Der Moment, in dem ich am Rollhalt der Piste 13 meine Abflugbereitschaft melde, ist irgendwie komisch. Komisch in dem Sinne, dass die Nervosität fehlt, die mich sonst begleitet, wenn ich Dinge das erste mal tue. Und eigentlich fühlt sich jeder Start in einem unbekannten Muster ein bisschen wie ein erster Alleinflug an, zumindest, wenn sich das Gerät deutlich von denjenigen unterscheidet, mit denen man sonst so durch die Gegend schüsselt. Die SH-2H war so ein Fall, auch der Jantar 2B, die LAK-12 und die PIK-20D haben mich mental durchaus gefordert, und, ja, auch bei der SZD-59 war Herzklopfen dabei. Jetzt aber, wo ich das erste mal in einem Flugzeug sitze, dass mehr Motorflieger als Segler ist, spüre ich nichts als diebische Vorfreude. Respekt vor der Sache – klar. Aber das Herzklopfen wie ich es sonst kenne, der Tunnelblick – nichts.
Ich schiebe den Gashebel ein kleines Stück nach vorne, trete mit der linken Fußspitze auf die Bremse und lasse die Grob 109 im 45-Grad-Winkel vom Asphalt über die Rinnsteine aufs Gras der Piste rollen. Nochmal links und ich stehe am Abflugpunkt. Jetzt gilts. Letzter Blick auf die Triebwerksinstrumente, dann schiebe ich den Gashebel gleichmäßig bis zum vorderen Anschlag. Die Grob nimmt Fahrt auf, und es ist immernoch mega ungewohnt, den Knüppel mit der linken Hand zu führen. Das Spornrad hebt sich und das Flugzeug signalisiert, dass es abeheben möchte. Mit leichtem Zug am Knüppel lupfe ich uns vom Boden weg, senke die Nase aber gleich wieder, um Fahrt aufzuholen. Als die Nadel auf den blauen Strich zuläuft, gehe ich mit leichtem Höhenrudereinsatz in den Steigflug. Und siehe da, allein ohne Fluglehrer steigt der Hobel trotz seiner schöngschwindelten 87 Pferde doch gar nicht mal so schlecht! Bereits kurz vor der ersten Kurve nehme ich 100 Umdrehungen raus, um die Lärmbelastung einigermaßen in Grenzen zu halten. Hinter dem kleinen See ziemlich exakt südlich der Hahnweide drehe ich in den Gegenanflug und habe hier schon fast die 1800 Fuß Platzrundenhöhe. „D-KGWH, Gegenanflug 13 zum touch & go“, melde ich im Funk, der Turm bestätigt mit Doppelklick. Ich nehme das Gas raus, ziehe die Vergaservorwärmung und drehe kurz darauf gut 30 Grad nach rechts ein, Blickpunkt Altbacher Schornsteine – wieder ein Zugestädnis an eine lärmsensible Siedlung. Nochmal 60 Grad rechts in den Queranflug zwischen Verkehrslandeplatz und Bauernhof, schließlich die letzte Kurve und ausrichten der Fuhre auf die 13. Umgreifen, rechte Hand an den Steuerknüppel und linke an den Klappenhebel. Die Richtung passt, Sinkrate und Höhe auch. Im Leerlauf schwebt die Grob in den Platz, und das Mahnen meines Lehrers Otto im Kopf, besser abzufangen, setze ich den Motorsegler dieses Mal wirklich passabel hin – und nicht so Abschuss-mäßig wie bei den letzten Platzrunden mit Lehrer. Nach vielleicht 50 Metern Rollstrecke verriegle ich die Klappen, gebe Vollgas und schiebe den Hebel für die Vorwärmung wieder nach vorne. Mit der Restfahrt aus der Landung kommt die Grob jetzt viel schneller auf Höhe, und ehe ich mich versehe muss ich wieder Drehzahl reduzieren und abkurven. Positisionsmeldung, Vergaservorwärmung, zwei Kurven, Aufsetzen und nochmal Gas rein und Platzrunde drei. Als ich nach der dritten Landung aus der Bahn rolle und mit dosierten Gasstößen und dem Einsatz der Radbremsen zum Hangar rolle, grinse ich vermutlich wie mit einem Kleiderbügel in der Fresse. Nach 19 Minuten stoppt der Motor. Drei TMG-Platzrunden im Alleinflug, quasi meine zweite A-Prüfung, sind erledigt.
Ich hätte es wirklich niemals gedacht, wie viel Spaß die motorisierte Fliegerei macht. Tatsächlich hat mich auch einfach die Angst vorm Lärm im Cockpit davon abgehalten, mich auf diese fliegerische Weiterentwicklung zu freuen. Gut, als Zugeständnis an meine lädierten Löffel sind Ohrenstöpsel unterm Headset Pflicht, aber im Cockpit ist die Geräuschkulisse der Grob 109 wirklich erträglich. Außerdem funktioniert unser Intercom wieder vernünftig, sodass ich selbst mit hardcore noise protection meinen Fluglehrer vernünftig verstehe.
Durch die Kontrollzone und über die Alb
Ein paar Tage nach dem ersten Solo heißt es wieder Schulungsflug mit Lehrer. Das Ziel: Die Stuttgarter Kontrollzone. Da in der TMG-Prüfung solch ein Flug verlangt ist, ist es sinnvoll, das mal geübt zu haben. Zwar macht man das zumindest theoretisch in der Flugfunkprüfung, aber als Segelflieger nutzt man es dann eigentlich nie wieder. Anflugkarte, Pflichtmeldepunkt, was war das nochmal? Meine vor einem halbe Jahr bestandene AZF-Prüfung ist mir in dem Moment auch keine große Hilfe, denn da denkt der Lotse und der Pilot handelt auf Anweisung. Allerdings habe ich mir kurz zuvor nochmal das Buch VFR-Sprechfunk von Eisenschmidt aus dem Redaktionsregal gezogen und mir selbst einen kleinen Refresher zum Funkverkehr beim Durchfliegen einer Kontrollzone gegeben. Das Buch ist wirklich eine Empfehlung, weil den abgedruckten Beispielen QR-Codes beigestellt sind, über die man sich den Funkverkehr mit dem Handy anhören kann. Gehört ist es doch nochmal was anderes als nur gelesen.
Beim Briefing schaue ich mir mit Fluglehrer Otto noch einmal die Anflugkarte für Stuttgart an und lasse mir erklären, wie ich die Pflichtmeldepunkte aus der Luft finden kann. Sierra liegt über dem Aichtalviadukt, das die B27 über das – oh Wunder – Aichtal führt. Echo, der für uns relevante Pflichtmeldepunkt im Norden, befindet sich zwischen Fernsehturm und Funkturm am Rand des Stuttgarter Talkessels. Das sollte sogar ich finden. Zweimal durch die Zone, das ist das Ziel. Vorflugkontrolle und los gehts!
Nach dem Start geht es über dem Tiefenbachtal südlich des Platzes auf 3200 Fuß Höhe. Hier wechseln wir auf die Stuttgarter Turmfrequenz und melden uns an. „D-KGWH, Motorsegler Grob 109 B, fünf NM westlich Sierra in 3200 Fuß, erbitte Flug durch die Kontrollzone von Sierra nach November.“ „D-WH, sie meinen sicher Echo, oder?“ „D-WH, korrekt, Echo.“ „D-WH melden Sie Sierra.“ Scheiße, direkt beim Einleitungsanruf den Meldepunkt vergeigt in der Annahme, dass ein nördlicher Pflichtmeldepunkt gefälligst November zu heißen hat. Aber bereits bei meinem ersten Kontakt mit den Stuttgarter Lotsen zeigte sich das, was man von der DFS immer hört: Die Lotsen sind da, um zu helfen. Angst vor der Kommunikation ist fehl am Platze. „D-WH, Sierra, 3200 Fuß.“ „D-WH Durchflug durch die Kontrollzone genehmigt, direct Echo nicht unter 3000 Fuß.“ „D-WH, Durchflug genehmigt, direct Echo, nicht unter 3000 Fuß.“ Das war es also. Mein Fluglehrer kommentiert nur, so einfach könne das sein. Durch die Direct-Freigabe kann ich mir die Anflugroute der B27 folgend sparen und die Lücke zwischen den beiden Türmen direkt ins Visier nehmen. Ich staune Bauklötze, als wir den Flughafen nahezu mittig überfliegen. Sowas siehste als Segelflieger eigentlich nie (es sei denn, es ist Vulkanausbruch, nichts fliegt mehr kommerziell und die Lotsen sind froh, überhaupt mal mit wem sprechen zu können…). Am nördlichen Platzrand stehen die Eurowings-Maschinen aufgereiht, die Corna bedingt aktuell nicht in die Luft gehen. Das GAT ist zu erkennen, die Flughafenfeuerwehr, einfach alles, was ich sonst nur von unten kenne. Um dem ansteigenden Geländeprofil zu folgen, gebe ich etwas mehr Gas – der Flughafen liegt etwa 120 Meter tiefer als der Frauenkopf, die Erhebung, auf der der Fernmeldeturm steht.
Als wir die beiden Türme passieren, melde ich mich wieder beim Tower. „D-WH, Echo, 3300 Fuß.“ „D-WH, verlassen der Frequenz genehmigt, Tschüss!“ „D-WH, verlassen der Frequenz genehmigt, Danke!“. Erster Flug durch die Kontrollzone – erledigt. Was nun? Als wir mitten über Stuttgart sind – zugegeben, es ist spannend, die Stadt mal aus der Luft zu sehen! – schaltet Otto den VOR-Empfänger ein, an dem er kurz nach dem Start bereits rumgefummelt hatte. „Guck auf das Anzeigegerät, das VOR Ludwigsburg ist jetzt ziemlich genau auf Radial 030. Diesen Wert stellst du am Drehknopf ein und steuerst dann so, dass der Ablagezeiger in der Mitte bleibt. Der Kurs entspricht dann dem Radial.“ Wieder was gelernt und, zugegeben, gleich angefixt von klassischen Navigationsinstrumenten. Mit 150 km/h düsen wir auf das VOR LBU zu, und im Moment des Überfliegens springt die Anzeige von TO auf FR. Wie in der Theorie irgendwann mal gehört!
Jetzt heißt es kehrt machen, nochmal durch die Kontrollzone und schauen, ob uns die Lotsen einen low approach genehmigen. Ein Paar Meilen vor Echo melden wir uns wieder, und mit einem ziemlich aus der Funkdisziplin fallenden „Den low approach kriegen wir auch gebacken“ gibt uns der Lotse zu verstehen, dass wir auch mal den Betrieb in Stuttgart aufhalten dürfen. „D-WH melden sie Queranflug 07“, schallt es aus dem Kopfhörer, und Otto dirigiert mich durch die Stuttgarter Platzrunde. Die Ansage „D-WH frei für low approach 07, direkt nach Durchstarten Rechtskurve Kurs 160“ quittiere ich und bin dann für die nächsten 30 Sekunden stiller Genießer. Der Eurowings-Airbus muss warten, während wir mit unserer Möhre die Bahn ansteuern. Zwei rot, zwei weiß – das PAPI signalisiert, dass der Gleitwinkel perfekt passt. Yeah! „Jetzt fliegst Du ein paar hundert Meter die Bahn entlang, gibts dann Gas und steigst weg. Dann rechtskurve und rechts der Siedlung dort halten“, weist mein Fluglehrer an. Ich sauge gierig jede Information auf, husche in einigen Metern Höhe über die gut 3,3 Kilometer lange Piste, gehe wieder in den Steigflug und kurve ab. Otto navigiert mich mich zwischen ein paar Ortschaften hindurch und erklärt mir, dass der Pflichtmeldepunkt Oscar, über den der Ausflug aus der Kontrollzone erfolgt, genau über dem Zentrum von Nürtingen liegt. Die scheinen wohl weniger lärmempfindlich als in Reudern, Erkenbrechtsweiler und wie die Käffer alle heißen, aus denen die Kleingartenbeseitzer anrufen, wenn mal wieder einer von den gewissenlosen Piloten in unter 3000 Fuß drübergekachelt ist…
Nach der Landung schwebe ich förmlich auf Wolke sieben und putze völlig verliebt den Motorsegler. Hach, war das schön. Und mein FI scheint auch gar nicht so unzufrieden zu sein mit dem, was ich da fabriziert habe. Ich gebe mir selber im Geiste high five und frage vorsichtig, ob Otto denn am Wochenende auf dem Flugplatz sei und ich evt. noch ein paar Solo-Runden drehen könnte. Könnte sein, antwortet er mir.
Und tatsächlich kann ich am Wochenende noch ein paar Flüge abgreifen. Nach Arbeitsstunden an der 59 (woraus wahrscheinlich der nächste Blogbeitrag wird…) springe ich am Samstag zunächst als Startleiter ein, aber gegen 18 Uhr haben wir alles weggepackt, weil die Schüler durch sind, was es mir erlaubt, noch drei Solo-Platzrunden unter Aufsicht zu drehen. Sonntag dasselbe Spiel, Arbeiten an der 59 und danach lässt sich Otto, der an diesem Tag seine Minimoa mal wieder gelüftet hat, einmal mehr erweichen, mir einen Flugauftrag zu erteilen. „Haub ab, am besten auf die nahe Alb und sieh zu, dass du ne halbe Stunde Solo-Zeit zusammenbekommst, ohne dass du irgendwen mit Krawall nervst!“ So starte ich, kreise mich überm Tiefenbachtal hoch, stelle die Latte auf Reise und fliege eine Runde spazieren. Und ich genieße es. Als die Räder wieder den Boden berühren, sind es sogar 40 Minuten geworden. 40 Minuten, die mir noch einmal gezeigt haben, dass Segelfliegen nicht alles ist und die Fliegerei noch viele spannende Herausforderungen für mich bereit hält. TMG-Berechtigung, PPL-A, Motorkunstflug – wer weiß, was da noch alles kommt…
Hallo Lars, immer wieder schön, die tollen Berichte eines „Landsmannes“ zu lesen. Aber sag mal – geben Dir die Stuttgarter Lotsen kein QNH, wenn Du in die Kontrollzone einfliegen willst!?
Viele Grüße aus Le (Taucha&Renneritz)
Karl-Heinz Häßner
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Das hab ich frecherweise unterschlagen. Sie haben mir natürlich ein QNH gegeben, und ich weiß sogar noch, dass es 1020 war 😉
Es ist leider keine G 109, sondern „nur“ eine G109 „B“ .
Diese Differenzierung ist Haarspalterei, spannend wäre es, wenns `ne 109 G wäre… 😉