Flying in a Winter-Wonderland

Ich werde bequem. Zumindest gewinne ich diesen Eindruck, wenn ich meine Winterflugaktivitäten in diesem Jahr mit denen der Vorjahre vergleiche. Kaum erkannt, dass auf der Hahnweide die Saison eigentlich nie endet und die Thermik lediglich durch Hangwind und Welle abgelöst wird, war der Blick in die App „Windfinder“ ab Donnerstag obligatorisch, um die Lage fürs Wochenende zu checken auch ja keinen fliegbaren Tag zu verpassen. Nieselregen, leichter Schnefall, Affenkälte – wurschd, hauptsache Arsch in der Luft. Inzwischen aber kommen immer häufiger die Zweifel, ob ich mir für ein paar Minuten Flugspaß den Aufwand antun muss. Ab und an aber ist der innere Schweinhund mit anderem Kram beschäftigt und ich ziehe los, dick eingemummelt, mit ner Flasche heißem Tee und bisschen Knabberkram, um mir die verschneite Landschaft aus der Luft anzugucken.

Zweimal gab es in diesem Jahr diese klassischen Winter-Flugtage, am 24. Januar und am 13. Februar. Dazwischen war das Wetter einfach viel zu beschissen, um fliegen zu gehen. Viel Regen, der Platz klatschnass und auch keine Windsituation, die einen solchen Akt gerechtfertigt hätte. Am 24. hingegen war die Vorhersage gut und – noch viel wichtiger – es blieb trocken. Kurz nach dem Losfahren zuhause in Stuttgart drehe ich wieder um und hole noch Werkzeug, da ich mir nicht vorstellen kann, dass angesichts des aufkommenden Schneefalls mehr drin ist als Werkstattarbeit. Als ich aber am Flugplatz ankomme, findet sich hier ein Grüppchen hoch motivierter Kameraden, die es unbedingt wissen wollen. Mir graut davor, den Arcus aufbauen zu müssen, da der kurz zuvor noch zum Wellenflug in Mitteldeutschland unterwegs war, und ich überlege, nur den anderen zu helfen und mich dann in die Werkstatt zu verkrümeln. Als allerdings klar wird, dass ich der einzige mit drei Starts innerhalb von 90 Tagen bin, werde ich zum Arcus-Piloten bestimmt, sodass alle irgendwie in die Luft kommen. Neben der K2 gehen noch unser neuer Ventus K1 und der Discus 2c K9 an den Start sowie Tilo mit seiner VV.

Den ersten Flug mache ich zusammen mit David, einem Vereinskamerad, der in dieser Saison seinen Schein gemacht hat. Nach einem einigermaßen bockigen F-Schlepp, der stellenweise eher einem Seitengleitflug gleicht, geht es direkt an den Hang, der einigermaßen solide trägt. Tilo, der als erster gestartet war, hatte sich hier bis an den Deckel des Luftraums hocharbeiten können, aber bei uns geht es schon nicht mehr so prall. Dennoch haben wir irgendwann genug Höhe, um gegen den Wind vorzufliegen und den Sprung an die nächsten Hänge zu wagen. VV und K1 sind zu diesem Zeitpunkt schon reichlich Richtung Westen vorgeflogen. Ich hingegen taste mich vorsichtig von Grat zu Grat, weil ich dem Wind einfach nicht traue. Am Neuffen rumpelt es etwas, aber so richtig klappt es nicht. Auch die Kante des Höhenzuges, der von der Alb zum Jusi etwas westlich von Metzingen führt, funktioniert einmal mehr nicht, obwohl der Wind da volle Kanne draufbläst. Da ich keine Lust habe, mich samt Arcus irgendwo ausm Acker kratzen zu lassen, gehe ich wieder auf Kurs Teck und eiere hier noch ein bisschen rum, bis sich Rainer im Funk meldet und fragt, wann wir zurück kommen. Da ich zwecks FI-Vorbereitung noch einen Start vom hinteren Sitz machen will, fliege ich nach knapp 55 Minuten zurück zur Hahnweide und lasse den Arcus trotz satter Böen überraschend sanft auf den Asphalt der Piste 25 fallen – ein Anflug, der immer wieder ungewohnt ist.

Start zwei mit Rainer läuft ebenso bockig wie sicher ab, kaum vom Schleppflugzeug gelöst, übernimmt Rainer und ich konzentriere mich auf die Luftraumbeobachtung. Auch schön, wenn mal wer anders fliegt. Auch Rainer probiert es noch einmal Richtung Neuffen, kommt aber zu dem gleichen Ergebnis, dass es nur bedingt Punkte bringt, den Arcus in den Schnee zu stellen. Zwischenzeitlich kommt die Info, dass es Tilo wieder maximal ausgereizt hat mit dem Ergebnis, dass eine Rückholcrew gebraucht wird, die einen schneeweißen Flieger auf einer schneeweißen Wiese suchen muss. Nunja. Weil ich aber schon ewig keine Rückholtour mehr gefahren bin und mich mit Tilos Frau super verstehe, nutze ich die Chance, um mal wieder unter Leute zu kommen und melde mich freiwillig. Kaum gelandet, springe ich ins Auto, und wir fahren bis Stuttgart, wo ich meine Karre stehen lasse und wir mit einem Auto und dem Anhänger weiter fahren bis hinter Balingen, konkret ins Dorf Endingen. Einen besseren Ort für das Ende eine Streckenfluges hätte man sich kaum aussuchen können. Hier sammeln wir die VV und ihren Piloten ein, und nach eine Dreiviertelstunde Rückfahrt kippt mich Familie Holighaus in Stuttgart bei meinem Auto ab. Wieder was erlebt, wieder was zu erzählen.

Drei Wochen später dasselbe Spiel: Eine Handvoll fluggeiler Piloten mit massiven Entzugserscheinungen will spielen gehen. Der entscheidende Unterschied: Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Es ist zwar wieder arschkalt – noch kälter als beim Versuch zuvor – aber der Platz ist knackig gefroren und die Sonne scheint. Wie kalt es wirklich ist merken wir schon beim Aufrüsten, denn selbst die neuen Gasfedern im Anhänger der K9 halten den Deckel nicht, zwei Besenstiele müssen als zusätzliche Stützen herhalten. Außerdem ist es vor der Halle saumäßig glatt, und man muss tierisch aufpassen, damit man sich nicht mit einem Flugzeugteil in der Hand auf die Fresse legt. Mit zwei Discen geht es an den Start, die Köngener und ein paar Maschinen der Motorflugschule fliegen auch, und ein bisschen erinnert das ganze Ensemble an Stalingrad `43, wenn die Motorflugzeuge eine weiße Wolke aufwirbeln und die Segler mittendurch müssen. Allerdings ist der Beschuss weit weniger intensiv als in Pitomnik oder Gumrak seinerzeit, und auch die Außenstehenden wollen uns nicht etwa ans Leder, sondern winken uns lächelnd zu. Ich lasse zunächst meinen Kameraden Nico mit der K9 eine Runde drehen, denn Stress brauche ich nicht wirklich und außerdem muss ich meine neue Kamera mal ausprobieren. Motive gibt es ja genug.

Kaum dass ich ein paar Fotos von den Schlepps gemacht habe – nachdem der Flugleiter angefahren kam und mich gefragt hat, wer ich sei und was ich hier mache (die Anrede mit „Sie“ ließ mich in dem Moment den Schluss ziehen, dass das einer der Motorflieger ist, der nicht so häufig bei uns aufm Turm hockt…) – sehe ich die K9 einschweben und frage mich, was der nach nichtmal einer halben Stunde schon wieder hier macht. Es ist wohl doch noch bockiger als vorhergesagt, und Nico ist einmal so derbe mit dem Schädel an die Haube gedotzt, dass er die Schnauze voll hat. Na prima denke ich im Stillen.

Haube zu und Abflugmeldung. Kaum ist der kalte Wind nicht mehr zu spüren, wärmt die Sonne durch die Plexiglashaube das Gesicht. Als die Husky Fahrt aufnimmt, sehe ich noch ganze zehn Meter weit, aber da aus der weißen Puderwolke das Schleppseil kommt, liegt es nahe, das Motorflugzeug genau dort zu vermuten und stur dahin zu fliegen. Kaum ein paar Meter gerollt sehe ich wieder was und muss direkt nach dem Abheben die Nase deutlich nach links in den Wind nehmen und gleichzeitig mit der Husky in eine Art Parallel-Slip gehen, um irgendwie der Bahn zu folgen. Am Boden wars ja schon ne steife Brise, aber in ein paar Metern Höhe ist das ne ganz andere Liga. Da heißts, Knüppel festhalten bitte! Aber dank der vielen Flüge bei Hangwind bin ich da inzwischen einiges gewohnt und lasse mich nicht wirklich aus dem Konzept bringen.

Ich gönne mir 1100 Meter AGL, um etwas mehr Zeit zu haben, die Lage zu sondieren und eventuell einen Rotor für den Sprung in die Welle zu erwischen, die irgendwo sein muss. Ich finde natürlich nichts außer Steigen und Saufen im stetigen Wechsel, die beide das Vario jedes mal auf Anschlag gehen lassen. Das verspricht ein ordentlicher Ritt zu werden. Dem Wind entsprechend versuche ich es auf der Ostseite des Teckberges, aber das ist alles so turbulent, dass man nicht wirklich von entspanntem Hangfliegen sprechen kann. Stellenweise wird man mit sieben Meter pro Sekunde nach oben gerissen, nur um kurz darauf in einen Fünf-Meter-Abwind einzurasten. Vergnügungssteuerpflichtig ist das alles nicht, und auch die drei anderen Flugzeuge, die sich am Hang tummeln, scheinen ihre Mühe zu haben, so richtig was aus der brodelnden Suppe zu machen. Ein Ausflug Richtung Weilheim, wo gerne mal ein Rotor steht, erweist sich als Versuch ohne Ergebnis, abgesehen davon, dass ich ein paar Hundert Meter an Höhe verliere und mich dann wieder auf Burghöhe an den Teckberg einfädeln muss.

Nach gut 45 Minuten erwischt auch mich die Hammerböe und sorgt dafür, dass ich haptisch überprüfe, ob über mir noch Plexiglas ist. Ja, es ist noch da, und ja, das tut weh. Mich ärgert das, einfach, weil ich acro-bedingt normalerweise ein inniges Verhältnis zum Bauchgurt pflege und mich wundert, dass trotz der beinahe auf Anschag gezogenen Gurte im Discus dieses Malheur passiert. Ich fühle mich genötigt, ein Stück aus dem Gerumpel rauszufliegen und mich nochmal fester anzuschnallen, fluche lauthals über die Scheißgurte von Schroth (die bei den meisten unserer Flugzeuge inzwischen total aufgepelzt sind und sich ums Verrecken nicht ordentlich verstellen lassen) und bin zunehmend unzufrieden mit der Gesamtsituation. Außerdem meldet sich der Tee, und eiskalte Zehen habe ich auch. Eine Viertelstunde spiele ich das Rodeo noch mit, dann habe ich die Schnauze voll und setze Kurs Hahnweide. Mit Fox-Speed donnere ich in den Platz rein, weil es immernoch bockig ist wie sau und genieße das Gefühl der butterweichen Landung auf der Schneedecke. Mit Rollen bis zur Halle is aber Essig, der Widerstand des Pulvers ist einfach zu groß, und Winterreifen sind natürlich auch keine montiert.

Am Ende der beiden Winter-Flugtage stehen knapp drei Stunden im Flugbuch. Gar nicht so schlecht für einen, der Angst hat, bequem zu werden…

Avgas verdirbt den Charakter*

*Gelnhausener Sprichwort

Als ich die Haube schließe und verriegele, herrscht plötzlich Totenstille. Gespannte Stille. Das liegt aber nicht nur an den dicken Ohrenstöpseln in und den Hörschmuscheln meines Zulu 3 auf meinen Ohren. Mindestens genauso sehr ist es der Fokus auf die Sache, der mich den Rest der Welt weitgehend ausblenden lässt.

Triebwerk ausfahren. Propellerbremse entriegeln. Zündung ein. Bremsklappenhebel auf Anschlag. Der Druck auf den roten Starterknopf bringt Leben in die ASK21 Mi des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbandes. In Sekundenbruchteilen springt der Wankel an, ein kurzer Gasstoß beruhigt das kleine Kraftpaket gut zwei Meter hinter mir, sogleich geht er bei rund 3500 Umdrehungen in einen sonoren Leerlauf. Den Magnetcheck haben wir vor dem ersten Start erledigt, das kann ich mir also klemmen.

„Hahnweide Info, D-KKSH auf der 07, abflugbereit zum Eigenstart auf Piste 13.“
„SH, Wind aus 95 Grad mit fünf Knoten, Start nach eigenem Ermessen.“
„D-SH geht in die Bahn zum Eigenstart.“

Zügig schiebe ich den Gashebel auf halbe Power und löse gleichzeitig die Bremsen. Die SH hoppelt mit schleifender Fläche über das Gras der Hahnweide. Seitenruder voll rechts, um in die Bahn zu kommen, Querruder in die gleiche Richtung, damit die linke Fläche hoch kommt. Kaum ist das Flugzeug ausgerichtet, schiebe ich den Gashebel auf Anschlag, der Wankel brüllt los und wir nehmen Fahrt auf. Ein Grinsen huscht mir übers Gesicht. Leichter Zug am Knüppel, um das Bugrad zu entlasten. Man spürt förmlich, wie sie fliegen will. Noch nicht, die Fahrt muss stimmen. Kurz darauf wird das Geholper weniger und die SH steigt sportlich in den sonnigen Himmel über der Hahnweide. Am Ende des Platzes stehen 150 Meter AGL auf dem Höhenmesser, sanfte Rechtskurve in den Querabflug, Kurz vor dem parallel zum Platz verlaufenden Höhenrücken nochmal 90 Grad rechts. Ich folge exakt der Abflugroute, die mir Fluglehrer Walter beim Briefing eingeimpft hat. So werden die Ortschaften um den Flugplatz  nicht mehr als Nötig mit dem Triemwerkslärm belastet.

Nach vielleicht vier Minuten reduziere ich bei 550 Meter AGL die Leistung. Leerlauf, Temperaturcheck. Unter 50°C, alles ok. Zündung aus. Der Wankel verstummt. Propellerbremse aktivieren und Blick in den kleinen Spiegel am Panel. Der Prop läuft an den Anschlag. Erneuter Temperaturcheck. Triebwerk einfahren bis zum Warnton. Temperaturcheck. 60°C. Durch die bei stehendem Motor fehlende Kühlwasserzirkulation steigt die Temperatur zunächst an. 62°C. Könnte der Peak sein. Das Triebwerk lugt noch halb aus dem Rumpf – Kühlposition. Ich konzentriere mich derweil aufs Fliegen. Das Wetter ist überragend – Sonnenschein, wenig Wind, kaum Wolken. Sogar ein bisschen Thermik, die immer mal unter die Flächen greift. Temperaturcheck: 60 Grad. Zwei Grad Abkühlung heißt einfahren. Es rumpelt hinter mir, als der Propellerturm auf Anschlag fährt und sich die Klappen schließen. Jetzt ist die SH ein ganz normales Segelflugzeug und fühlt sich auch so an. Ich kreise entspannt meine Höhe ab, hole Fahrt auf, stelle die ASK21 auf die Flächenspitze und ziehe einen schönen Steilkreis über dem Talwald. Kurz darauf melde ich Queranflug zur 07 und bringe uns wieder auf den Boden.

Vier Alleinstarts stehen noch bevor, und mit jeder Abflugbereit-Meldung werden die Handgriffe sicherer, steigt der Spaß am unabhängigen Segelflug.

Rückblick: Lange hatte ich gezögert, das Projekt Eigenstartberechtigung anzugehen. Schon der Lärm in unserem Duo XLT war eine Sache, die mir nicht wirklich behagte. Mit Ohrenstöpseln und Aktivheadset ging das zumindest einigermaßen. Seitdem ich die Einweisung darauf gemacht hatte, hatte ich den Turbo aber nicht wieder gebraucht. Nun wollte ich das Ganze mit mehr Power nochmal probieren, denn jobbedingt würde sich früher oder später ohnehin die Notwendigkeit ergeben, auch mal einen Segler im Eigenstart in die Luft zu bringen.

Organisatorisch war das ganze simpel. Der BWLV verfügt über eine eigene ASK21 Mi, die auf der Hahnweide stationiert ist und von Mitgliedern für Einweisungen oder zur privaten Nutzung gechartert werden kann. Kurze Wege also. Walter von der Fliegergruppe Neckertal-Köngen erklärte sich bereit, mich in das Flugzeug und den Eigenstart einzuweisen.

Wie sooft steht am Anfang ein kurzer Theorieblock an. Der hat aber weniger flugtechnische Aspekte zum Inhalt, als vielmehr eine gründliche Einweisung in die An- und Abflugrouten, an die sich motorisierte Luftfahrzeuge aus Lärmschutzgründen zu halten haben. Nach anderthalb Jahren auf der Hahnweide mit den Örtlichkeiten hinreichend vertraut, sollte es kein Problem sein, sich daran zu halten.

Schritt zwei: Papierkram in der Motorflugschule. Medical und Lizenz vorzeigen, kopieren lassen und Chartervertrag unterschreiben.

Schritt drei: Avgas tanken. Auch was neues. Zwar hatte ich schonmal einen unserer Lepos mit Diesel befüllt, aber die Flugzeugtankstelle ist Neuland für mich. Mit zwei Kanistern voll Sprit geht es zum Flugzeug, das andere Köngener bereits bereitgestellt haben. Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich das eigentlich hasse, wenn mir andere das Fluggerät fertig machen. 23 Liter fasst der Rumpftank der ASK21, wir füllen bis Oberkante auf.

Schritt vier: Vorflugkontrolle. Praktischerweise beginnen wir gleich am Triebwerk. Keilriemenspannung checken, Kontrolle der Ölmenge – der Wankel ist getrennt geschmiert – und an allem mal rumwackeln und gucken, ob das, was fest sein sollte, auch fest ist.

Weiter geht es im Cockpit. Walter erklärt mir in aller Ruhe die Bedienelemente des Triebwerks – der Rest der Steuerung ist ja bekannt. Ein bisschen verdutzt guckt mein Fluglehrer, als ich gestehe, dass ich auf der 21 an sich ganze drei Minuten Flugzeit vorzuweisen habe. Ne Platzrunde mit Bernd Dolba auf der Mönchsheide. Und zwar nur, damit ich diesen Typ auch mal im Flugbuch stehen habe. Tatsache, keiner der drei Vereine, bei denen ich bisher geflogen bin, hatte den Schulbomber schlechthin in der Flotte.

Nun geht`s ans Eingemachte. Wir lassen uns ins Cockpit fallen und schnallen uns an. Stöpsel rein, Headset drauf und Haube zu. Dank Intercom kann mein Fluglehrer selbst durch den Motorenlärm hindurch problemlos Anweisungen geben. Bevor der Lärm kommt, muss die Kiste aber erstmal anspringen. Es orgelt und orgelt, aber der Wankel bleibt stumm. Es ist einfach zu kalt. Eine Köngenerin kommt mit Auto und Starthilfekabel. Kaum liegt Saft an, erwacht der Motor aus seiner Lethargie. „Wenn der erstmal warm ist, geht es deutlich besser“, sagt Walter. Haube zu und los. Das Rollen mit abgelegtem Flügel ist völlig ungewohnt, und die sensible Bugradsteuerung verlangt Gefühl. Aus Gewohnheit latsche ich voll in die Pedale, was bei wenig fahrt im Ausrollen natürlich sinnvoll ist, um mit dem Seitenruder eine Richtungsänderung zu erreichen. Jetzt ist es total kontraproduktiv und es dauert bis zum Rollhalt, bis ich das einigermaßen raus habe.

Bremsklappen ziehen zum Stoppen. Drehzahl auf 6000, dann Magnetcheck. Der Drehzahlabfall ist in Ordnung. „D-SH Abflugbereit am Rollhalt 13“, gibt Walter über Funk durch. Der Turm quittiert. Wir rollen in die Bahn. Der Wankel brüllt auf und ich bringe die 21 mit Hilfe von Walters Kommandos in die Luft. Wir folgen exakt der F-Schlepp-Route. Und, zugegeben, ich habe Spaß am selbstbestimmten Segelflug.

Insgesamt sechs Flüge mache ich mit Walter gemeinsam. Während das Handling des Flugzeuges im Kraftflug und die Triebwerksbedienung in den ersten beiden Flügen dominieren, geht es danach vor allem um das Situationsmanagement bei Problemen. Flugverhalten mit ausgefahrenem, aber gestopptem Antrieb, Überziehen, Kurvenflug und natürlich Landen. Weiterhin fliegen wir einen Touch & Go sowie eine simulierte Startunterbrechung. „Das passt, jetzt fünfmal solo“, schließt Walter nach der letzten gemeinsamen Landung.

Nach meinem letzten Soloflug rolle ich direkt vor der Halle aus. Jetzt heißt es putzen, denn die feuchte Piste hat ihre Spuren am Rumpf hinterlassen. Doch die 21 verlangt etwas mehr Einsatz: In der Radschale hat ich reichlich dreck gesammelt, der auch noch angefroren ist, und die Flächenrädchen sind sogar festgefroren. Nach gut einer Stunde ist alles erledigt, und wir machen noch den Papierkram fertig. Und als ob es nicht genug Avgas für den Tag gewesen wäre, geht ich anschließend mit meinem Kollegen Philipp noch eine Runde mit der Cessna über die Schwäbische Alb.

 

 

Die perfekte Welle

…war das, was ich zwei Wochen nach der Eigenstart-Einweisung erlebt habe, vielleicht nicht. Aber da es meine erste Welle überhaupt war, muss sie an dieser Stelle natürlich Erwähnung finden.

Als ich am Freitag in den Windfinder gucke, ist klar, dass zumindest der Osthang des Teckbergs gehen sollte. Also schonmal positive Grundstimmung. Einige andere Bekloppte, denen Minusgrade völlig egal sind, hatten sich auch vorab gemeldet, dass sie Lust zu fliegen haben, und ein Schlepppilot war auch organisiert. So sollte sich problemlos Flugbetrieb organisieren lassen. Da unser Duo noch in der Winterwartung liegt, werde ich wohl Twin fliegen und mitnehmen, wer lust hat.

Als ich auf der Hahnweide aufschlage, ist der Twin bereits unterwegs. Tatsächlich hatten andere die gleiche Idee, und da der Schlepppilot seinen Schleppdienst an jemand anderen weiter gereicht hat und stattdessen als Fluglehrer Checkflüge auf dem Twin macht, kann ich mir den Discus 2c „K9“ aufbauen und mich um mich selbst kümmern. Da auch der Werks-Arcus von Schempp-Hirth fliegen wird, kommen alle irgendwie in die Luft. Auch Tilo fliegt, er will den Ventus 3M mal in der Thermik ausprobieren.

Während wir aufrüsten, wird der Wind deutlich stärker. Zwischenzeitlich ist sogar von Abbruch die Rede, weil die Böen immer mehr Nordkomponente bekommen, und der Schlepppilot in der Husky massive Probleme hat, die Richtung zu halten. Die Schempp-Hirth-Remo ist die Rettung. Mit der geht es auch bei straffem Querwind.

Der Start ist wirklich sportlich. Nach kurzer Rollstrecke kann ich die K9 vom Boden heben, aber die Remo braucht lange. Kaum hebt auch sie ab, kriege eine saftige Böe ab, die das Flugzeug nochmal auf den Boden drückt. Doch jetzt kann ich der Schleppmaschine hinterher steigen und aus den Turbulenzen raus. Der Wind ist zwar straff, aber mit 30, 40 Meter Luft unter den Flächen kann man wenigstens vernünftig gegensteuern. Bei 1050 Metern MSL ziehe ich am gelben Griff und bin frei.

In Richtung Teckberg muss ich die Nase richtig runter nehmen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Die Luft ist wahnsinnig turbulent, aber wo es runter geht, geht es irgendwann auch rauf. Das passiert kurz vor dem Berg, auf der Leeseite. Also doch Welle. Über Funk gibt mir Tilo durch, dass es über der Teck super geht und man ab etwa 1300 Meter MSL in die Welle einsteigen kann. Ich brauche etwas, bis ich das Steigen einigermaßen nutzen kann, feile zuerst den ganzen Osthang entlang, stelle aber fest, dass es günstiger ist, über der Burg Achten zu fliegen. Bis auf 1500 Meter AGL geht es hoch. Über Funk gibt mir Tilo den Tipp, dass zwischen Weilheim und Neidlingen wieder eine Welle steht. Um dorthin zu kommen, brauche ich zwei Anläufe. Einmal muss ich zur Teck zurückfliegen und nochmal Höhe tanken. Dann aber klappt es mit dem Einstieg in die Welle. Der Rotor ist reichlich turbulent, aber bei ca 1400 Meter geht es ins laminare über. Bei 95 am Stau und 20 km/h über Grund steige ich fast auf der Stelle mit anderhalb bis zwei Metern. Und das bei bestem Wetter. Wenn man einmal über die Inversion hinaus ist, kann man bis zu den Alpen gucken. Was für ein Panorama.

 

 

Später fliege ich zurück zur Teck, tanke nochmal Höhe und fliege ohne Saufen durchs Lee des Teckberges zur Bassgeige. Hier kurble ich gemeinsam mit dem Arcus, bis der Aufgrund von Übelkeit beim Co-Piloten abdrehen muss. Dann kommt auch Tilo von seinem Ausflug zurück und wir fliegen gemeinsam nochmal das Lenninger Tal auf und ab. Auch für eine kleine Fotosession ist Zeit, die mir schmerzlich bewusst macht, dass ich mir endlich mal ne ordentliche Kamera fürs Cockpit kaufen muss…

 

 

Als ich als letzter an diesem Tag zu Landung komme, sind mehr als vier Stunden seit dem Start vergangen. Das erste mal bin ich mit einer Landung in diesem Muster wirklich zufrieden, es ist der perfekte Abschluss eines fantastischen Flugtages. Nur das Putzen ist jetzt richtig Strafarbeit – der ganze Matsch ist festgefroren. Und dabei habe ich noch Schwein, dass bei mir nix eingefroren war. Beim Ventus und beim Arcus waren die Heckräder fest und nach der Landung auf Asphalt eckig…

 

 

Wie üblich nach so einer Aktion fallen Tilo und ich uns in die Arme. Das ist genau das, was ich an dem Kerl so mag: Er ist Anfang des Jahres Grand Prix in Chile geflogen, hat viel Wettbewerbserfahrung und das Segelfliegen in den Genen. Trotzdem setzt er sich bei Bedingungen, die definitiv nicht für Rekordstrecken taugen, ins Flugzeug und fliegt. Einfach um des Fliegens willen. So muss das sein.

Einen Tag später sind nochmal – aber bei etwas schwächeren Bedingungen – 50 Minuten auf dem Twin drin. Das erste Mal mit meinem Vereinskameraden Wolle. Großer Spaß im Cockpit!

 

 

Gut drei Wochen hat die Umschreibung gedauert. Aber alles Problemlos. Dank ans RP Stuttgart.

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