Paragrafenmarathon die Zweite

Anknüpfend an die gestrige Theorieschulung ging es heute mit dem zweiten Teil der Luftrechtslehre weiter – Dank meines engagierten Einkaufs bei Conrad Elektro sogar mit funktionierendem Polylux. Besonderes Gewicht lag dabei auf der Unterteilung des Himmels in unterschiedliche Lufträume. Wer darf im Sichtflug wo fliegen, wann besteht die Gefahr, dass ein Jumbo im Instrumentenflug mit einer Sinkrate von bis zu 15m/s aus einer Wolke fällt und und und und. Überaus interessant war der Punkt Versicherungen sowie Ordnungswidrigkeiten und Straftaten: Für eine Luftfahrt-Ordnungswidrigkeit werden Bußgelder von 5000-50.000 Euro verhängt. Bei Straftaten können sogar bis zu fünf Jahre Haft drohen. Wenn man beispielsweise mit einem Segelflugzeug, dessen Betriebserlaubnis abgelaufen ist und quasi der Tüff ansteht, fliegt, ist das schon eine Straftat und wird immens teuer. Weniger dramatisch ist es da, wenn man bei einer Außenladung Bauer`s Acker umpflügt, denn für den entstandenen Schaden muss die Haftpflicht aufkommen. Den Abschluss bildete heute die Segelflugbetriebsordnung im allgemeinen und die Flugbetriebsordnung des Flugplatzes Taucha, für den einige Lagebedingte Sonderregelungen gelten, im speziellen.

Als Fluglehrer Uwe wieder mal aus dem Nähkästchen plauderte ergab sich darüber hinaus die Antwort auf die Frage, warum im Schulungsraum zwei eingerahmte Fotos mit irgendwelchen Leuten hängen: Die beiden sind beim Segelfliegen abgestürzt und umgekommen. Ein Restrisiko bleibt immer.

Paragrafenmarathon die Erste

Der Straßenverkehr erstreckt sich in zwei Dimensionen und wird schon durch eine Unmenge an Gesetzen und Verordnungen geregelt. Hebt man vom Boden ab und gibt seiner Bewegung eine dritte Dimension, steigt der Paragraphenwust exponentiell. Dementsprechend ist das ganze zweite Wochenende meiner theoretischen Schulung in der Segelflugausbildung allein dem Komplex Luftrecht vorbehalten. Im ersten Teil der Sitzung quälte uns Fluglehrer Uwe Hölling mit der grundlegenden Struktur des Luftrechts. Vom Grundgesetz über das Luftverkehrsgesetz bis hin zu Luftverkehrs-, Luftverkehrszulassungs- und Luftpersonalverordnung. Dazu hatte er wunderschöne Folien vorbereitet, allerdings gab gab die Lampe des Polylux (für BRD-sozialisierte Mitbürger Overheadprojektor) mittendrin den Geist auf. Weiter ging es mit turnusmäßigen Prüfungen von Fluggeräten, internationalen Luftfahrtorganisationen und Maßeinheiten sowie Verordnungen zum Betrieb von Flugplätzen. Den weitaus größten Teil umfasste die Luftverkehrsordnung, die die grundlegenden Richtlinien für sichere Flüge im immer voller werdenden deutschen Luftraum regelt. Parallele zum Straßenverkehr: es gilt rechts vor links. Verwirrende Abweichung: überholt wird rechts…

Zur Auflockerung streute Uwe alle dreiviertel Stunde einen Fragebogen mit 3-5 Fragen zum eben gehörten Themenkomplex unters lernwillige Volk, das mit den Antworten mehr oder minder brillieren konnte. Kommentar von Uwe: „Wenn ich das nicht mache, pennt ihr mir bloß ein!“

 

Zum Abschluss klärten sich noch einige Unsicherheiten bezüglich meines Vereinsbeitritts: Die endgültige Entscheidung fällt definitiv erst nach dem ersten Flug, wenn ich mir sicher bin, dass meine Ohren mitspielen. Darüber hinaus muss ich im Laufe der nächsten Woche einen Fliegerarzt kontaktieren, um abzuklären, ob ein zu kleines Lungenvolumen die Flugtauglichkeit beeinträchtigt. Wenn ja, könnte das meine „Pilotenlaufbahn“ schneller beenden als mir das lieb ist. Nun ja, kommt Zeit, kommt Rat.

Geradeausflug, Windenschlepp und Außenlandung

7.45 Aufstehen, und das zum Sonntag… Gar nicht meine Baustelle! Aber nichts zu machen, Punkt neun sollte ich wieder zum Theoriekurs im Fliegerclub Taucha erscheinen. Thema: Fluglehre. Dazu gehört im Prinzip jeder mögliche (und unmögliche) Zustand, den ein Segelflugzeug im Flug erreichen kann. Los gings mit den grundlegenden Flugmanövern wie Geradeausflug, Kurvenflug, Einsatz von Seiten-, Höhen- und Querruder. Dann gings weiter mit dem Fliegen in der Platzrunde. Insbesondere die Meldungen, die vom Piloten an bestimmten Punkten über Funk an den Flugleitstand durchgegeben werden müssen, um die Sicherheit zu gewährleisten, erinnern schon an professionelle Fliegerei. Kurz vor dem Start hört sich dass dann in etwa so an:

„Haube geschlossen und verriegelt, Trimmung neutral, Bremsklappen eingefahren, Besatzung angeschnallt, alle Ruder frei und beweglich.“

Wenn dann die Startfreigabe kommt und der Windenfahrer Gas gibt, gehts ab nach oben. Theoretisch zumindest. Danach waren die möglichen Startarten Windenschlepp und Flugzeugschlepp mit den jeweiligen Besonderheiten dran. Vor allem beim Windenstart erfordert ein plötzlicher Seilriss (in Taucha schon einige Male vorgekommen) entschlossenes und schnelles Handeln, damit der Flieger nicht wie ein Stein auf den Boden fällt. Im Anschluss folgten Landung, anormale Fluglagen (Langsamflug, Abrutschen und Trudeln) und die Grundlagen des Thermikfluges. Zitat des Fluglehrers: „Motorpiloten fliegen mit dem Motor, Segelflieger mit dem Hirn.“ Es Bedarf schon einer reichlichen Portion Wissen und Cleverniss, das Segelflugzeug von einer Thermkiströmung zur nächsten zu steuern, um die im Gleitflug verlorene Höhe durch kreisen im Aufwind wieder zu gewinnen.

Der letzte Punkt auf der Tagesordnung war die Außenlandung. Ab und zu kommt es durchaus vor, dass plötzlich keine Thermik mehr im Fluggebiet zu finden ist und man beständig an Höhe verliert, der eigene Flugplatz aber noch etliche Kilometer entfernt ist. Dann bleibt einem nichts anderes übrig, als sich irgendwo am Boden eine geeignete Fläche zu suchen und den Flieger in den Dreck zu setzen. Danach werden über Funk oder Handy die Vereinskameraden gerufen, die einen via Hänger nach Hause transportieren. Ehrensache, dass dafür wenigstens ein Kasten Bier gesponsert wird. Fluglehrer Rolf Barthel hat das in seinen mehr als 30 Jahren Segelfliegerzeit schon des öfteren erlebt. Einmal direkt auf einem Acker neben der Kneipe gelandet, die dummerweise auch noch geschlossen hatte. Viel schlimmer allerdings die Landung nur vier Kilometer vom eigenen Platz entfernt, quasi auf Sichtweite der Kameraden. 200 Meter mehr an Höhe und er hätte es geschafft. Hätte.

Bei aller Begeisterung, die mich so langsam packt, bleibt immer noch ein Wermutstropfen: Da ich noch nicht geflogen bin weis ich nicht, wie meine lädierten Ohren auf die Windgeräusche und die dauernden Druckunterschiede im Flieger reagieren werden. Hoffentlich lässt sich das mit Ohrenstöpseln regeln… Wenn nicht wärs scheisse 😦

Der Sprung ins kalte Wasser

Ganz so direkt hatte ich mir das dann doch nicht vorgestellt…

Eigentlich wollte ich mir den Fliegerclub Leipzig Taucha nur mal aus der Nähe ansehen und Informationen zu Umfang und Kosten der Segelflugausbildung einholen. Also per Mail einen Termin vereinbart und hingefahren. Der Vorsitzende Uwe Tessmann empfing mich freundlich, führte mich auf der gesamten Anlage herum, zeigte mir alle Einrichtungen, die zum Betrieb eines Segelflugplatzes notwendig sind und beantwortete geduldig meine Fragen. Der Ausbildungsleiter war gerade zum Mittagessen, also machten wir es uns am Ofen im Vereinshaus bequem und Uwe fragte mich etwas über meine Motivation aus. Viel gabs da nicht zu erzählen, lediglich dass ich schon seit drei Jahren in Leipzig bin und neben meinem Studium eigentlich kein ernsthaftes Engagement habe (vom Posten eines Gitarristen bei einer im Wachkoma vor sich hin tüdelnden Geraer Band mal abgesehen). Genau so hatte ich mir das bis dahin vorgestellt, interessanter Verein, nette Leute, periswerte Ausbildung. Abschluss der Entscheidungsphase sollte ein Gästeflug in einem der Segler sein. Versicherungstechnisch leider erst im April möglich. Schade dachte ich schon, muss ich mich wohl gedulden… Als Der Ausbildungsleiter endlich wieder da war, kam Uwe unvermittelt zur Sache: „Sag mal, kann der junge Mann in den Theoriekurs noch einsteigen? So viele Stunden sind doch noch nicht gelaufen oder…? Einige Minuten später saß ich auch schon im Schulungsraum, zusammen mit 5 weiteren „Anwärtern“ und lauschte den Ausführungen über Fluginstrumente, GPS-Navigation und Triebwerkstechniken (nur relevant für Motorsegler).

Kurz nach Ende des Unterrichts, etwa drei Stunden später, pfiff mich der Vereinsvorsitzende Uwe Hölling in sein Büro zur Vorstellung. Kurz darauf stand ich mit Aufnahmeantrag und diversem anderen Papierkram wieder bei Uwe Tessmann in der Werkstatt, wo im Winter die Flieger gewartet werden. Ich bedankte mich für die Führung und den Blick hinter die Kulissen des Vereins. Uwe wusste wahrscheinlich, dass mir sein Namensvetter die Entscheidung über den möglichen Vereinsbeitritt nahezu abgenommen hatte und begrüßte mich als neues Mitglied.

Erst auf der Heimfahrt wurde mir so richtig bewusst, dass es jetzt eigentlich kein Zurück mehr gab. Zwar ist der Antrag noch nicht unterschrieben, aber jetzt einen Rückzieher zu machen wäre doch a weng feige. Außerdem: Warum nicht mal was neues wagen? Wie sagte der Geschäftsführer so schön: Wir hatten Flugschüler, die noch bis zu ihrer praktischen Prüfung regelmäßig ins Cockpit gereiert haben. Aber die haben wir auch durchgebracht…

Na dann, schauen wir was da kommt, die Dokumentation folgt an gleicher Stelle.