßen gängige Position hinter dem Schleppflugzeug gefunden habe, die mich nicht völlig durchschüttelt. Bei der Wilga war das einfach: Höhenleitwerk oder Fahrwerk auf dem Horizont führen und dann einfach hinterher. Nach ein paar Minuten habe ich den Dreh raus und wir schrauben uns auf knapp 900 Meter. „Ich gehe raus und versuche mein Glück“ melde ich nach vorne, ziehe am gelben Griff und quittiere mit „frei“ per Funk. Die Wolken kommen und lösen sich wieder auf. Aber hier und da steigt es, und nach einigen Fehlgriffen erwische ich den ersten ordentlichen Bart. Es geht aufwärts, und zwar sahnig! Zwischenzeitlich klatscht der Zeiger des Varios immer mal wieder an den oberen Anschlag, es ist wie Fahrstuhlfahren.

Bei 1700 Metern ist Ende, und endlich habe ich mal Zeit, die fantastische Landschaft in der Umgebung der Mönchsheide zu genießen. Ich gleite gen Osten auf die andere Rheinseite, beobachte, wie unter mir Lastschiffe und die Autofähren ihre Bahnen ziehen. Es ist fantastisch, nach dem immergleichen Feld-Feld-Wald-Feld-Wald in Kartenähnlicher Darstellung, wie ich es von der Fliegerei in Perleberg oder Taucha gewöhnt bin auch mal sowas wie ein Relief zu sehen. Berge, Täler, den großen Fluss, Seen. Eine Funkstation, ein großes Kraftwerk, zwei Autobahnbrücken. Orientierungspunkte einprägen und merken, wie man den Flugplatz wieder findet.

Von der perfekten Sitzposition bin ich zwar nach wie vor weit entfernt, aber dank einiger Kissen geht es. Noch etwas mehr Stopfmasse unter den Hintern und es dürfte passen. Die Investition in ein Trinksystem, dass sich mit normalen PET-Flaschen koppeln lässt, hat sich hingegen bezahlt gemacht. Genüsslich aus dem Schlauch süffeln ohne alles einzusauen – in Perleberg hatte ich beim Trinken aus der Flasche mal beinahe den Piraten geflutet… Auch das Flarm funktioniert wieder tadellos, nachdem es den Platz vom Piraten in die Else gewechselt hat.

Ich habe keine Ahnung wie lange ich in der Luft bin, merke aber, dass ich für das wilde Gekreise und gleichzeitiges Kartenlesen definitiv zu wenig gegessen habe. Aber einfach mal eben die Höhe abgleiten ist nicht. Im Geradeausflug nach Westen mit 120 Sachen habe ich immernoch Steigen, also bleibe ich noch etwas, um den Thermikgott nicht völlig zu verärgern. Ein vor mir landender Segler erspart mir die peinliche Frage per Funk, welche Platzrunde hier geflogen wird. Schlecht informiert, ermahne ich mich selbst. Östlich des Platzes kreise ich mich langsam herunter und gehe schließlich in den Gegenanflug. Mit 300 Metern melde ich mich zu Landung, um genügend Reserve für das unbekannte Terrain zu haben. Dritte und vierte Kurve und dann ein sauberer Landeanflug: Meine von der Physiotherapie am Morgen geschundene Wirbelsäule hat eine neuerliche Folter bei einer harten Landung einfach nicht verdient. Und sieh da, mit halb gezogener Klappe gleitet die Else auch ordentlich gen Globus, lässt sich sauber abfangen und aufsetzen.

Wie die vor mir gelandeten rolle ich nach rechts aus der Bahn und gondele zurück zum Hänger, um Auto, Kuler und Seil zu holen. Flächenrad ist Luxus, an eine Schleppstange gar nicht zu denken. Wir kommen ja aus dem Osten. Zwei Mann haben Mitleid und helfen mir, den Flieger zum Hänger zu ziehen. Beim Abrüsten kommt die Überraschung. Die Sonde am Seitenleitwerk klemmt, und nur mit zwei Zangen ist das Rohr zu lösen. Auch beim Trennen der Ruderanschlüsse habe ich geschlampt und den rechten Hotelierverschluss des Querruders zwar von Seiner Fokkernadel befreit, aber nicht richtig ausgehängt. Gotteseidank bemerke ich das beim Herausziehen der Fläche sofort und kann regieren, bevor das Gestänge Schaden nimmt. Gegen 19 Uhr sind die Klappen des Hängers dicht und zur Feier des Tages gönne ich mir im Flugplatzcasino ein exzellentes Chili con carne, mit anderen Fliegern ins Gespräch vertieft. Ein schöner Abschluss für den ersten Flugtag auf der Mönchsheide, der mein Spaßprojekt mit dem Titel 100 Plätze – 100 Flüge einleitet. Mal gucken, ob ich 100 Flugplätze in Deutschland zusammen bekomme. Gibt es überhaupt so viele?

Cumulus auf 12 Uhr.
Cumulus auf 12 Uhr.
Blick ins Rheintal.
Blick ins Rheintal.
Blick in Richtung Nordwest auf das Rheintal.
Blick in Richtung Nordwest auf das Rheintal.
Die Autobahn A61 westlich des Flugplatzes.
Die Autobahn A61 westlich des Flugplatzes.
Putzen und Abrüsten.
Putzen und Abrüsten.