Ein kleiner Erfolg

Tatsächlich habe ich angesichts meiner miesen Performance bei der DM überlegt, ob die Wettbewerbsfliegerei angesichts meiner Frustrationstoleranz auf dem Niveau eines Dreijährigen wirklich sinnvoll ist. Die Österreichischen Meisterschaften in Schärding-Suben schienen mir allerdings eine gute Möglichkeit zu sein, das nochmal empirisch zu überprüfen und die ein oder ander Variable zu verändern. Variable 1: Den Wettbewerb auf dem eigenen Flugzeug fliegen. Der Schaden am Lagerbock war repariert und die Schale habwegs wieder hingepfuscht, auch wenn das Finish zunächst nur aus DC-Fix-Folie bestand. Den Stempel im Bordbuch hatte ich mir schon vor dem Besuch des idaflieg-Sommertreffens geholt (Danke hier an Lutz Kern für die effektive Betreuung!) und so konnte ich endlich wieder 8E fliegen und gucken, ob ich mit der besser klar komme als mit Steffens 6B. Zwar bin ich weit davon weg, das Ergebnis in Oschatz auf den Flieger zu schieben. Aber in dem Moment, wenn ohnehin das Licht aus und die Orientierung nur noch marginal vorhanden ist, da sind es eventuell die Nuancen wie ein anderes Knüppelgefühl, die dich dann derart ausm Konzept bringen, dass am Ende Murks bei rauskommt.

Für Schärding hatte ich mir fest vorgenommen, die Flüge einfach nur für mich zu machen. Zwischenergebnis – egal. Bloß nicht auf die Liste gucken um Platzierungserwartungen zu wecken und sich selbst unter Druck zu setzen! Wenn es dann wieder scheiße lief, könnte ichs immernoch sein lassen, so die Idee. Und die war offensichtlich nicht die schlechteste.

Der Flugplatz unweit von Passau ist wirklich ein fliegrisches Kleinod. Direkt am Inn gelegen, Asphaltbahn, mehrere Hallen und eine Unterkunft direkt am Platz, die durch Renovierung vom „Hotel Fürchterlich“ zur respektablen „Villa Patrick“ gereift ist. Neben mit ist als Auslandsgast noch Grisu dabei, ein erfahrener SDZ-59-Pilot, der allerdings in der Unlimited antritt. Meine Mitbewerber sind ein bunter Haufen aus Kunstfluganfängern und erfahrenen Fliegern, vor allem Brigitte hat schon etliche nationale und internationale Wettbewerbe geflogen. Also durchaus amtlich, wenngleich ein größeres Teilnehmerfeld schön gewesen wäre.

In meiner Klasse bin ich der einzige auf der SZD-59, daneben fliegt ein Teilnehmer B4, eine Swift und zwei auf Fox. Bunt gemischt also. Dass die B4 inzwischen zum limiterenden Faktor in der Advanced verkommt, zeigt sich deutlich bei der Figurenauswahl. Etliche Male kommentiert der B4-Pilot unsere Vorschläge mit „Des kann die B4 net!“ Klar, wenn nach irgend einem Aufschwung noch ne ganze oder gar gezeitete Rolle ansteht, dann ist man schon arg an den Limits des alten Blechfliegers – oder das Ergebnis sieht halt scheiße aus… Am Ende haben wir doch ein paar Vorschläge zusammen, um ein paar Programmvorschläge zu basteln.

Der erste Tag geht wie üblich mit der Free Known dahin. Die hatte ich eigentlich nochmal trainieren wollen, es aber zeitlich nicht mehr auf die Kette bekommen. Die Boxmarkierungen sind sparsam, drei Flugzeuganhänger an je einer Ecke, die vierte Ecke im Wald muss sich jeder selber einprägen. Nunja. Ich würge mich irgendwie durch mein Programm durch und lasse gleich beim Weibchen satt Punkte liegen, das alles andere als schön steht und deswegen am Ende nur ne läppische 6 im Average bringt. Der Rest liegt überwiegend im 7er Bereich, sodass am Ende 71 Prozent und 1360 Punkte auf dem Zettel stehen. Davon habe ich nach der Landung freilich keine Ahnung, und ich will es auch nicht wissen.

Tag 2, Unknown 1: Einmal mehr eine Licht-Aus-Figur gleich am Anfang. Die Sinnhaftigkeit stellt auch mein Mentor Robin im Threema-Dialog infrage, aber was will man machen? 5/8-Loop mit 45-Aufwärts-Line und Ende im Rücken, dann durchziehen in die Senkrechte mit 1/4-Rolle und Dreiviertel-Loop auf die Judges zu, im Ausgang garniert mit einer Zweizeiten-Rolle Rücken in Rücken. Dann noch ein negatives Käseeck mit 1/4 im Abgang, um wieder in Boxrichtung zu kommen. Alles danach ist nahezu Entspannung, auch wenn B4-Daniel wieder über die Donauwelle mit der 1/4 in der Abwärtslinie gejammert hat – nur um sie am Ende doch ganz solide zu fliegen! Tatsächlich ist die einzige Figur, die ich in diesem Programm gut fliege, ne 180-Grad-Wende, und die nichtmal aufm Rücken, sondern upside up. Trotzdem reichts für Rang 3.

Tag 3, neuer Anlauf. Zum Beginn ein Abschwung mit eineinhalb Rollen (Memo an mich: unbedingt üben sowas!!) und wieder ein Weibchen. Das geling auch eher so lala, dann Turn mit Viertelrolle abwärts und der P-Loop mit 2/4 im Scheitel. Der klappt mit ner guten sieben halbwegs solide. Anschließend zwei Goldfische, einer, der erste mit negativem Ausgang, dem sder zweite mit negativem Eingang folgt. Hier kommt es darauf an, nicht zu verpeilen, dass die letzte Rolle im zweiten Fisch in zwei Vierteln zu fliegen ist. Am Ende des durchgangs habe ich erneut die meisten Punkte zusammengeflogen.

Tag 4, Finale: Da lassen wir es nochmal richtig krachen und steigen mit einem Eineinviertel Trudler ein, dem sich ein Weibchen (ich kann die Dinger nicht mehr sehen!!!) anschließt. Die folgende Rollenkehre garnieren wir mit eineinhalb Rollen im Ausgang und setzen noch negatives Käseeck, Turn, halben Kubaner sowie den vierten P-Loop und nen Aufschwung nach. Als ich gelandet bin, kommt Grisu auf mich zu, hilft mir, den Flieger vom Rollweg zum Anhänger zu ziehen und meint, das dürfte gereicht haben. Ich zucke mit den Schultern, denn ich hatte mir ja vorgenommen, mich bis zur Siegerehrung nicht um Platzierungen zu scheren. Und ich bin ein kleines bisschen stolz auf mich, dass ich das auch durchgezogen habe.

Als die Flieger eingehallt bzw. abgerüstet sind, trommeln die Judges um Steff Hau zur Auswertung in die rustikale Fliegerkneipe. Und hier wird das Gewissheit, was mir Grisu durch die Blume zu verstehen gegeben hatte: Ich habe die Advanced-Klasse gewonnen. Allerdings: Für den Titel Österreichischer Staatsmeister hätte ich meinen deutschen Pass abgeben müssen. Das wars mir dann doch irgendwie nicht wert… Grisu hat es mit der anderen SZD-59 auf den fünften Rang in der Unlimited geschafft, also nicht letzter. Auch was wert.

Nach der Siegerehrung – für die die Kameraden vor Ort sogar eine deutsche Flagge organisiert haben – gibt es zur Feier des Tages ein schönes Schnitzel mit Pommes, bevor ich mich auf den Weg in die Heimat mache. 50 Kilometer weiter bleibe ich mit unruhigem Motorlauf liegen. Laut Diagnosegerät ist die Zündspule an Zylinder 4 Fratze. Und in diesem Moment bin ich einmal mehr dankbar dafür, dass ich am 4. Juli 2011 mit einem ähnlichen Problem an die Auto Crew Blumstein in Freiberg (Sachsen) geraten bin. Der Meister dort hat mir nach einem kurzen Blick unter die Haube den Satz „Super, das ist der neue V5-Motor, da ist der Zündspulenwechsel so einfach, ich zeige dir gleich, wie das geht, kannste beim nächsten Mal selber machen!“ entgegengerufen und dann Schritt für Schritt erklärt, wie der Wechsel vonstatten geht. Und das, nachdem mir ein Audi-Händler, bei dem ich zuvor mit dem Problem aufgelaufen bin, erklärt hatte, dass das ein riesiger Aufwand sei, weil bla bla bla. Nach 20 Minuten hatte ich die Ansaugbrücke runter – Werkzeug lag ja eh genug im Kofferraum – kurz darauf die richtige Spule ausgebaut und der pro Forma dazugerufene ADAC-Mann hat mir dann den Stecker von der Spule gefummelt, denn dafür war ich zu blöd.

Als letzten Akt des Tages stelle ich die 8E bei Kamerad Fischer in der Nähe von Peiting ab, damit der die Wunden von der Reparatur im Sommer final mit PU-Lack verarztet.

Auf der Zielgeraden zum TMG-Rating

Sechs Stunden Ausbildung sind für den Erwerb der TMG-Berechtigung Pflicht. Dass ich inzwischen mehr als 15 Stunden Blockzeit auf unserer Grob 109 B geloggt habe, ohne mit dem Lappen fertig zu sein, hat mehrere Gründe. Zum einen hatte ich die Ausbildung nach dem tödlichen Unfall meines Fluglehrers Otto im vergangenen Jahr unterbrochen, um mir hier ein bischen Zeit zum Verarbeiten zu geben. Zum zweiten hatten mir kurz danach meine Ohren wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil der Flug in der eta trotz nur sechs Minuten Motorlaufzeit zum Start, den stärksten Schaumstoffstöpseln in und einem Top-Headset auf den Ohren mein Gehör wieder völlig aus dem Tritt gebracht und mir ein halbes Jahr andauernde Tinnitusprobleme beschert hatte. Zum Kotzen, ganz ehrlich!

Mitte August, also nach gut einem Jahr Pause, wollte ich das TMG-Rating endlich angehen und zum Abschluss bringen. Tatsächlich brauche ich am Anfang eine Zeit, um mich wieder einzufuchsen. Die weitgehende Entkopplung von potenzieller und kinetischer Energie im System musste ich erst wieder verinnerlichen, also kapieren, dass man auch im Geradeausflug steigen kann, ohne durch Thermik zu fliegen. Umso häufiger wies mich mein Fluglehrer mit dem Satz „Nicht weiter steigen!“ darauf hin, genauer auf Vario und Höhenmesser zu achten. Nach fünf Flügen und eineinhalb Stunden war ich fit für meinen zweiten ersten Alleinflug auf der 109, und es fühlte sich einfach gut an. An vier weiteren Flugtage mit insgesamt sieben Flügen brachte mich mein FI Henrik durch die fehlenden Punkte der praktischen Ausbildung, sodass ich mich schließlich an die Planung für den Allein-Überlandflug machen konnte. Eine erinnernswerte Episode ist ein Tiefanflug auf Stuttgart zwecks Übung der Funkkommunikation und des Verhaltens in der Kontrollzone, in der mein Spruch „D-KGWH, Sierra, 3200 Fuß“ vom Tower mit „WH Negativ, falsche Brücke!“ kommentiert wurde. Auf meinen kurz darauf folgenden erneuten Versuch mit „WH, dieses mal richtiges Sierra, 3200 Fuß“ kam dann „Glückwunsch, Einflug in die Kontrollzone genehmigt!“ zurück, und wir konnten unseren Plan umsetzen.

Hahnweide-Schwäbsich-Hall-Hahnweide, so der Plan, sollte mein Überlandflug werden. Zunächst hatte ich mal Speyer angepeilt, aber durch die Winterzeit bedingte frühere Dunkelheit war mir das zu weit. Donaueschingen, auch so ein Klassiker, wäre nur stumpf durch den Echo gegangen, sodass ich mich am Ende für Hall entschied, um auch die Stuttgarter Kontrollzone mitzunehmen. Denn so langsam wurde ich auch in der Funkerei sicherer, und jeder Flug, der den Kontakt mit den Lotsen erfordert, schult aus meiner Sicht ungemein.

Also die Grob 109 aus der Halle gezogen und das störrische Gerät mit Hilfe von JL und Fabian zusammengesteckt. Obwohl ich beim Walkaround alle Ruder auf Beschädigungen und Gängigkeit prüfe, vergesse ich – warum auch immer! – die Endeistenschützer aus Schaumstoff abzunehmen. Die hatten wir in der jüngsten Werkstattphase gekauft (Obi, Rohrisolierung, 1,50€ pro Stück), um zu vermeiden, dass jemand sich ne Platzwunde holt, wenn er im Tran gegen das Leitwerk rennt. Das bringt mir einen Anschiss unseres Ex-Ausbildungsleiters ein, der sieht, wie einer der Schoner beim Anlassen nach hinten wegfliegt, als ich den Hobel zur Tanke rollen will. Ich bin ja für jeden Hinweis zur Flugsicherheit dankbar, habe mir aber vogenommen, stets die Maxime walten zu lassen, dass der Ton die Musik macht und ein freundlicher Hinweis auf einen Fehler viel mehr bewirkt. Als Learning aus dieser Situation habe ich mir vorgenommen, die Checkliste im Cockpit um den Punkt „Endleistenschoner entfernt“ zu erweitern. Das passiert mir kein zweites Mal!

An der Tanke rauschen 16 Liter Sprit in die 109, sodass ich mit gut 45 Litern an Bord eine mehr als komfortable Reichweite für den geplanten Trip habe. Der Flugdurchführungsplan aus FL95 liegt ausgedruckt neben mir auf dem Sitz, dazu die Anflugkarten von Stuttgart und Hall und noch eine Rollkarte für den Zielflugplatz. Dazu habe ich einen schriftlichen Flugauftrag dabei, um gegebenenenfalls nachweisen zu können, warum ich allein überland unterwegs bin. Die reine Flugzeit beträgt eine Stunde und acht Minuten, damit habe ich eine gute Dreiviertelstunde Stunde reserve bis zum Dämmerungsende. Zugegeben sportlich, aber auch Phantom-Jochen, Fluglehrer bei der Motorflugschule, der mir freundlicherweise beim Rangieren an der Tanke hilft, ist sich sicher, dass das reicht.

Während ich zum Rollhalt eiere, höre ich die Stuttgarter ATIS ab und mache mir Notizen auf dem Kniebrett. Runup am Rollhalt 25, Vollgas, 2400 U/min, Vergaservorwärmung checken, Leerlauf, Benzinpumpe ein. „D-KGWH, Abflugbereit Rollhalt Piste 25.“ „WH, Start nach eigenem Ermessen.“ Ich schiebe sanft das Gas rein, rolle auf die Piste und gebe, kaum ausgerichtet, Vollgas. Die 109 nimmt fahrt auf, und nach dem Weglupfen vom Asphalt nehme ich die Nase nach unten, bringe die Fahrtmessernadel im Bodeneffekt an den blauen Strich und ziehe dann sanft in den Steigflug. Leicht rechts von der Grundline stiege ich weiter, um im Fall eines Motorausfalls in das kleine Tal gleiten zu können. Zudem nehme ich rund 100 Umdrehungen weg, um die Anwohner nicht mehr als nötig mit Lärm zu versorgen. Über den Talwald verlasse ich die Platzrunde, steige auf etwa 2500 Fuß und bringe den Propeller in Reisestellung. Mit 140 km/h nehme ich Kurs auf Sierra, verabschiede mich von Hahnweide Info und melde mich bei Stuttgart Turm an. Das Durchqueren der Kontrollzone klappt völlig Problemlos, ich bekomme ein Direct nach Echo und nehme Kurs auf die Lücke zwischen beiden Funktürmen. Nach einem kurzen Hinweis auf anfliegenden VFR-Verkehr entlässt mich der Lotse, und ich steuere nun das Ludwigsburger VOR an. Schließlich nehme ich nach Kompass Kurs auf Schwäbisch Hall und fange irgendwann an, angestrengt den Boden nach der Piste abzusuchen. Und wie so oft finde ich den Platz weit näher als erwartet.

Ein kurzer Funkspruch an den Tower wird mit der Bitte quittiert, den Platz nicht unter 3000 Fuß zu überfliegen, da gerade IFR-Verkehr im Anmarsch sei. Ich bringe den Prop in Startstellung, ziehe die Vergaservorwärmung und melde den Gegenanflug. Der Tower bittet mich, den Anflug fortzusetzen, da der Business Jet noch weit genug entfernt ist. Die Landung in Schwäbisch-Hall ist wirklich butterweich, selbst für meine überkritische Selbsteinschätzung! Um Kurz nach 15 Uhr Ortszeit bin ich aus dem Cockpit raus und auf dem Weg zum C-Büro das Adolph-Würth-Airports. Irgendwann Mitte des Jahres war ich mal hier auf einer Konferenz der German Business Aviation Association, bei der ich auch die Zukunftsforscher Morell Westermann und Lars Thomsen für ein Interview traf. Das Finanzielle ist schnell erledigt, und einen Becher Wasser aus dem Spender später bin ich schon wieder auf dem Weg zum Vorfeld, springe ins Cockpit, sortiere den Papierberg auf dem rechten Sitz und melde mich an. Das Taxiing bis zum knapp einen Kilometer entfernten Rollhalt zieht sich. Angekommen, Bremse rein, Runup. Nebenbei höre ich im Funk, was um den Platz los ist, und melde Abflugbereitschaft. Vom Tower kommt die Bitte, hinter der anfliegenden Cessna auf die Piste zu rollen und dort die Position zu halten. Kurz darauf ist der Alukoffer aus Wichita durch und ich rolle mit meinem Mindelheimer Kunstharzklumpen zum Abflugpunkt. Zügig schiebe ich den Gashebel vor, lasse die Fuhre Fahrt aufnehmen und bekomme nach einer halben Platzrunde die Einladung, gleich quer über den Platz nach Hause zu fliegen. An dieser Stelle vielen Dank an die Flugleitung und den Tresenmann von Würth für die unkomplizierte Abfertigung! So ist es auch für Flugschüler, die sich zum ersten Mal alleine an einen fremden Airport wagen, keine Schwierigkeit!

Grob 109
Selten so eine schöne Stimmung erlebt wie in Schwäbisch-Hall.

Zunächst nehme ich Kurs auf Heubach, fliege aber angesichts der immer tiefer sinkenden Sonne nicht bis ganz an den Platz heran, sondern drehe vorher auf Heimatkurs ein, der mich knapp an der südöstlichen Ecke der Stuttgarter Kontrollzone vorbei führt. Gut eine Woche zuvor hatte ich dieselbe Route mit Fluglehrer absolviert, konnte also entspannt den Orientierungslinien am Boden folgen. Kurz nach Sonnenuntergang melde ich mich wieder bei Hahnweide Info an, hole mir die Info zur Piste und gehe in den Gegenanflug zur 07. Auch hier streicheln die Räder der Grob ganz sanft den Asphalt – kein Vergleich zu den Bumslandungen, mit denen ich das Gerät bei den ersten Wiedereinstiegsflügen auf die Erde geklatscht hatte. Um 16.01 Uhr hat mich der Boden wieder, zehn Minuten nach Sunset und mit 24 Minuten Reserve zum Ende der bürgerlichen Abenddämmerung. Mit guter Laune und deutlich entspannter rolle ich zur Backsteinhalle und stelle den Motor ab. Auch die beiden Rüsthelfer vom Nachmittag, die mit der Stuttgarter WT-9 unterweg waren, sind noch da und helfen mir beim Abbauen. Als der „Rattel“ in der Halle verschwunden, die Dokumente auf Stand gebracht und die Hallentore zu sind, kann ich zufrieden nach Hause Fahren.

Jetzt muss nur noch die Prüfung klappen.

EDIT: Hat geklappt 😀

Eine DM zum Vergessen

Es ist ein ultra mieses Deja-vu, dass mich an die verkorksten Schweizer Meisterschaften 2019 erinnert. Es ist ein Punkt an dem ich einmal mehr überlege, ob es sinnvoll ist, mit einer Frustrationstoleranz auf dem Niveau eines Dreijährigen Wettkampfsport betreiben zu wollen. Eigentlich muss man selbstkritisch sagen: nein. Denn: So ich das weiter mache, werden immer wieder maximal frustrierende Momente kommen, und die jedes mal mit einem Teufelstanz über den Flugplatz, wildem Rumgebrülle und bösen Blicken in Richtung aller anderen Menschen zu quittieren, das kann man eigentlich keinem zumuten. Aber von vorn.

Bis zum Totalausraster lief meine erste Deutsche Meisterschaft im Segelkunstflug eigentlich gar nicht so mies. Den Salzmann-Cup über das Fronleichnamwochenende hatte ich mit nur zwei statt drei Wertungsflügen beenden müssen und war dennoch nicht letzter geworden. Das Training unter Anleitung von Schorsch Dörder in Walldürn schien tatsächlich was zu bewirken. Weniger Rumgeeier, klarere Linien, mehr Figurentrennung und sogar halbwegs anständige Positionierungen brachten in Ansbach zwei ordentliche Flüge mit 65 und 68 Prozent, und bei zwei weiteren Trainingssessions wurde klar, dass meine Free Known solide läuft. Ob es schlau war, mich dann gleich zur Deutschen Meisterschaft anzumelden? Fliegerisch sprach da sicher nichts dagegen. Aber dass mein Mindset so weit von „ausreichend“ entfernt sein würde, damit haber ich nicht gerechnet, obwohl ich es hätte wissen können und müssen.

Die Oschatzer erweisen sich als phänomenale Gastgeber. Was dieser Verein für die 24 Teilnehmer der Advanced und 15 der Unlimited samt ihrer Helfer auf die Beine stellt, geht weit über das übliche Maß hinaus. Das beginnt beim top präparierten Flugplatz, geht über ein maximal hilfsbereites und freundliches Team und endet bei überaus fairen Preisen für Essen und Getränke. Als wir unser Wohnmobil, dass Caravan Karius aus Leipzig mir und meinem Kumpel Christian zur Verfügung gestellt hat, auf dem Campingplatz abgestellt haben, stellt sich unmittelbar Urlaubsstimmung ein. Aus allen Ecken kommt der internationale Gruß für Freundschaft – ein ausgestrecker Mittelfinger mit dem Ausruf „Freundsaaaafd!“ – und man trifft die Leute, die sich üblicherweise auf Kunstflug-Events rumtreiben.

Technischer K.O. für die 8E

Den ersten Dämpfer gibt es am Donnerstag. Kaum ist mein Flugzeug zusammengesteckt, holt mich ein Problem von vor zwei Jahren ein. Allerdings ist das Quietschen des Querruderantriebs, das seinerzeit zunächst erträglich und dann mit etwas Sprühöl auf den mittleren Lagerbock der Querruderstange auch behoben war, jetzt apokalyptisch laut. Bereits in Puimoisson zwei Wochen zuvor – andere Geschichte, erscheint im aerokurier – war das Geräusch wieder aufgetreten, aber bei weitem nicht so wie in Oschatz, wo das Schaben plötzlich über den ganzen Flugplatz schallt. So fliegen? No way! Das Team 6B ist schnell zur Stelle und stimmt mit mir überein, dass da nur ein Lager kaputt sein kann. Und es ist natürlich der mittlere Lagerbock, an den man so gut wie gar nicht rankommt. Steffen bietet mir an, seine 6B zu fliegen, auf der der andere Acro-Lars die DM bestreitet wird, während die anderen auf dem Swift fliegen. So ist zumindest der Wettbewerb gerettet, und laut Steffen rollt die 6B – der Prototyp der SZD-59 – auch besser als die meisten anderen. Einen Start zum Eingewöhnen gönne ich mir noch, dann rüste ich meinen Hobel ab und bringe die linke Fläche in die Werkstatt.

Was dann folgt, tut nur am Anfang weh. Mit Endoskopkamera und Taschenlampen gehen wir dem Defekt auf den Grund und stellen unter dem ooooh und aaaah zahlreicher umstehender Piloten, die das Spektakel interessiert verfolgen, fest, dass sich eine der drei Rollen nicht bewegt und auch die Steuerstange ein Einlaufbild zeigt. Die Operation beginnt mit einem 3er Bohrer, und da es nicht das erste Mal ist, dass ich Löcher in mein Flugzeug bohre, hält sich der Schmerz in Grenzen. Gottseidank belassen wir es bei der einen „Erkundungsbohrung“ auf der Unterseite, denn am Morgen darauf gibt es von Markus Uhlig – dem Jantar-Spezi schlechthin – eine Detaillierte Reparaturanweisung für meinen Fall. Sein Tipp: Unbedingt die Oberseite aufschneiden, denn der Lagerbock ist auf der Unterseite aufgeharzt und nur so vernünftig zugänglich. Mit dem Dremel fräsen sich Steffen und Ines sukzessive durch meine Tragfläche, und als das Loch so groß ist, dass man das Lager erreicht, ist klar: die Rolle ist fest. Und mit der weiteren Analyse verfestigt sich die Meinung, dass sich diese Rolle in den 18 Jahren Flugzeugleben nie gedreht hat, weil die Aussparung dafür viel zu klein ist. Schlauerweise haben die Polen das Ding auch noch eingenietet, sodass wir das Loch in der Fläche so weit vergrößern müssen, bis Steffen die Nieten aufdremeln kann. Kaum purzelt die Rolle heraus, dreht sie sich im Lager. Die Beschaffung eines Ersatzteils entfällt also.

Über die folgenden Abende dokumentiere ich den Schaden, spreche mit dem Prüfer, baue die Rolle so ein, dass sie sich frei drehen kann und wende dann unter Anleitung von Steffen das an, was ich mal im Zellenwartlehrgang gelernt habe. Die Außenschale schleife ich weiter aus als die Innenschale, fertige aus Contizell-Schaum einen Deckel an und laminiere zunächst dessen Unterseite mit einer Lage Gewebe, bevor ich ihn mit Harz auf die Innenschale aufklebe. Final schäftet Steffen die Oberschale an und ich assistiere beim Neuaufbau mit Glasfasergewebe und Epoxidharz gemäß Belegungsplan. In diesem Zusammenhang geht ein großer Dank neben Steffen auch an Schempp-Hirth Flugzeugbau, die mir trotz Betriebsfeier noch am Donnerstag ein Paket mit Contizell, Gewebe und Epoxidharz samt Härter zusammengepackt und nach Oschatz geschickt haben. Zitat meines Vereinskamerads Nico: „Das wird Teuer, Tilo wollte mir gerade ein Steak braten!!“

Totalausfall bei der Unknown 2

Das Einkleben des Deckels ist am Vorabend meines Maximalausrasters erledigt. Die Nacht schlafe ich ultra beschissen, auch, weil ich nichtmal mehr die Zeit hatte, das Programm neu zu setzen, sodass ich es vernünftig lesen kann.

Drei Programme hatte ich bis dahin halbwegs solide in die Box gezimmert und mir nur in der ersten Unbekannten eine HZ gefangen, als ich ein Käseeck mit zwei Viertelrollen mit 60 Grad in den Himmel gestellt hatte und darin folgerichtig zum Tailslide verhungert bin. Die Free Unknown – ein völlig behämmertes Programm mit insgesamt elf Viertelrollen – lief ohne Null und sogar mit einem 73er Schnitt. Damit konnte ich insgesamt ganz gut leben, denn Rang 10 vor der zweiten Unbekannten für den ersten richtigen Wettbewerb in der Advanced, das schien mir ok.

Dann der Totalausfall. Das Programm ist dem Wettbewerb angemessen anspruchsvoll. Die erste Sequenz beginnt mit einer halben Rolle in den Rücken, dann folgt ein inverted Q-Loop mit einer vorgeschalteten Zweizeiten-Rolle Rücken in Rücken. Als ich aus der Rückenlage durch den Bogen ziehe, ist es zwischenzeitlich stockdunkel. Die Wechsellast von -1 auf +6 g (oder noch ein bisschen mehr) knipst nicht nur mir, sondern auch etlichen anderen die Lichter aus. Eine Teilnehmerin schießt sich sogar kurzzeitig in den g-LOC, sowas habe ich auch noch nicht erlebt. Dann folgt ein Abschwung aus dem Rückenflug mit angeschlossener halber Rolle in den Rückenflug, der wiederum in einen Aufschwung mit vorgeschalteter Zweizeitenrolle übergeht. Und hier liegt das Problem, denn den vergesse ich. Mir ist klar, dass Fahrt weg muss für den anschließenden Trudler, wie ich die abbaue entzieht sich meiner Erinnerung. Der Trudler geht in die falsche Richtung, ebenso wie das folgende (sehr schöne!!!) Weibchen sowie der Humpty in der Quersequenz. Erst hier wird mir bewusst, dass ich falsch herum fliege, also zimmere ich in 450 Metern Höhe mit 240 Sachen einmal komplett durch die Box, wende den Eimer und fliege die Kubanacht und den Q-Loop mit Rolle immerhin noch in die richtige Richtung. Dennoch: Das Ganze war ein Rohrkrepierer allererster Güte.

Schon im Landeanflug brülle ich das Cockpit zusammen, nach dem Ausrollen schleudere ich Kopftuch, Sonnenbrille und Handschuh in die Botanik, wühle mich aus den Gurten und werfe mich schreiend ins Gras. Wie es mir gelingt, bis zum Basecamp auch nur halbwegs die Beherrschung zu behalten ist mir ein Rätsel. Kaum am Campingplatz angekommen, verpasse ich meinem Passat noch einen wütenden Fußtritt in die Heckklappe und ziehe die Tür des Wohnmobils zu. Bis zum Abend rede ich mit keinem Menschen, und das ist auch besser so. Den Bewertungsbogen gucke ich mir gar nicht an. Warum auch? Die Gesamtwertung ist im Arsch, Top Ten Geschichte und damit das Ziel deutlich verfehlt.

Fakt ist, dass ich mir ernsthaft die Frage stellen muss, inwiefern Wettbewerbskunstflug in diesem Mindset sinnvoll ist. Denn irgendwann führt Ärger zu Fehlern, und Fehler sind nicht ungefährlich, wenn man mit bis zu 280 Stundenkilometern durch die Gegend dübelt…

Das letzte Programm fliege ich einfach nur stumpf ab. Die Noten? Keine Ahnung, die Wertungsbögen sind mir nur noch egal. Auch aufs Gesamtclassement gucke ich nicht mehr. Warum auch? Bei der Siegerehrung bin ich froh, dass es keine Urkungen für Plätze jenseits des Treppchens gibt, denn die hätte ich ziemlich sicher noch vor Ort in die blaue Tonne geworfen.

Gemischte Gefühle

Am Ende bleibt die Erinnerung an eine DM, für die ich im Kopf einfach nicht bereit war. Vielleicht ist es eine Option, künftig bis zum letzten Tag die Wertungen zu ignorieren und nur die Judge-Sheets abzuzeichnen, ohne sich die Noten anzugucken. Einfach für mich fliegen, als gäbe es die Punktrichter gar nicht. Allerdings kriege ich auch den Willen zu gewinnen einfach nicht aus de Kopf, und das gilt für alles, was ich anfange. Dass jemand wie Lokalmatador Richard bei seiner ersten DM wie eine Maschine Programme im hohen 70er-Prozentbereich in die Box zimmert und nebenbei auch noch den Posten des Sportleiters mit maximaler Souveränität bekleidet, das fuchst mich zusätzlich. Aus dem Stand Deutscher Meister in der Advanced – unfassbar. Nicht, dass ich es ihm das nicht gönne, sondern weil ich mich frage, warum es bei mir so scheiße läuft. Am Flugzeug lag es sicher nicht, denn mit der 6B hatte ich mutmaßlich noch ein besseres Sportgerät als mein eigenes für die Wettbewerbsflüge zur Verfügung.

Viel wichtiger als der ganze Frust, den ich nun mit nach Hause nehme, ist die Erinnerung an einen Fliegerclub, der sich für seine Gäste maximal ins Zeug gelegt hat. So viel Verve wie bei den Oschatzern habe ich selten erlebt. Wenn vom A-Schüler bis zur Pilotin im Ruhestand alle an einem Strang ziehen, dann muss dabei im Ergebnis ein Flieger-Festival herauskommen wie in diesem Sommer. Bei der Abschlussfeier, die ich noch immer mit nach unten getackerten Mundwinkeln irgendwie über mich ergehen lasse, revanchieren sich die Piloten angemessen für die Gastfreundschaft. Danke Spendensammlung über die Pilotensprecher kommen ein neuer Beamer, eine Tischtennisplatte und ein Volleyballnetz für die Jugend zusammen. Es bleibt also auch von uns etwas in Oschatz.

Und eins steht fest: Ich komme wieder!

 

EDIT: Zwei Wochen Später ist der Ärger verraucht und erneut die Erkenntnis aufgeploppt, dass a) die Kunstflug-Familie aufeinander aufpasst und sich hilft, b) Kunstflug vor allem im Kopf entschieden wird und c) die DM alles in allem doch Spaß gemacht hat.

Weihnachtswunder

Sicher, man kann einen 23. Dezember dazu nutzen, um noch die letzten fehlenden Geschenke einzukaufen, man kann sich bereits auf den Weg in die Heimat machen, um den ganze Heiligabend mit der Familie zu verbringen oder endlich mal die Bude auf Vordermann bringen, die während der ganzen „besinnlichen“ Vorweihnachtszeit zwischen Plätzchenbacken, Geschenke in ICAO-Karten einwickeln oder dem allgemeinen Chaos des Alltags vollends verwahrlost ist. Oder man kann fliegen gehen. Und diese Option ist aus meiner Sicht die beste.

Am Vorabend des Heiligvorabends bin ich einigermaßen ernüchtert, denn die Prognosen des Windfinders sind alles andere als optimal. Der Superforecast zeigt zwar West mit fünf bis zehn Knoten, aber angesichts der völlig anders aussehenden Normalvorhersage beibe ich skeptisch. Dann bleibt mir nur, die 59 aufzurüsten und zwei Runden turnen zu gehen. Auch schön. Das Büro der Besonderen Nutzung Luftraum bei der DFS ist nicht mehr besetzt, aber der Supervisior meint, dass man für uns ein NOTAM fertig macht und wir uns die Freigaben dann entsprechend bei Langen Radar holen sollen.

Am 23. Dezember kurz nachzehn Uhr ist schon richtig Gewusel auf der Hahnweide. Für die Fliegergruppe Wolf Hirth und das Fliegende Museum Hahnweide ist es ein Pflichttermin: Exakt 70 Jahre zuvor absolvierte Wolf Hirth seinen ersten Flug von der Hahnweide aus – mit dem legendären Side-by-Side-Doppelsitzer Gö 4. Also Grund genug, dem historischen Ereignis mit einem würdigen Flugbetrieb zu huldigen. Entsprechend sind die Gö 4 und ein Zugvogel bereits aus der Halle geräumt, unser Duo steht draußen und auch das Schleppflugzeug macht sich bereit. Mein Freund Christian ist bereits schwer damit beschäftigt, sein Blechfass zusammen zu stecken – er will den Tag nutzen, um seine Rauchanlage auszuprobieren.

Beim Zusammenstecken meines Flieger brauche ich dieses Mal mehr Hilfe als sonst. Die Kälte hat die Gasfedern des Anhängerdeckels in die Knie gezwungen, sodass zwei Flugschüler den Deckel halten müssen, damit er nicht auf die Nase schlägt. Aber meine polnische Schönheit lässt gnade walten und sich ohne murren zusammenstecken. Ich bin mittelschwer begeistert. Die Visiere spare ich mir, soll ja nur ein Spaßflug sein. Kaum sind Flächen und Leitwerk dran, schallt die Frage „Kann wer Fluglehrer machen“, durch die Gegend. Ich gucke Rainer an, er guckt zurück und meint, aus seiner Sicht kein Problem. Heißt: Ich kann doch noch vor dem Jahreswechsel meine ersten Versuche als FI machen. Innerlich springe ich vor Freude im Kreis, versuche aber, mir meinen Überschwang nicht anmerken zu lassen. Zunächst ordere ich Fabian ab, mal ne Handvoll Corona-Schnelltests zu besorgen, damit wir uns alle vorher absichern können. In der Zwischenzeit mache ich die 59 fertig und und begebe mich mit dem Rest der Gesellschaft zum Start.

Hier stehen bereits die Gö 4 und der Duo bereit. In der Gö hockt neben Tilo auch Wolf Hirths Sohn Helmuth, selbst viele Jahre Segelflieger, jetzt aber im aviatischen Ruhestand. Während Duo und Gö fliegen, mache ich mit den Flugschülern eine Viertelstunde Theorie zum F-Schlepp: Unterschiede zum Windenstart, potenzielle Gefahren, das richtige Steuern etc. pp. Das lässt sich vorm Flug doch besser briefen als im Eifer des Gefechts.

Als ich mich schließlich in den Fallschirm wühle und mich auf den hinteren Sitz unserer D-KWWH fallen lassen, fühlt sich das alles richtig an. Vor mir sitzt Henry, der mit Schirm nur knappe 62 Kilo wiegt, was mich nochmal zum Handbuch greifen lässt, um die Anzahl der benötigten Trimmgewichte nachzuschlagen. Drei sind drin, stimmt also. Als der Vorflugcheck durch ist und sich das Seil strafft, bin ich gespannt und entspannt zugleich. Gespannt, weil ich jetzt Verantwortung dafür habe, dass uns der vor mir nicht umbringt, entspannt, weil ich endlich ein weiteres Ziel auf dem Weg meiner fliegerischen Entwicklung erreicht habe. Ich hatte schon seit einiger Zeit mega Lust drauf, den FI zu machen, aber der Weg war wegen einiger Widerstände nicht so einfach zu gehen wie ich mir das vorgestellt hatte. Über die Ausbildung am Haus der Luftsportjugend in Laucha berichte ich in einer Reportage, die im Segelflug-Special in der aerokurier-Ausgabe 2/2022 erscheint.

Henry macht das ganz passabel, meine Korrekturvorschläge halten sich in Grenzen. Dank der Kälte steigt der Schleppzug richtig gut. Unter uns liegt eine winterliche Welt, wenngleich kaum richtig Schnee liegt. Aber eine dicke Schicht Reif tuts halt auch. Kaum ausgeklinkt, geht es mit etwas Airwork weiter. Rollübungen, Kreiswechsel, irgendwie muss man die Höhe ja nutzen. Meine erste Idee, direkt an die F-Schlepps eine Trudelübung anzuschließen, hatte ich verworfen, nachdem Rainer gemeint hatte, die kognitiven Kapazitäten eines Flugschürlers seien dafür vielleicht doch zu begrenzt. Beim nächsten mal aber mache ich das so, dann kann man die Höhe wenigstens sinnvoll verheizen.

Bei Flug zwei muss ich direkt in der ersten Kurve laut werden, weil mein Flugschüler Bene meint, am Ausstellfenster rumfingern zu müssen. Das ist ne Sache, die ich von vornherein unterbinden will, weil Ablenkung in dieser Flugphase ein No-Go ist. Nach dem kurzen Anpfiff fängt er sich und meine Korrekturen halten sich in Grenzen. Auch hier schließen wir nach dem F-Schlepp Airwork an und sind nach einer knappen Viertelstunden wieder unten. Flug drei mit Fabian ist tiefenentspannt, man merkt einfach, dass der zehn Jahre älter ist als die anderen und entsprechend mit viel mehr Ruhe agiert. Kurz nach dem Abheben ist er noch etwas nervös, aber mit einem behrzten Griff zum Knüppel und kurzer Blockade kann ich ihn davon überzeugen, dass die Korrekturen gar nicht notwendig sind und der Eimer trotzdem dem Schleppflugzeug folgt. Oben gibt es Langsamflug, Abkippen und Steilkreise, dann ist meine erste FI-Session beendet. Zeit für Self-care.

Christian ist bereits mit seinen Startvorbereitungen durch und hat die B4 in die Piste gezogen. Die Flugpläne für uns beide sind aktiviert und ich bin gespannt darauf, wie sein erster Einsatz als fliegender Räuchermann aussieht. Kurz nach dem Start wechselt er auf Langen Radar, um sich die Einzelfreigabe für den Kunstflug im kontrollierten Luftraum zu holen. Dreimal funkt er die Lotsen an, bekommt Antwort, reagiert dann aber nicht mehr. Irgendwann grätsche ich dazwischen und kontaktiere Langen Radar, erkläre, was er vorhat und ob ich vermitteln soll. Dabei bin ich zunächst überrascht, dass ich – am Boden stehend – überhaupt halbwegs verständlich mit Radar funken kann. Ich rechne zunächst damit, dass Langen die Freigabe verweigert, von wegen Segler mit Funkproblemen im kontrollierten Luftraum und so. Denn wir haben 6000 Fuß beantragt, der Segelflugsektor geht hier aber nur bis 5000, sodass wir selbt bei aktiviertem Sektor noch 1000 Fuß im Stuttgarter Charlie hängen würden. Aber die Jungs an den Konsolen sind mega lässig. „D-8059, ihr bekommt jetzt eine Blockfreigabe für eine Stunde auf 5500 Fuß, meldet euch, wen ihr fertig seid.“ Ich gebe die frohe Kunde an Christian weiter und freue mich, dass die Flugsicherung auch für zwei Deppen, die meinen, irgendwelche kruden Figuren fliegen zu müssen, das Schwermetall über uns umleiten.

Christian meldet sich an und zündet seinen rauch. Wir am Boden so alle ganz plakativ: „Ooooooooh!“ – und das, obwohl man den Rauch zunächst total beschissen sieht… Aber diese Episode lasse ich Christian lieber selbst erzählen…

Nachdem der erste Einweihungsflug am 2. Advent sehr emotional für mich war, gab es am 23. Dezember schon die nächste Möglichkeit, wieder fliegen zu gehen. An diesem Tag wollten ein paar Piloten zum 70. Jahrestag der erstebn Segelflüge auf der Hahnweide mit der Gö4 und allem anderen, was noch fliegt, an den Start gehen. Doch umso näher der Tag rückte, rutschte meine Motivation bei nasskaltem Wetter und der vielen Arbeit, die ich hatte, immer weiter in den Keller. Ich hatte mich schon damit abgefunden, im Büro zu sitzen und die Weihnachtsvorbereitungen weiter zu erledigen, bis Lars spontan angerufen hatte. „Du wirst morgen die B4 aufbauen und fliegen. Da das Wetter eh nicht so gut wird, hab ich bereits die Kunstflugbox angemeldet“. Ja so ist er, bevor ich noch ein Veto einlegen konnte, hatte er sich bereits verabschiedet und aufgelegt. Da sich aber quasi zeitgleich ergeben hatte, dass ich noch einen Urlaubstag abfeiern musste und so doch fliegen gehen konnte, stand ich nun erstmal etwas hilflos da. Als ich bei meinen Kumpels und Vereinskollegen schnell über WhatsApp nachgefragt hatte, wer noch zum Fliegen kommen möchte, meldete sich Marius als fleißiger Helfer für den Auf- und Abbau der Pilatus.

Ok, was brauch ich eigentlich alles? Leichte Hektik brach in mir aus, und nachdem ich mit meiner Frau eine komplette Umplanung der Weihnachtsvorbereitungen durchgesprochen hatte (war ja nicht so dass wir nicht am übernächsten Tag für zehn Personen kochen und dekorieren wollten), packte ich schon mal das wichtigste zusammen und hing meine Akkus an die Ladegeräte. Es kam mir eher so vor, als ob ich Equipment für eine Woche Urlaub zusammen suchte. Lieber hat man alles dabei (Kamera, GoPros, Werkzeug, diverse Halterungen…), als dass nachher das entscheidende Teil fehlt. Diejenigen, die mich kennen, wissen was ich immer so mit mir rumschleppe und eigentlich einen LKW anstatt meinem Flitzers fahren sollte 😉

Dabei war ganz wichtig: Eine Weihnachtsmütze und Pyro-Technik. Also wieder einmal Dinge, die eigentlich nicht wirklich relevant sind, aber für einen gewissen Effekt sorgen sollten. Ich träumte schon seit ich ein kleiner Junge war davon, einen Kunstflug mit Rauchpatronen oder anderen Effekten in den Himmel zaubern zu können. Und was eignet sich da besser zum Ausprobieren als ein Flugplatz-Jubiläum, ohne große Öffentlichkeit? Bald war es soweit, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und meine Aufregung war schon bei 120 Prozent.

Ich konnte in der Nacht nur schlecht schlafen und musste mich dazu zwingen, da ich ja fit sein wollte. Zum Glück hatte Marius mitgedacht und schlug schon kurz nach 9 Uhr bei mir auf. Gemeinsam ging es dann mit einem vollen Kofferraum, vielen Flugzeugsachen und Männerspielzeug zum Flugplatz. Vor lauter Aufregung habe ich sogar unseren Plan, noch etwas zu frühstücken, komplett vergessen. Marius war da ein wenig schlauer. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt war alles zwar anstrengend, aber dadurch auch sehr besonders. Als wir an meinem Anhänger ankamen, fanden wir hier wunderschöne Eiskristalle, die im Sonnenlicht glitzerten. Wir rieben ein paar davon mit den Fingern ab, dabei erzeugten sie ein leises mystisches Klimpern wie ein Musikinstrument. Es ging an den Aufbau und ohne groß nachfragen zu müssen, bekamen wir noch ein paar helfende Hände. In wenigen Minuten war die B4 trotz eisiger Kälte aufgebaut und wir waren selbst überrascht, dass dieses Mal keine Komplikationen aufgetreten sind (wir werden besser!!). Wir beschäftigten uns nun zum ersten Mal mit den Halterungen und der Pyrotechnik, gingen jeden Schritt dreimal durch. Zugegeben waren wir auch etwas nervös, da wir nicht aus Versehen am Boden zünden und unsere Halle und Flugzeuge einnebeln wollten. Endlich zogen wir meine B4 an den Start, aber es waren immer noch einige Telefonate und Organisatorisches notwendig. Wo bleibt eigentlich mein Vater, dachte ich mir. Die örtliche Polizei und die Feuerwehr wurden informiert, dass für den Fall, dass ein Spaziergänger ein brennendes Flugzeug meldet, klar war, dass nicht die ganze Kavallerie ausrücken musste. Flugschule und Flugleitung wurden involviert, Lars hat sich in der Zeit um die DFS gekümmert. Dank Marius und der Flugleitung haben wir dann noch eine allgemeine Höhenfreigabe für den Segelflugsektor bekommen und es konnte pünktlich um 14 Uhr los gehen. Die Husky schleppte mich mit bis zu 3,5 m/s bis an die Wolkenbasis in Richtung Kunstflugbox heran. Lars unterstütze mich noch beim Funken mit Langen Radar, da ich die Funksprüche von dort kaum verstehen konnte, und bei knapp 900 Meter über Grund konnte es los gehen. Ich schaltete die Sicherung ein und drücke auf den Rauchknopf… Es dauerte kurz, aber tatsächlich… „Die Scheiße funktioniert!“, würde der Mediamarkt-Anrufer vom Sinnlos-Telefon wohl brüllen!

Ich begann mit meinen Kunstflugfiguren. Die B4 gehorchte trotz sehr straffen Windes präzise, doch ich merkte bereits im Flug, dass der Raucheffekt nicht der war, den ich mir erhofft hatte. Trotzdem lachte und jubelte ich laut, war ich doch mitten im Winter in meinem eigenen Flugzeug gerade im Rückenflug und mit Rauchpatronen unterwegs. Spontan baute ich ein paar Rollenkreise ein, um vom Wind nicht allzu weit vom Flugplatz abgetrieben zu werden. Außerdem wollte ich diese sowieso üben, nachdem ich Sie im Wettbewerb bereits ohne Training vorführen musste. Nach meiner Landung eine erste Analyse: Der Rauch war nur sehr schwach zu sehen. Vermutlich lag das an der Luftfeuchtigkeit und dem Nebel. Aber egal, ich bin mir nicht sicher ob man es mir angesehen hat, aber ich war wieder überglücklich. Als Lars mir lachend ein Corona-Highfive angeboten hat, war mir bewusst, dass er wissen musste, wie ich mich fühlte.

Da es schon relativ düster war, entschied ich mich kurzfristig, im zweiten Flug die Sprühfunken auszuprobieren. Alles ging sehr flott, ich bereitete mich auf den Flug vor und Marius, der nun zum Pyro-Meister ausgerufen wurde, brachte alles am Flieger an. Zack, und ich war schon wieder in der Luft. Der Schlepp ging direkt auf ein kleines Wolkenloch zu, durch welches die Sonne schien und alles in ein dunkelrotes Licht tauchte, welches man nicht mit Worten beschrieben kann. In solchen Momenten fühlt man sich frei, glücklich und hat keinerlei Sorgen. Fliegerromantik eben. An der Box angekommen hatte ich diesmal deutlich mehr Höhe und war gespannt, ob alles korrekt zünden würde. Marius hat mich nicht im Stich gelassen, ich blickte links über den Flügel und eine Sprühfontäne von goldenen Funken zog sich über mein Horizontbild. Ich flog ganz langsam, um den Anblick noch etwas genießen zu können und ging dann direkt ins Trudeln über. Beim Gedanken daran bekomme ich jetzt noch Gänsehaut und leuchtende Augen. Dann noch ein Looping und ich flog durch meine eigene Rauchlinien, die ich in den Himmel gezeichnet hatte. Das Funkeln, das sich in meiner Haube spiegelte, die Welt, die auf dem Rücken Kopf stand – die Zeit schien kurz stillzustehen. Die Effekte brannten nach kurzer Zeit ab, aber da ich nun warm geflogen war, übte ich noch einen Rückenvollkreis und ein Käseeck. Nachdem ich genug Blut im Kopf hatte, folgten noch ein paar Turns und Rollen, um in Übung zu bleiben. Diesmal bestätigten mir alle, dass die Funken viel besser zu sehen waren. So macht man Schritt für Schritt weitere Erfahrungen. Wir bauten noch gemeinsam ab und ich konnte mein Grinsen den ganzen Abend nicht abstellen. Ohne meine Helfer und neu gewonnen Freunde wäre das alles nicht möglich gewesen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Als Christian nach seinem ersten Flug wieder unten ist, mache ich mich fertig. Irgend ein altes Programm aus Walldürn hängt bei mir im Cockpit, mal gucken, ob ich das zusammengefrickelt kriege nach meiner langen Pause. Seit Walldürn war ich – von einer Spaßrolle am Teckberg Ende November mal abgesehen – keine Aerobatics geflogen. 45 ab mit Aufschwung und halber Rolle, dann 1 1/4 Trudler mit Viertelrolle dagegen auf der senkrechten. Das war in Walldürn cool, mal gucken, ob es sich reproduzieren lässt. Erstmal hoch kommen. Dabei lässt sich wunderbar die frostige Landschaft genießen, zumal die Sonne jetzt so tief steht, dass sie unter der Wolkendecke durchscheint. Die genehmigten 5500 Fuß, die uns die Langen Radar zugesteht, können wir gar nicht ausnutzen, denn schon knapp über 5000 droht die Husky, im Dreck zu verschwinden. Also drunter bleiben und kurz vor der Box ausklinken.

Schon beim Positionieren merke ich, wie stark der Wind hier oben ist. Boxmeldung, Anwackeln, Nase runter. Ziehen, rum und in eine geierte halbe Rolle. Dass mir hier fast die Fahrt ausgeht, ist in Anbetracht des folgenden Trudlers gar nicht so schlecht, denn so muss ich keine große Aufwärtslinie fliegen. In Walldürn hatte uns Schorsch eingetrichtert, an dieser Stelle im Zweifelsfall die Klappen zu ziehen, um Fahrt abzubauen. Die Fahrtmessernadel nähert sich der 70, ich trete ins Seitenruder und ziehe durch. mit leichtem Querruder nach rechts stabilisiere ich die Drehung, stoppe, stelle die Senkrechte ein und rolle 1/4 zurück. Abfangen, Aufschwung. Als ich unter mir nur noch Häuser sehe, wo eigentlich keine sein sollten, rolle ich in Normalfluglage, um mich erstmal zu orientieren. Der Wind hat mich zu stark Richtung Kirchheim versetzt, sodass ich mich neu positionieren muss. Gut, dass wir die Box dieses Mal größer angemeldet haben, das verschafft uns den nötigen Raum. Nach einigen Orientierungskurven eiere ich noch ein paar Figuren zusammen und beende in 300 Meter AGL meine Turnerei. Fahrwerk raus, Landemeldung und rein in den Parkplatz (Na, wer erkennt das Filmzitat??).

Christian legt noch einen nach, dieses Mal mit silbernen Fontänen anstatt Rauch, die aber nur für vielleicht fünf Figuren halten und dann ausbrennen. Man merkt, dass Chris noch Zeit braucht, um sich auf die B4 einzufliegen, richtig rund sehen die Programme noch nicht aus. Aber bei seiner Motivation mache ich mir wenig gedanken, dass er bald vom Freund zum Konkurrenten wird, zumindest in den paar Minuten, in denen im Wettbewerb scharf geflogen wird.

Ein paar Minuten später bin ich wieder in der Luft, und im Querabflug bietet sich ein absolut irres Panorama. Im Südwesten steht die Sonne tief über dem Horizont und lässt ein warmes Licht über die Täler streichen, in denen Nebelschwaden wabern. „D-VH, guck mal auf zwei Uhr“, funke ich Wolle im Schleppflugzeug an. „Fantastisch“, kommt es knarzend zurück. Der Schleppzug steigt im Schnitt mit dreieinhalb Metern, damit halten sich die Kosten wenigstens halbwegs in Grenzen, denke ich. Die paar Tropfen, die vor dem Start auf die Haube geklatscht waren, bleiben die einzigen in diesem Flug, Glück gehabt. Bei 5100 Fuß kommt die Wolkendecke, im Gegensatz zu meinem ersten Flug ist sie aber unten weit weniger ausgefranst, sondern dichter. Ich klinke aus und positioniere mich dieses Mal direkt in Windrichtung, sodass ich leicht schräg zur Box fliege. Fahrt, Loopbogen aufwärts und Knüppel durchziehen. Die 59 flippt herum, aber das Einfangen klappt nicht hundertprozentig. Egal, Aufwärtslinie, Trudler rechts herum, Senkrechte zum Männchen. Es ist völlig surreal, wie die das Flugzeug auf die Wolkendecke zuschießt und die graue Wand immer näher kommt. Ich stemme beide Füße in die Pedale, warte auf das Umschlagen des Fadens und Ziehe dann durch. Das Flugzeug klappt ordentlich um, nach kurer Senkrechte fange ich sie ein und lege gleich noch ein Männchen nach. Das steht sogar noch besser! Jetzt links vorspannen zum Turn, sonst fliege ich sie lieber rechts, aber ich will in den Wind fächern. Wieder kommt die graue Wand näher, und als ich links ins Pedal trete, bin ich völlig fasziniert davon, wie der Flugzeug auf dem Teller dreht, die Wolkendecke vorbei zieht und alles in Zeitlupe abzulaufen scheint. Ich setze direkt noch einen Turn hinterher und bebachte noch einmal mit der gleichen Faszination das Schauspiel. Ich komme mir vor, als wäre ich nur Gast in diesem Szenario. Noch eine Rolle, eine gerissene und ein paar Rollenkreise hinterher, und ich genieße das wohlige Gefühl, mein Flugzeug endlich wieder artgerecht bewegt zu haben. Beim Überfliegen der Hahnweide melde ich uns bei Langen Radar ab, bedanke mich für den Service und wünsche den Jungs schöne Weihnachten. Kurz darauf rumpelt das Rad über die Wiese und ich komme auf Höhe unserer Halle neben dem Duo zum Stehen. Geiler Tag. Das absolut beste draus gemacht. Und dank des Spiels von Licht, Wind und Wolken waren das die vielleicht schönsten Kunstflüge, die ich bisher gemacht habe. Sicher nicht vom Ergebnis her, aber in jedem Fall in Bezug aufs Erlebnis. Und darauf kommt es an.

Das Turnen ist des Fliegers Lust*

*sehr frei nach Wilhelm Müller

28. April, Fliegerhorst Penzing, 6.45 Uhr: 20 Gestalten, die allesamt wenig und schlecht geschlafen zu haben scheinen, schlurfen gerädert in die Truppenküche der Kaserne des inzwischen aufgelösten Lufttransportgeschwaders 61, um sich für Tag 1 des ersten Windenkunstflug-Lehrgangs zu stärken, den der Förderverein Segelkunstflug Bayern organisiert. Eigentlich ist es sogar schon der zweite Lehrgang, aber der erste war wegen technischer Probleme mit der Winde zum klassischen F-Schlepp-Lehrgang mutiert. Das Mistwetter damals tat sein übriges.

Mein Ziel für die fünf Tage, die ich in Landsberg sein kann, ist klar: Den Turnschein fertig machen. In Reinsdorf hatte ich 18 Flüge zusammen bekommen, musste also kurz vorm Finale abreisen. Landsberg bot die Chance, für einen überschaubaren Kurs die fehlenden Flüge zu absolvieren und gegebenenfalls sogar darüber hinaus noch etwas zu trainieren. Wie hieß es doch damals in Reinsdorf: Die Kunstflugberechtigung ist allenfalls der Einstieg in die Welt des Kunstfluges. Und das ist sowas von verdammt richtig. In jedem Fall war die Vorfreude gigantisch.

Bereits beim ersten Betreten der Flugbetriebsflächen wird mir klar: Landsberg ist nochmal ne ganz andere Nummer als die beiden anderen Plätzen mit Höhenwinden, an denen ich schon geflogen bin. Reinsdorf ist eben ein großer Grasplatz, und Rothenburg/Görlitz hat zwar auch ne zwei Kilometer lange Asphaltbahn und große Hallen, aber Landsberg toppt das alles. Vor allem: angesichts der Tatsache, dass hier noch hin und wieder militärischer Flugbetrieb durchgeführt wird, ist alles Top in Schuss. Daher auch die Mahnung von Lehrgangsleiter Jan Lars – kurz JL: Aufpassen beim Flugzeuge rausziehen und nicht zur Seite aus der Bahn rollen, eine Lampe kostet bescheidene 1000 Euro. Bäm.

Das Eröffnungsbriefing zieht sich gut anderthalb Stunden, es gibt – abgesehen vom Preis einer Pistenbefeuerungslampe – reichlich zu besprechen. Bewegung auf dem Flugfeld, Höhenwindenstart, Lehrgangsablauf etc. Und natürlich die obligatorische Vorstellungsrunde. Das Teilnehmerfeld ist bunt gemischt. Acro-Unbeleckte, Fertigmach-Aspiranten wie ich, Weiterbilder und sogar Fluglehrer. Um der neuen Datenschutzgrundverordnung gerecht zu werden, werde ich hier allenfalls Decknamen nennen, die nur Szenekennern etwas sagen dürften… 🙂

Beim Ausräumen zeigt sich, dass in Landsberg echt alles eine Nummer größer ist. Lepo: Audi Q7 mit 4,2 Liter V8-Diesel. Rückholer 1: 210er E-Klasse Limousine. Nicht ganz standesgemäß allerdings der Vierzylinder unter der Haube. Fahrwerk dennoch Benz-typisch Sänfte. Rückholer 2: Mazda 929 – genannt Black Mamba. Mattschwarz lackiert, Eisernes Kreuz auf der Haube, Abschussliste auf dem Kotflügel, hübscher Sechsender unter der Haube und – erheblich am Sound beteiligt – ein fehlendes Stück Auspuff. Brillante Kiste, ehrlich. Der T3-Bulli ist ja fast schon Flugplatzstandard. Die Winde würde von außen wohl auch keiner als was besonderes Erkennen, abgesehen vielleicht von ihrer doppelten Sportauspuffanlage. Die allein macht den Sound aber nicht, denn am Ende der Rohre hängt ein Achtliter-Vauacht mit Leistung. Vieeeel Leistung. Richtig spannend wirds aber, wenn die Windenmannschaft den Laptop auspackt, an die Buchse stöpselt und man im Betrieb exakt Drehzahl, Schaltpunkte, Öltemperatur und alle weiteren relevanten Parameter am Bildschirm verfolgen kann. Hammer! Der Oberhammer ist allerdings der Startwagen, denn dabei handelt es sich um den ehemaligen Einsatzleitbus der Flughafenfeuerwehr München. Also ein echter Linienbus mit Funkabteil und einer Art Besprechungsraum. Und natürlich Sondersignalanlage – funktionsfähig, versteht sich. Also, wenns im aktuellen Job nichts wird, dann werde ich Busfahrer. In Landsberg auf dem Flugplatz. Bis zur Rente. Die Technik stimmt schonmal, also nichts wie raus aufs Flugfeld!

Wieviel vom in Reinsdorf Gelernten ich ein halbes Jahr später noch abrufen kann, weiß ich am Anfang des Lehrgangs nicht. Ich schätze, dass ich sechs bis acht Starts brauchen werde, um wieder einigermaßen reinzufinden und das Grundprogramm abspulen zu können, also 45°-Abwärtslinie, Loop, Abschwung, Aufschwung, Turn rechts, Rolle links, Turn links, Rolle rechts, 45°-Aufwärtslinie. Zudem muss ich mich auf die ASK 21 einfliegen, denn in Reinsdorf war ich nur den Perkoz geflogen.

Mit drei ASK 21, zwei Pilatus B4 und einem Twin III Acro – der auch wieder Acro darf – ist der Lehrgang Flugzeugmäßig ziemlich opulent ausgestattet. Ich lande im Team Salzlore, die 21, die ihren Namen zu Ehren von Wilhelm Düerkop, dem legendären Kunstflieger Salzmann, bekommen hat. Die andere 21 des Förervereins Segelkunstflug im BWLV hat einen nicht weniger passenden Namen: Rollmops.

Matze hat die Ehre – oder die leidige Pflicht – mich auf meinem ersten Flug zu begleiten. Rückenflug steht an, denn daran werde ich mich überhaupt erst wieder gewöhnen müssen. Außerdem will ich ein Rückenflug-Recovery fliegen, denn das Manöver kann einem im Fall des Orientierungsverlustes oder ungewollter Fahrtzunahme das Leben retten. Der Windenstart ist ähnlich unspektakulär wie in Reinsdorf. Flugzeug wegsteigen lassen, Steigfluglage einnehmen und dann ziehen bis der Arzt kommt. Regelmäßig die Geschwindigkeit ansagen und den Vorhaltekommandos des Windenfahrers folgen. Nach zwei Minuten zeigt die Uhr knappe 900 Meter, der Wind steht etwas ungünstig. Zweimal links in die Südbox. Gurte nochmal nachziehen, anwackeln, 45°-Abwärtslinie, Geradeausflug, Fahrt 180, ausheben, knüppel links und rollen lassen. Auf dem Rücken Knüppel nach vorne, Nase über dem Horizont halten. Fahrtkontrolle. Beschleunigen, Fahrt wegdrücken. Richtung halten und korrigieren, Horizontbild einprägen. Und entspannt bleiben. „Fertig für Recovery?“ frage ich nach hinten. „Jo!“ kommt zurück. Ich lasse die Nase etwas sinken, und sofort nimmt die 21 Fahrt auf. Bis etwa 160 lasse ich sie laufen, dann drücke ich den Knüppel bestimmt ins vordere linke Eck. Der Druck im Kopf nimmt zu, aber der Flieger gehorcht aufs Wort, baut Fahrt ab und rollt in die Normalfluglage. Das hat schonmal geklappt. Für einen Loop reicht die Höhe noch, also nochmal Abwärtslinie, Blickpunkt suchen, 180, Horizontale, Ziehen und rein. Matze ächtzt, offenbar war es etwas zu viel Schmackes. Oben etwas nachlassen, dann wieder ziehen und sauber ausleiten. Läuft. Die Landung auf der riesigen Bahn ist ziemlich ungewohnt, aber am Ende auch nicht anders als auf einem Grasplatz. Ich parke die 21 direkt am Ende der Piste, der Lepo ist auch schon da und wartet. Manöverkritik. Grundsätzlich nicht völlig daneben, aber noch ein bisschen unkoordiniert. War zu erwarten. Zwei weitere Starts werden es noch an dem Tag, Fluglehrer Fleischi begleitet mich, und so langsam lecke ich wieder richtig Blut.

Am Sonntag sind für mich auf der Salzlore zwei Flüge drin. Die einfacheren Figuren wie Loops und Rollen samt Kombinationen daraus funktionieren dank dezenter Korrekturen von Fleischi ziemlich schnell wieder, wenngleich ich mich immer wieder selbst daran erinnern muss, das alles nicht zu knackig, sondern weicher zu fliegen. Man kann das Grundprogramm problemlos zwischen +3,5 und -1,5 g fliegen, aber bei mir gehts gerne mal zwischen +5 und – 2,5 ab. Das muss besser werden. Am zweiten Tag merkt man deutlich, dass sich die Leute aufeinander eingespielt haben. Es gibt wenig Leerlauf, die Lepos sind schnell bei gelandeten Flugzeugen und man hilft sich gegenseitig beim Einsteigen und Anschnallen. Die Startfrequenz ist dementsprechend hoch. Überhaupt merkt man, dass die Leute, die der Zufall hier zusammengewürfelt hat, recht gut miteinander harmonieren. Der Spaßfaktor ist jedenfalls hoch, kaum eine Minute vergeht ohne Witze und herzhaftes Lachen – wobei dazu mutmaßlich auch die verunglückten Figuren von mir und meinen Flugschüler-Kameraden beitragen. Alles in allem bin ich recht zufrieden, denn die auch an die Turns kann ich mich so langsam wieder richtig rantasten. Am Ende von Tag zwei bin ich wirklich zufrieden, denn die Mischung aus fliegerischer Weiterentwicklung und Spaß unter Gleichgesinnten lässt den Lehrgang bereits jetzt als perfekt gelungen erscheinen. Wenns nun noch mit der Berechtigung klappt…

Tag 3. Einmal mehr aufstehen um 6.45 Uhr, halbmotivierter Marsch zur Truppenküche und gedämpfter Elan beim Ausräumen. Als sich jedoch abzeichnet, dass sich keiner dafür zuständig fühlt, den Startbus zu fahren, erwache ich richtig. Kompressor an, Bremsluft aufpumpen, Ladekabel für die Akkupacks ab und dann Platznehmen auf dem luftgefederten Fahrersitz. Auf Knopfdruck erwacht der Vausechs im Heck, zwei weitere Knopfdrücke (schreibt man das so??) und die Türen fallen zu. Erster Gang, Bremse lösen – zisch – der Bus rollt. Was ne Kiste! Wenns mit meinem Job nichts wird – Busfahrer könnte ich mir auch vorstellen! Ich stelle den ferrariroten Klotz am Start ab, fahre die Markise aus und baue Tisch und Funkgerät auf. Die Flugzeuge sind schon da, es wird gecheckt was das Zeug hält, und wieder können wir gegen neun Uhr mit dem Flugbetrieb loslegen.

Für mich heißt es heute, das Programm möglichst sauber durchfliegen. Prüfungsvorbereitung. Einmal mehr mit Kamerad Fleischi im Rücken. Und der ist von meiner Turnerei einigermaßen angetan. Wenngleich die Turns noch nicht perfekt kommen, läuft doch alles einigermaßen flüssig. Bei den Rollen baue ich mir hin und wieder Richtungsfehler durch zu frühes Drücken ein, allerdings bin ich inzwischen so weit, dass während der Figuren Rundumblicke zur Orientierung und zum Ausrichten zur Grundlinie möglich ist und ich die Richtung spätestens beim Ausleiten korrigiere. Läuft also. Aber zufrieden bin ich natürlich noch immer nicht. Werde ich wohl auch nie sein, denn zu verbessern gibt es immer was. Nach einem Flug hat Fleischi die Schnauze voll und Matze muss wieder ran. Auch mit dem turne ich die ganze Runde nochmal durch, und noch bevor er mir im Ausrollen sagt, dass ich ruhig etwas weicher fliegen könnte, ärgere ich mich beim Blick auf den G-Messer schon selbst über meine hektischen Knüppelbewegungen. Allerdings: Das Gesamtfazit ist erfreulich. „Passt so, dass man es abnehmen könnte“, spricht der Fluglehrer.

Die nächste Stunde helfe ich meinen Mitschülern bei den Startvorbereitungen. Ich bewundere unseren Lehrgangsleiter JL, der sich den Hut ins Gesicht zieht und einfach zwischendurch mal ne Stunde ratzt. Obwohl ich mindestens ebenso geschafft bin, gelingt mir das nicht.

Irgendwann am späteren Nachmittag nimmt mich Fleischi beiseite und meint, ich solle nach der nächsten Landung den hinteren Schirm aus der ASK nehmen und das Programm allein durchfliegen. Prüfung. Bis der Gerät wieder am Boden ist, gehe ich hinter den Startbus und tanze das Programm noch ein paarmal durch. Und ich versuche mir selbst einzutrichtern, gerade den Aufschwung erst nach dem Übergang in die Senkrechte knackig rumzuziehen, um genügens Schwung für die halbe Rolle in Normalfluglage mitzunehmen.

Die 21 steht bereit, der hintere Schirm ist raus, die Gurte sind festgezogen. Einsteigen, konzentrieren. Die Hinweise der Fluglehrer beschränken sich auf „Bau einfach keinen Scheiß“, und damit sagen sie mehr als notwendig. Ich fühle mich wie vorm ersten Alleinflug, einerseits unglaublich angespannt, andererseits voller Vorfreude. Wird schon laufen, denke ich mir. Der Start läuft völlig problemlos ab, zweimal links und Boxmeldung. Tatsächlich weiß ich kaum noch, was mir während des Programms durch den Kopf ging. Wahrscheinlich sowas: Treppe ab, 180, Stop. Loop. Nachlassen, ziehen, ausleiten. In jedem Fall spielte die Figurentrennung eine sehr erhebliche Rolle in meinen Gedanken. Als ich abwackle und noch ein paar Steilkreise ziehe, um die Höhe abzubauen, bin ich mir ziemlich sicher, zumindest bestanden zu haben. Wie, das ist eine andere Frage. Beim Ausrichten auf die Bahn gucke ich auf den G-Messer, und da trifft mich fast der Schlag. Plus neun und minus vierkommafünf. Das kann nicht sein! Vermutlich habe ich den G-Messer nicht genullt nach dem Start, denn beim Auskuppeln bekommt der gerne einen heftigen Schlag. Muss der Logger am Ende zeigen, was wirklich war.

Nach dem Ausrollen mache ich die Haube auf und bin total geflasht vom Allein-Kunstflug und dem Ärger über die mutmaßlich zu viel gezogenen g. Als ich auf den weißen Knopf drücke und der Logger ein SOS-Piepkonzert veranstaltet, werde ich mutmaßlich kreidebleich im Gesicht. Erster Solo-Kunstflug und die Möhre gleich überlastet. Es darf alles nicht wahr sein. Wütend schäle ich mich aus dem Cockpit und sage meinem Rückholer, dass die 21 erstmal stehen bleiben soll.

Als ich am Start ankomme, bauen sich drei Fluglehrer vor mir auf. Matze schüttelt den Kopf und betet mit anklagendem Ton und Mantra-artig: „Was haben wir dir immer wieder gesagt? Was haben wir dir immer wieder gesagt?“ Ich bin total im Eimer und stammle was von „nicht so hart fliegen, weicher abfangen…“. Dann grinst Matze. „Verarscht, war ne solide Leistung, bestanden.“ Dann hole ich zum Gegenschlag aus. „Wir müssten mal den G-Logger auslesen…“ In dem Moment fällt drei sich diebisch freuenden Fluglehrern das Lachen aus dem Gesicht.

Gemeinsam mit Fleischi ziehe ich die 21 in die Halle. Beim Auslesen ist auch Horst, ein alter, erfahrener Wettbewerbskunstflieger, dabei. Die Werte, die der Computer am Ende ausspuckt, entspannen mich etwas. +5,9 bei 195. Also noch voll im Vn-Diagramm der ASK 21. Dennoch ist mein Frust gigantisch, weil ich mir extra vorgenommen hatte, die ganze Nummer weicher zu fliegen. Horst und Fleischi leisten psychologische Ersthilfe. Beim Anschauen des GoPro-Videos wird auch sofort klar, wo der Fehler passiert ist. Im Aufschwung habe ich unten heraus zu stark gezogen, der Radius ist deutlich geringer als beim Loop. „Mit Schmackes, ja, aber erst wenn der Flieger in der Senkrechten steht“, erklärt Horst. Den ganzen Abend darf ich mir nun Storys anhören von Leuten, die den Logger auch schon zum Brüllen gebracht haben. Vor allem bei der Pilatus B4 ist so mancher schon über die Vne von 240 hinausgeschossen. In all das mischen sich die Glückwünsche der Kameraden zur bestandenen Prüfung.

Am Dienstag bin ich mir noch ein bisschen unschlüssig, was ich mit mir anfangen soll. Beim Morgenbriefing gibts die Info, dass wir auf dem Twin der Landsberger Trudeltrainings machen können. Das kling ja solide. Allerdings funktioniert das nur, wenn der leichteste aller Fluglehrer, Uli, den Karussellführer spielt. Im Gegensatz zur ASK21 ist Twin III für mich keine Umstellung, da ich den auch auf der Hahnweide fliege. Damit zu trudeln ist allerdings ziemlich ungewohnt. Im ersten Versuch passiert mir gleich das Malheur schlechthin: Im Versuch, ihn über anderthalb Umdrehungen hinaus trudeln zu lassen, merke ich nicht, wie die Fahrt zunimmt und wir in den Spiralsturz übergehen. Uli korrigiert das aber rechtzeitig. Bisher sind alle Flugzeuge, mit denen ich getrudelt bin, zuverlässig drin geblieben – ich kannte dieses Verhalten schlicht nicht. Die nächsten Versuche gelingen besser, da ich dem Fahrtmesser jetzt viel mehr Aufmerksamkeit schenke. Lerneffekt: vorhanden!

Dennoch: Der Vortag und der versaute erste Trudelversuch haben deutliche Spuren hinterlassen. Das Angebot, noch einen Start auf der B4 zu machen, schlage ich vorerst aus und helfe den Kameraden bei ihren Flügen. Am Nachmittag aber juckt es mich dann doch wieder. „Lies dich ein, mach eine Sitzprobe und dann erflieg sie dir“, motiviert mich Uli, die Rückschläge einfach als Teil des Lernprozesses zu betrachten. Eigentlich hat er recht. Prinzipiell ist die B4 ein solides Kunstflugzeug. Mit +7 und -4,7 g sind die AF-Versionen ausreichend Dimensioniert, sogar gerissene und gestoßene Figuren sind damit möglich. Die geringe Vne von 240 km/h und die Va von 163 km/h allerdings verlangen nach einem sauberen Fahrtmanagement. Sicherheitshalber mache ich mir einen Spickzettel mit den Eintrittsgeschwindigkeiten und G-Lasten der Grundfiguren. Sitzprobe, letztes Briefing vom Fluglehrer, Haube zu und los.
Der Start selbst ist überraschend unspektakulär, die B4 ist halt auch nur ein Flugzeug. Etwa 1100 Meter höher klinkt das Seil aus und ich fahre das Fahrwerk ein und kurve ab in Richtung Südbox. Erstmal klasssiches Airwork: Rollübungen, Fahrt aufholen und abbauen, Fahrtmanagement. Steilkreise. Anwackeln, Fahrt aufholen, Loop. Die B4 tut, was ich will. Fahrt aufholen, halbe Rolle in Rückenlage und halten. Allerdings drücke ich viel zu wenig, und die Fahrt haut blitzschnell ab. Schrecksekunde, Besinnung, Knüppel nach vorn ins Eck. Das Flugzeug gehorcht und rollt in den Normalflug, bevor die Nadel den roten Strich passiert. Das gute ist, dass die maximalen G-Lasten sowohl positiv als auch negativ bis zur Vne geflogen werden dürfen, man also nicht ganz so schnell Gefahr läuft, hier über die Limits zu gehen. Trotz des erfolgreichen und Lehrbuchmäßigen Recoverys bin ich angefressen, weil ich diese schnelle Fahrtzunahme nicht erwartet hatte. Ich fliege noch einen Abschwung und einen Aufschwung, wobei ich letzteren ziemlich vereiere, weil ich nicht genug Fahrt in die Rolle mitnehme. Naja, erfliegen halt. Da darf schonmal was daneben gehen. Während ich zur Landung einschwebe, bin ich zunächst mal froh, bei meinem ersten Einsitzer-Kunstflug nichts kaputt gemacht zu haben. Zurück am Start grinst mich Uli an. „Macht spaß, oder? Hat sie mit Dir gesprochen?“ Damit meint er das blecherne „Bling bling“, dass die Pilatus bei Lastwechseln von sich gibt. „Ja, wir haben uns nett unterhalten“, gebe ich zurück.
Nach einem kurzen Debriefing schiebe ich die B4 noch einmal an den Start. Dieses Mal ziehe ich direkt nach dem Anwackeln die Fahrt sachte weg, trete ins rechte Pedal und das Flugzeug kippt über die rechte Fläche in ein erstaunlich stabiles Trudeln. Nach einer Umdrehung gebe ich Gegenseitenruder, lasse das Höhenruder nach und fange sie sanft ab. Ich grinse mutmaßlich wie mit einem Kleiderbügel in der Fresse, als die Endorphine meinen Körper fluten. Trudeln fand ich immer geil, und das jetzt erstmals allein tun zu können, das ist fliegerisch schon ordentlicher Schritt nach vorn. Kaum fliegt das Flugzeug wieder stabil, ziehe ich noch einmal die Fahrt weg und probiere es links herum, verkacke aber das Ausleiten, sodass ich am Ende einen Richtungsfehler von rund 45 Grad habe. Wurscht. Blick auf den Spickzettel. Turn mit 180 km/h einleiten und 2,5g ziehen. Weniger als im Loop, meint das Handbuch. Gut, die Autoren sollten es wissen. Also Fahrt aufholen, Linie zeigen und Hochziehen. Blick zum G-Messer: passt. Knüppel nachlassen, Tritt ins pedal und – Mist, zu spät. Die Figur verhungert grandios. Alle Ruder auf Anschlag. Gedenksekunde. Die B4 hängt wie ein Windsack bei null Luftbewegung am Himmel. Dann rutscht sie zurück und schlägt nach vorn um. Unbeschreibliches Gefühl. Aber es löst keinerlei Angst aus. Kaum ist sie durchgependelt, nimmt sie Fahrt auf und ich fange sanft ab. Dieser Umgang mit dem Flugzeug, das Erlernen des richtigen Umgangs mit anormalen Fluglagen ist vielleicht das beste am Kunstflug überhaupt. Angst ersetzen durch gespannte Aufmerksamkeit, Verzweiflung durch folgerichtige Reaktion. Ein enormer Sicherheitsgewinn! Der zweite Turn ist immerhin Artverwandt, wenngleich alles andere als schön. Für zwei Rollen und einen Loop reicht die Höhe noch, dann geht es zur Landung. Reicht für den ersten B4-Tag.

Mittwoch ist mein letzter Tag in Landsberg, wenngleich der Lerhrgang noch bis Samstag läuft. Aber die Arbeit ruft. Noch einmal mache ich zwei Flüge auf der B4 und genieße die sukzessive kommende Sicherheit. Was mich allerdings nervt, ist das glatte Bodenblech des Fliegers. Ständig rutschen meine Fersenkanten hin und her, weswegen ich ständig schiebend fliege. Da täte etwas Sandpapier oder eine Gummimatte gut. Am Abend verlasse ich den Flugplatz Landsberg mit gemischten Gefühlen. Einerseits waren es fünf tolle Tage. Ich habe die Bedingungen für meine Kunstflugberechtigung erfüllt, konnte mich noch an ein neues Muster heran wagen. Andererseits hätte ich mit der tollen Truppe gerne noch bis Samstag weiter geturnt. Die Kameradschaft war wirklich toll, das Engagement der Landsberger als gastgebender Verein herausragend. Danke dafür! Und danke an alle, die diesen Lehrgang möglich gemacht haben.

Nebeneffekt der fünf Tage: Ich bin jetzt Mitglied in allen drei großen Kunstflug-Fördervereinen, also dem Kunstflugförderverein Aufschwung Ost, dem Förderverein Segelkunstflug Bayern und dem Förderverein Segelkunstflug im BWLV. Angesichts der moderaten Jahresbeiträge von je 25 bis 30 Euro eine absolute Empfehlung für alle, die ihren Spaß jenseits des Geradeausflugs suchen. Und natürlich gibt es auch gleich das nächste Ziel: Lehrgang in Reinsdorf im September und das Segelkunstflug-Leistungsabzeichen in Bronze fliegen. Das ist Voraussetzung, um die neue SZD-59 der Bayern zu nutzen. Weiterhin werde ich mit Fleischi als Safety-Pilot den BaWü-DoSi in Blumberg fliegen. Mal gucken, ob ich auch am Wettbewerbsunstflug meinen Spaß finde. Wobei – mit dem Co ganz sicher!

Übrigens: Hier das Making of vom großen Gruppenfoto. War nicht ganz einfach…

 

BBSW die 4.

Die Bad Breisiger Segelflugwoche kann ich dieses Mal in wenigen Zeilen abhandeln. Vier Tage, zwei kaputte Reifen, ein kaputtes Flugzeug. Wobei ich dieses Mal nicht schuld war, denn zunächst hat mein Teampartner mit einem platten Reifen an meinem Auto den Flieger ins Grid gezogen und ihn dadurch so zerwalkt, dass er sich auch nicht mehr flicken ließ. Am selben Tag hat er bei einer Außenlandung mit unserer K9 mit dem Bremssattel einen Stein getroffen. Bremssattel kaputt, Flugzeug gegroundet, BBSW fliegerisch vorbei. Darüber konnten zumindest die Ossi-Welcome-Party, die das Teilnehmerfeld an unserem Ankunftstag veranstaltete, die Hochzeit von Benni und Melanie Schaum in Gelnhausen (an der ich nicht ganz unschuldig bin), das Wiedersehen mit vielen liebgewonnenen Menschen und die tolle Abschlussparty hinweg trösten. Ach ja, und ich war mit einem der Ober-Top-Meteo-Lügner ne gute Stunde ASK21 und dann nochmal ne halbe Stunde WT9 fliegen. Danke hierfür!

Mit dem Bergfalke über Speyer

Nach Speyer hat mich nicht der Scheibe-Vogel verschlagen, sondern die wunderschön restaurierte Cobra 15 von Jens Jordan. Über diesen Höhepunkt des polnischen Holz-Segelflugzeugbaus wird demnächst eine Geschichte im aerokurier erscheinen. Moritz Schmiede von der SFG Bensheim kam mit der Husky nach Speyer und bewies einmal mehr Geschick als Fotoship-Pilot. Einige Wochen zuvor hatte ich mit ihm den Prototypen der ASW15 in der Luft fotografiert, den er gemeinsam mit Jonas Kamm betreibt. Diese Story ist im aktuellen aerokurier zu lesen. Dem will ich hier nicht vorgreifen, nur so viel: Beide Shootings haben wahnsinnigen Spaß gemacht! Danke an alle Beteiligten. In Bensheim war anschließend noch ein kurzer Hüpfer im Twin drin, fürs Flugbuch. In Speyer dauerte der Ausflug etwas länger, denn Jens hat vor der Cobra einen Bergfalken mit viel Hingabe restauriert. Das Flugzeug steht top da und besticht durch viel Liebe zum Detail. Alle sichtbaren Metallteile sind auf Hochglanz poliert, das Panel reich mit Instrumenten bestückt und auch die Steuerung für besondere Leichtgängigkeit optimiert. Ein echtes Flugerlebnis! Gut eine Stunde kreisen wir gemeinsam über der Domstadt, gucken uns die Altstadt und das Technikmuseum, das direkt gegenüber des Flugplatzes liegt, aus der Luft an. Die Umgebung ist landschaftlich wirklich schön, vom Boden aus nimmt man das gar nicht so wahr. Speyer verlasse ich nach einem rundum gelungenen Flugtag und bedanke mich bei Jens, seiner Familie und seinen Freunden für die Unterstützung und dem Bensheimer Husky-Team für den Support beim Fotoshooting.

 

Zweimal Laichingen

An dieser Stelle noch ein kurzes Update zu meinen ersten, bemitleidenswerten Streckenflugversuchen in diesem Jahr. Am Fronleichnam konnte ich mit der K6 bei eigentlich guter, aber von einigen Gewittenr beeinflusster Wetterlage ein paar Kilometer auf der Alb machen. Nachdem ich den ersten Sprung auf den Höhenzug vergeigt hatte und dann fast in Sichtweite zur Hahnweide auf ein Feld gegangen wäre, sind es dann doch noch lächerliche 160 Kilometer geworden. Allerdings bin ich nicht nach Hause gekommen, denn die ausläufer eines Schauers machten in der Nähe von Laichingen jegliche Thermik zunichte. Allerdings gab es auf dem dortigen Flugplatz einen freundlichen Empfang exzellenten Kuchen und einen zügigen Rückschlepp. Das gefiel mir so gut, dass ich zwei Tage später mit der K9 nochmal dort landete, nachdem mir einmal mehr in der Nähe die Thermik ausgegangen war. Vielleicht hätte ich am Reußenstein den Sprung über die Albkante geschafft und wäre nach Hause gekommen, aber das Überfliegen des Waldgebietes dort war mir mit meiner Höhe dennoch zu heiß. Dann lieber landen, Kuchen und F-Schlepp, als irgendwas riskieren. Logische Frage der Locals: „Willste nicht hier in den Verein eintreten, dann sind die F-Schlepps billiger.“

Ein Drittel abgehakt

Als ich mit der DG1001 D-1113 am 7. November vom Flugplatz Niederöblarn abhebe, lasse ich den 33. Flugplatz auf meiner 100-Plätze-100-Flüge-Liste unter mir. 31 Plätze davon habe ich in den ziemlich genau drei Jahren abgearbeitet, die meine praktische Prüfung nun her ist. Ist das jetzt gut oder schlecht? Ich würde es mal als solide bezeichnen. In jedem Fall hat sich das, was ich mir von der Aktion erhofft habe, bewahrheitet. Ich habe viele Fliegerkameraden kennengelernt, habe erfahren, wie in anderen Vereinen Segelflug organisiert wird und was andere besser oder schlechter  machen als die Vereine, in denen ich Mitglied bin. Und ich bin dabei gut rumgekommen. Im Norden war es Kiel, im Westen Wershofen, im Osten Rothenburg/Görlitz und im Süden der bislang letzte Platz – Niederöblarn. Bedingt durch die BBSW und meine jetzige Mitgliedschaft in einem Hahnweide-Verein gibt es zwei Konzentrationspunkte, einmal um die Mönchsheide herum – übrigens Flugplatz nummer drei und der erste, auf dem ich nach der Ausbildung geflogen bin (Grüße an den LVM!!) – und auf der Schwäbischen Alb, wo ich neben der Hahnweide noch Hayingen und den Übersberg besucht habe. Beide Landungen waren nicht freiwillig, aber die Hayinger hatten was zu trinken für mich und auf dem Übersberg gab’s Pflaumenkuchen. Also alles richtig gemacht. (Weiterhin zu empfehlen: Apfelkuchen in Hinterweiler und Eis in Daun-Senheld). In jedem Fall an dieser Stelle mal ein Dankeschön an alle, die mich entweder wieder in die Luft geschossen, zurückgeschleppt oder bis zum Eintreffen der Rückholer ausgehalten haben.

Die Flüge in Niederöblarn waren – ähnlich wie die ein gutes Jahr zuvor Aigen – wieder „Abfallprodukt“ einer Dienstreise. Demnächst werden im aerokurier Artikel über den mutmaßlich jüngsten Kunstflugschüler aller Zeiten und den einst jüngsten Fluglehrer Österreichs, der ihn ausgebildet hat, sowie über die Alpenflugschule in Niederöblarn erscheinen. Und um mir über letztere und ihre Umgebung selbst ein Urteil zu bilden, musste ich mir  das ganze freilich von oben anschauen. Zunächst hat mich Finn-Luca, im Gegensatz zu mir bereits mit Kunstflugberechtigung ausgestattet (und das ein paar Tage nach seinem 16. Geburtstag!!), einmal ordentlich durchgeschleudert und mir vor Augen geführt, dass man Loops auch mit 5 g fliegen kann. Eher digitaler Stil, ich fliege meine mit dreikommafünf. Der Aufstieg auf Turnhöhe war allerdings hammermäßig: Schlepp auf 1200 Meter AGL, bisschen suchen, und dann war sie da: die Grimming-Welle. Bei konstant zwei Meter Steigen einfach geradeaus, bis auf 2500 Meter AGL. Es war irre. Einzig und allein das Gedröhne im Cockpit hat das Flugerlebnis getrübt, denn die Club-DG hat ein Festfahrwerk, und das hört man deutlich.

Am Nachmittag hat sich Lukas Huber, besagter ehemels jüngster Fluglehrer, mit mir nochmal in die DG getraut. Erstens sollte die auch in meine Typenliste, zweitens bot das die Chance, mal wieder zu turnen. Also nochmal Schlepp auf 1500 AGL. Zunächst gibts die obligatorische Fotosession und dann heißt es: Feuer frei. Die 1001 trudelt wirklich fantastisch. Einleiten klappt super, sie dreht sauber und lässt sich zielsicher ausleiten. Loop ist für Doofe, aber das trifft wahrscheinlich auf fast alle Flugzeuge zu, die nicht so auf Acro getrimmt sind wie die Fox. Für die Rolle ist viel weniger Ausheben nötig als beim Perkoz. Den musste man bei Tempo 170 ungefähr 30 Grad nach oben lupfen, bei der DG reichen zehn Grad, damit die Rolle nicht im satten Bahnneigungsflug endet. Das hat mir Lukas aber erst gesagt, als ich die erste Rolle Perkoz-mäßig geflogen war… Überhaupt ist die Rollwenigkeit der DG wirklich ordentlich, zumindest verglichen mit dem, was ich bisher an Doppelsitzern gewöhnt bin. Ein Duo ist zwar auch agil, hat aber eben noch zwei Meter mehr Spannweite. Und die merkt man da. Nach gut zehn Minuten Geturne ist die Höhe abgeflogen und wir eiern in die Platzrunde. Im engen Ennstal am Fuße des Grimming ist für das klassische Pattern zu wenig Platz. So führt der Gegenanflug auf die 04 im Spitzen Winkel darauf zu und endet in einer 180°-Kurve zum Endanflug hin. In der Landung ist die DG auch unproblematisch, die Klappen wirken gut und das gefederte Fahrwerk fängt den Landestoß ziemlich weich ab.

Am Tag darauf ist noch ein kurzer Turnflug drin, bei dem ich das Grundprogramm durchprobiere und merke, dass hier und da noch Feintuning notwendig ist, bevor das jemand gutheißen und mir den Stempel in den Ausbildungsnachweis drücken kann. In jedem Fall ist Niederöblarn ein absoluter Tipp für Piloten, die fliegen, aber auch ihrer Familie etwas bieten wollen. Das Hotel ist direkt am Flugplatz, und im Übernachtungspreis ist die Nutzung aller Sportanlagen mit eingeschlossen. Und es gibt eine Sauna!! Ein Traum! Danke an Finn, Lukas und Flugleiter Tibor, es hat Spaß gemacht bei Euch!

Mit dem Schulgleiter in der Waschküche

Was ist furchtlos, hat 44 Beine und steht bei sechs Grad, 15 Knoten Wind und Nieselregen auf der Wasserkuppe? Richtig. `Ne Horde Segelflieger, die back to the roots will. Also richtig back. So ganz ohne Rumpfboot und Instrumente. Und ohne in Seilwinde oder Schleppflugzeug verpackte Motorkraft.

Auch mein zweiter Besuch auf der Wasserkuppe – beim ersten gings ums Oldtimerfliegen allgemein, den habe ich in der aerokurier-Ausgabe 11/2017 umfänglich abgehandelt (und bei der dafür notwendigen Vor-Ort-Recherche endlich die aviatische Bildungslücke Ka 6E geschlossen) – ist auch wieder dienstlicher Natur. Thema Gummiselstart. Was braucht man dafür, wie gehts, wie fühlt es sich an. Vom OSC kam nur lapidar: „Komm vorbei, die Reinheimer, die an diesem Wochenende da sind, haben ohnehin noch Personalbedarf.“ Gesagt – getan. So sitze ich am dritten Oktoberwochenende in illustrer Runde im Clubraum des OSC Wasserkuppe und lausche den Ausführungen der Fluglehrer, die sich darüber auslassen, wie unkompliziert so ein Schulgleiter zu fliegen ist. Dann lautet das Kommando: „Sonne kommt raus, aushallen!!“

Der Schulgleiter wird aus der Halle geschachtelt und auf den Transportwagen geprotzt, ich hänge mir den Anhänger mit dem ganzen Startgeraffel ans Auto und ziehe ihn zum Start am Weltenseglerhang. Jetzt wirds historisch, und zwar so richtig. Da, wo einst NSFK-Kadetten ihre ersten Hüpfer gemacht haben, wollen auch wir uns den Wind um die Nase wehen lassen.

Die ersten Starts verfolge ich aus der Fotografen-Perspektive seitlich am Hang stehend. Die Kommandos sind die gleichen wie anno dazumal: „Pilot fertig?“ – „Fertig!“ – „Haltemannschaft fertig?“ – „Fertig!“ „Seilmannschaft fertig?“ – „Fertig!“ – „Aus­ziehen! – Laufen! – Los!“ Kaum hat der Startleiter das letzte Wort durch seine stilechte Blech-Flüstertüte gebrüllt, nimmt der SG 38 Fahrt auf und schnellt in einer Höhe von acht bis zehn Metern über Grund den Weltensegler-Hang hinab. Das Flugerlebnis – wenn man denn einen Hüpfer von 20 bis 30 Sekunden als Flug bezeichnen mag – ist für jene, die zum ersten Mal auf dem „Bock“ sitzen, wohl so ähnlich wie der erste Alleinflug oder der erste Kunstflug. Aufregend, atemberaubend und in jedem Fall für die Ewigkeit! Und jedem, der seine Feuertaufe bestanden hat, scheinen die Mundwinkel ans Ohr getackert.

Nach jedem Hüpfer zerrt ein alter Trecker den SG 38 wieder den Hang hoch. Immer wieder werden Gewichtsangaben gebrüllt, denn mit jedem schwereren Piloten muss Trimmblei ausgebaut werden. „Noch wer mit 75?“ brüllt der Startleiter. Jetzt isses so weit. „Hier“, plärre ich durch den Wind zurück. Aufsteigen, anschnallen. Fluglehrer Jörg gibt letzte Steueranweisungen, die sich in etwa so anhören: Nicht zu stark ziehen, sonst verlierst du Geschwindigkeit und der Flug wird kürzer. Ansonsten einfach fliegen.“

Der Puls steigt, und es ist schon aufregend, als die Gummihunde loslaufen und der SG zu zittern beginnt. Das „Los“-Kommando nehme ich kaum wahr, dafür umso mehr, wie sich der Wind in mein Gesicht beißt, als der Gleiter losschnellt und ich abhebe. Es ist ein phänomenales Gefühl und ich grinse mir einen ab. Ich steuere wie automatisch und nach vielleicht 23 Sekunden ist alles vorbei. Gelandet, geschafft. Und wieder ein einigermaßen exquisites Muster im Flugbuch. Auch hier ein Dank an alle, die das möglich gemacht haben.

Und das ganze noch im Video:

GOPR1173 from Lars Reinhold on Vimeo.

Zwei Oldies abgehakt

Schließlich sei hier noch kurz das 20. Kleine Segelflug-Oldtimertreffen erwähnt, das in diesem Jahr in Jena-Schöngleina stattgefunden hat. Hier traf ich mich mit meinen Perleberger Kameraden, die ihren Phoebus C dabei hatten. Auch Manfred und Gunter aus Taucha waren da, und mit Manfreds Siebert Sie 3 und dem FES 530 Lehrmeister aus Pirna sind noch zwei weitere Muster in meine „Gestartet-geflogen-gelandet“-Liste gekommen. Schön wars und danke an den Fliegerklub Carl Zeiss Jena für die tolle Orga! Und nicht zuletzt an Andi für den tollen Abschlussflug im Jenaer Duo – wohl der schönste, den ich je geflogen bin!

Darüber hinaus gabs noch so einige Episoden in diesem Jahr, die aufgrund akuter Faulheit und/oder Zeitmangel nicht den Weg in diesen Blog gefunden haben. Deswegen einfach noch ein paar Bildchen, die schöne Einblicke in mein Segelflugjahr 2017 geben.