Warum ich das Fliegen vorerst sein lasse

Corona beherrscht das Land, Ausgangssperren drohen und der DAeC hat nachdrücklich empfohlen, das Fliegen vorerst sein zu lassen. Für die Website des aerokuriers habe ich einen Kommentar geschrieben und mir Gedanken gemacht, ob man aktuell fliegen sollte oder nicht. Ich denke nein. Nachfolgend meine Gedanken dazu:

Um es vorweg zu nehmen: Ich fliege für mein Leben gern. Ich hänge oft selbst bei grenzwertigem Wetter am Flugplatz rum und versuche, mich irgendwie in die Luft zu mogeln, auch wenn der Verstand arg am Zweifeln ist, ob das gerade noch sinnvoll ist oder nicht. Es ist manchmal auch keine rationale Entscheidung mehr, sondern eine emotionale. Ich habe Lust, und die Lust lässt mich gewisse Risiken, die ich für kalkulierbar halte, in Kauf nehmen. Hauptsache, ich fliege.

Entsprechend emotional reagierte ich anfangs auf die zunehmenden Einschränkungen im Luftsport und in der Freizeitfliegerei, die die Corona-Krise mit sich brachte. Wo bitteschön soll bei Flügen im Einsitzer oder Soloflügen in der Cessna ein Ansteckungsrisiko bestehen? Völlig übertrieben. Unsinnig. Totale Paranoia.

Den Diskussionen in sozialen Netzwerken zufolge schienen zahlreiche Hobby- und Sportflieger ähnlich zu denken. Mit Neid sah ich Fotos von Piloten, die am vergangenen Wochenende noch eine Runde gedreht hatten, und ärgerte mich darüber, dass der Baden-Württembergische Luftfahrtverband meinen Heimatplatz, die Hahnweide bei Kirchheim/Teck, unter Verweis auf die von der Stadt Stuttgart erlassene Schließung der Sportstätten quasi über Nacht dichtgemacht hatte (lediglich der Flugzeubauer Schempp-Hirth darf dort noch Abnahmeflüge durchführen, um den Betrieb am Laufen zu halten).

Aus medizinischer Sicht, darin hatten mich die Gespräche mit dem Fliegerarzt meines Vertrauens bestätigt, gab es dazu überhaupt keinen Anlass. In meinem Ärger über die Aussicht, für eine gewisse Zeit nicht fliegen und mein frisch erworbenes Spielzeug endlich in seinem angestammten Element bewegen zu können entging mir aber völlig, dass es neben der medizinischen noch eine andere Komponente gibt, auf die mich erst der Hinweis eines Vereinsmitglieds brachte: die der Außenwirkung.

Dazu muss man sich – so schwer es vielleicht fällt – einmal in die Perspektive eines Nicht-Fliegers versetzen. Das öffentliche Leben und das in Vereinen und Institutionen steht aktuell nahezu still. Wie muss es dann auf all jene wirken, die zur Fliegerei keinen Bezug haben, wenn einer wie ich seiner Leidenschaft frönt, während sich alle anderen einschränken?

Natürlich könnte man jetzt entgegnen, dass die Radfahrer weiter Rad und die Motorradfahrer weiter Motorrad fahren. Dass die Jogger weiter Joggen gehen, und dass sich noch immer Leute in Cafés und Parks treffen. Stimmt, das ist so. Aber man kann sich auch mal daran erinnern, dass wir als Piloten ohnehin schon genügend Angriffsfläche bieten, Stichwort Flugplatzgegner, Stichwort Lärmbelästigung, Stichwort Fliegen in Zeiten des Klimawandels. Nicht wenige „Zivilisten“ dürften sich denken, soso, die feinen Herren gehen also fliegen, als sei nichts passiert. Was für ein Bild zeichnet das vom Segelflieger, vom Ultraleichtflieger, vom Motorflieger in der Öffentlichkeit? Das Gesundheitspersonal kämpft an der Belastungsgrenze, die Wirtschaft befürchtet massive Einbrüche und wir schauen uns das alles von oben an und posten die Bilder unserer „Freiheit“ dann auch noch auf Facebook?

Ich halte das für unklug.

Ich bin weit entfernt davon, den Zeigefinger zu erheben und anderen vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Dafür bin ich erstens noch nicht lange genug dabei und zweitens viel zu gerne in der Luft. Aber ich werde mich jetzt zurückhalten, werde nicht unter irgendwelchen fadenscheinigen Begründungen versuchen, mir einen Flug zu erschleichen, wenn es nicht aus beruflichen Gründen zwingend notwendig ist. Und das, obwohl ich normalerweise einen völligen Bodenkoller bekomme, wenn ich mal zwei Wochen nicht im Cockpit sitze. Aber im Gegensatz zu Radfahrern und Joggern kann ich mein Hobby eben nicht ausüben, ohne dabei ein stückweit in der Öffentlichkeit zu stehen. Fliegen geht nur am Himmel, und dort sind wir immer unter Beobachtung.