Federleicht und Sackschwer

Aktuell ist es wirklich so, dass ich dem Erlebten schreiberisch kaum hinterher komme. Angesichts des coronabedingt verstpäteten Saisonstarts scheine ich all das nachholen zu wollen, was in er ersten Jahreshälfte liegengeblieben ist.

Tatsächlich gab es vor meinem Sightseeing-Flug über Gera noch ein Episode, die hier zumindest kurz Erwähnung finden sollte. Direkt von Riesa ging es nach einem Zwischenstopp zuhause nämlich nach Nastätten. Hier, so der Plan, wollte ich eine Einweisung auf Ultraleichtsegelflugzeuge machen. Natürlich berufsbedingt, für eine Reportage im aerokurier. Konkret hieß das, einen Start auf einer ASK 21 mit Harro Renth, Fluglehrer und Ausbilder beim Deutschen Verband zur Förderung des Sports mit Leichten Luftsportgeräten, kurz DVLL, und anschließend die Umschulung auf den Banjo. Wie üblich will ich nicht groß spoilern – sonst muss ja keiner mehr den aerokurier lesen – aber s sei so viel gesagt, dass ultraleichte Segelflugzeuge eine ganz andere Welt sind. Vom Aufrüsten angefangen – „Ähm, ist das alles oder kommt da noch Gewicht??“ – über den Start hinterm Trike, bei dem man nach gefühlt fünf Metern Rollstrecke in der Luft ist bis hin zum federleichten Fliegen und der Erkenntnis, dass schon leichter Gegenwind jede Landung zum Sarajevo-Approach macht. Nach drei starts und rund 60 Flugminuten im Banjo reckt Harro Renth den Daumen in die Höhe und gratuliert mir zum Ultraleichtschein für Segelflugzeuge. So mein Medical irgendwann mal ausläuft habe ich also die Chance, in dieser Klasse mit nahezu unglaublichen Freiheiten zu fliegen. Zwar nur Banjo, aber immerhin.

Eine Woche nach Gera habe ich mal wieder gemuggelt. Der Arcus stand rum, das Wetter sah brauchbar aus und ein Co-Pilot fand sich auch schnell. Nach bissl rumdaddeln und gemeinsamem Kreisen mit unserer Husky reichte die Thermik doch, dass selbst ich als Streckenflug-Versager bis zum Klippeneck und wieder zurück kam. Unterwegs trafen wir auf eine PIK-20E, unseren K1 und am Klippeneck auf eine Pilatus B4, wobei zumindest PIK und B4 zwei Muster sind, die man gar nicht so häufig am Himmel sieht.

Am Sonntag sattelte ich einmal mehr die 59 und zerrte sie nach Sinsheim. Hier hat meine Beziehung zu diesem Muster erst richtig angefangen, nachdem ich nach zwei Starts auf der Fördervereins-SZD in Landsberg nur noch genervt war von der vermeintlich beschissenen Sitzposition. In der Werkstatt des FSR Kraichgau aber habe ich mehr als eine Stunde Sitzprobe in Robins RK gemacht, mit GFK-Klotz in der Schale, ohne GFK-Klotz in der Schale, mit zig gerollten Handtückern hier und da und dort. Und irgendwann kam die Erkenntnis: scheiß drauf, für 20 Minuten Kunstflug gehts allemal.

Eine Sitzprobe am Boden und ein Besuch für eine aerokurier-Story über den Rolliflieger Martin Köhl reichen aber freilich nicht, um mir den Platz in meine Liste zu schreiben. Also heißt es: fliegen! Noch am Abend zuvor hatte ich mit mehreren Sinsheimern telefoniert, weil ich Robin zunächst nicht ans Rohr bekam. Aber Sonntag früh weiß ich, dass er auch da ist. Kaum angekommen, wird die 59 unter kompetenter Leitung zusammengesteckt und an den Start geschoben. Kurze Flächen, Visiere, Winde. Mal gucken. Short Story ganz short: Es ging nicht. Die Auskuppelhöhen reichten nichtmal, um ne ordentliche Sightseeingrunde über dem Museum mit Tu-144 und Concorde zu drehen. Ich lande lediglich um die Erkenntnis reicher, dass der Platz echt mitten in der City liegt und keine Fehler bei Startunterbrechung oder Landeeinteilung verzeiht.

Um allzu großer Frustration vorzubeugen, stelle ich mich direkt nochmal an den F-Schlepp und gönne mir einen Start auf 1250 Meter Höhe. Vor mir klemmt wieder Robins Advanced-Kür, die ich allerdings um eine ganze gerissene erweitert habe, um auch diese Figur zu trainieren. Da ich nicht wirklich gut vorbereitet bin, fliege ich die Viertelab direkt nach dem Weibchen, obwohl da eigentlich noch ein Turn auf der gleichen Linie gekommen wäre. Am Ende wirds ein ziemliches Durcheinander garniert mit mieser Positionierung und fehlender Figurntrennung, also klassisch 50 Euro zum Fenster rausgeworfen. Nunja. Als ich wieder am Boden bin, kommentiert Robins Freundin Suna meine Performance mit dem lapidaren Satz „So wie du am Boden rumläufst, so fliegst du auch.“ Das schlimme ist, ich weiß genau, was sie meint.

Zum Abschluss will ich mir eigentlich noch einen Windenstart gönnen, allerdings überrascht mich mein Flugzeug mit einem platten Reifen. Subbor Sach. Das Ventil steckt auch so weit drinnen, dass man nicht mal mit einer Ventilverlängerung dran kommt. Unter Robins Anleitung lerne ich, wie man bei der 59 das Rad ausbaut, und stehe anschließend in der Werkstatt, um die Felge auseinander zu fummeln und den Schlauch zu prüfen. Ein Tauchbad bringt aber kein Loch zutage, es blubbert nirgendwo. Also alles wieder zusammenbauen, Flieger verpacken und bei einer Cola den Tag ausklingen lassen. Gab schon schlechtere.

Offene Klasse, pt. II

Nur eine Woche später fahre ich wieder Richtung Sinsheim, aber dieses Mal ohne Flugzeug und noch weiter. Ludwigshafen-Dannstadt ist das Ziel, hier wartet das zweite Flugzeug der alten Offenen Klasse auf mich: die Sportinė Aviacija LAK-12. Als ich auf den Trichter kam, die vier alten Langohren für den aerokurier zu porträtieren, war ich fest überzeugt davon, dass dieses Muster am schwersten zu finden sein würde. Tatsächlich hatte ich nach der Jantar 2B-Aktion recht schnell zwei Flugzeuge im Auge, die in Roitzschjora hatte allerdings nur noch ein paar Tage ARC, und irgendwer gab mir dann den Tipp, dass in Ludwigshafen-Dannstadt wohl eine fliegt.

Peter, Kopf der LAK-12-Haltergemeinschaft, war relativ schnell überzeugt, dass das eine schöne Sache sei und vielleicht auch ein bisschen scharf auf nette Bilder von seinem Flugzeug. Am Freitagabend hatten wir uns für das Fotoshooting verabredet, und dank der Nähe zu Bensheim konnte ich einmal mehr auf Moritz und die Bensheimer Husky als kombiniertes Schlepp-/Fotoflugzeug zurückgreifen. Dankenswerter Weise ist der Kahn schon aufgerüstet, als ich in Dannstadt aufschlage, denn eine Fläche der LAK wiegt 108 Kilo! Nach einer guten halben Stunde ist alles im Kasten, und ich lasse mir von Peter bei einer Weinschorle noch erzählen, wie sie zu diesem außergewöhnlichen Muster gekommen sind.

Am nächsten Vormittag ist erstmal Regen angesagt, aber die Prognose für Mittag und Nachmittag ist gut. Das gibt mir genug Zeit für intensives Handbuchstudium. Folgt man den Ausführungen des Herstellers, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die LAK-12 absolut harmlos zu fliegen ist. Witzig: Selbst Kunstflugmanöver sind im Handbuch beschrieben – eigentlich ein Witz bei dem fetten Bock. Besonders interessiert mich das Ausleiten des Trudelns, denn natürlich will ich wissen, wie sie sich im Grenzbereich verhält. Vorbildlich: Am Ende des Handbuchs hat der Hersteller mehrere V-N-Diagramm für unterschiedliche Beladungszustände und Wölbklappenstellungen eingefügt. Sowas würde ich mir für alle Muster wünschen!

Nach ellenlanger Suche nach der passenden Sitzposition, einer Einweisung in die ausgefallene, aber wirksame Fahrwerskinematik und einem etwas wackligen Start verbringe ich eine gute Stunde mit der LAK in der Luft. Details gibts im aerokurier, aber so viel sei verraten: Es war das Flugzeug mit der am wenigsten definierten Steuerung, das ich je geflogen bin. Nie zuvor war mir so unklar, was genau bei der und der Bewegung am Knüppel passieren würde. Im Höhenruder ist sie direkt, aber die Querruder sind maximal schwammig, vor allem unter 100 km/h. Das Seitenruder funktioniert aufgrund seiner kleinen Fläche nur digital: an oder aus. Allerdings, und das überraschte mich dann doch, lässt sie sich bei 90 in der Thermik nahezu auf dem Teller drehen. Und ja, sie trudelt, lässt sich aber völlig unkompliziert wieder einfangen. Die Landung gelingt leidlich gut, nachdem sie aufgesetzt ist, lasse ich sie noch einmal abheben, bis sie wirklich rollt. Nicht schön, aber safe. Alles in allem eine außergewöhnliche Begegnung.

Auf dem Rückweg besuche ich noch einen Kollegen im Odenwald und checke gegen 19.30 Uhr in Malsch ein, denn hier fliegt Robin an diesem Abend eine Pyro-Show. Da kann ich mich noch beim Flugzeugschieben und Ablöschen nach der Landung nützlich machen. Viele andere Kunstflieger sind auch da. Außerdem treffe ich hier einen Leser meines Blogs, der behauptet, einer seiner Fluglehrer von den Luftsportfreunden Wesel sei mal von mir erwähnt worden. Eine Recherche ergibt, dass das Sascha war, der mich vor meinem ersten Alleinflug überprüft hat. Klein ist die Welt. Irgendwann gegen Mitternach rolle ich vom Hof und träume auf der Heimfahrt von meinem ersten Display vor Publikum. Bögchen und Schleifchen zu schöner Musik. Total entspannt.

Neues wagen

Am 16. Februar 2008 – vor 4579 Tagen – erschien in diesem Blog der erste Eintrag. Damals hatte ich wirklich keinen blassen Schimmer, ob die Segelfliegerei was für mich ist und wenn ja, wie lange ich dabei bleibe. Den ersten Post habe ich damals tatsächlich an dem Tag gemacht, an dem ich mich auf dem Flugplatz Taucha über die Möglichkeiten der Segelflugausbildung informiert habe, und insofern lässt sich hier wirklich meine gesamte fliegerische Laufbahn nachlesen. Wer weiß, vielleicht wird da irgendwann mal ein Buch draus oder so, keine Ahnung. Wer beruflich viel schreibt, hat privat oft nur noch bedingt Lust dazu, und zwischenzeitlich sah es mal so aus, als würde auch mein Blog das Schicksal vieler anderer teilen und zu einer langsam verblassenden Karteileiche in den Weiten des World Wide Web werden. Aber ich habe die Kurve gekriegt und mich doch wieder dazu aufgerafft, meine Erlebnisse zu teilen, und die Zugriffszahlen waren gerade in den letzten Monaten, in denen ich über die Anschaffung der 59 und meine ersten, ernstzunehmenden Kunstflugaktivitäten berichtete, wirklich ordentlich.

4579 Tage blieb „Mein Logbuch“ optisch unangetastet. Jetzt hat mir WordPress ein unschlagabres Angebot gemacht, mal meinen Tarif für wenig Geld upzugraden, und damit ergab sich auch die Chance, das Design mal zu modernisieren. Das wird bestimmt die nächsten Wochen noch etwas umgebaut, bis es mir richtig gefällt.

Ich hoffe, dass mir meine Follower weiter treu bleiben und sich beim Lesen der ein oder anderen Episode wiedererkennen. In diesem Sinne: Fliegt sicher, habt Spaß und ladet mich ein, euch besuchen zu kommen. Hals- und Beinbruch!

Heimatbesuch

Manchmal kommen großartige Sachen dabei heraus, wenn etwas nicht so läuft wie geplant. So war das mit dem Flug am vorvergangenen Wochenende.

Nachdem ich den Samstag mit einem herrlichen Großeltern – Enkel – Urenkeltag verbracht hatte, hatte ich mir für den Sonntag vorgenommen, endlich mal einen Loop über der Göltzschtalbrücke zu fliegen. Mit den Greizer Segelfliegern hatte ich schon zwei Wochen zuvor Kontakt aufgenommen, war dann aber doch in Ansbach geflogen, weil ich früh nicht wirklich aus dem Bett gekommen war und nicht die beste Zeit des Tages auf der Autobahn verbringen wollte. Zwar erreichte ich in Greiz am Morgen niemanden, konnte mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass dort angesichts des Megawetters kein Flugbetrieb sein könnte. Also die 59 angehängt und Kurs Greiz.

Auf den 30 Kilometern dorthin wurde das Wetter immer Besser. Zwar war es brutal heiß, aber Richtung Erzgebirge ploppten immer mehr Cumuli auf. Die zu erwartende Thermik sollte selbst für mich reichen, um die drei Kilometer bis zur Brücke zu schaffen. Als ich jedoch in Greiz ankomme, dröhnt nur der Motor einer Extra, die sich kurz darauf in Richtung Kunstflugbox verabschiedet. Ansonsten ist abgesehen vom Flugleiter niemand auf dem Platz. Es seien früh nur zwei oder drei Segelflieger da gewesen, die dann beschlossen hätten, es angesichts der Hitze sein zu lassen. What???

Zwei Telefonate später weiß ich, dass wohl auch die Zwickauer nur bis Mittag machen und dass auch in Gera aktuell geflogen wird. Gera, meine Heimatstadt. Zwar hab ich dort mal drei Platzrunden auf der LS1 geflogen, aber für ein richtiges Sightseeing hatte es damals freilich nicht gereicht. Ist heute meine Chance? Also kehrtgemacht, den gleichen Weg zurück, quasi ein Jojo mit dem Anhänger, und in Gera vorgefahren. Kurzer Schwatz mit den Kameraden vom dortigen Luftsportverein und flugs die 59 Zusammengesteckt.

Der folgende Text ist der, der eine Woche später in der Ostthüringer Zeitung über diesen Flug abgedruckt wurde. Warum ich den hier 1:1 veröffentliche, obwohl der Lokalkolorit jenseits meiner Heimatstadt kaum jemanden interessieren dürfte? Weil ich damit zeigen will, dass ein vergleichsweise banaler Flug über der Heimatstadt taugt, um eine knappe Zeitungsseite für den Segelflug zu bekommen. Also: Fliegt über eure umliegenden Ortschaften, schreibt was  dazu und bietet es der Zeitung an. Einfacher können wir  Öffentlichkeit für unseren Sport kaum bekommen.

Entdeckungen aus der Vogelperspektive

Lars Reinhold ist Luftfahrtjournalist und Segelflieger. Jüngst hatte der gebürtige Geraer zum ersten Mal die Chance, seine Heimatstadt aus der Luft zu erkunden. Eine ungewöhnliche Sightseeing-Tour.

Wo zum Teufel ist der Garten meiner Großeltern? So sehr ich den Kopf auch verrenke, ich kann ihn nicht entdecken. Der Funkturm auf dem Büchsenberg oberhalb Taubenpreskeln müsste doch selbst aus 1500 Metern über dem Boden eigentlich gut zu sehen sein, und ein Stück darunter sollte ich den Garten, in dem ich als Kind so viele schöne Stunden verbracht hatte, finden können. Ich peile die Zwötzener Wendeschleife an, beiße mich mit meinen Augen an der Kaimberger Straße fest und folge ihr bis sie unter meiner Tragfläche verschwindet. Dann drücke ich den Steuerknüppel noch weiter nach rechts und lege mein Segelflugzeug in eine noch steilere Rechtskurve, sodass ich beinahe senkrecht nach unten sehen kann. Da ist er! Genau unter mir!

Ungefähr drei Stunden zuvor hatte ich noch am verschlossenen Greizer Flugplatztor gestanden. Einmal einen Looping über der Göltzschtalbrücke fliegen, das war mein Plan gewesen, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass in Greiz bei diesem Hammerwetter kein Flugbetrieb sein könnte. Also kehrt gemacht, den Flugzeuganhänger wieder zurück nach Gera gezerrt in der Hoffnung, dass wenigstens der hiesige Luftsportverein der Hitze trotzt. Dank der Hilfe dreier Geraer Segelflieger sind die fünf Eizelteile – Rumpf, linker und rechter Flügel sowie linkes und rechtes Höhenleitwerk – ruckzuck zu einem Flugzeug zusammengebaut. Etwa 30 Minuten später bin ich startbereit, das Windenseil wird straff und die Beschleunigung drückt mich in den Sitz. Knapp 1000 Mal habe ich das inzwischen erlebt, und es ist doch immer wieder beeindruckend, wenn das Flugzeug innerhalb von drei Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h gebracht wird.

Die ersten zehn Minuten sind zäh. Aufgrund der Hitze kommen die thermischen Aufwinde, in denen ich Höhe gewinnen kann, unten raus nur schwer in Gang. Doch etwas südlich des Flugplatzes finde ich schwaches Steigen, das mit der Zeit stärker wird und mich auf knapp 2000 Meter über dem Flugplatz bringt. Die Sightseeing-Tour kann beginnen!

Nachdem ich den Garten am Büchsenberg entdeckt habe, geht es nach Lusan. Was mit dem Auto locker 20 Minuten dauert, erledige ich Luftlinie drei Minuten. Es sind ja auf dem direkten Wege auch nur gute zwei Kilometer. Der Sportplatz Brüte sieht aus der Luft sehr gepflegt aus, ein Stück davor, in der Karl-Matthes-Straße, stand einmal der Block, in dem ich häufig bei meiner Uroma zu Besuch war. Weiter Richtung Wendeschleife Zeulsdorf fällt mir auf, wie lückenhaft die Bebauung hier inzwischen ist. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, in der ganz Lusan dicht mit Plattenbauten zugestellt war und hier richtig Leben herrschte. Rechts abbiegen, über den Keplerpark, in dem ich bei LFG Oertel mein Schülerpraktikum absolvierte, nach Debschwitz. In der Eiselstraße verbrachte ich die ersten 16 Jahre, ein Reihenhaus mit Garten. Die alte 4. Grundschule in der Debschwitzer Straße ist lange abgerissen, nur die Turnhalle steht noch.

Nachdem ich mir mit einigem Kreisen in einem Aufwind wieder etwas Höhe geholt habe, bringt mich ein Abstecher nach links über die Radrennbahn zum Klinikum. Erst aus der Luft bemerkt man, dass die neuen Gebäude ziemlich UFO-mäßig aussehen mit ihren geschwungenen Formen und sich dadurch deutlich von den klotzigen DDR-Bauten des alten Krankenhauses abheben. Nochmal rechts, Kurs Ost und Blick zum Stadtzentrum. Der Hofwiesenpark ist derzeit eher Steppe, die Arcaden und das Stadtmuseum sind selbst aus der Höhe gut zu erkennen. Ich folge der Elster Richtung Tinz und suche nach dem alten Liebegymnasium, wo ich 2004 mein Abi gemacht habe. Auf dem Postsportplatz etwas oberhalb des markanten Baus habe ich insbesondere beim Ausdauerlauf den Lehrern manch bösen Fluch entgegengebrüllt.

In einem weiten Bogen geht es nun über die Autobahn wieder Richtung Flugplatz. Links die Pionierkaserne, in der ich immerhin 28 Tage Dienst am Vaterland leistete. Rechts unter mir Bieblach-Ost, wo viele meiner Freunde ihre Kindheit verbrachten und das ähnlich wie Lusan in den letzten Jahren Federn lassen musste. Stichstraßen, die ins Nichts führen, künden noch von der einst dichten Bebauung hier. Auf dem Weg nach Leumnitz drehe ich noch eine Runde über dem Osten und fotografiere den Reuß-Park, wo mich – wann immer es mich nach Gera verschlägt – bei meinen Eltern ein weiches Bett und ein leckeres Frühstück erwarten.

Während ich mich südlich des Flugplatzes langsam nach unten kreise, genieße ich noch ein paar Blicke auf die neue Landschaft Ronneburg. Ganz ehrlich: Wer nicht weiß, wie es hier bis ins Jahr 2000 aussah, wer nie die Halden und Löcher gesehen hat, die der Uranerzbergbau hinterließ, kann sich nicht vorstellen, was hier geleistet wurde. Nach gut zweieinhalb Stunden setzt das Rad meines Segelfliegers wieder auf dem Gras des Leumnitzer Flugplatzes auf, und ein Kurztrip in die eigene Vergangenheit endet. Gera aus der Luft ist ein echtes Erlebnis – das jedem offensteht. Eine Mail an den Luftsportverein Gera reicht.

An dieser Stelle muss ich noch Buße tun. Meine liebe Schwester hat sich massiv darüber beschwert, dass sie im Text nicht vorkam. Also, Schwester, groooßes Sorry. Kommt nicht mehr vor!

At Work

Ich habe ja das große Glück, dass mich mein Beruf regelmäßig auf Flugplätze landauf, landab führt. Die vergangene Woche verbrachte ich von Dienstag an auf dem Flugplatz Kamenz, um eine eher ungewöhnliche Geschichte zu produzieren: Einen Vergleich der drei Schuleinsitzer ASK23, Grob Astir und SZD-51 Junior. Alle drei war ich noch nie zuvor geflogen und konnte entsprechend unvoreingenommen an die Sache herangehen. Als ich mit der Idee bei Facebook um die Ecke kam und fragte, ob es Vereine gibt, in denen alle drei Muster fliegen, kamen zunächst die Boberger mit zwei 23en und einem Junior, dort fehlte aber der Astir. Kurz darauf schrieb mich Max Heilmann von der Luftsportjugend an und meinte, in Kamenz stünden Astir und Junior, und in Klix – Luftlinie nur einen Katzensprung entfernt – sei eine 23 behaimatet. Grund genug, nach Abklärung der Modalitäten mit beiden Vereinen meine Feldredaktion eine Woche in der Steppe nordwestlich von Dresden aufzuschlagen.

Inhaltlich ist die Woche schnell erzählt: Dienstag Nachmittag zwei Testflüge auf der ASK23. Dann ein Fotoflug mit Max  am Steuer der C42 aus Großenhain, mit der wir innerhalb von 40 Minuten alle drei Schulflugzeuge plus einen Jantar Standard 3 durchfotografierten. Mittwoch zwei Checkflüge mit dem Bocian und Lutz Kern als Lehrer, um mich würdig zu erweisen, das hiesige Vereinsgerät zu bewegen, sowie viel Office einschließlich eines fantastischen Interviews mit dem Stationsleiter von Christoph 6 in Bremen, der seit 37 Jahren Rettungshubschrauber für den ADAC fliegt. Donnerstag die Testflüge mit Astir und Junior mit insgesamt bestimmt 20 Trudelumdrehungen auf den beiden und am Ende noch ein hoch spannendes Interview mit dem Ober-Jantar-Jünger Markus Uhlig, der jüngst bewiesen hat, dass man nicht absurde Summen an Schempp-Hirth, Schleicher oder Jonker überweisen muss, um 1100 Kilometer zu fliegen.

Freitag gehörte schließlich mir allein, erst Maintenance an der 8E und dann zwei Windenstarts ohne Thermik und schließlich zweimal Wilga-Thermik für Turneinlagen. Und überdies viel Informationsarbeit bezüglich Kunstflugausbildung, Trudelverhalten von Segelflugzeugen und meine Erlebnisse im Fox-Cockpit gemeinsam mit Dideldum. Würde mich wundern, wenn am Ende nicht der ein oder andere Kamenzer doch Lust darauf bekommt, künftig andersrum (also richtigrum) zu fliegen…

Da ich dem Artikel nicht vorgreifen will, der irgendwann in einer der nächsten Ausgaben erscheint, nur ein kurzes Fazit an dieser Stelle: Keines der drei Schulflugzeuge Flugzeuge ist perfekt. Die 23 ist absolut idiotensicher, sich damit totzufliegen geht nur, wenn man sie unangespitzt in den Boden rammt. Ruderabstimmung ist mäßig gelungen, Trudeln mit meiner Masse völlig unmöglich. Der Junior ist vergleichsweise fickrig zu fliegen und bietet den schlechtesten Sitzkomfort, für ihn sprechen aber die automatischen Ruderanschlüsse (Ausnahme Höhenruder) und das geringste Gewicht, weswegen er einfach am besten steigt. Und er trudelt verdammt gut, was für ein Schulflugzeug vielleicht nicht optimal ist. Nach der fünften Umdrehung hab ich ihn dann rausgeholt… Und der Standard-Astir, ja was soll ich sagen: Es ist eigentlich eine Unverschämtheit, wie in der Szene über diesen Harzklumpen gelästert wird. Für meine Größe bietet er das bequemste Cockpit der drei, fliegt sich wirlich solide und dürfte am Ende die beste Gesamtperformance bieten, und das zum günstigsten Preis in dieser Konkurrenz! Einige Details sind sogar so genial gelöst, dass ich mich frage, warum andere Hersteller da vergleichsweise unsinnigen Mist bauen. Der Kuller fällt, falls vergessen, spätestens am Ende des Windenstarts von alleine ab, und die Fahrwerksmechanik ist feinster Maschinenbau und derart leicht zu bedienen, dass es mir ein Rätsel ist, warum beispielsweise Schempp-Hirth selbst bei seinen Premium-Mustern Kulissen einbaut, die sich ganz einfach scheiße bedienen lassen. Sorry für die Wortwahl, aber wenns im Discount-Einsitzer mit einer lässigen Handbewegung geht, dann verstehe ich nicht, warum ich beim Gastflug mit Passagier ohne Flugerfahrung im Zweihunderttausend-Euro-Doppelsitzer zero g fliegen muss, um das Fahrwerk einzufahren und zu verriegeln, weil mir die Kraft des Co-Piloten fehlt, der sonst mit am Gestänge reißt. Aber die Eindrücke werden bald im aerokurier nachzulesen sein.

Schließlich erfüllte sich am Samstag in Riesa-Canitz ein kleiner Traum für mich. Ich durfte einen Jantar 2B fliegen! Obwohl ich normalerweise mit 67,5 Prozent der Spannweite auskomme, reizte es mich doch ungemein, dieses polnische Dickschiff mal zu bewegen. Seit mehr als einem Jahr war ich mit dem Besitzer aus Jena in Kontakt, und der freute sich richtig, dass sich jemand für sein Flugzeug interessierte. Dann kam Corona, alles geriet ins Stocken, und er vercharterte den Flieger nach Riesa, weil er zwischenzeitlich sein Medical verloren hatte. Zu dem Zeitpunkt war ich schon knapp ein Jahr in der Versicherung eingetragen. „Du kannst jederzeit fliegen, wenn du willst, das würde mich freuen“, hatte Leo damals in seiner ersten Mail an mich geschrieben – und das, ohne mich zu kennen. Ein riesiger Vertrauensvorschuss! Und am Samstag war es dann endlich so weit. Uwe, der das Gerät aktuell in Charter betreibt, wies mich gründlich ein und briefte vor allem Start und Landung so ausführlich, dass nicht viel schief gehen konnte. Ich schrieb mir die wesentlichen Infos aufs Kniebrett, insbesondere Start und Landung verlangten eine Menge Aufmerksamkeit. Sollte der Flieger im Anrollen mehr als 15 Grad aus der Richtung kommen, sollte ich sofort Ausklinken. Und bei der Landung sei auf den Abfangpunkt zu achten, da der 2B ein sehr hohes Fahrwerk hat und man dadurch gegebenenfalls zu spät dran ist.

Auch hier greife ich dem Artikel nicht vor – am Ende soll daraus eine vierteilige Geschichte über die alte Offene Klasse werden. Das erste Flugzeug ist mit dem Jantar 2B erledigt, mal gucken, ob ich die anderen drei – Nimbus 2C, ASW 17 und LAK-12 – noch in dieser Saison schaffe, wird sich zeigen.

Schließlich bleibt noch, mich bei den Vereinen zu bedanken, die meine Arbeit unterstützt haben. Allen voran die Kamenzer, bei denen ich eine Woche wie ein Vereinsmitglied im Flugbetrieb assimiliert war, und die einen echt tollen Verein haben, um dessen Werkstätten ich sie so richtig beneide (siehe Bilder oben!). Danke auch an die Klixer, deren 23 ich verprügeln durfte und natürlich Dank an Leo und Uwe, die mich den Jantar 2B erleben ließen. Weiterhin Dank an die Riesaer, die extra dafür den Flugbetrieb länger am Laufen gehalten haben und natürlich an Claude für den Schlepp. Finaler Dank geht an Max für seinen Einsatz als C42-Kutscher bei den Fotoflügen. Es war mir ein Fest mit euch!