Loslassen lernen

„Höhenruder drücken!!“, kommandiere ich vom Rücksitz der ASK 13, und Sekundenbruchteile später rauscht der Segler im Sturzflug auf die Erde zu. „Nicht so stark!“, fordere ich mit Nachdruck, woraufhin mein „Flugschüler“ sich regelrecht am Knüppel festzuhalten scheint und die ASK 13 einer Rakete gleich in Richtung Stratosphäre schießen lässt. Ich muss hart gegen den Reflex ankämpfen, das Flugzeug mit gezielten Steuereingaben selbst wieder in eine einigermaßen erträgliche Fluglage zu bringen, und rette mich schließlich mit dem alles entscheidenden Satz: „Normalfluglage herstellen, Flächen gerade, Horizontbild!“ Siehe da, wenn die richtigen Kommandos kommen, kann selbst ein vermeintlicher Novize eine ASK 13 jenseits von Luftkampfmanövern ruhig in der Luft halten.

Es ist der vierte Flugtag im Fluglehrerlehrgang beim Haus der Luftsportjugend am Flugplatz Laucha. „Roboterflug“ haben die Verantwortlichen die gerade beschriebene Übung getauft, und meine fünf Mitanwärter und ich sind der Meinung, dass die Roboter auf dem vorderen Sitz allesamt einer Neuprogrammierung bedürfen. Dabei lag der Fehler eigentlich keineswegs bei ihnen. Vielmehr fehlte uns bis dato das Verständnis dafür, dass ein Fluganfänger eben genau das tut, was ihm der Fluglehrer sagt. Natürlich meinte ich mit „Höhenruder drücken“ nicht das unmittelbare Einleiten des Sturzfluges, sondern das Einnehmen der Normalfluglage nach dem Windenstart. Das, was ich nach 1150 Starts und rund 550 Stunden intuitiv und ohne darüber nachzudenken tue – Nase unter den Horizont, Normalfahrt einstellen, dreimal nachklinken und austrimmen –, kennt der Flugschüler ja nicht. Also heißt es, klare und vor allem unmissverständliche Ansagen zu machen, aber dazu später mehr.

Mein Kurs ist der vierte und letzte FI(S)-Lehrgang 2021 beim HdL. Mit mir haben sich fünf andere Piloten angemeldet, um innerhalb von zweieinhalb Wochen das Rüstzeug für das Fluglehrerdasein zu erlernen. Wir sind, wie uns Ausbildungsleiter Martin Löhne zu verstehen gibt, eher kein durchschnittlicher Lehrgang. Außer Lukas, mit seinen zarten 24 Jahren der Jüngste in der Runde, sind alle Mitte 30. Die Flugerfahrung schwankt zwischen einigen hundert und mehreren tausend Stunden, auch sind ungewöhnlich viele aktive Kunstflieger dabei. Die Motivation indes ist bei allen größtenteils intrinsisch. Es ist die Lust, die eigene Leidenschaft fürs Fliegen an andere weiterzugeben. Sicher mag hier und da auch ein bisschen extrinsische Motivation eine Rolle spielen. Das Problem einer zu kleinen oder alternden Fluglehrerschaft kennen viele Vereine und versuchen entsprechend, Nachwuchs für die Ausbildung zu gewinnen. Aber dominant sind die äußeren Umstände in unserer Runde nicht. Das ist laut Martin die beste Voraussetzung für den Lernerfolg und genauso wichtig wie die Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik.

So bunt wie die Schülerschaft ist auch das Lehrerteam. Martin, 30, ist am HdL groß geworden und seit zwei Jahren Flugbetriebs- und Ausbildungsleiter. Ihn kenne ich, seit ich im September 2016 nach einer Hochzeit, während der ich den ganzen Tag Segler beobachtete, in Laucha aufschlug und mit ihm eine Runde drehte. Andre ist 25, in Laucha fest angestellt und hat neben dem FI(S) auch die Lehrberechtigung für Motorflug. Sören, der uns die erste Woche begleitet, fliegt bei der Lufthansa als SFO auf dem Airbus A340, und Thomas ist Fluglotse im Ruhestand. Beide haben reichlich fliegerische Erfahrung und unterstützen das HdL ehrenamtlich in der FI-Ausbildung.

Back to the Roots

Bereits in den ersten Theorieeinheiten, die sich an die Vorstellungsrunde und die Sichtung der Dokumente sowie einen kurzen Eingangstest mit Fragen aus der SPL-Prüfung anschließen, wird klar, dass wir alle komplett umdenken müssen. Jeder von uns kann hunderte Kilometer Strecke machen, sich aus Ameisenkniehöhe weit weg vom Flugplatz wieder ausbuddeln, und manch einer zaubert zudem ganz passable Programme in die Kunstflugbox. Doch auf die Frage „Was ist eine Platzrunde?“ geht das große Gestammel los. Andre schreibt an die Tafel, was zusammenkommt: Standardverfahren, Flugplatzverkehr, Reihenfolge, Querab-, Gegen- und Queranflug, Endanflug. Auf das Banalste kommen wir nicht. „Wie wäre es denn mit einem über Grund geflogenen Rechteck?“, sagt der FII und stößt uns noch einmal darauf, dass wir anfangen müssen, wirklich einfach zu denken. Tatsächlich, so die Ausbilder, müssen viele FI-Anwärter erstmal wieder lernen, eine saubere Platzrunde zu fliegen. Die seit dem Lizenzerhalt eingeübte Masche, sich irgendwie zur Position zu mogeln, ist passé, denn wir werden künftig, und das machen uns alle vier FIIs nachdrücklich klar, als Vorbilder gesehen. Und zwar immer und in jeder Situation, auch wenn wir für uns fliegen.

Kaum ist das Platzrundenthema geklärt, präsentiert uns Martin das Mantra der nächsten zwei Wochen: den synchron gesprochenen Lehrtext. Ein A5-Blatt, doppelseitig bedruckt und laminiert, wird zur Heiligen Schrift. In 59 Stichpunkten finden sich alle Phrasen, um einen Flugschüler komplett durch die Platzrunde zu sprechen. Für den Windenstart liest sich das so:
• Seilstraffen beobachten, Höhenruder leicht gedrückt
• Anrollen, Ausbrechen durch Seitenruderausschlag verhindern, Flächen waagerecht halten
• Abheben, Höhenruder leicht gedrückt, Querneigungskontrolle
• Flugzeug in sich steigen lassen
• Zügiger, aber nicht ruckartiger Übergang in die Steigfluglage ab
50 Meter
• Kontrolle der Steigfluglage durch seitliches Hinaussehen
• Während des gesamten Steigfluges Fahrtkontrolle
• Seitenwind durch Vorhalten ausgleichen
• Korrekturen von Längs- und Querneigung sowie Richtung wie beim Normalflug
• Vermeiden von pumpen durch zu stark gezogenen Steuerknüppel
• Im Ausklinkraum allmählicher Übergang in die Normalfluglage
• Nach Auslösen der Kupplungsautomatik dreimal nachklinken

Natürlich hat jeder Fluglehrer ein Stück weit seinen eigenen Erklärstil, sagt Martin. Aber es gibt gewisse Phrasen, die seien nicht verhandelbar, die wollten die Prüfer am Ende hören. „Flugzeug in sich steigen lassen“ ist so eine, eine andere lautet „mit der Fahrt an den Boden“ und soll dem Flugschüler klarmachen, dass er sich nicht mit Mindestfahrt in den Platz reinhungern darf. Dass man als steuerführender Pilot tatsächlich eine Platzrunde komplett sauber fliegen und durchsprechen kann, ohne dabei einen Knoten im Kopf oder in der Zunge zu bekommen, beweisen uns die FIIs beim einzigen Flug im Lehrgang, in dem wir in der ASK 13 wie ein Schüler vornesitzen.

Zuvor allerdings gibt es als ersten Flug des Lehrgangs einen F-Schlepp mit Kastenflug, Trudeln, Steilkreisen und Slip und anschließend einen Windenstart, damit sich die FIIs ein Bild von unseren fliegerischen Fertigkeiten machen können. Flug Nummer drei ist ein klassischer Gewöhnungsflug, wie man ihn mit Frischlingen ganz am Anfang der Ausbildung macht. Didaktisch ist hier noch nicht viel los, vielmehr geht es darum, den Aspiranten an die dritte Dimension zu gewöhnen, den Spaß am Fliegen zu fördern, ihn mit kleinen Aufgaben wie dem Nachklinken einzubinden und ihn mit viel Schwärmerei für den Segelflugsport bei Laune zu halten.

Neben den unzähligen Eindrücken des ersten Flugtages fällt auf, dass in Laucha alles strikt nach Checkliste gemacht wird, die Vorflugkontrollen genauso wie der Start- und der Landecheck. Und man fragt sich, warum diese simpelste aller Methoden zur Vermeidung von Unfällen auf so wenigen Flugplätzen (vor)gelebt wird. Beim Debriefing tragen wir zusammen, was wir gelernt haben. Die zentrale Erkenntnis ist die, dass die Augen des Fluglehrers überall sein müssen. Und dass auch der Flugschüler kommunizieren lernen muss. Nur wenn ein erkennbarer Blick in Richtung Kurve auch mit dem Satz „Luftraum ist frei“ kombiniert wird, kann man halbwegs sicher sein, dass eine Luftraumbeobachtung erfolgt ist. Zudem wird uns klar, dass Begriffe, die sich über die Jahre eingeschliffen haben, wieder raus müssen aus dem Wortschatz. Ausflaren? Damit kann ein Flugschüler ebenso wenig anfangen wie mit Bankwinkel. Also geistig löschen.

Im Zeitraffer durch die Ausbildung

In den nächsten Tagen fliegen wir uns sukzessive durch das Ausbildungsprogramm. Von den drei bis vier Flügen hat immer einer den kompletten Lehrtext zum Inhalt, damit sich die Phrasen einprägen. In den anderen geht es ums Horizontbild und den Abgleich mit Fahrtmesser und Fahrtgeräusch, um die Wirkung von Quer- und Seitenruder, um koordinierten Kurven- und Geradeausflug. Ein Vormittag geht allein für Seilrissübungen drauf, bei denen wir uns von oben nach nach unten vorarbeiten. Bei knapp über 100 Metern ist problemlos eine verkürzte Platzrunde drin, bei 80 Metern heißt es, die 13 vor der Winde wieder auf der Schleppstrecke zu landen und zwischen drei und zehn Metern besteht die Herausforderung darin, das Flugzeug nicht in den Boden zu rammen und trotzdem genügend Fahrt aufzuholen, um bei der Landung nicht durchzusacken.

Der Übungs- und Kenntnisstand unserer fiktiven Flugschüler steigt mit jedem Flugtag an – was es für uns immer schwieriger macht, Fehler zu erkennen. Eingreifen will jederzeit begründet sein, Sätze wie „Ich fliege!“ sind tabu. In Ordnung hingegen sind „Ich helfe dir“ oder „Wir fliegen zusammen“. Immer mehr lernen wir, wirklich loszulassen, damit die Schüler ihre eigenen Erfahrungen machen können. Und ja, das fällt am Anfang richtig schwer. Für die Schüleransprache gibt es drei Eskalationsstufen, wie wir im Pädagogikunterricht erfahren. Stufe 1: dezente Fehleransprache, beispielsweise mit Phrasen wie „Fällt dir was auf?“. So bekommt der Schüler die Chance, selbst zu erkennen, was er verkehrt macht. Auch der Hinweis „Achte mal auf den Faden!“ animiert zur eigenen Reflexion der Fluglage und der Steuerbewegungen. Kommt er nicht drauf, kann man konkreter werden: „Du schiebst!“ oder „Die rechte Fläche hängt!“ bringen den Schüler direkt drauf, gegebenenfalls – vor allem am Anfang der Ausbildung – mit Hinweis zur Korrektur.

Das eigene Eingreifen sollte immer das letzte Mittel sein, es sei denn, es ist Gefahr im Verzug. Insbesondere in Bodennähe, also ab der Positionsmeldung, gilt für den FI höchste Aufmerksamkeit, denn hier wird die Toleranz für Fehler zunehmend kleiner. So erlebe ich es, wie mir einer der Ausbilder in der letzten Kurve beständig die Fahrt wegzieht, was ich direkt korrigiere und erst anschließend erkläre. Für eine unmittelbare Begründung im selben Augenblick reicht meine Kapazität im Kopf zu diesem Zeitpunkt der FI-Ausbildung einfach noch nicht aus. Aber das wird im Laufe der Zeit immer besser. Grundsätzlich heißt es: nachfragen. Was macht der Schüler, was hat er vor? Dann ist man als Backseater etwas besser auf etwaige Fehler vorbereitet und kann sich im Kopf die eigene Reaktion zurechtlegen.

Individuelle Baustellen

Jeder von uns FI-Aspiranten hat andere Baustellen. Während ich lernen muss, meinen Redefluss zu dämpfen, damit der vor mir Sitzende nicht noch zusätzlich durch die akustische Lawine überfordert wird, darf sich Peter daran gewöhnen, weit mehr zu sagen, als er das sonst im Flug tut. Roman hingegen erkennt, dass er ganz klar sagen muss, was er vom Flugschüler erwartet, denn der nutzt Interpretationsspielraum möglicherweise viel zu sehr aus, wie er beim Roboterflug leidvoll erfahren musste.

An den wenigen Tagen, die der ansonsten sonnige und warme Spätherbst weniger gemütlich gestaltet, wird Theorie gepaukt. Die meisten Fächer schneiden wir nur an: Aerodynamik, Meteorologie, Navigation und Technik werden knapp abgehandelt, weil sich das jeder mit dem Kassera oder anderer Fachliteratur selbst erarbeiten kann. Mehr Aufmerksamkeit widmen die Ausbilder dem menschlichen Leistungsvermögen und dem Luftrecht, und das aus gutem Grund. Ersteres müssen Fluglehrer aus dem Effeff kennen, damit sie ihren Schüler mental und körperlich nicht überfordern. Letzteres sollten sie verinnerlicht haben, um nicht Gefahr zu laufen, bei Fehlern oder Versäumnissen in Haftung genommen zu werden. Bei Unfällen, die leider auch in der Schulung vorkommen, fragen Gerichte und Versicherung als Erstes, ob alle Voraussetzungen erfüllt waren, sei es die letzte Kompetenzüberprüfung des Lehrers, die ordnungsgemäße Bestätigung der Vorflugkontrolle samt Unterschrift im Bordbuch oder der akribisch geführte Ausbildungsnachweis des Flugschülers. Wer schult, muss genau sein, so das Mantra.

Lehrprobe: Spaß im Klassenzimmer

Nicht wenige Abende gehen für die Ausarbeitung der Lehrproben drauf. Jeder von uns muss 45 Minuten über ein selbst gewähltes Thema referieren, das er für einen bestimmten Adressatenkreis vom Flugschüler bis zum Lizenzpiloten passend aufbereitet. Ziel dabei ist es, sich möglichst vieler Lehrmethoden zu bedienen. Powerpoint ist heute obligatorisch, Videos werden gezeigt, aber auch Modelle von Tragflügeln, Gruppenarbeit mit Karte, Zirkel und Dreieck oder ein Pendel zur Demonstration von Fliehkräften kommen zum Einsatz. Die Bandbreite der Themen reicht in unserem Kurs vom Gradnetz und den Sternen als Grundlage der Navigation über Gefahren von Höhen- und Wellenflügen, Wetter-Risiken und dem Klassiker Außenlandung bis hin zum V-N-Diagramm erklärt für Nicht-Kunstflieger. Feedback geben zunächst die Anwärter, danach ergänzen die Ausbilder.

Apropos Feedback: Auch die richtige Rückmeldung an den Flugschüler ist ein essenzieller Teil der Pädagogikausbildung. Wie bringe ich einem 14-Jährigen bei, wo seine Defizite liegen, ohne ihm die Motivation zu nehmen? Wie debriefe ich einen älteren, voll im Leben stehenden Flugschüler, der vielleicht ein Problem damit hat, sich von einem Jüngeren etwas erklären zu lassen? Fingerspitzengefühl ist in beiden Fällen gefragt, wobei der Umgang mit Kindern und Jugendlichen ganz besondere Aufmerksamkeit verlangt, weil hier zur Ausbildung auch noch die Erziehungsarbeit hinzukommt. Dass wir die ein Stück weit mit übernehmen dürfen, ist, das macht uns Martin ganz besonders deutlich, ein großer Vertrauensbeweis seitens der Eltern. Dabei gelte es, das richtige Maß zu finden zwischen Strenge, wie sie die Ernsthaftigkeit des Flugbetriebes bedingt, und Nachsicht, damit sich die Jugend auch mal ausprobieren kann. Dafür ist der Flugplatz – das können Generationen von Flugplatzkindern berichten – nicht das schlechteste Umfeld.

Faire Prüfung zum Abschluss

Nach zwei Wochen auf dem Flugplatz Laucha behaupten unsere FIIs, uns nichts mehr beibringen zu können. „Die Prüfung besteht ihr sicher, aber betrachtet die Lehrberechtigung dann vor allem als Erlaubnis, selber weiterzulernen und euch ständig fortzubilden“, sagt Martin.

Eine Dreiviertelstunde Lehrprobe, eine Theorieprüfung und drei Prüfungsflüge trennen uns noch vom ersehnten Eintrag in die Lizenz. Ersteres ist eher Formsache, meine Mitstreiter und ich haben bis zum Schluss an den Vorträgen gefeilt und Theorie gepaukt. Entsprechend gut fällt auch das Feedback der Prüfer aus. Dann geht es zur Halle, Flugzeuge checken, den Flugbetrieb vorbereiten. Im F-Schlepp geht es in die Luft, Kastenflug, Trudeln, Rollübungen – das komplette Programm mit synchron gesprochenem Lehrtext. Flug zwei: Start an der Winde, eine saubere Platzrunde, ebenfalls mit synchron gesprochenem Lehrtext. Zum Finale mimt der Prüfer einen Schüler, wir müssen Fehler erkennen, ansprechen und gegebenenfalls mit Erklärung eingreifen.

Der Start läuft gut, auch wenn mein „Flugschüler“ seine Steigfluglage für meine Begriffe noch etwas intensiver kontrollieren könnte. Er dreht den Kopf nach links, meldet „Luftraum frei“ und kurvt ein. So weit, so gut. Beim Geradeausflug lässt er die Fläche etwas hängen; ich weise ihn auf den Faden hin, er korrigiert. Plötzlich geht seine linke Hand zum Haubennotabwurf. „Dort hältst du dich bitte nicht fest!“, kommentiere ich die Aktion. Als Nächstes steht ein Vollkreis rechts herum an, doch als sich der Knüppel bewegt, ohne dass ich zuvor eine Bestätigung der Luftraumkontrolle gehört habe, halte ich ihn fest. „Ah, Luftraum frei“, kommt von vorn. Darauf habe ich gewartet, denn die Luftraumkontrolle steht über allem und wird auch in der Prüfung gerne als Fehler eingebaut. Landecheck, Positionsmeldung. Als sich die Fahrtmessernadel rückwärts Richtung gelbes Dreieck bewegt, weise ich meinen „Schüler“ noch drauf hin, dass er doch bitte auf die Fahrt achten und nicht unter 90 km/h anfliegen soll, aufgrund des Winds sogar lieber etwas schneller. Sein Abfangbogen gerät etwas zu hoch. Als sich die Nase immer weiter hebt, halte ich sanft dagegen. Wir setzen auf, rollen aus und nach kurzem Gerumpel über die Wiese steht die ASK 13. Ich bin angespannt, aber nicht unzufrieden. Dem Glückwunsch des Prüfers folgt die Erleichterung. Bestanden. So wie alle Teilnehmer dieses Lehrgangs.#

Fazit: Rückkehr nicht ausgeschlossen

Gute zwei Wochen am Flugplatz Laucha, bei bestem Wetter und in wahrlich angenehmer Gesellschaft – der FI-Lehrgang gehört mit Abstand zu den besten Erlebnissen meiner bisherigen Fliegerlaufbahn. Die Akribie, mit der Martin und sein Team uns von schnöden, ichbezogenen Segelfliegern zu (hoffentlich) umsichtigen Fluglehrern gemacht haben, verdient höchsten Respekt. Ich habe hier einmal mehr nette, humorvolle und charakterstarke Fliegerkameraden kennen gelernt, die ich sicher wiedersehen werde. Denn mit Laucha verhält es sich ein bisschen wie mit TOP GUN: die besten kehren immer wieder zurück.

Danke an alle Teilnehmer für den gemeinsamen Spaß und die Bilder!

Übrigens: Laucha lohnt ganz generell einen Besuch, wie ich HIER schon einmal geschrieben habe. Nicht nur, um Martin und sein tolles Team zu besuchen, sondern auch, um auf aviatische Spurensuche zu gehen.

Entspanntes Solo

Der Moment, in dem ich am Rollhalt der Piste 13 meine Abflugbereitschaft melde, ist irgendwie komisch. Komisch in dem Sinne, dass die Nervosität fehlt, die mich sonst begleitet, wenn ich Dinge das erste mal tue. Und eigentlich fühlt sich jeder Start in einem unbekannten Muster ein bisschen wie ein erster Alleinflug an, zumindest, wenn sich das Gerät deutlich von denjenigen unterscheidet, mit denen man sonst so durch die Gegend schüsselt. Die SH-2H war so ein Fall, auch der Jantar 2B, die LAK-12 und die PIK-20D haben mich mental durchaus gefordert, und, ja, auch bei der SZD-59 war Herzklopfen dabei. Jetzt aber, wo ich das erste mal in einem Flugzeug sitze, dass mehr Motorflieger als Segler ist, spüre ich nichts als diebische Vorfreude. Respekt vor der Sache – klar. Aber das Herzklopfen wie ich es sonst kenne, der Tunnelblick – nichts.

Ich schiebe den Gashebel ein kleines Stück nach vorne, trete mit der linken Fußspitze auf die Bremse und lasse die Grob 109 im 45-Grad-Winkel vom Asphalt über die Rinnsteine aufs Gras der Piste rollen. Nochmal links und ich stehe am Abflugpunkt. Jetzt gilts. Letzter Blick auf die Triebwerksinstrumente, dann schiebe ich den Gashebel gleichmäßig bis zum vorderen Anschlag. Die Grob nimmt Fahrt auf, und es ist immernoch mega ungewohnt, den Knüppel mit der linken Hand zu führen. Das Spornrad hebt sich und das Flugzeug signalisiert, dass es abeheben möchte. Mit leichtem Zug am Knüppel lupfe ich uns vom Boden weg, senke die Nase aber gleich wieder, um Fahrt aufzuholen. Als die Nadel auf den blauen Strich zuläuft, gehe ich mit leichtem Höhenrudereinsatz in den Steigflug. Und siehe da, allein ohne Fluglehrer steigt der Hobel trotz seiner schöngschwindelten 87 Pferde doch gar nicht mal so schlecht! Bereits kurz vor der ersten Kurve nehme ich 100 Umdrehungen raus, um die Lärmbelastung einigermaßen in Grenzen zu halten. Hinter dem kleinen See ziemlich exakt südlich der Hahnweide drehe ich in den Gegenanflug und habe hier schon fast die 1800 Fuß Platzrundenhöhe. „D-KGWH, Gegenanflug 13 zum touch & go“, melde ich im Funk, der Turm bestätigt mit Doppelklick. Ich nehme das Gas raus, ziehe die Vergaservorwärmung und drehe kurz darauf gut 30 Grad nach rechts ein, Blickpunkt Altbacher Schornsteine – wieder ein Zugestädnis an eine lärmsensible Siedlung. Nochmal 60 Grad rechts in den Queranflug zwischen Verkehrslandeplatz und Bauernhof, schließlich die letzte Kurve und ausrichten der Fuhre auf die 13. Umgreifen, rechte Hand an den Steuerknüppel und linke an den Klappenhebel. Die Richtung passt, Sinkrate und Höhe auch. Im Leerlauf schwebt die Grob in den Platz, und das Mahnen meines Lehrers Otto im Kopf, besser abzufangen, setze ich den Motorsegler dieses Mal wirklich passabel hin – und nicht so Abschuss-mäßig wie bei den letzten Platzrunden mit Lehrer. Nach vielleicht 50 Metern Rollstrecke verriegle ich die Klappen, gebe Vollgas und schiebe den Hebel für die Vorwärmung wieder nach vorne. Mit der Restfahrt aus der Landung kommt die Grob jetzt viel schneller auf Höhe, und ehe ich mich versehe muss ich wieder Drehzahl reduzieren und abkurven. Positisionsmeldung, Vergaservorwärmung, zwei Kurven, Aufsetzen und nochmal Gas rein und Platzrunde drei. Als ich nach der dritten Landung aus der Bahn rolle und mit dosierten Gasstößen und dem Einsatz der Radbremsen zum Hangar rolle, grinse ich vermutlich wie mit einem Kleiderbügel in der Fresse. Nach 19 Minuten stoppt der Motor. Drei TMG-Platzrunden im Alleinflug, quasi meine zweite A-Prüfung, sind erledigt.

Ich hätte es wirklich niemals gedacht, wie viel Spaß die motorisierte Fliegerei macht. Tatsächlich hat mich auch einfach die Angst vorm Lärm im Cockpit davon abgehalten, mich auf diese fliegerische Weiterentwicklung zu freuen. Gut, als Zugeständnis an meine lädierten Löffel sind Ohrenstöpsel unterm Headset Pflicht, aber im Cockpit ist die Geräuschkulisse der Grob 109 wirklich erträglich. Außerdem funktioniert unser Intercom wieder vernünftig, sodass ich selbst mit hardcore noise protection meinen Fluglehrer vernünftig verstehe.

Durch die Kontrollzone und über die Alb

Ein paar Tage nach dem ersten Solo heißt es wieder Schulungsflug mit Lehrer. Das Ziel: Die Stuttgarter Kontrollzone. Da in der TMG-Prüfung solch ein Flug verlangt ist, ist es sinnvoll, das mal geübt zu haben. Zwar macht man das zumindest theoretisch in der Flugfunkprüfung, aber als Segelflieger nutzt man es dann eigentlich nie wieder. Anflugkarte, Pflichtmeldepunkt, was war das nochmal? Meine vor einem halbe Jahr bestandene AZF-Prüfung ist mir in dem Moment auch keine große Hilfe, denn da denkt der Lotse und der Pilot handelt auf Anweisung. Allerdings habe ich mir kurz zuvor nochmal das Buch VFR-Sprechfunk von Eisenschmidt aus dem Redaktionsregal gezogen und mir selbst einen kleinen Refresher zum Funkverkehr beim Durchfliegen einer Kontrollzone gegeben. Das Buch ist wirklich eine Empfehlung, weil den abgedruckten Beispielen QR-Codes beigestellt sind, über die man sich den Funkverkehr mit dem Handy anhören kann. Gehört ist es doch nochmal was anderes als nur gelesen.

Beim Briefing schaue ich mir mit Fluglehrer Otto noch einmal die Anflugkarte für Stuttgart an und lasse mir erklären, wie ich die Pflichtmeldepunkte aus der Luft finden kann. Sierra liegt über dem Aichtalviadukt, das die B27 über das – oh Wunder – Aichtal führt. Echo, der für uns relevante Pflichtmeldepunkt im Norden, befindet sich zwischen Fernsehturm und Funkturm am Rand des Stuttgarter Talkessels. Das sollte sogar ich finden. Zweimal durch die Zone, das ist das Ziel. Vorflugkontrolle und los gehts!

Nach dem Start geht es über dem Tiefenbachtal südlich des Platzes auf 3200 Fuß Höhe. Hier wechseln wir auf die Stuttgarter Turmfrequenz und melden uns an. „D-KGWH, Motorsegler Grob 109 B, fünf NM westlich Sierra in 3200 Fuß, erbitte Flug durch die Kontrollzone von Sierra nach November.“ „D-WH, sie meinen sicher Echo, oder?“ „D-WH, korrekt, Echo.“ „D-WH melden Sie Sierra.“ Scheiße, direkt beim Einleitungsanruf den Meldepunkt vergeigt in der Annahme, dass ein nördlicher Pflichtmeldepunkt gefälligst November zu heißen hat. Aber bereits bei meinem ersten Kontakt mit den Stuttgarter Lotsen zeigte sich das, was man von der DFS immer hört: Die Lotsen sind da, um zu helfen. Angst vor der Kommunikation ist fehl am Platze. „D-WH, Sierra, 3200 Fuß.“ „D-WH Durchflug durch die Kontrollzone genehmigt, direct Echo nicht unter 3000 Fuß.“ „D-WH, Durchflug genehmigt, direct Echo, nicht unter 3000 Fuß.“ Das war es also. Mein Fluglehrer kommentiert nur, so einfach könne das sein. Durch die Direct-Freigabe kann ich mir die Anflugroute der B27 folgend sparen und die Lücke zwischen den beiden Türmen direkt ins Visier nehmen. Ich staune Bauklötze, als wir den Flughafen nahezu mittig überfliegen. Sowas siehste als Segelflieger eigentlich nie (es sei denn, es ist Vulkanausbruch, nichts fliegt mehr kommerziell und die Lotsen sind froh, überhaupt mal mit wem sprechen zu können…). Am nördlichen Platzrand stehen die Eurowings-Maschinen aufgereiht, die Corna bedingt aktuell nicht in die Luft gehen. Das GAT ist zu erkennen, die Flughafenfeuerwehr, einfach alles, was ich sonst nur von unten kenne. Um dem ansteigenden Geländeprofil zu folgen, gebe ich etwas mehr Gas – der Flughafen liegt etwa 120 Meter tiefer als der Frauenkopf, die Erhebung, auf der der Fernmeldeturm steht.

Als wir die beiden Türme passieren, melde ich mich wieder beim Tower. „D-WH, Echo, 3300 Fuß.“ „D-WH, verlassen der Frequenz genehmigt, Tschüss!“ „D-WH, verlassen der Frequenz genehmigt, Danke!“. Erster Flug durch die Kontrollzone – erledigt. Was nun? Als wir mitten über Stuttgart sind – zugegeben, es ist spannend, die Stadt mal aus der Luft zu sehen! – schaltet Otto den VOR-Empfänger ein, an dem er kurz nach dem Start bereits rumgefummelt hatte. „Guck auf das Anzeigegerät, das VOR Ludwigsburg ist jetzt ziemlich genau auf Radial 030. Diesen Wert stellst du am Drehknopf ein und steuerst dann so, dass der Ablagezeiger in der Mitte bleibt. Der Kurs entspricht dann dem Radial.“ Wieder was gelernt und, zugegeben, gleich angefixt von klassischen Navigationsinstrumenten. Mit 150 km/h düsen wir auf das VOR LBU zu, und im Moment des Überfliegens springt die Anzeige von TO auf FR. Wie in der Theorie irgendwann mal gehört!

Jetzt heißt es kehrt machen, nochmal durch die Kontrollzone und schauen, ob uns die Lotsen einen low approach genehmigen. Ein Paar Meilen vor Echo melden wir uns wieder, und mit einem ziemlich aus der Funkdisziplin fallenden „Den low approach kriegen wir auch gebacken“ gibt uns der Lotse zu verstehen, dass wir auch mal den Betrieb in Stuttgart aufhalten dürfen. „D-WH melden sie Queranflug 07“, schallt es aus dem Kopfhörer, und Otto dirigiert mich durch die Stuttgarter Platzrunde. Die Ansage „D-WH frei für low approach 07, direkt nach Durchstarten Rechtskurve Kurs 160“ quittiere ich und bin dann für die nächsten 30 Sekunden stiller Genießer. Der Eurowings-Airbus muss warten, während wir mit unserer Möhre die Bahn ansteuern. Zwei rot, zwei weiß – das PAPI signalisiert, dass der Gleitwinkel perfekt passt. Yeah! „Jetzt fliegst Du ein paar hundert Meter die Bahn entlang, gibts dann Gas und steigst weg. Dann rechtskurve und rechts der Siedlung dort halten“, weist mein Fluglehrer an. Ich sauge gierig jede Information auf, husche in einigen Metern Höhe über die gut 3,3 Kilometer lange Piste, gehe wieder in den Steigflug und kurve ab. Otto navigiert mich mich zwischen ein paar Ortschaften hindurch und erklärt mir, dass der Pflichtmeldepunkt Oscar, über den der Ausflug aus der Kontrollzone erfolgt, genau über dem Zentrum von Nürtingen liegt. Die scheinen wohl weniger lärmempfindlich als in Reudern, Erkenbrechtsweiler und wie die Käffer alle heißen, aus denen die Kleingartenbeseitzer anrufen, wenn mal wieder einer von den gewissenlosen Piloten in unter 3000 Fuß drübergekachelt ist…

Nach der Landung schwebe ich förmlich auf Wolke sieben und putze völlig verliebt den Motorsegler. Hach, war das schön. Und mein FI scheint auch gar nicht so unzufrieden zu sein mit dem, was ich da fabriziert habe. Ich gebe mir selber im Geiste high five und frage vorsichtig, ob Otto denn am Wochenende auf dem Flugplatz sei und ich evt. noch ein paar Solo-Runden drehen könnte. Könnte sein, antwortet er mir.

Und tatsächlich kann ich am Wochenende noch ein paar Flüge abgreifen. Nach Arbeitsstunden an der 59 (woraus wahrscheinlich der nächste Blogbeitrag wird…) springe ich am Samstag zunächst als Startleiter ein, aber gegen 18 Uhr haben wir alles weggepackt, weil die Schüler durch sind, was es mir erlaubt, noch drei Solo-Platzrunden unter Aufsicht zu drehen. Sonntag dasselbe Spiel, Arbeiten an der 59 und danach lässt sich Otto, der an diesem Tag seine Minimoa mal wieder gelüftet hat, einmal mehr erweichen, mir einen Flugauftrag zu erteilen. „Haub ab, am besten auf die nahe Alb und sieh zu, dass du ne halbe Stunde Solo-Zeit zusammenbekommst, ohne dass du irgendwen mit Krawall nervst!“ So starte ich, kreise mich überm Tiefenbachtal hoch, stelle die Latte auf Reise und fliege eine Runde spazieren. Und ich genieße es. Als die Räder wieder den Boden berühren, sind es sogar 40 Minuten geworden. 40 Minuten, die mir noch einmal gezeigt haben, dass Segelfliegen nicht alles ist und die Fliegerei noch viele spannende Herausforderungen für mich bereit hält. TMG-Berechtigung, PPL-A, Motorkunstflug – wer weiß, was da noch alles kommt…