Auch wenn schon wieder eine Woche vergangen ist, muss mein Vier-Tage-Flugwochenende vom 30. September bis 3. Oktober hier verewigt werden, denn es waren vier wirklich coole Tage.
Am Freitag stand Gästefliegen auf dem Programm. Schon lange hatte ich meinem Kollegen Ralf versprochen, mal eine gemeinsame Runde zu drehen. Eigentlich wollten wir das schon im Sommer tun, es hatte sich aber nie so richtig ergeben, und meine Sprüche ala „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit“ waren bei Ralf auf sehr fruchtbaren Boden gefallen. Als Modellflieger, der schon immer mit dem Segelflug geliebäugelt hatte, war inzwischen selbst Mitglied bei der Fliegergruppe Wolf Hirth und in Ausbildung, dennoch wollte er mit mir fliegen. Außerdem dabei: Markus von der Motorrad-Redaktion, ein wahnsinnig netter Kollege mit großem Interesse an der Fliegerei, bei dem der Boden ähnlich Fruchtbar schien. Und Petra, eine der guten Seelen aus der Grafik, die auch mittelmäßig verkackte Bilder immernoch irgendwie retten.
So schlagen wir gegen 13.50 Uhr auf dem Flugplatz auf, nachdem ich meine erste Motorradfahrt seit bestimmt sieben Jahren überlebt hatte (als Sozius bei Markus auf der Africa Twin) und einer irrfahrt durch das Baustellenwirrwarr in Kirchheim. Petra wartet schon auf uns, und nachdem ich im Briefingraum alle Dokumente, zwei Schirme und die Bodenfunke zusammengekrallt habe, düsen wir auch schon zur Halle.
Mit zwei Helfern ist der Duo zackig aus der Halle gerollt, Akkus rein, Schleppstange und Flächenrad dran und es geht zur Startstelle. Jo ist als Schleppilot da, denn auch mein Kollege Gerhard Marzinzik hat heute einene Termin auf der Hahnweide, um den Ventus 3 für einen Pilot Report zu fliegen. Kaum an der Startstelle, kommt auch Ralf an und hat seinen Sohn Max dabei. Noch sieben Jahre, und der Zwerg kann auch Anfangen, so Ralfs Hoffnung. Klar: Wenn zwei Männer der Familie am Wochenende auf den Flugplatz wollen, kann Mama schlecht nein sagen…
Markus traut sich als erstes zu mir ins Cockpit. Und das trotz der Warnung von Jo, dass es bockig ist wie sau und der Tag nicht wirklich für Gästeflüge taugt. Immer wieder habe ich ihm vom Segelfliegen vorgeschwärmt, habe mit ihm Videos geguckt, die ich mit der GoPro aufgenommen hatte und dabei gespürt, dass er jemand ist, der innerlich totel fürs Fliegen brennt. Ich freue mich richtig auf den Flug mit ihm! Und weil ich hier sowieso immer Selbsverherrlichung par Excellence betreibe, soll für diesen Flug mein Fluggast zu Wort kommen:
Genau so stelle ich mir einen guten Piloten vor: Einen, der vor dem Start verantwortungsvoll Technik und Ruder-Funktionen des Duo Discus durchcheckt, bevor er seinem Passagier in Instrumente und Steuertechnik einweist. Mein Redaktionskollege wirkt routiniert, als er die Akkus anschließt und unseren Vogel zum Leben erweckt. Dann folgt das Erklären des Fallschirms und folgender Satz: „Wenn ich die Kabinenhaube öffne und RAUS schreie, verlässt Du sofort das Flugzeug. Jede weitere Frage von Dir wäre ein Selbstgespräch“. Klare Ansage. Wir legen die Schirme an, Lars verbindet die Reißleine mit dem Flugzeug, dann setzen wir uns rein und ziehen die Gurte stramm. Hinter einer Robin DR 400 werden wir nach erstaunlich langer Startstrecke in die böige Luft über der Hahnweide gezogen.
Bei etwa 800 Meter klingt Lars das Schleppseil aus und fragt Sekunden später: „ Lust auf einen Parabel-Flug?“ Klar, wenn nicht jetzt, wann dann? Lars drückt den Discus in einen Sturzflug, mein Magen steigt in den Kopf, dann ziehen wir steil nach oben, beschreiben eine Parabel und sind kurze Zeit schwerelos. Lars beendet diese Erfahrung mit einem „Wing over“ und kippt den Diskus über die rechte Fläche ab. Sehr, sehr aufregend ist das! Ich bedaure meine körperliche Verfassung, die solche Manöver leider nicht gelassen wegsteckt, sondern mit starken Irritationen aus dem Magen- und dem Kopfbereich kontert. Souverän fängt mein Pilot das Flugzeug, bringt es in eine stabile Fluglage, nur um gleich darauf in engen Schleifen der Thermik nachzuspüren. Schräglage bin ich als Motorradfahrer gewöhnt, doch hier scheinen die Gravitationskräfte etwas höher zu liegen.
Die Thermik entpuppt sich als schwach, Lars geht wieder auf die Suche und erbittet sich in vorauseilendem Optimismus eine Freigabe des Luftraumes über 5000 Fuß. Seine Funkerei wirkt genau so professionell und effektiv wie seine Flugmanöver oder sein Bewusstsein für den Gast an Bord. Alle fünf Minuten kommt die Frage nach meinem Zustand. Ich versuche, die Mitteilung, dass mir kotzübel ist, möglichst lange hinauszuzögern und schönzureden. Da! Fast gleichzeitig entdecken Lars und ich auf der Luvseite der Burg Teck zahlreiche Modellflieger im Hangaufwind. „Was die können, können wir auch“ ruft er und fliegt auf die Burg zu, die sich deutlich ÜBER unseren Duo erhebt. Ob das gut geht? Doch plötzlich geht es nach oben wie in einem Fahrstuhl und wir drehen eng an die Hangkante ein.
Mir ist immer noch schlecht, aber die Faszination des Hangfliegens packt mich voll – und über alle körperlichen Gebrechen hinweg. Lars fliegt hin und her, wir gewinnen Höhe ohne Ende und könnten stundenlang so weiter machen. Der Flug über die Burg und an der Hangkante entlang ist ein Fest für die Sinne! Jetzt kann ich nachfühlen, wie sich jene Vögel fühlen, für die der Aufwind Lebensraum ist. Doch leider kann ich mich nicht aus meinem maladen Körper befreien und der schreit nach festem Boden. Ich bin echt sauer auf meine defizitäre Physis, kann es aber nicht ändern und bitte Lars bei seiner nächsten Frage nach meinem Zustand, wieder zum Flugplatz zurückzukehren.
Wir nähern uns der Hahnweide, sind aber noch viel zu hoch für eine Landung. Lars zeigt Erfahrung und Finesse, als er mir bedeutet, die Hände locker mit an den Steuerknüppel und die Füße auf die Pedale zu legen. Diese Aufgabe zeigt Wirkung, der dringende Kotzreiz geht etwas zurück, an seine Stelle tritt Transpiration, die der großen Verantwortung geschuldet ist, ein Flugzeug zu fliegen – wenn auch mit Unterstützung von vorn. Dabei war und ist das einer meiner größten Träume: Selber zu fliegen. Auch wenn ich die rechte Fläche hängen lasse und zu wenig auf meine Geschwindigkeit achte – was Lars sofort korrigiert – , so ist die Saat doch einigermaßen gesät. Warum? Weil ich, nachdem Lars den Duo schwungvoll weich und mit schönem Störklappenspiel gelandet hat, trotz stark reduzierten Kreislaufes geistige Höhenflüge erlebe, die bis heute anhalten. Und das, obwohl ich körperlich versagt habe.
Danke, Lars für die tolle Betreuung, die unkomplizierte Gestaltung meines ersten Fluges über Süddeutschland. Danke für die großartige und nachhaltige Erfahrung, für die beglückende Sinneserweiterung. Wenn ich jetzt die Augen schließe, fliege ich wieder im Hangaufwind. Segelfliegen scheint eine wirksame Therapie gegen Arbeitsstress, Alltagsfrust und Hamsterrad-Empfindungen. Ein Garant für anhaltende Glücksgefühle. „Mach was draus“, sagt mein Pilot und prophezeit, dass der Körper sich an die neuen Erfahrungen schon gewöhnen würde. Ich bin gespannt, was dieser Flug für Auswirkungen auf meine Zukunft haben wird!
Und ja, auch mir hat der Flug mit Markus großen Spaß gemacht. Es ist einfach was anderes, wenn man jemanden dabei hat, der für etwas brennt. Ich gebe zu, auch die Motorradtour von der Redaktion bis zu mir nach Hause war toll, und irgendwann werde ich sicher wieder auf eine Maschine steigen. Aber heute ist mir das Risiko zu groß. Mag komisch klingen wenn das einer behauptet, der im Segelflugzeug mit Tempo 130 in Coktailklaureichweite an der Burg Teck langpfeffert. Aber da habe ich den Eindruck, ich kann das Risiko besser beherrschen als im Straßenverkehr, wo jede Öllache, jedes bisschen Rollsplit und jeder Depp mit Smartphone am Steuer eine Motorradtour brutalst enden lassen können.
Mit Petra läuft das Spiel nicht wesentlich anders. Bereits im Schlepp werden wir von Böen satt durchgeschüttelt, und ich lasse mich von der Schleppmaschine – dieses Mal von Tilo Holighaus pilotiert – über dem Talwald bei 3800 Fuß absetzen. Das reicht dicke zum Teckberg, und wieder steht der Wind straff am Hang. Mit 130 feile ich die Kante entlang, und beständig gewinnen wir an Höhe. Wie gehabt frage ich permanent nach dem Wohlbefinden meines Fluggastes, und die Antworten lassen auf eine unheilvolle Mischung aus Faszination für das Erlebnis und Unwohlsein in der Magengegend schließen. In solchen Momenten wird mir immer wieder klar, wie stark sich mein Körper inzwischen an das Geschaukel gewöhnt hat. Brechreiz hatte ich echt lange nicht… Nach rund 20 Minuten hat Petra genug und ich fliege zum Platz zurück kreise Höhe ab. Auch wenn ich den Duo so sanft es geht zu Erde zurück bringe – ich erlebe die Premier einer vollen Tüte.
Als wir unten sind ist Petra noch blasser als Markus eine Dreiviertelstunde zuvor. Sie tut mir einfach nur Leid, und ich ärgere mich, ihr nicht vom Flug abgeraten zu haben. Andererseits hat sie immer wieder gesagt, dass ihr normalerweise nicht schlecht wird. (Auch die Tage danach mache ich mir Gedanken darum, bekomme aber auch von ihr selbst nochmal das Feedback, dass es – abgesehen vom Ende – doch schön war)
Rund drei fliege ich mit Ralf. Ich freue mich wahnsinnig auf diesen Start. Zunächst rollt Schlepppilot nummer drei an diesem Tag – mein Kumpel Wolli – mit der Husky zum Start. Da die Möhre aber bereits früher am Tag fette blaue Rauchwolken ausgestoßen hat und Jo von Ölverlust sprach, bitte ich Wolli, den Flieger zu wechseln (Tatsächlich stellt sich Tags darauf bei einer Überprüfung fest, dass ein Zylinder gerissen ist). Mit der Schempp-Hirth-Wekrsremo rollt er schließlich vor, und das Spiel beginnt aufs Neue.
Auch mit Ralf fliege ich direkt an den Hang, und es macht einfach nur Spaß, mit einem so tollen Kameraden gemeinsam zu fliegen. Ich glaube, wir mochten uns auf Anhieb. Einfach, weil wir beide einen hohen Anspruch an unser Magazin haben, beide für die Fliegerei brennen und trotz allem Rumgealber auf der Arbeit – oder besser: im G`schäft – richtig gutes Zeug zustande bringen. So hämmern wir rund 45 Minuten am Berghang entlang, und Ralf zeigt sich erfreut, dass man die Wenden auch etwas schärfer fliegen kann. „Im Twin gibts immer nur 30 Grad Querlage in der Kurve“, kommt es von hinten lakonisch. Da das Aufwindband recht schmal ist, habe ich eigentlich keine andere Wahl, als die Wenden knackig eng zu fliegen, um nicht zu viel Höhe zu verlieren. Aber es reicht bis an den Deckel, wir halten uns immer kurz unterhalb der Freigabe und geben uns zumindest akustisch high-five. Schließlich eiern wir die Höhe ab und ich rolle den Duo bis vor die Halle. Petra und Max holen wir mit dem Auto und räumen gemeinsam auf.
Als ich am Abend mein Flugbuch schreibe, muss ich lächeln. Der Flug mit Ralf war mein insgesamt 500. Start. Und dieser Flug war dem Jubiläum angemessen schön!

Am Samstag ist nur Platzrundenwetter, und ich spiele vor allem Helfer. Starts abfertigen, Seile fahren, Pizza bestellen. Und nebenbei fallen drei kurze Flüge auf der Kilo 8 ab. Jeder Start schult, hat es in Taucha immer geheißen. Stimmt, finde ich. Gleich bei der ersten Landung habe ich im Abfangen fast den Knüppelgriff in der Hand und mach beinahe einen Ringelpiez. Ich fluche wie verrückt und rücke dann erstmal mit Messer und Panzertape an, um das Problem zu beseitigen. Sicher bestand das schon länger, aber offenbar hat keiner der Flugschüler mal was zum Technikvorstand gesagt… Die anderen beiden Flüge sind ebenso kurz, aber immerhin bleibt der Knüppelgriff da, wo er hingehört.
Am Sonntag ist das Wetter sogar noch mieser, trotzdem sind eine ganze Menge Leute da. Was tun? Es nieselt, aber Besserung ist angesagt. Also ausräumen! Am Start sitzten wir noch gut eine Stunden im Regen unterm pavillon und gucken zu, wie die Flieger nass werden. Dann aber reißt es auf, und es wird ein richtig schöner Nachmittag zum Fliegen. Bei meinem dritten Start mit der Kilo sechs – der ich für den Knüppel noch ein weiches Griffband ausm Sportgeschäft verpasst habe – reißt mir der Bowdenzug für die Bremse. Wieder ein Flieger gegroundet…
Dennoch ist der Flugtag nicht vorbei, denn als die Frage kommt, ob noch jemand Duo fliegen will wittere ich meine Chance. Und tatsächlich, gemeinsam mit Jung-Lizenzer Lucas kann ich mich nochmal eine Stunde am Hang festbeißen.
Der Tag der Deutschen Einheit schließlich bringt nochmal zwei Stunden und zwei Minuten mit der Kilo 9 – natürlich mit 18 Metern – an der Burg. Zugegeben, ich komme grenzwertig tief am Hangfuß an, aber die Flugmodelle lassen gute Aufwinde erwarten. Und wenn nicht, dann lande ich halt in Nabern oder irgendwo auf’m Feld, gibt ja genug davon. Aber, Tatsache, der Hang geht wie sau, und nach vielleicht zehn Minuten Schleifen fliegen bin ich schon über Teck-Niveau. Als ich kurz vorm Deckel bin, nehme ich Kurs auf die Burg Neuffen, vielleicht funzt es da ja auch. Das ist aber nur Wunschdenken, als ich dort bin, kann ich schon fast die Zahlen auf den Kassenzetteln lesen. Mit Mühe kämpfe ich mich zurück zur Hahnweide, und ein Bart irgendwo dazwischen rettet mich. Zurück an der Teck feuere ich mit bestimmt zehn anderen Seglern am Hang lang. Schließlich kreise ich gemeinsam mit einem Astir der Dettinger, zumindest lässt die Wettbewerbskennung D7 darauf schließen. Dann fliegen wir gemeinsam Richtung Süden ab, machen parallele Parabelflüge und grinsen uns zwischendurch immer wieder gegenseitig zu. Ach, für solche Momente liebe ich das Fiegen!
Als ich ande, beginnt es zu regnen. Klatschnass ziehe ich den Flieger in die Halle und rüste ihn dann aus der Halle in den Anhänger. Im Flugplatzrestaurant lassen wir den Tag schließlich bei warmen Getränken und Anekdoten rund um die Fliegerei ausklingen.
Fazit: Vier Tage, zwölf Flüge und insgesamt gute sechs Stunden Flugzeit. Könnte der passende Saisonabschluss gewesen sein. Mal gucken, was noch kommt…