Finale… ooooo….

Ich bin Pilot. Tatsächlich. Nach sechseinhalb Jahren, 333 Schulungsflügen und knapp 60 Flugstunden ist es vollbracht. Vier Flüge mit Prüfer im Nacken, Windenstart, Platzrunde, Ziellandung, Startunterbrechung, Kreiswechsel etc. pp. Das wars. Aus. Finito. Aber der Reihe nach.

Mit dem 50-Kilometer-Alleinflug Ende Juli schien die Ausbildung zu Ende, die Lizenz abgesehen von den Prüfungsflügen – vor denen ich von Anfang an allerhand Respekt hatte – nur noch Formsache. Also die ganzen Unterlagen eingetütet und an die Landesluftfahrtbehörde Sachsen geschickt, die für meinen Hauptverein FCLT zuständig ist. Eine Rückmeldung gab es kurze Zeit später, und die fiel komplett anders aus als zu erwarten gewesen wäre. Am Telefon teilte mir die zuständige Sachbearbeiterin zunächst mit, dass sie mit dem IGC-File meines Überlandfluges nichts anfangen kann und nen Ausdruck des Barogramms braucht. Ich verkneife mir an dieser Stelle bösartige Kommentare über das Unwissen der Behördenmitarbeiter in Bezug auf die Dinge, mit denen sie täglich arbeiten. Das war aber noch harmlos, hieß es doch kurz darauf, dass man mich nicht zur Prüfung zulassen könne, weil ein Teil der Ausbildung in Brandenburg absolviert worden war. Zitat: „Das erkennen wir nicht an. Entweder, sie machen die entsprechenden Teile der Ausbildung noch einmal in Sachsen, oder sie finden eine andere Prüfungsbehörde.“ Keinerlei Entgegenkommen, nicht einmal ein Vorschlag, wie sich dieses Problem gegebenenfalls lösen ließe, kam von hoheitlicher Stelle. Nein, aus, basta. Ich war platt. Mein voller Ausbildungsnachweis, in dem alle notwendigen Übungen durch Fluglehrer eingetragen und bestätigt waren, zählte nichts. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass meine Theorieprüfung noch ein lächerliches halbes Jahr Gültigkeit besaß, fehlte nicht viel an völliger Verzweiflung. Auch meine Fluglehrer waren Ratlos.

Letzter Ausweg: Brandenburg. Der Aero Club Perleberg hatte mir über die Jahre die Chance gegeben, als Gastmitglied meine Starts in der Prignitz zu machen und hier meine Übungen zu fliegen. Da meine Tauchaer Fluglehrer davon ausgingen, dass ein vollständiger Ausbildungsnachweise auch in Sachsen akzeptiert würde, schien das ein sinnvoller Weg. Jetzt aber hieß es, endgültig Konsequenzen zu ziehen und dem absolut nicht mehr nachvollziehbaren Behördenstarrsinn in Sachsen zu entfliehen. Also sämtliche Ausbildungsdokumente an die gemeinsame Luftfahrtbehörde Berlin Brandenburg geschickt, garniert mit einem ausführlichen Schreiben, warum sich meine Ausbildung über sechs Jahre hingezogen hatte und auf zwei Bundesländer und zwei Vereine verteilte. Erste Antwort aus der Behörde: Schwieriger Fall, hatten wir noch nicht, müssen wir gucken. Nunja, das war immerhin mehr als in Sachsen. Der Vorgang ging zunächst zum zuständigen Sachbearbeiter für Ausbildungsfragen, dann eine Instanz höher zum Inspektor Lizenz- und Prüfungswesen. Dann passierte etwa acht Wochen gar nichts, bis ich dort anrief und schließlich beim stellvertretenden Dezernatsleiter landete. Der wies darauf hin, das gerade Urlaubszeit sei und in einer Woche wieder jemand, der in der Materie steckt, greifbar sei. Schön.

Doch nun kam tatsächlich Bewegung in die Sache. Die Behörde rief an, es seien bereits Anfragen an den Landesausbildungsleiter und den Ausbildungsleiter des Vereins gegangen, aber keine Antworten gekommen. Ich wurde gebeten, nachzufragen. Also beim DAeC-Landesfuzzi angerufen und den Fall erklärt. „Aus meiner Sicht kein Problem“, hieß es. Wieder bei der Behörde durchgeklingelt, Sachverhalt erklärt. Offenbar reichte es dann auch den Kollegen dort, und ein Satz für die Geschichtsbücher des Verwaltungswesens folgte: „Organisieren Sie von ihrem Vereinsausbildungsleiter ein formloses Schreiben, in dem er sie zu Prüfung empfiehlt.“ Bitte was? Eine obere Landesbehörde verlangte ein formloses Schreiben? Unglaublich! Den Wisch hatte ich mir von Bernd Naumann schnell besorgt und erst per Fax und dann nochmal schriftlich nach Schönefeld geschickt. Dann wieder ein Anruf aus Potsdam. „Können Sie bitte noch ihr Flugbuch einscannen und herschicken, damit ich dem Behördenchef gegebenenfalls nachweisen kann, dass wesentliche Ausbildungsabschnitte in Brandenburg erfolgt sind?“ Waaaas? mehr als 300 Flüge einscannen? Ok, immerhin dachte der Mann einen Schritt weiter und wollte einen möglichen Stolperstein gleich vorab aus dem Weg räumen. Also hingesetzt und den ganzen Quark über den Scanner gezogen. Mittendrin fiel mir auf, dass einige der Einträge gar nicht durch den Fluglehrer abgezeichnet waren. Also nochmal zu Bernd gedüst und das nachgeholt. Gegen 23 Uhr war ich fertig, hatte eine PDF gebastelt und alles an die Behörde gemailt. Ein paar Tage später kündete eine kurze Mail vom Ende des Marathons. „Sehr geehrter Herr Reinhold, ich habe Herrn Falk Beer als Prüfer bestimmt. Setzen Sie sich zur Vereinbarung von Einzelheiten bitte mit ihm in Verbindung.“ Das wars, ich konnte meine praktische Prüfung ablegen. Wahnsinn. Entweder wollten die Beamten im Angesicht des Dokumenten- und Formularchaos, das derzeit aufgrund der Umstellung auf die EU-Lizenzen bei mancher Luftfahrtbehörde herrscht, einfach den Fall ohne großen Wind vom Tisch haben oder sie waren tatsächlich daran interessiert mir zu helfen. Ich glaube an das gute im Menschen und tippe mal auf Möglichkeit zwei.

Gleich beim ersten Telefonat mit Falk Beer hatte ich den Eindruck, einen umgänglichen Menschen an der Strippe zu haben. Dennoch blieb ich misstrauisch, immerhin würde dieser Mann darüber zu befinden haben, ob ich der lehrerfreien Fliegerei würdig war oder nicht. Grundsätzlich sei er zeitlich flexibel, sagte Beer, weshalb auch kurzfristig Prüfungstermine möglich seien. Er empfahl mir, das Prüfungsprotokoll von der Internetseite des Luftfahrtbundesamtes herunter zu laden und alles ein paar Mal durchzuspielen. „Rufen Sie mich an, wenn Sie glauben, so weit zu sein.“ Dann kam noch der Hinweis, dass Prüfer heute angehalten sind, auf den Gebrauch von Checklisten zu achten, gerade was die Vorflugkontrolle angeht. Nun gut, das war ja relativ einfach zu bewerkstelligen. Daran sollte es nicht scheitern.

Am 1. November stand wieder Flugbetrieb in Perleberg an – für mich der erste seit vier Wochen. Drei Runden mit Bernd im Rücken, dem ich kurz zuvor das Prüfungsprogramm in die Hand gedrückt hatte. Und da tauchte wieder das Mysterium der hochgezogenen Fahrtkurve auf. Ein Manöver, dass weder der Kassera noch die Methodik der Segelflugausbildung, die Ausbildungs-Bibel des DAeC, kennt. Ich hab das in der Ausbildung nie gehabt und musste entsprechend erstmal nachfragen, was Bernd von mir wollte. „Drücken bis 140, Abfangen und so Hochziehen, dass beim Einleiten der Kurve die richtige Geschwindigkeit anliegt“, kommt die Erklärung von hinten. Einmal links rum, einmal rechtsrum. „Geht doch“, lautet die fachmännische Einschätzung vom Rücksitz. Insgesamt ganze 21 Minuten in der Luft, und meinem Fluglehrer fiel dazu nur ein, dass ich den Prüfer anrufen und nen Termin ausmachen sollte. Nun gut.

Noch während der letzte Flieger in der Luft war wählte ich Beers Nummer, doch er ging nicht ran. Beim Einräumen klingelte schließlich mein Telefon und ich leierte das runter, was mir mein Fluglehrer kurz zuvor gesagt hatte: Dass ich einen Prüfungstermin brauchte. „Ich bin morgen auf der Rückfahrt von Hamburg, da können wir es gleich machen.“ Wenngleich ich auf eine derartige Antwort gehofft hatte – der Wetterbericht log irgendwas von mildem Wetter und Sonnenschein für den Sonntag – war ich dann doch etwas perplex. Ich schlug vor, den Plan mit meinen Kameraden zu besprechend und am Abend nochmal anzurufen.

Die Flugplatzcrew ließ mich nicht im Stich. „Wenn du morgen Prüfung machen kannst, sind wir da“, war die einhellige Antwort. Nur bei Bernd war es bis dahin unklar, der wollte von Parchim aus Motorsegler schulen. Sicherheitshalber fuhr ich auf dem Heimweg nochmal bei Rüdiger, dem zweiten Perleberger Fluglehrer, zuhause vorbei und fragte, ob er am nächsten Vormittag zum Flugplatz kommen und noch ein paar Flüge mit mir machen kann. Rüdiger gab grünes Licht, und so verabredete ich mich mit meinem Prüfer für Sonntag zwischen 13 und 14 Uhr.

Den Rest des Tages verbrachte ich irgendwie völlig neben der Spur. Abendessen gabs bei meiner Schwester, und die meinte nur, irgendwas stimmt nicht. Tatsache, so richtig wohl fühlte ich mich nicht einen Tag vor dem großen Finale, dass mehr als sechs Jahre Segelflugausbildung abschließen sollte. Den Abend verbrachte ich damit, mir eine detaillierte Checkliste für die Vorflugkontrolle am Bocian zusammenzustellen. Neben dem üblichen Trara wie Fremdkörperkontrolle, Prüfung der Ruderanschlüsse etc. arbeitete ich auch Typspezifische Punkte wie das feststellen der Antenne auf der linken Tragfläche oder die Kontrolle der Bugkufe und des Luftdrucks im Schlauch. Dann bastelte ich mir kleine Schildchen, auf denen nochmal alle Punkte des Startchecks zusammengefasst waren. Die gab es zwar auch vom DAeC zum herunterladen, dann war aber zu befürchten, dass sie nicht ordentlich ins Cockpit passten. Also selbst gemacht. Letzte Amtshandlung: Auffrischung der Theorie zum Kompassdrehfehler. Das hatte ich zwar irgendwann vor Jahren mal gehört, aber wer fliegt schon nach Kompass? Schließlich baute ich mir die Eselsbrücke, dass in Nordkurs ein O drin ist, ich also vOrher ausleiten muss. In Südkurs hingegen ist es ein Ü, also Überkurven. Je nachdem, wie weit man auf Nord- oder Südkurs einschwenkten waren es 10, 20 oder 30 Grad. Sicherheitshalber machte ich auch davon noch ein kleines Schildchen, dass ich am Kompass ankleben wollte. Überhaupt würde die Übung schwierig werden, denn der Füllstand im Kompassgehäuse war – vorsichtig formuliert – allenfalls noch auf Reserve, von der Trübung des Glases ganz zu schweigen. Dem Prüfer hatte ich das schon am Telefon gesagt, in der Hoffnung, dass er die Übung damit unter den Tisch fallen lassen würde.

Sonntag, 2. November. Prüfungstag. Beschissen geschlafen. Wenig Lust auf Frühstück. Dann doch irgendwie eine Semmel reingedreht. Ab zum Rechner, Segelflugwetterbericht und aktuelles NOTAM ausgedruckt. Wenn schon Vorbereitung, dann richtig. Auf zum Flugplatz.

Pünktlich mit einer Viertelstunde Verspätung schlage ich auf dem Flugplatz auf. Nur Horst ist da, unser Edel-Windenfahrer und Mastermind, was die Platzinstandhaltung angeht. Der Rest ließ auf sich warten. Nun gut, Zeit, mein Cockpit mit den diversen Checklisten zu dekorieren. Das Stück Papier mit dem Startcheck hatte ich sinniger Weise so groß geschnitten, dass es genau auf die Batterieabdeckung im Bocian-Instrumentenbrett passt. Die Kompassfehler-Gedankenstütze findet ihren Platz direkt an der Trüben Ampulle, in der die Gradzahl-Murmel schwimmt. Den Landecheck mit Höhe, Fahrwerk, Windrichtung, Kurven- und Landebahnkontrolle platziere ich am Klappenhebel und zum Schluss kommt noch ein Schildchen mit den beiden Bahnrichtungen – in Perleberg 110 und 290 Grad – sowie der Funkfrequenz an die rechte Cockpitseite. Mehr Spickzettel ging eigentlich nicht. Sukzessive trudeln meine Kameraden ein, wir schieben das Hallentor auf und die Flieger nach draußen in die Sonne.

Der Blick zum Windsack am Flugfeld sagt wieder mal nichts über die Startrichtung. Die Brise kommt von Süden, auch ein Büschel in die Luft geworfenes Gras gibt keine genauere Auskunft über die beste Position von Winde und SKP. Und die Winde in der Halle stehen lassen ist auch keine Alternative, obwohl sie der Windrichtung am ehesten entsprechen würde. Also fällt die Entscheidung für den kurzen Weg, Startrichtung 110 Grad. Während wir die zwei Flieger aufs Flugfeld zerren, prüft Rüdiger mit seinem UL-Falke das Wetter bei einer ersten Platzrunde.

Gut 20 Minuten später arbeite ich zum ersten Mal meine Vorflug-Checkliste ab. Aufwändig, das ist Fakt. Ich kontrolliere wirklich jedes Detail und denke, dass das hoffentlich so bleibt, wenn ich künftig selbst die Verantwortung für den Check eines Flugzeuges habe. „Willst du Fliegen oder Prüfen?“ ruft Rüdiger mir zu. Fünf Minuten später sitzen wir im Flieger, die Winde zieht das Seil straff und die Beschleunigung presst uns in die Sitze. Sanfter Übergang in den Steigflug, alles i.o. Die Luft ist recht ruhig, gute Bedingungen. Querabflug, zweite Kurve. Langsamflug, Fahrt aufholen, Kreiswechsel. Position, Landecheck, Queranflug. Den Endanflug mache ich lang, ich will nochmal ordentlich slippen, das hatte am Vortag nicht so recht geklappt. Knüppel nach rechts, Gegenseitenruder und der Bocian geht runter wie ein Klavier aus dem vierten Stock. Es rumpelt, wir sind unten. Im Anschluss das gleiche Spiel nochmal, und mein Fluglehrer meint, ich sollte gefälligst die Prüfung fliegen, damit das Drama ein Ende hat.

Ich gucke in mein Flugbuch: Mit den beiden letzten Vorbereitungsflügen sind es 333 Starts. Ein Zeichen? Mein Handy Klingelt. Falk Beer ist dran, gibt durch, dass er kurz vor Perleberg ist. Puls und Blutdruck steigen an. Schließlich kommt ein dunkles Auto im Schlepptau unseres Lepo zum Start gerollt. Händedruck, Vorstellung. Das Angebot zum Duzen. Ich lehne ab. „Nach bestandener Prüfung gerne.“ Bevor es ernst wird, steht Papierkram an. Persönliche Daten, Flüge, Flugzeiten. Alles muss seine Ordnung haben.

Der erste Teil der eigentlichen Prüfung dreht sich um die Dokumente. Eintragungsschein, Jahresnachprüfung, Flugzeit seit der letzten 50-Stunden-Kontrolle. Letzteres ist besonders wichtig, da beim Bocian gegebenenfalls auch zwischen den Jahresnachprüfungen Kontrollen notwendig werden. Natürlich hatte ich mich bis ins Detail auf diese Fragen vorbereitet, die Lebenslaufakte bis hin zum Wägebericht durchgeackert. „Gut im Stoff“, lobt auch der Prüfer. Dann geht es ans Flugzeug. Meine Checkliste in der Hand arbeite ich die Vorflugkontrollen ab. Bei der Instrumentenprüfung zeigt mir Beer, wie es auch ohne das verpönte Anpusten des Pitotrohres geht: Den Handballen auf die Düse und leicht bewegen. Die Zeiger von Vario und Fahrtmesser zucken, alles i.o. Detailliert erkläre ich, warum ich was mache und der Prüfer folgt mir auf Schritt und Tritt. Als wir die linke Seite des Fliegers abgearbeitet haben bricht Beer das Procedere ab. „Da der Flieger heute ja schon in der Luft war reicht mir das.“

Es folgt das Briefing für den ersten Prüfungsflug. Start, Kreiswechsel im Querabflug, Kompasskurs, Platzrunde, Landung. „Und nebenbei erklären Sie mir ein paar Landmarken der Umgebung. Ich will mich als Fluggast gut informiert fühlen.“ Ein Grinsen beendet das Briefing. Also rein in den Flieger. Anschnallen, Startcheck, Daumen hoch. Jetzt gilts. Das Seil wird straff, der Bocian rollt an. Wie üblich ist die Winde unten raus etwas lahm, doch dann nimmt der Bock Fahrt auf und ich ziehe ihn in einen sanften Bogen. Blick in die Fläche: Der Winkel stimmt. Langsam nachlassen, das Seil rutscht aus der Kupplung. Nachklinken, trimmen und Linkskurve. „Kreiswechsel mit 30 Grad“, kommt das Kommando. Seiten- und Querruder gleichzeitig, gleichmäßig und gleichsinnig, wie gelernt. Die Kreiswechsel funktionieren, auch wenn ich mich immer wieder ermahnen muss, wirklich ordentliche Schulterblicke zu machen, bevor ich die Kurve einleite. „Jetzt mal ausleiten auf Nordkurs“. Ich kurve rum, der Kompass fährt in seiner Trüben Glaskugel Karussel. Das wird nüschd, denke ich mir und palavere nebenbei über Perleberg, die Kirche im Zentrum, das Krankenhaus mit der Luftrettungswache. Im Gegenanflug folgen Erklärungen zur Elbe, dem Getreidesilo in Karstädt und dem Sükower Kirchturm, hinter dem man in die dritte Kurve geht. Positionsmeldung und Landecheck. „Wo setzen wir auf?“ Fragt Beer. „Normalerweise zwischen dem ersten und dem zweiten Reiter, die zweite Schwelle liegt zu weit im Platz“, gebe ich zurück. Den Queranflug mache ich etwas zu weit, korrigiere aber noch in der Kurve. Klappen raus, Tempo 90. Abfangen, ausschweben und runter. Er rollt auf dem Rad, perfekte GST-Landung. Flug eins überstanden. Auf dem Rückweg zum Start sprechen wir bereits das Programm des zweiten Fluges durch. Sackflug Ausleiten, gesteuerter Langsamflug. Dazu die Ziellandung.

Kaum wieder in der Luft ziehe ich die Fahrt weg bis zum Schütteln. Mit leichtem Nachdrücken fange ich den Bocian wieder ein. Auch der Langsamflug klappt ohne Probleme. Bleibt die Ziellandung. Nichts hasse ich mehr, weil diese Übung immer dann schief geht, wenn ich sie besonders schön machen will. Ich fliege viel zu hoch an, prügel den Flieger mit einem ordentlichen Slip an den Boden und nehme dann aus Angst vor dem Zaun an der Flugplatzgrenze die Klappen nochmal rein, sodass mir der Flieger wegsteigt und ich zu weit komme. Ich kann meinen Ärger nicht verbergen, Fluche in mich hinein, aber Beer bleibt gelassen.

Flug drei. Die verbockten Kursflüge nach Kompass soll ich wiederholen. Zunächst fragt mein Prüfer nach, ob der Seilfallschirm am anderen Startseil ausgehängt ist. Mein nein kommt ziemlich zögerlich, und ich versuche mich zu rechtfertigen, dass das zwar so in der Segelflug-Betriebsordnung steht, aber auf jedem Platz anders gehandhabt wird. „Lass ihn aushängen, es ist ein mit nur geringem Aufwand verbundener Sicherheitsgewinn.“ Nachdem mein Starthelfer den Schirm abgetrennt hat, folgt der dritte Startcheck, das dritte nur mit halbem Ernst dahin gesprochene „auf Seilriss vorbereitet“ – in der Hoffnung, dass es bei der Vorbereitung bleibt. Seil straff, der Bocian rumpelt los. Auch bei Start drei werde ich das Gefühl nicht los, dass die B-Note alles andere als gut ist. Die Winde zerrt untenraus einfach zu lasch, der Bock will und will nicht hoch. Nach einigen Metern in der Figur „Sterbender Schwan“ kriege ich meinen Storch dann doch in den Steigflug, gehe sauber in die 45-Grad-Neigung. 100 Meter, Blick in Fläche, Winkel stimmt. 150 Meter, leicht Nachlassen, Fahrt bei 110 Stundenkilometern halten. Der Zug lässt nach, Reflexartig drücke ich nach, klinke aus und gucke auf den Höhenmesser. Der Zeiger lügt irgendwas bei 200 Meter AGL. „Was machen wir jetzt?“ zerschneidet eine Frage meine Gedenksekunden. „Ähm, Wind von rechts, also abkurven nach links und verkürzte Platzrunde“, stammle ich zurück. „Alles klar“, kommentiert Beer vom Rücksitz. Ein bisschen verdaddert melde ich Position, mache den Landecheck und ramme den Flieger wieder in den Globus. „Böse Winde“, kommt es gespielt sarkastisch von hinten. Ob er das so durchgehen lässt? „Das war in Ordnung, schnell reagiert, gut nachgedrückt und die richtige Entscheidung getroffen“, schätzt mein Prüfer ein. „So ein kurzer Hänger in dem Moment kann schon vorkommen, die Höhe hat ja gereicht.“

Die Kompasskurse waren damit natürlich hinfällig. „Einen machen wir noch. Und ein Vorschlag: Ich habe keinen Zweifel, dass sie den Flieger auf den Punkt landen können, in einer Prüfungssituation kann das schonmal daneben gehen, weil man es besonders gut machen will. Versuchen sie jetzt einfach mal, unabhängig von Aufsetzpunkt, eine Zweipunktlandung. Fahrt wegziehen und schweben lassen bis er durchsackt.“ Ok, das war ein Angebot. Dritter Start, dritte Platzrunde, noch ein paar Kreise mit 45 Grad Querneigung und dann die Landung. Sauber auf den Platz eingekurvt, Klappen raus und runter. Und nach dem Abfangen halten. Und halten. Und halten. Der Sporn schlägt auf der Graspiste auf, Sekundenbruchteile später folgt das Hauptrad. „Geht doch“, kommt es von hinten. Prüfungsflug vier überstanden. Ich bin äußerlich komplett ruhig, aber im Kopf total durcheinander. Wir wühlen uns aus dem Cockpit, die Spannung steigt. „Ich habe eine gute und eine…“ „Die Schlechte zuerst!“ schießt es aus mir heraus. Falk Beer grinst. „Sie müssen jetzt mit ein paar Tagen Flugverbot leben. So lange, bis die Behörde die Lizenz ausgestellt hat. Die Prüfung haben sie bestanden, Glückwunsch.“ „Danke. Danke Falk.“ Jetzt kann auch ich grinsen. Der Rückweg zum Start ist jetzt irgendwie anders. „Ich bin überzeugt davon, dass man gerade bei der Fliegerei nie auslernt. Deine Vorbereitung auf die Prüfung war sehr gut, und unser Job als Prüfer ist es ja, zu beurteilen, ob jemand das Flugzeug sicher beherrscht. Wegen Kleinigkeiten fällt keiner durch.“

Am Start steht die Mannschaft Spalier und es hagelt Glückwünsche. Sogar Beers Frau und die beiden Töchter gratulieren. Die Anspannung fällt langsam ab, und als wir den Papierkrieg vervollständigen und mir der Prüfer seinen Stempel ins Flugbuch knallt und von Hand SPL-Prüfungsflüge dazu krizzelt ist es amtlich. Ich habe bestanden. Gut, denke ich, habe ich mir die Anhängerkupplung doch nicht umsonst ans Auto gebaut.

SPL