Flying in a Winter-Wonderland

Ich werde bequem. Zumindest gewinne ich diesen Eindruck, wenn ich meine Winterflugaktivitäten in diesem Jahr mit denen der Vorjahre vergleiche. Kaum erkannt, dass auf der Hahnweide die Saison eigentlich nie endet und die Thermik lediglich durch Hangwind und Welle abgelöst wird, war der Blick in die App „Windfinder“ ab Donnerstag obligatorisch, um die Lage fürs Wochenende zu checken auch ja keinen fliegbaren Tag zu verpassen. Nieselregen, leichter Schnefall, Affenkälte – wurschd, hauptsache Arsch in der Luft. Inzwischen aber kommen immer häufiger die Zweifel, ob ich mir für ein paar Minuten Flugspaß den Aufwand antun muss. Ab und an aber ist der innere Schweinhund mit anderem Kram beschäftigt und ich ziehe los, dick eingemummelt, mit ner Flasche heißem Tee und bisschen Knabberkram, um mir die verschneite Landschaft aus der Luft anzugucken.

Zweimal gab es in diesem Jahr diese klassischen Winter-Flugtage, am 24. Januar und am 13. Februar. Dazwischen war das Wetter einfach viel zu beschissen, um fliegen zu gehen. Viel Regen, der Platz klatschnass und auch keine Windsituation, die einen solchen Akt gerechtfertigt hätte. Am 24. hingegen war die Vorhersage gut und – noch viel wichtiger – es blieb trocken. Kurz nach dem Losfahren zuhause in Stuttgart drehe ich wieder um und hole noch Werkzeug, da ich mir nicht vorstellen kann, dass angesichts des aufkommenden Schneefalls mehr drin ist als Werkstattarbeit. Als ich aber am Flugplatz ankomme, findet sich hier ein Grüppchen hoch motivierter Kameraden, die es unbedingt wissen wollen. Mir graut davor, den Arcus aufbauen zu müssen, da der kurz zuvor noch zum Wellenflug in Mitteldeutschland unterwegs war, und ich überlege, nur den anderen zu helfen und mich dann in die Werkstatt zu verkrümeln. Als allerdings klar wird, dass ich der einzige mit drei Starts innerhalb von 90 Tagen bin, werde ich zum Arcus-Piloten bestimmt, sodass alle irgendwie in die Luft kommen. Neben der K2 gehen noch unser neuer Ventus K1 und der Discus 2c K9 an den Start sowie Tilo mit seiner VV.

Den ersten Flug mache ich zusammen mit David, einem Vereinskamerad, der in dieser Saison seinen Schein gemacht hat. Nach einem einigermaßen bockigen F-Schlepp, der stellenweise eher einem Seitengleitflug gleicht, geht es direkt an den Hang, der einigermaßen solide trägt. Tilo, der als erster gestartet war, hatte sich hier bis an den Deckel des Luftraums hocharbeiten können, aber bei uns geht es schon nicht mehr so prall. Dennoch haben wir irgendwann genug Höhe, um gegen den Wind vorzufliegen und den Sprung an die nächsten Hänge zu wagen. VV und K1 sind zu diesem Zeitpunkt schon reichlich Richtung Westen vorgeflogen. Ich hingegen taste mich vorsichtig von Grat zu Grat, weil ich dem Wind einfach nicht traue. Am Neuffen rumpelt es etwas, aber so richtig klappt es nicht. Auch die Kante des Höhenzuges, der von der Alb zum Jusi etwas westlich von Metzingen führt, funktioniert einmal mehr nicht, obwohl der Wind da volle Kanne draufbläst. Da ich keine Lust habe, mich samt Arcus irgendwo ausm Acker kratzen zu lassen, gehe ich wieder auf Kurs Teck und eiere hier noch ein bisschen rum, bis sich Rainer im Funk meldet und fragt, wann wir zurück kommen. Da ich zwecks FI-Vorbereitung noch einen Start vom hinteren Sitz machen will, fliege ich nach knapp 55 Minuten zurück zur Hahnweide und lasse den Arcus trotz satter Böen überraschend sanft auf den Asphalt der Piste 25 fallen – ein Anflug, der immer wieder ungewohnt ist.

Start zwei mit Rainer läuft ebenso bockig wie sicher ab, kaum vom Schleppflugzeug gelöst, übernimmt Rainer und ich konzentriere mich auf die Luftraumbeobachtung. Auch schön, wenn mal wer anders fliegt. Auch Rainer probiert es noch einmal Richtung Neuffen, kommt aber zu dem gleichen Ergebnis, dass es nur bedingt Punkte bringt, den Arcus in den Schnee zu stellen. Zwischenzeitlich kommt die Info, dass es Tilo wieder maximal ausgereizt hat mit dem Ergebnis, dass eine Rückholcrew gebraucht wird, die einen schneeweißen Flieger auf einer schneeweißen Wiese suchen muss. Nunja. Weil ich aber schon ewig keine Rückholtour mehr gefahren bin und mich mit Tilos Frau super verstehe, nutze ich die Chance, um mal wieder unter Leute zu kommen und melde mich freiwillig. Kaum gelandet, springe ich ins Auto, und wir fahren bis Stuttgart, wo ich meine Karre stehen lasse und wir mit einem Auto und dem Anhänger weiter fahren bis hinter Balingen, konkret ins Dorf Endingen. Einen besseren Ort für das Ende eine Streckenfluges hätte man sich kaum aussuchen können. Hier sammeln wir die VV und ihren Piloten ein, und nach eine Dreiviertelstunde Rückfahrt kippt mich Familie Holighaus in Stuttgart bei meinem Auto ab. Wieder was erlebt, wieder was zu erzählen.

Drei Wochen später dasselbe Spiel: Eine Handvoll fluggeiler Piloten mit massiven Entzugserscheinungen will spielen gehen. Der entscheidende Unterschied: Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Es ist zwar wieder arschkalt – noch kälter als beim Versuch zuvor – aber der Platz ist knackig gefroren und die Sonne scheint. Wie kalt es wirklich ist merken wir schon beim Aufrüsten, denn selbst die neuen Gasfedern im Anhänger der K9 halten den Deckel nicht, zwei Besenstiele müssen als zusätzliche Stützen herhalten. Außerdem ist es vor der Halle saumäßig glatt, und man muss tierisch aufpassen, damit man sich nicht mit einem Flugzeugteil in der Hand auf die Fresse legt. Mit zwei Discen geht es an den Start, die Köngener und ein paar Maschinen der Motorflugschule fliegen auch, und ein bisschen erinnert das ganze Ensemble an Stalingrad `43, wenn die Motorflugzeuge eine weiße Wolke aufwirbeln und die Segler mittendurch müssen. Allerdings ist der Beschuss weit weniger intensiv als in Pitomnik oder Gumrak seinerzeit, und auch die Außenstehenden wollen uns nicht etwa ans Leder, sondern winken uns lächelnd zu. Ich lasse zunächst meinen Kameraden Nico mit der K9 eine Runde drehen, denn Stress brauche ich nicht wirklich und außerdem muss ich meine neue Kamera mal ausprobieren. Motive gibt es ja genug.

Kaum dass ich ein paar Fotos von den Schlepps gemacht habe – nachdem der Flugleiter angefahren kam und mich gefragt hat, wer ich sei und was ich hier mache (die Anrede mit „Sie“ ließ mich in dem Moment den Schluss ziehen, dass das einer der Motorflieger ist, der nicht so häufig bei uns aufm Turm hockt…) – sehe ich die K9 einschweben und frage mich, was der nach nichtmal einer halben Stunde schon wieder hier macht. Es ist wohl doch noch bockiger als vorhergesagt, und Nico ist einmal so derbe mit dem Schädel an die Haube gedotzt, dass er die Schnauze voll hat. Na prima denke ich im Stillen.

Haube zu und Abflugmeldung. Kaum ist der kalte Wind nicht mehr zu spüren, wärmt die Sonne durch die Plexiglashaube das Gesicht. Als die Husky Fahrt aufnimmt, sehe ich noch ganze zehn Meter weit, aber da aus der weißen Puderwolke das Schleppseil kommt, liegt es nahe, das Motorflugzeug genau dort zu vermuten und stur dahin zu fliegen. Kaum ein paar Meter gerollt sehe ich wieder was und muss direkt nach dem Abheben die Nase deutlich nach links in den Wind nehmen und gleichzeitig mit der Husky in eine Art Parallel-Slip gehen, um irgendwie der Bahn zu folgen. Am Boden wars ja schon ne steife Brise, aber in ein paar Metern Höhe ist das ne ganz andere Liga. Da heißts, Knüppel festhalten bitte! Aber dank der vielen Flüge bei Hangwind bin ich da inzwischen einiges gewohnt und lasse mich nicht wirklich aus dem Konzept bringen.

Ich gönne mir 1100 Meter AGL, um etwas mehr Zeit zu haben, die Lage zu sondieren und eventuell einen Rotor für den Sprung in die Welle zu erwischen, die irgendwo sein muss. Ich finde natürlich nichts außer Steigen und Saufen im stetigen Wechsel, die beide das Vario jedes mal auf Anschlag gehen lassen. Das verspricht ein ordentlicher Ritt zu werden. Dem Wind entsprechend versuche ich es auf der Ostseite des Teckberges, aber das ist alles so turbulent, dass man nicht wirklich von entspanntem Hangfliegen sprechen kann. Stellenweise wird man mit sieben Meter pro Sekunde nach oben gerissen, nur um kurz darauf in einen Fünf-Meter-Abwind einzurasten. Vergnügungssteuerpflichtig ist das alles nicht, und auch die drei anderen Flugzeuge, die sich am Hang tummeln, scheinen ihre Mühe zu haben, so richtig was aus der brodelnden Suppe zu machen. Ein Ausflug Richtung Weilheim, wo gerne mal ein Rotor steht, erweist sich als Versuch ohne Ergebnis, abgesehen davon, dass ich ein paar Hundert Meter an Höhe verliere und mich dann wieder auf Burghöhe an den Teckberg einfädeln muss.

Nach gut 45 Minuten erwischt auch mich die Hammerböe und sorgt dafür, dass ich haptisch überprüfe, ob über mir noch Plexiglas ist. Ja, es ist noch da, und ja, das tut weh. Mich ärgert das, einfach, weil ich acro-bedingt normalerweise ein inniges Verhältnis zum Bauchgurt pflege und mich wundert, dass trotz der beinahe auf Anschag gezogenen Gurte im Discus dieses Malheur passiert. Ich fühle mich genötigt, ein Stück aus dem Gerumpel rauszufliegen und mich nochmal fester anzuschnallen, fluche lauthals über die Scheißgurte von Schroth (die bei den meisten unserer Flugzeuge inzwischen total aufgepelzt sind und sich ums Verrecken nicht ordentlich verstellen lassen) und bin zunehmend unzufrieden mit der Gesamtsituation. Außerdem meldet sich der Tee, und eiskalte Zehen habe ich auch. Eine Viertelstunde spiele ich das Rodeo noch mit, dann habe ich die Schnauze voll und setze Kurs Hahnweide. Mit Fox-Speed donnere ich in den Platz rein, weil es immernoch bockig ist wie sau und genieße das Gefühl der butterweichen Landung auf der Schneedecke. Mit Rollen bis zur Halle is aber Essig, der Widerstand des Pulvers ist einfach zu groß, und Winterreifen sind natürlich auch keine montiert.

Am Ende der beiden Winter-Flugtage stehen knapp drei Stunden im Flugbuch. Gar nicht so schlecht für einen, der Angst hat, bequem zu werden…

3 Kommentare zu „Flying in a Winter-Wonderland

  1. Guten Morgen, den Vergleich Stalingrad 43 finde ich etwas daneben, da sicherlich niemand mehr am Leben ist um den Vergleich zu ziehen. Alle sind bei bester Gesundheit, kein Vergleich zu den Menschen die täglich damals ums Leben kämpften und starben. Wäre schön, wenn der Vergleich korrigiert wird, seit 1945 leben wir ohne Krieg in Deutschland.

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