Trainings-Effekt

Es ist schon interessant, wenn man mal am eigenen Leib den Unterschied zwischen Spaßfliegen, Spaßfliegen mit Kommentaren und ernsthaftem Training erfährt. Spaßfliegen, das hatte ich auf der Hahnweide immer mal wieder, aber mangels qualifizierter Kommentatoren war das eher fliegen für mich allein. Ansbach im vergangenen Jahr ging da schon deutlich mehr in Richtung Training, aber da war ich offenbar im Kopf noch nicht so weit, um das, was ich nach den Flügen vom Tonband abgehört habe, auch entsprechend bei meinen darauf folgenden Starts in Verbesserungen umsetzen zu können – wenngleich dabei immerhin ein silbernes Leistungsabzeichen rumkam. Ansbach in diesem Jahr – geschenkt. Zu viele verschiedene Baustellen, um trainingsmäßig wirklich was auf die Kette zu kriegen. Ok, am Ende hatte ich laut Sunas Protokoll immerhin Figurentrennung gezeigt, was mutmaßlich damit zu tun hatte, dass ich in dem Moment nicht wusste, wie es weiter geht, und erstmal den Programmzettel lesen musste.

Nun also Walldürn. Der Name dieses Flugplatzes wird von jenen, die Kunstflug auf Wettbewerbsniveau betreiben (wollen), mit einem ehrführchtigen Unterton ausgesprochen, steht er doch synonym für anspruchsvolles Training unter Anleitung von Schorsch Dörder. Als das Wort in einen Gespräch das erste Mal fiel und ich nachfragte, was Walldürn ist, hieß es nur: „Meistens ausgebucht!“ Mit diesem Wissen war es für mich eine Ehre, von Schorsch Anfang des Jahres die Einladung nach Walldürn zu bekommen.

Eine Woche lang konzentriert an Figuren arbeiten, Programme sauber in die Box fliegen, die SZD wirklich so intensiv kennen lernen, dass meine Gedanken irgendwann dem Flieger mal eine oder zwei Figuren voraus sind anstatt wie bisher ständig hinterher fliegen.

Die ersten Tage gehen mit Einfliegen drauf. Ich habe eine selbstgebastelte Kür dabei, die ich für die Schweizer Meisterschaften in Thun trainieren will, damit ich mich da nicht völlig zum Obst mache. Natürlich gehen die ersten Versuche kolossal daneben. Aber etwas ist anders als sonst. Es fühlt sich alles sehr, sehr sicher an. Klar vergeige ich Figuren und Programme, aber ich bin – im Gegensatz zu etlichen Flügen vorher – nicht mehr vorrangig damit beschäftigt, mich nicht umzubringen, sondern bemerke, dass sich eine gewisse Routine einstellt. Ich krache das Querruder nicht mehr radikal auf Vollausschlag, wenn ich ne Rolle fliege, überlege mir, wie lange ich die 59 in Abwärtslinien laufen lasse, um die Fahrt für die nächste Figur einzustellen und so weiter. Es sind kleinigkeiten, die einem Hektiker wie mir aber eine Menge abverlangen.

Die Aufgaben, die Schorsch uns im Laufe der Woche stellt, haben es in sich. So gilt es beispielsweise, ultralangsame Rollen zu fliegen. Ultralangsam? Waren wir nicht alle froh, das mit der der ASK21 hinter uns gelassen zu haben? Oder Mal ein ganzes Programm mit Minimalfahrt. Auch eine Herausforderung. „Wenn ihr euch oben verbastelt und zu viel Höhe verbraucht, dann ist es essenziell zu wissen, wie man Figuren extrem langsam und mit wenig Höhenverbrauch fliegt“, sagt Schorsch. Denn es sei immernoch besser, wenige Punkte auf eine Figur zu bekommen als sie wegzulassen und damit ne HZ einzufahren.

Die Besprechungen meiner Programme sind zumeist ernüchternd. Linien zu steil oder zu flach, Loopradien nicht gleichmäßig und vor allem fliege ich in die zweite Hälfte jeder gesteuerten Rolle nen Buckel rein… Zum Aufregen…

„Du kannst ja fliegen, wenn du willst!“

Am Mittwoch kommt meine ganz persönliche Bewährungsprobe. Gut zwei Wochen zuvor hatte mich ein Redakteur der Rhein-Neckar-Zeitung angemailt, weil er über meinen Blog auf das Training aufmerksam geworden war, und gefragt, ob die Zeitung jemanden vorbei schicken könnte. Klar, why not? Mittwoch hielt ich für sinnvoll, weil wir dann schon etwas geflogen sein würden und es was zu erzählen gäbe.

Irgendwann gegen drei die Ansage: „Lars, Besuch für dich!“ Soso. Die RNZ hatte eine junge freie Mitarbeiterin geschickt, und mir ist völlig klar, dass der Rookie im Team ab jetzt unter Beobachtung aller steht – noch viel mehr als ohnehin schon. Zunächst bleiben wir etwas abseits des Troubles auf der Terrasse vor dem Tower, und ich ich diktiere ihr die Antworten auf ihre Fragen in den Block. Ich versuche, ein authentsiches Bild zu zeichnen, grenze das, was wir da machen, strikt von der Airshowfliegerei ab und lasse sie anschließend auch den Judges über die Schulter schauen, damit sie ein Gefühl dafür bekommt, wie diffizil deren Aufgabe ist und wie exakt wir fliegen müssen, um Punkte zu holen. Kurz darauf bläst Schorsch zur Mittagspause. Die nutze ich, um beide an einen Tisch zu bringen, damit Schorsch bisschen was zur Geschichte der Walldürn-Trainings erzählen kann. Tatsächlich halten sich meine Fliegerkameraden mit anzüglichen Kommentaren zurück, wenngleich mancher Blick Bände spricht. Der Tastenakrobat im Dauersingle-Status schleppt das Redaktionsküken übern Flugplatz – ein gefundenes Fressen.

Nach anderthalb Stunden sind alle Fragen beantwortet, und die junge Dame nimmt die Einladung zu einem Mitflug an, um herauszufinden, wie sich Kunstflug anfühlt und aus erster Hand berichten zu können. Eigentlich hatte ich gehofft, den Flug auf dem neuen Rollmops, der Anfang dieser Woche getauft und offiziell in die Fördervereinsflotte aufgenommen wurde – ebenso wie die neue SZD-59, die den legendären Namen „Heuwägelchen“ bekam (im Osten hätte der Flieger vermutlich „Startkontrollpunkt“ geheißen…). Denn auf der 21 fühle ich mich im Kunstflug inzwischen wirklich sicher. Aber der Mops war aus irgendwelchen Gründen noch nocht flugklar. Blieb also nur der Reißwolf.

Bereits in Ansbach einen Monat zuvor hatte ich einen potenziellen Gastflug, der aber aus organisatorischen Gründen nicht geklappt hat, auf dem Fox fliegen wollen. Ich habe mich diesbezüglich mehrfach intensiv mit Fluglehrern und meinem Mentor Robin beraten, weil ich mir einfach nicht sicher war, ob ich schon so weit bin. Am 1. September 2019 hatte sich in Österreich ein tragischer Unfall ereignet, bei dem ein Fox abgestürzt und der Fluggast ums Leben gekommen war. Das ganze zog einen riesigen Rattenschwanz an Ermittlungen und ein Gerichtsverfahren nach sich, in dem der Pilot wegen grob fahrlässiger Tötung verurteilt wurde. Klar, bei jedem Gastflug steht man mehr oder weniger mit einem Bein im Knast, denn es ist im Notfall nahezu unmöglich, einem Passagier beim Ausstieg zu helfen. Wenn dann aber ein hoch anspruchsvolles Flugzeug wie der Fox dazu kommt, steigt das Risiko. Aber weder Robin noch diejenigen, die mit mir im Fox gesessen haben, sahen einen Grund, mir davon abzuraten. Und bei allen bin ich mir sicher, dass sie es getan hätten, wenn sie mich für nicht ausreichend im Training stehend gehalten hätten.

Auch dieses Mal gibt es vonseiten derer, deren Meinung mir wichtig ist, Zuspruch. Ich hatte mir zuvor ein Programm zurechtgebastelt, das im Wesentlichen Grundfiguren enthielt, mit Ausnahme einer Avalanche. Diese Figur liebe ich einfach tierisch, und im Fox gelang sie mir bisher immer besser als in der 59. Männchen, Weibchen, Trudeln und krude Negativ-Torturen – das alles ließ ich außenvor, weil ich so sicher wie möglich fliegen wollte und meine Mitfliegerin ja ihren Spaß haben sollte. Und nach einem ausführlichen Briefing – auch zum Notausstieg – setze ich das auch genauso um. Entspannter Schlepp auf 1300 Meter, Anwackeln, Spaß haben. Treppe ab, Loop, Käseeck. Nach dem ersten Loop, der mit Kichern vom Rücksitz quittiert wird, erkläre ich, dass wir den nächsten Loop mit etwas Karussell oben drin fliegen, und dass das entweder gelingt, oder wir kurz Gast im Flugzeug sind. Mit gut 240 Sachen ziehe ich den Bogen auf, und gebe kurz vorm Scheitel satt Höhen- und Seitenruder rechts. Der Reißwolf flippt wunderbar herum und stoppt nahezu auf den Punkt. Nach dieser Figur ist alles weitere Entspannung pur. Turn – mit dem in mehreren Gastflügen gehörten „WOW!“ vom Rücksitz – Rollen und noch ein gedrückter Humpty, alles läuft mit für mich selbst erschreckender Präzision und Ruhe ab. Als der Fox nach knapp 20 Minuten wieder quietschend den Walldürner Asphalt berührt, kann ich durchatmen.

Nach dem Zurückschieben muss ich nochmal einsteigen – Beweisfoto für die Redaktion. Meiner Mitfliegerein hat es ganz offensichtlich gefallen. Das ist schonmal gut. Als ich am Schiri-Tisch vorbei komme, um meine vor Aufregung völlig ausgetrocknete Kehle zu wässern, blafft mich Suna von der Seite an: „Du kannst ja sogar fliegen, wenn du willst!“ Ich bin perplex, und mein Ironiedetektor kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Ich muss nachfragen, bekomme dann aber die Bestätigung. Sah wohl ganz passabel und alles andere als hektisch aus. Um im Känguruh-Släng zu bleiben: Geht doch!

verliebt ins Trudeln

Später im Lehrgang sind auch Trudler ein zentrales Thema. Das fängt schon mit der Frage an, wie man ohne eine zu arge Aufwärtslinie zu zeigen auf Mindestfahrt abbremst. Selbst nach einem Aufschwung hat man noch locker 80 oder 90 Klamotten am Stau, und da reißen auch SZD, Swift und Fox nicht fluffig-locker ab. Die Lösung: Aufschwung, rollen, sanfte Aufwärtslinie und Bremsklappen raus. Was wir am Boden in unserer aufgemalten Box mit dem Griff zum imaginären blauen Hebel trainieren, klappt in der Luft überraschend gut. Doch damit ist die Herausforderung keineswegs gemeistert, denn auf dem Programmzettel steht nicht allein ein simpler Trudler, sondern 1 1/4 Umdrehungen und dann auf der senkrechten abwärts noch eine Viertel zurück in Ausgangsrichtung! Einmal mehr überkommt mich ein erschreckend gutes Gefühl, als die Strömung an der rechten Fläche abreißt und die 59 abkippt. Das was der Normalo-Segelflieger tunlichst zu vermeiden sucht genieße ich mittlerweile derart, dass ich am liebsten Trudler an Trudler reihen würde. Aber dafür ist die teuer erschleppte Höhe natürlich zu schade. Und nach einigen Versuchen klappt die Viertelrolle in Gegenrichtung erstaunlich gut.

Am Ende sind es in Walldürn 19 Flüge, in denen ich mehr übers Kunstfliegen gelernt habe als je zuvor. Man merkt einfach, wie lange Schorsch das ganze schon macht und wie viele hoffnungslose Fälle er zu halbwegs passablen Programmen gebracht hat. Dazu kommt eine Woche im Kreise von Fliegerfreunden – mit gemeinsamen Abenden im Schein mehrerer Petromax-Lampen über die völlig abgedrehte Kunstflieger-WG bis hin zum perfekten Schnitzelabend organisiert von Team 6B. Ein Fest – gekrönt durch den Besuch meines Kumpels Benni aus Gelnhausen, der gleich mit einer ganzen Jak-Formation eingeschwebt ist.

Eine Episode verdient hier noch Erwähnung: Walldürn ist das erste Mal, dass ich Robin mit seiner SZD-59 jenseits von Bögchen und Schleifchen mit Pyro fliegen sehe. Und es ist einfach ein Genuss, dabei zuzuschauen, wie er Figur an Figur reiht, ohne den Hobel mit Schallgeschwindigkeit durch die Box zu prügeln, wie er Fahrtübergänge hinzaubert, von denen ich nur träumen kann und wie es einfach Segelkunstflug in Reinform ist: Harmonisch, kalligraphisch, einfach schön. Wenn ich da irgendwann mal hinkomme, dann kann ich zufrieden sein.

Ratteln, LS4en und Akrobatieren

Irgendwann hatte ich mir mal geschworen, meiner Erlebnisse möglichst schnell in Texte zu gießen, um nicht immer ellenlange Romane schreiben zu müssen. Beim Schwur ist es geblieben. Deswegen hier der Versuch, mich etwas kürzer zu fassen.

TMG-Ausbildung, die Dritte: Anflug eines kontrollierten Platzes. Die Wahl fällt auf Friedrichshafen, weil es dort nicht wesentlich teurer, aber deutlich schöner ist als in Augsburg. Am geplanten Sonntag sieht das Wetter richtig Scheiße aus, und es ist eher Zufall, dass ich mich nicht nochmal rumdrehe und weiter penne und stattdessen auf mein Handy glotze. Ein Nachricht von meinem Fluglehrer Otto: „Ich hab in EDNY angerufen, wir brauchen kein PPR, Wetter ist gut.“ WTF??? Im nu bin ich aus dem Bett, klemme mir ein belegtes Brot zwischen die Kiefer und ziehe mir einen Kursstrich in die Karte (Empfehlung an dieser Stelle: Pilot Frixion light Marker – ein radierbarer Textmarker! Funktioniert absolut super. Am besten sieht man die Farbtöne Pink und Orange in der ICAO-Karte. Allerdings funktionieren sie nur bei den Papierkarten, für Folienkarten braucht man die Wachsstifte!). Hahanweide, Saulgau, Friedrichshafen, Memmingen als Alternate. Dazu ein paar Frequenzen auf meine Kniebrett-Vorlage und schon kanns losgehen.

Kaum am Flugplatz, ziehen wir gemeinsam unsere Grob 109 aus dem Hangar und stecken ihr die Flügel an. Otto checkt kurz meine Flugvorbereitung und ich erkundige mich, an welchen Bodenmerkmalen ich den Pflichtmeldepunkt November erkenne. „Direkt überm Flugplatz Markdorf!“, lautet die Antwort. Damit kann ich arbeiten.

Der Hinflug ist vergleichsweise unspektakulär. Die nette Stimme auf Langen Info versorgt uns zuverlässig mit Verkehrsinformationen, das Wetter ist gut, aber für den Nachmittag sind Schauer vorhergesagt. Fünf Minuten vor dem Pflichtmeldepunkt werde ich nervös und kritzele mir die wichtigsten Stichworte für den Einleitungsanruf aufs Kniebrett. „D-KGWH, Motorsegler Grob 109B, VFR, zwei Personen, fünf Minuten nörlich November in 4000 Fuß, zur Landung.“ „D-KGWH, melden sie November“. So, das wäre erledigt. Und dann passiert genau das, worauf dich keiner vorbereitet. Der lotse quakt mich an: „D-WH, Linkskurve, Einflug in die Kontrollzone frei, Piste 24 in Betrieb, melden Sie Endanflug 24!“ What? Ich will verdammt nochmal erst meine Pflichtmeldepunkt-Pflichtmeldung machen, die ich mir im Kopf zurechtgelegt habe! Der Typ bringt mich völlig aus dem Konzept. „D-WH Einflug in die Kontrollzone frei“ kriege ich noch zusammen, für mehr reichts nicht. Otto neben mir grinst, weil er genau weiß, was gerade passiert ist.

Kurz darauf melde ich Queranflug 24 und der Lotse erteilt die Landefreigabe. Es ist aufs neue saucool, auf ein PAPI anzufliegen, das hat sowas Profi-mäßiges. Nach dem Aufsetzen bekommen wir Order, über den mittleren Taxiway abzurollen und auf den GA-Flächen gegenüber dem Tower abzustellen. Kaum haben wir uns aus dem Cockpit geschält, kommt unser Transfer: ein Linienbus. Kein Witz. Das Gefährt ist ungefähr dreimal so groß wie unsere Grob, aber offensichtlich hat man wegen Corona die Kleinbusse, die diesen Job Erzählungen nach mal erledigt haben sollen, erstmal aus dem Verkehr gezogen. In einem Karren, der sonst Airbusse entlädt, lässt sich freilich besser Abstand halten. Der Busjockey bringt seine Paxe lässig zum Terminal, wo wir den gleichen Ausgang nehmen wie alle anderen Reisenden. Von dort geht es straight zum C-Büro, wo ich 26 Euro abdrücken muss. Dann wieder so ein Moment: Die Dame hinter der Glasscheibe guckt mich an und meint „Dich kenne ich! Du bist 2018 auf der Wasserkuppe ASK 21B geflogen, ich saß vorher drin!“ In solchen Momenten beschleicht mich immer der Verdacht, mich derartig daneben benommen zu haben, dass sich die Leute an mich erinnern, aber es ist irgendwie umgekehrt. Vielleicht bin ich doch ein ganz netter Typ?

Wir lassen das C-Büro hinter uns, und als wir durchs Terminal schleichen – ich mit dem Mund voller Kekse und Otto auf der Suche nachm Klo, hören wir, wie die ersten Tropfen aufs Dach trommeln. Scheiße, die Front. Jetzt gehts zackig durch die Sicherheitskontrolle und dann Ratzfatz ins Cockpit. Der Lotse weist uns an, zum Rollhalt 24 zu rollen. Otto meint unterdessen, wenn ich mehr Gas gebe, sind wir lange vor dem Rollhalt in der Luft, und ich gebe grinsend zurück, dass wir das wohl besser lassen.

Kaum ist der Rattel in der Luft, erbittet Otto eine Rechtskurve und dann ein Direct nach Norden, weil die Regenfront bedrohlich nahe kommt. Au weia, sieht das Wetter scheiße aus! Die folgenden 35 Flugminuten werden die lehrreichsten meine jungen Motorfliegerkarriere. Die Sicht ist über weite Strecken miserabel, wir weichen Wolkenfetzen aus, umfliegen Schauer und freuen uns über jede Verkehrsinformation von Langen Info. Auf dem Direktweg zur Hahnweide ist Schifft es derart, dass wir einen Bogen nach Westen fliegen. Otto erklärt mir, was noch fliegbar ist und wo man sich aus seiner Erfahrung heraushalten sollte. Querab Albstadt-Degerfeld geht es außen um den Übersberg rum und dann von der Alb runter. Wie auf Knopfdruck ist das Dreckswetter vorbei und die Sonne scheint. Noch ein paar Minuten gen Osten, und wir können uns wieder auf der Hahnweide melden. Als wir landen, ist sogar der Flieger wieder sauber.

zweimal Hülben

Ende Mai komme ich endlich auch mal wieder dazu, meinen eigenen Hobel zu bewegen. Der Versuch, bei starkem Südwestwind bei zerrissener Thermik ein bisschen Strecke zu machen, endet in Hülben. Und zwar alles andere als schön. Zwar ist mir angesichts meiner relativ niedrigen Höhe und nicht vorhandenen Steigens schnell klar, dass ich da einschlagen werde, sodass der Entschluss zur Außenlandung rechtzeitig fällt. Irgendwie verpasse ich dann aber den richtigen Moment, um Position zu melden und komme viel zu tief in den Platz rein. Zu allem Überfluss verabschiedet sich in der letzten Kurve die Fußschlaufe meines rechten Seitenruderpedals, und da ich atürlich prompt mit meinem Treter abrutsche, baue ich mir einen hässlichen Schlenke in Bodennähe ein. Beim Aufsetzen merke ich, dass auch die Bremse nicht so mega tut, sodass ich über den halben Platz holpere, bis der Eimer zum stehen kommt. Reife Leistung, Herr Reinhold, denke ich, als die ersten auf mich zukommen und mir helfen, die 59 aus der Bahn zu schieben. Besser hätte ich mich hier nicht einführen können angesichts der Tatsache, dass ich ein paar Tage später für eine aerokurier-Geschichte die LS4b des Vereins fliegen will.

Man beruhigt mich und erklärt mir, dass sich Ortsfremde hier gerne verschätzen. Nunja, besser machts das halt nicht. Nach eine guten Stunde Gesabbel und gemeinsamer Planung der LS4-Geschichte versucht ein Vereinskamerad, mit Draht und Presshülse meine Fußschlaufe instandzusetzen. Die Crimpzange ist aber viel zu groß und passt nicht in den Fußraum. Also muss es ohne gehen. Nach anderghalb Stunden – das Wetter hat inzwischen wieder aufgemacht und die Cumuli sehen einladend aus – starte ich hinter der Hülbener Breezer gen Hahnweide.

Aus dem eigentlich nur als Rückflug geplanten Trip wird dann aber noch eine schöne Airwork-Einlage. Als ich auf der Hahnweide ankomme, erfahre ich, dass wir im Sektor 6000 Fuß freihaben. Laut Andi aufm Turm sind die geälligst auch auszunutzen. Nunja. Es steigt und steigt, aber mehr als 5300 sind nicht drin. Allerdings ist die Höhe komfortabel, um ordentlich Airwork zu machen. Die Flugleitung ist informiert und ich kann die 59 mal ran nehmen. Ich will endlich mal wieder trudeln, um mich aus allen möglichen und unmöglichen Fluglagen retten zu können, falls es nötig werden sollte. Dennoch fühlt sich das irgendwie einen Moment lang komisch an, das Flugzeug in einen Zustand zu bringen, vor dem man in der Ausbildung Mantra artig gewarnt wird. Aber das muss jetzt sein! Also Fahrt wegziehen, Tritt ins Pedal und Knüppel an den Bauch. Es ist ein Genuss, wie definiert die Strömung abreißt. Die 59 hat einfach nicht diesen „Ich-will-nicht-trudeln-und-fliege-auch-bei-Minimalfahrt-noch-irgendwie“-Anspruch wie beispielsweise ein 2er Discus. Bei einem polnischen Flugzeug gibts zwei Zustände: Strömung anliegend oder eben nicht, und wenn letzterer nachrücklich angefordert wird, dann kommt der eben auch. Kaum kippt sie weg, überkommt mich ein unerwartetes Hochgefühl. Nach einer Umdrehung fange ich sie wieder ein. Dasselbe nochmal rechts herum und dann noch zweimal links. Es folgen Rollübungen, Kurvenwechsel, Steilkreise, und dabei merke ich, wie ich mich wieder so richtig in mein Flugzeug verliebe.

Tags darauf gönne ich mir zwei Turneinlagen, wobei die erste wie üblich mehr schlecht als Recht funktioniert und mein Kumpel Dideldum wahrscheinlich seinen Standardkommentar „Hat sich nicht umgebracht – Applaus!“ loslassen würde. Zu Recht, wie ich finde. Allerdings erweist sich mein neugewonnener Kunstflug-Kumpel Christian vom ACS als echt fähiger Bodenbeobachter, denn als ein platzfremder Motorflieger durch den Kunstflugraum schüsselt, breakt er mich zielsicher aus der Sequenz. Die zweite Runde läuft besser, hier spiele ich mein altes Spaßprogramm vom Vorjahr einmal durch, und vor allem die Avalanche zimmert mir ein Grinsen ins Gesicht. Bei 250 Metern AGL wackle ich ab und schließe bei Langen Info meinen Flugplan. Doof nur, dass ich darüber vergesse, das Fahrwerk auszufahren. Das merke ich erst, als kurz vor dem Platz „8E, Fahrwerk“ durch mein Cockpit schallt. Hier spielt mir in die Karten, dass ich mal wieder viel zu schnell anfliege – was bei einer langen Landung zum Anhänger kein Problem ist, da der Platz zum Fahrtabbau dicke reicht – sodass ich einfach 30 km/h rausziehen kann und mir den Platz zum Boden verschaffe, um einmal umzugreifen und das Rad rauszuschmeißen.

Nach der Landung bin ich pappsatt und ärgere mich unglaublich über diesen äußerst dummen Fehler. Schuldbewusst wackle ich zu Günther, einem altgedienten Fluglehrer des Aeroclubs Stuttgart, bedanke mich für den Hinweis und biete ihm an, mich seinen Schülern als schlechtes Beispiel zu präsentieren. Allerdings bin ich jetzt aufgeschreckt: Die Kacklandung in Hülben und der Unfug eben haben mir klar gemacht, wie schlecht mein Trainingsstand ist. Und der erklärt sich ganz einfach dadurch, dass ich in diesem Winter viel seltener geflogen bin als in der Nebensaison der Vorjahre. Die Sperre des Windenstarts für Privatflieger wegen Corona tat ein Übriges. Naja, Lesson learned.

Ausflug mit einer Legende

Es gibt in meinem fliegerischen Lebenslauf noch so manche Fehlstelle, die förmlich nach einer Korrektur schreit. Galsflügel und Rolladen-Schneider sind solche Fehlstellen. Bezüglich ersterer bin ich komplett unbelastet, und abgesehen davon, dass ich zweimal ne Außenlandung mit ner LS1c vergeigt habe – Pardon: mit der gleichen LS1c – das machts auch nicht besser. Grund genug, sich mal im Schaffen von Wolf Lemke und Walter Schneider umzuschauen. Die geplante LS3-Story mit Obercrack Uwe aus Bensheim hatte sich noch nicht realisieren lassen, und irgendwie schien es mir auch angebrachter, zunächst mit der absoluten Legende einzusteigen: der LS4. 1054 Stück sind davon bei Rolladen-Schneider bwz. AMS Flight in Slowenien entstanden, wobei letztere nur zwei Exemplare aus vorhandenen Teilen fertigte. Warum verkaufte sich dieses Flugzeug so unglaublich gut, warum schwören Vereine und Clubklasse-Piloten bis heute drauf? Das wollte ich herausfinden. Die Fliegergruppe Hülben gab mir dazu die Chance – auch wenn ich meine 59 kurz zuvor da so unsanft in den Platz gesemmelt hatte.

Nach zwei Windenstarts mit FI – die schienen mir einfach notwendig, um den Platz nochmal ordentlich kennenzulernen – durfte ich die D-3816 für zwei Flüge entführen und bekomme eine Ahnung, was dieses Flugzeug so einzigartig macht. Am Ende meiner Recherche werde ich es als „Mach-halt-Flugzeug“ bezeichnen. Du sitzt drin und hast das Gefühl, der Flieger sagt dir „mach halt“. Er tut so ziemlich alles und wird dabei niemals giftig. Die Details zu meinen Erlebnissen mit der LS4 gibt es demnächst im aerokurier. Eine Sache sei hier aber erwähnt: Auch die legendäre Gutmütigkeit der LS4 hat Grenzen, vor allem dann, wenn man beim Ausleiten des Trudelns überreagiert und zu stark drückt. Was dann passiert, das hat Martin Pohl vom KFAO in einem eindrucksvollen Video demonstriert.

Endlich wieder Turnen

Ansbach die Zweite. Eigentlich hätte in der Fronleichnamwoche der im Vorjahr ausgefallene Salzmanncup hier stattfinden sollen, aber Corona ließ auch die Planung für diese Veranstaltung platzen. Unser Local Hero Klaus plante um und organisierte das zweite Kunstflug-Trainingslager für uns. Und mein Programm war straff. Zu straff, wie sich herausstellen sollte.

Zunächst will ich in die Salzlore des Fördervereins Segelkunstflug im BWLV vier digitale G-Messer einrüsten um sie für den aerokurier zu testen. Und welches Umfeld wäre dafür besser geeignet als dieses? So verbringe ich einen ganzen Tag zwischen Werkstatt und Vereinsheim, fräse das von Schleicher gesponserte Ersatzpanel passend, schraube, quetsche, crimpe und werde dabei das Gefühl nicht los, dass mein Provisorium vom Aufbau und der Montage her um Welten besser ist als das Originalpanel, dass sonst hinten in der Lore pappt. Das ist irgendwie ernüchternd, aber seitdem ich die Elektrik meiner 59 saniert habe, weiß ich, wie schön man das machen kann. Und schön ist die Kabelage in der Lore definitiv nicht. Tatsächlich funktioniert alles auf Anhieb, und wir können die ersten Flüge für den Test machen. Besonders freut mich, dass auch Robin und Uli, sehr erfahrene Kunstflieger, ihren Senf dazu geben. Details zu der Aktion gibts auch demnächst im aerokurier.

Baustelle zwei: Flüge auf dem Fox machen. Wenngleich mich Dideldum ein Jahr zuvor auf dem Reißwolf ausgecheckt hatte, hatte ich mir einen Soloflug nicht zugetraut. Also nutze ich die Gunst der Stunde und lasse mir von Eugen – mutmaßlich der beste deutsche Segelkunstflieger unserer Zeit – nochmal alle möglichen Trudelzustände des Fox demonstrieren. Die Karussellfahrt motiviert mich, es Ende der Woche endlich mit dem Solo anzugehen.

Akt 3: 59 fliegen und meine Free known für 2021 üben. Die hatte ich bereits eine Woche zuvor mit Hilfe von Robin zusammengebastelt und mich tierisch über den Chinese mit der Zweizeitenrolle in den Pflichtfiguren aufgeregt, weil ich es da schon Nuller hageln sehe. Eine Avalanche, also ein Loop mit ganze gerissener Rolle oben, kann ich halbwegs zuverlässig in die Box zaubern, aber bei den gesteuerten Rollen oben drin treffe ich nie den richtigen Moment. Es ist zum brüllen. Aber hilft ja nix. Ich fliege das Programm zweimal, und es gelingt allenfalls leidlich. Vor dem zweiten Mal nimmt mir Tobi den Zettel aus der Hand und meint, er fliegt das auch und wir machen nen kleinen Wettbewerb draus. Nun gut. Ich schaue von unten zu und denke, ok, so schön kann das aussehen. Ich fliege hinterher und bin froh, zumindest keine Figur vergessen zu haben, wenngleich ich aus dem geplanten Weibchen ein 10er Männchen gemacht habe. Klasse… Als ich nach der Landung zur Schiri-Bank am Vereinsheim komme, um mir meinen Anschiss abzuholen, grinst mich Tobi an, zeigt mir nen Vogel und meint, es wäre ultra abgebrüht, so eine Nummer außerhalb eines Wettbewerbs abzuziehen. Ich habe keine Ahnung was er meint und verstehe auch das Gekicher der anderen nicht. Dann platzt es aus ihm heraus: „Du hast mir das falsche Programm gegeben, sodass ich alles falsch herum geflogen bin!“ Ich habe immernoch keine Ahnung, was er meint, weil ich den Zettel ohnehin nur von links nach rechts lesen kann. Des Kunstfluges unkundige müssen dazu wissen, dass man das Programm je nach Wind von den Schiedsrichtern ausgesehen entweder von links nach rechts oder von rechts nach links fliegt. Und dafür gibt es freilich auch zwei verschiedene Zettel, damit es die Judges leichter haben. Nur hängt bei mir im Cockpit immer der Zettel, in dem der Wind von rechts kommt, egal, wie der Wind durch die Box weht, denn aus der Cockpitperspektive ist das egal. Ich lese Figur für Figur ab und fliege die, denn so muss ich nicht umdenken. Tobi ist natürlich genau das geflogen, was auf dem Zettel stand, und das war freilich falsch. Als ich mir das Tonband von Suna anhöre, kommt als erstes der Satz „Na wenigstens fängt er richtigrum an!“ Irgendwann später hört man Marinas Stimme aus dem Hintergrund sagen „Lars hat den Tobi voll verarscht!“ DAS WAR KEINE ABSICHT!!! Dennoch bekomme ich unmittelbar die Quittung: „Morgen Wettbewerb“, sagt Tobi. „Du schlägst vier Figuren vor, ich vier, den Rest macht Schorsch.“ Na Großartig…

Zwischendrin fliege ich mal ein komplettes Programm auf der Salzlore von hinten und muss feststellen, dass mir der Rücksitz im Doppelsitzer ausgesprochen gut liegt. Auch Michael, der vorne sitzt und den FI in der Pappe stehen hat, hat wenig zu meckern, das macht Mut für meinen FI-Lehrgang im Herbst.

Das Programm für unseren kleinen, internen Wettbewerb sieht gar nicht so übel aus, auch wenn es Advanced sein sollte, damit ich mich nicht umbringe, durfte ich eine Avalanche vorschlagen. Und die fliege ich gemäß Schorschs Wertungszettel sogar mit einer 7,0! Damit bin ich nicht unzufrieden, wenngleich das Männchen wieder daneben geht. Schöne HZ… Am Ende des Tages ist es Platz drei hinter Tobi und Fleischi, der sich kurzerhand auch noch ins Starterfeld reingemogelt hatte. Auch eine dritte Auflage des internen Wettbewerbs gibt es noch, dieses Mal mit einem um Oli und Uli ergänzten Teilnehmerfeld. Und hier entstehen Figuren, von denen bisher kein Kunstflieger wusste, dass sie existieren. Beispielsweise Fleischis geplantes Männchen mit entsprechend angeschrägter Aufwärtslinie, dass aber halb zum Weibchen, halb zum Turn fällt, oder Olis Avalanche mit zweieinhalb gerissenen Rollen und einer weiteren ungewollten Viertel im Abgang. Zeichne sowas mal als Aresti-Symbol…

Das letzte Wettbewerbsprogramm fliege ich auf dem Fox, weil das Wetter so unbeständig ist, dass ich meinen Flieger nicht mehr aufrüsten will. Und nach den insgesamt drei Flügen in dieser Woch mit FI auf dem Rücksitz traue ich mich endlich auch, den Reißwolf zu einer Solo-Runde zu entführen. Mit Mickeymouse-Programm, einfach, um das Flugzeug kennenzulernen. Und als ich die Haube schließe und mit Daumen hoch meine Startbereitschaft signalisiere, ist er wieder da, dieser Tunnelblick, der dafür sorgt, dass man sich bei einer wichtigen Sache wie dem ersten Alleinflug auf einem Muster auch wirklich nur auf das Wesentliche konzentriert. Die erste Herausforderung kommt bereits kurz nach dem Abheben, denn 120 km/h ist mir in Bodennähe doch noch zu wenig. Über Funk gebe ich dem Schlepp-Piloten durch, dass ich lieber mit 140 Sachen unter der Stromleitung nordwestlich des Platzes durchfliege als mit 110 drüber. Ja, ich bin ein bisschen nervös.

Mit zunehmender Höhe werde ich immer ruhiger und freue mich nach dem Ausklinken einfach nur noch darauf, das Monster allein zu bändigen. Endlich tue ich das, wofür mir Dideldum schon im Jahr zuvor die Fähigkeiten attestiert hatte. Das Programm ist wirklich larifari, Loop, Rollen, Aufschwünge etc. Und schon in den ersten Figuren wird mir wieder bewusst, wie gerechtfertigt mein riesiger Respekt vor dem Fox ist. Da reicht es eben, oben im Loop ein bisschen zu stark zu ziehen, und die Möhre fänt an zu tanzen. Die Mischung aus Fahrt und Lastvielfachen habe ich einfach noch nicht raus, mal ziehe ich im Aufschwung zu viel, so dass schon direkt im Bogen die Strömung mit der weißen Fahne winkt, oder ich komme oben auf dem Rücken mit homöpathischer Fahrtreserve an, sodass erstmal eine Gedenksekunde lang Rückenflug ansteht, bevor ich mich traue, ins Querruder zu langen. Kurzum: es muss von unten unfassbar beschissen ausgesehen haben. Das ist mir aber herzlich egal, als ich den Fox mit Tempo 140 in den Platz hämmere. Ich hab mich getraut, ich bin solo Fox geflogen. Was manch erfahrenem Kunstflieger geradezu banal erscheinen mag – für mich war es eine Herausforderung.

Herbst-Blues

„D-FABC, report GML“. „D-FABC will report GML.“ Kurz nachdem ich die Anweisung zurückgelesen habe, flitzen meine Augen über die Karte mit den Standard Instrument Departures  des Flughafens Düsseldorf. GML, wo ist der verfluchte Punkt? Ein bisschen suchen ist normal. Aber je mehr ich das Blatt Papier vor mir optisch umgrabe, umso mehr spüre ich seichte Panik in mir aufsteigen. Bitte nicht! Bisher lief es doch. „D-FABC, haben wir den Punkt gefunden?“, kommt es von vorn. „Ich würde jetzt gleich die Meldung `confirm GML´ senden, antworte ich. Der nächste Satz ist zugleich ernüchternd und wahnsinnig beruhigend. „Sorry, mein Fehler, falsche Departure. D-FABC, report MEVEL.“ Ich muss vor Erleichterung grinsen. Ich wars nicht, yeah! Noch bisschen verpeilt suche ich MEVEL, und als es vom imaginären ATC noch einmal trötet „D-FABC, wir wollen fertig werden!“ habe ich ihn. „D-FABC, MEVEL.“ „D-FABC, turning right direct Hannover and contact Langen Radar at 123.450.“ „D-FABC one two tri decimal four five siro.“

Geschafft. Ich habe mich erfolgreich einmal IFR auf die Runway des Düsseldorfer Flughafens und wieder in die Luft gefunkt. In der Außenstelle Mühlheim/Ruhr der Bundesnetzagentur, gemeinsam mit fünf anderen Prüflingen. Und das alles ohne wirklich grobe Schnitzer. Und als einziger AZF-Aspirant zwischen BZFlern. Akustisches Spicken: unmöglich. Noch vor der Funkerei habe ich meinen Angstgegner, den zu übersetzenden englischen Text aus der deutschen AIP, erfolgreich besiegt und einen Flugplan ausgefüllt. Ich bin mir ziemlich sicher, bis hierhin bestanden zu haben. Bleiben noch die Theoriefragen, die mich bis gestern nahezu jeden Abend im Bett liegender Weise beschäftigt haben. Hier stimmen 38 der 40 Antworten. 30 hätten gereicht. Also nahezu Durchmarsch.

Am Ende sammelt die Dame der BNetzAg mein BZFII ein und drückt mir das AZF in die Hand. Geschafft. Und dafür zwei Tage Panik, vor allem wegen der AIP-Texte. Behördendeutsch in gestelztes Englisch übersetzt. Der Hass. Aber egal, geschafft.

Die Idee mit dem AZF war bereits Anfang des Jahres im ersten Lockdown entstanden. Fliegen war tabu, also stand die Frage, inwiefern man sich theoretisch weiterbilden könnte. Englisch funken zu dürfen erschien mir selbst für einen (noch) Segelflieger erstrebenswert, denn früher oder später würde es mich beruflich ins Ausland führen. Kurzer Anruf bei Helge, einem freien Mitarbeiter des aerokuriers und Bestsellerautor des Standardwerkes „Sprechfunk im Instrumentenflug“. Von dem wusste ich, dass er regelmäßig Flugfunkkurse anbietet. „BZFI? Quark, mach gleich AZF!“, so seine fachmännische Einschätzung. Allerdings wusste er auch, dass die Bundesnetzagentur aktuell aufgrund von Corona nicht prüft und es keine Informationen gab, wann sich das wieder ändern würde. Klar war: ohne Prüfungstermine kein Kurs, denn das wäre Unsinn gewesen. Ein paar Fliegerkameraden hatte ich schon angetriggert, also eine Gruppe würde auf jeden Fall zustande kommen. Aber wann: unklar.

Irgendwann, die Saison war lange am Laufen, Helges Nachricht: „AZF-Kurs Mitte Oktober, biste dabei und was ist mit deinen Kollegen?“ Da holte mich meine Wahnsinnsidee vom Frühjahr ein. Aber gut, wer Alpha sagt muss auch Bravo… Allerdings erklärte Helge, dass wir ein stückweit Versuchskaninchen seien, denn der Kurs würde erstmals vollständig online via Zoom stattfinden. Corona, remember…

Zwei Abende zu je drei Stunden ging es erstmal nur um die Theorie. Und konsequenter Weise bedeutete das, sich zunächst mit dem Instrumentenflug an sich auseinanderzusetzen. Klar, wer weiß, warum er etwas wie tun muss, dann tut er sich damit leichter und versteht Zusammenhänge. Helge erklärte uns alles Notwendige über STARs und SIDs, über Waypoints, über das, was in einem IFR-Flugplan zu stehen hat (Stefans drei gefangene Fische reichen Yvonne sicher – Insider wissen, was gemeint ist 😉 ) Schon hier ist klar, dass sich der Kurs auch in beruflicher Hinsicht gelohnt hat, denn dieser Einblick in die IFR-Fliegerei ist Gold wert und macht Lust drauf, sowas irgendwann selber mal zu machen.

Die folgenden Montage und Dienstage geht es ans praktische Funken. Helge mimt den Gott, oder vielmehr die Götter, die in den Towern und Radarcentern der Republik den Flugverkehr koordinieren. Wir fliegen quer durch die Republik, kämpfen uns durch Anlass-, Roll-, Strecken- Start- und Landefreigaben. Fluchen, weil wir Wegpunkte auf Karten nicht finden, falsche Kurse von Routen ablesen oder mal wieder nicht auf Anhieb wissen, wie denn an diesem Tag unsere Obstacle Clearence Altitude ist. Ich habe bis zur letzten Vorbereitungsrunde zehn Tage vor meiner Prüfung den Eindruck, mehr schlecht als recht zu funken. Helge hingegen meint jedesmal, zum bestehen reiche es. Alle aus meinem Kurs haben vor mir Prüfung, und die Tatsache, dass sie alle bestehen, baut doch gewissen Druck auf. Andererseits deutet es darauf hin, dass „Gott“ sein Handwerk versteht.

Am Ende bin ich einfach nur froh, es hinter mir zu haben. Und beinahe automatisch öffne ich am Abend nach der Prüfung im Bett liegend die App mit den Theoriefragen, so wie die Abende zuvor auch. Kopfschüttelnd schließe ich sie wieder…

Koppüber mit Kollegen

Schon länger hatte ich den Plan gehegt, angesichts fehlender doppelsitziger Kunstflug-Aerobilie auf der Hahnweide die Salzlore des Fördervereins mal für ein paar Wochenenden nach Kirchheim zu holen, um auch ausgewählte Kollegen mit hinreichend Vitamin G zu versorgen. Hier verzichte ich zur Abwechslung mal auf schriftliche Selbstdarstellung und überlasse meinen Gästen das Wort.

Fabian

Es gibt diese Sätze, die will ich in einem Flugzeug nicht hören. „Ja, die fällt schön“, ist so einer. Dass Lars offensichtlich alles im Griff hat beruhigt mich zwar, als wir keine fünf Sekunden später senkrecht in Richtung Autobahn stürzen, halte ich trotzdem die Luft an. Kurz darauf spüre ich wieder Auftrieb und kann normal atmen – und lachen.
 
Ich brauche den Fallschirm also doch nicht. Kurz habe ich an die Worte „Wenn ich sage „raus“, nicht nachfragen“ gedacht. Nicht aus Mangel an Vertrauen, sondern aus dem Überlebenswunsch heraus, der sich mit eigenem Kontroll- und Orientierungsverlust nicht gut verträgt. Jetzt ist immerhin die Orientierung zurück und ich blicke nochmal auf den Zettel, der auf das Cockpit vor mit gepinnt ist. Den ganzen Weg nach oben habe ich ihn studiert, versucht mir das aufgezeichnete Kunstflug-Programm einzuprägen. Wollte mich währenddessen orientieren können. Mit dem Ausklinken vom F-Schlepp ist aber alles vergessen. Nach kurzem Austausch („Bereit?“ „Yes!“ „Ok, auf geht´s.“) sehe ich den Steuerknüppel zwischen meinen Beinen nach vorne wandern und es wird leicht in der Magengegend. „Whoooo!“ Wie lange die anschließende Kombination aus Rollen, Loopings  und Figuren, deren Namen ich nicht weiß, dauert – keine Ahnung. Jedes Manöver setzt mehr Endorphine frei, die dauerhaftes Lachen – mit jener kurzen Unterbrechung – verursachen. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Looping sich im Vergleich so harmlos anfühlt, aber über Kopf schräg in Richtung Boden segelnd eröffnen sich ganz neue Dimensionen. Ich umklammere das Smartphone mit beiden Händen und versuche die Kamera nicht zu verdecken. Später werden diese Aufnahmen meine Tapferkeit beweisen!
 
Wieder am Boden angekommen ist Lars sichtlich unzufrieden mit seiner Performance, spricht von Korrekturen und schlampigen Manövern – hab ich nix von gemerkt. Kein Superlativ kann dem Gefühl beim ersten Kunstflug gerecht werden. Selbst wenn etwas nicht gepasst hat, die Kräfte, die an Körper und Gliedern zerren, spürst du so nirgendwo. Achterbahn mal 1000! Mir bleibt nichts, als den Hut vor dieser Kontrolle über das Fluggerät zu ziehen. Lars macht sich derweil schon für das nächste Programm bereit. Während er sich wieder auf 1200 Meter schleppen lässt, schaue ich auf mein Smartphone. Jawoll, die Kamera hat alles eingefangen! Damit kann ich zuhause angeben: „Ja, da bin ich mitgeflogen. Nein, ich war natürlich ganz cool.“

Silke

Schnappatmung und ein erhöhter Puls bei eigentlich völliger Bewegungslosigkeit? Ich stelle ein immer lauter werdendes Rauschen in meinen Ohren, schweißnasse Finger, die sich an festgezurrte Sitzgurte klammern und ein extrem flaues Gefühl in meinem Magen fest. Aber warum wird mir Anfang November auch schlagartig so heiß? Wo kommt das alles denn auf einmal her?

Die Spucktüte klemmt unter meinem rechten Oberschenkel, wo ich sie noch beim Einstieg ins Kunstflugzeug gut versteckt hatte, da ich mir dieses Mal so sehr vorgenommen habe, sie auch heute nicht verwenden zu müssen. Nach einiger Zeit krallen sich meine Finger dann doch panisch an das Ding. Nur für den Fall der Fälle. Zum Glück bleibt das Rascheln der Tüte auf diesem Flug vom Piloten unbemerkt (oder zumindest unkommentiert…). Ich interpretiere das als gutes Zeichen, denn Lars ist gerade mitten in seinem ersten Flug am heutigen Tag und hochkonzentriert. Das will ich auch hoffen, denn er hat mir morgens noch hoch und heilig (auf Nachfrage) versprochen, dass wir heute nicht sterben werden. (Das verspreche ich jedem! Anm. des Piloten)

Heute ist nämlich der Tag gekommen, an dem ich das erste Mal bei einem Kunstflug dabei sein darf. Passiv, auf dem Beifliegersitz. Ich muss eigentlich nichts weiter tun, als gut aufzupassen, dass mir bei all den Loopings und Parabeln meine Mütze und meine Sonnenbrille nicht vom Kopf rutschen und dann womöglich unkontrolliert durchs Cockpit in Richtung Pilot purzeln. Und ruhig weiteratmen, das sollte ich ebenfalls, was mir auch meistens ganz gut gelingt. Zur Unterstützung dafür habe ich die Frischluft-Düse bereits relativ am Anfang des Steigfluges direkt auf mein Gesicht eingestellt. 

Vor mir im Cockpit klemmt ein kleiner Zettel mit der grafischen Darstellung der zu fliegenden Choreografie, welche Lars vorab ausgedruckt und mir ausführlich erklärt hat. Ich versuche, den geflogenen Figuren in Echtzeit zu folgen – spätestens bei Figur 4 bin ich aber raus. Mir ist schleierhaft, wie er da vorne im Cockpit den Überblick behalten kann – oder es zumindest danach aussehen lässt. All die Instrumente und Zahlen, auf die er achten muss, während er sich ja auch an oben und unten, rechts und links orientieren sollte. Ich kapituliere und versuche den restlichen Flug zu genießen, ohne dabei zu analysieren, welche wilden Figuren mir als nächstes bevorstehen.

Ich wundere mich darüber, wie deutlich mein Körper die Vibrationen spürt, wenn Lars da vorne irgendwas steuert und wie das Flugzeug unter der Krafteinwirkung lauthals ächzt und sich von einer Sekunde auf die nächste anders anhört. Ich sehe, wie sich die Flügel biegen und ich weiß eigentlich, dass das normal und wichtig und richtig ist. Mulmig wird mir dennoch immer mehr. Die enormen Fliehkräfte so nah und vorallem so deutlich zu erleben, darauf war ich nicht ansatzweise vorbereitet, auch wenn ich schon zwei Mal mit Lars Parabeln und Kreisel fliegen durfte. Der sekundenschnelle Wechsel von ganz leiser zu lauter Luft ist so surreal, dass ich auch gar keinen Blick mehr für die Schwäbischen Alb übrig habe, die da so friedlich im trüben Herbstlicht unter mir liegt. Deren Schönheit habe ich zum Glück bereits beim 15-minütigen Steigflug ausgiebig in mich aufgesogen.

Irgendwann nach Figur 12 ertönt von vorne ein „Glückwunsch, du hast es geschafft! Aber hey, wir sind noch so hoch, da können wir noch ein paar außerplanmäßige Drehungen einbauen – aber nur, wenn du willst.“ Ich gebe ein soziales Grunzen von mir, welches Lars als Zustimmung interpretiert und ich denke mir nur leise, was habe ich heute aber auch für ein Glück.

Sicher gelandet auf dem Boden der klatschnass geschwitzten Tatsachen möchte ich mich so taff wie möglich selbst abschnallen und eigenständig aus der Kabine krabblen. Ich bemerke, dass ein euphorischer Lars ganz schön lange vor dem Flugzeug stehend auf mich warten muss, bis meine Finger einigermaßen ihre Feinmotorik zurückerlangen und mich von allen Gurten befreien können. Kalter Angstschweiß überall.

Festen Boden unter meinen Füßen zu spüren, stimmt mich unfassbar glücklich. Sogar so glücklich, dass ich mich erst mal 30 Minuten auf selbigen setzen muss, bis ich begriffen habe, was meinem Körper da in den letzten 5 Minten so alles widerfahren ist. Bis mein Magen verinnerlicht, dass hier unten alles fest ist und sich der Horizont nicht mehr bewegt, dauert es allerdings noch ein Weilchen …

So aufregend der Tag war und so spektakulär ich diese körperliche Grenzerfahrung auch empfand, so sicher bin ich mir, dass ich meinen Gedärmen dieses Kuddelmuddel erst mal eine Weile nicht mehr zumuten werde. Man soll ja eigentlich niemals nie sagen, aber für diese Freizeitaktivität ziehe ich das tatsächlich in Betracht. Das stimmungsvolle Video erinnert mich aber für immer daran, wie ungeschickt es für die phänomenalen Aufnahmen gewesen wäre, wenn die Spucktüte doch zum Einsatz gekommen wäre.

Alisa

„Du warst noch nie Segelfliegen und machst jetzt den Kunstflug mit Lars?“, fragt mich der nette Herr am Flugplatz Hahnweide etwas ungläubig, bevor er mich freundlicherweise zur Toilette navigiert. Angstpipi? Naja richtig änsgtlich bin ich nicht. Aber als ich endlich an der Reihe bin, hinten im Segelflugzeug Platz nehmen darf, und ich so richtig, ich meine RICHTIG festgezurrt werde, steigt die Aufregung schlagartig in mir hoch. Lars hat mich zwar hervorragend eingewiesen und ich kenne den genauen Ablauf des Flugs, also das Kunstflug-Programm, aber als wir gemütlich vom Schleppflugzeug in die Höhe gezogen werden hallt ein Satz in meinem Kopf wider: „Wenn ich sage raus, dann heißt es raus! Und dann siehst du zu, dass du schleunigst das Flugzeug verlässt.“ Ich begreife, dass ich absolut keinen Bock habe, aus dem Flieger zu springen. Nach einem kurzen Versuch zu berechnen, bei welcher Höhe Lars das würde sagen müssen, sodass ich als ungeübte Aus-dem-Segelflugzeug-Springerin es auch schaffen würde, fällt mir ein, dass ich total schlecht rechnen kann und es jetzt eh zu spät ist. Ich knipse die letzten Fotos, denn ich habe das Glück, bei wunderschönem Wetter mitfliegen zu können. Von hier oben ist alles beruhigend klein und man vergisst tatsächlich seine Sorgen. Ich bewundere noch die Aussicht und dann: Klack Klack! Wir hängen nicht mehr am Schlepper. Es geht los.

Wir beginnen nach links und rechts zu pendeln und kündigen auch den Zuschauern unten an: Jetzt geht‘s rund! Ich atme so tief ein wie ich kann und dann fallen wir. Man braucht Schwung für den Looping! Mein Körper ist komplett angespannt und das Adrenalin schießt durch mich hindurch. Ich kann nichts tun als grinsen, lachen, schreien und die Augen aufreißen. Und ganz wichtig: atmen.

Lars spult sicher sein Programm ab, und mir ist absolut unverständlich, wie er nebenbei mit mir reden kann: „Immernoch alles gut bei dir da hinten?“, „Kann. Nicht. Antworten. Ich. Muss. Atmen.“, presse ich raus. Ich fühle mich trotz der Anstrengung die ganze Zeit total sicher, und das Gefühl, da oben zu sein, über Kopf, ist unfassbar. Diese volkommene Stille die zwischendurch plötzlich im Flieger herrscht…

Der Kunstflug an sich dauert nur etwa fünf Minuten, und das ist krasser, als jede Achterbahnfahrt meines Lebens. Ich muss nicht aus dem Flugzeug springen, und Lars landet am Ende überraschend sanft auf dem grünen Rasen. Im Anschluss muss ich mich kurz fangen, aber ich bin stolz, dass mein Magen das mit mir durchgezogen hat.

Jeder, der mal die Möglichkeit bekommt, einen Kunst-Segelflug zu erleben, dem rate ich nur eins:  Macht es. Das Erlebnis ist unvergesslich!

Danke an meine Kollegen für das Vertrauen. Mir hats Spaß gemacht 😉

ERster Hangflug mit der 8E

Am 19. November ergab sich endlich die Chance, mein Spielzeug auch mal am Hang auszuprobieren. War das zuvor mit den Vereinsfliegern eine recht simple Angelegenheit, stand ich nun vor der Frage: 13,2 oder 15 Meter? Vier Gleitzahlpunkte als Reserve oder doch lieber die Chance, die Möhre mal aufs Kreuz zu legen? Ich argumentiere vor mir selber, dass die kurze Variante weniger Aufwand braucht und ich damit auch am Ende – falls das Wetter schlechter wird – die 59 schneller wieder im Anhänger habe. Eigentlich aber hatte ich einfach nur Bock zu turnen. Mit fünf Seglern haben wir endlich mal wieder nen soliden Winterflugbetrieb, die üblichen Verdächtigen scheinen allesamt dem Bodenkoller nahe. Der Wind steht so lala auf Südwest, aber für ne entspannte Runde sollte es reichen.

Im Schlepp gehts auf 1000 Meter MSL, dann straight ahead Richtung Teckberg. Diejenigen, die vor mir gestartet sind, melden zurückhaltende Steigwerte. Nunja. Das schmale Aufwindband ist schnell gefunden, aber es steigt tatsächlich nur schwach. Einmal mehr nervt mich die für den Streckenflug einfach kaum geeignete Sitzposition im Cockpit. Mir fehlt durch das extreme Liegen einfach die Übersicht über das, was um mich herum passiert. In der Box stört mich das weniger, da sollte außer mir keiner drin sein. Außerdem gehen die Blicke da eh relativ fix hin und her: Visier vorne, Fahrtmesser, Höhenmesser, Visier Fläche, repeat.

Während meine Kameraden die Umgebung erkunden und ins Lenniger Tal, zum Neuffen und zum Breitenstein fliegen, bleibe ich an der Teck. Als ich 1250 Meter MSL erreicht habe, Checke ich die Umgebung, frage die anderen nach ihren Positionen und kurve 90 Grad zum Hang ab. Letzter Check, Fahrt 160, Knüppel an den Bauch und Tritt ins Pedal. Die 59 flippt herum und ich muss diabolisch grinsen. Das Einfangen gelingt leidlich, sodass ich ein bisschen korrigieren muss, um sie sauber im Rückenflug zu haben. Wie meinte Robin? Reißen links rum, stoßen rechtsrum? Erklärt hat er mir das ziemlich gut machvollziehbar mit der biologie des Rechtshänders: um den Knüppel ins hintere linke Eck zu knallen, reicht eine Bewegung aus dem Ellenbogen. Fürs rechte hintere Eck bedaf es einer Bewegung aus der Schulter, und die dauert länger und gelingt weniger abrupt. Beim Stoßen ist es andersrum, nach vorne rechts geht aus dem Ellenbogen und damit schneller als nach vorne links.

Blick auf den Fahrtmesser – da hatte ich mir vor einiger Zeit zwei rote Dreiecke reingeklebt, um die Speedlimits fürs Stoßen und Reißen zu kennzeichnen – und das ganze andersrum. Und so geht es immer weiter: Am Hang Höhe machen, abkurven, zwei bis vier halbe Rollen, mal gesteuert, mal gerissen/gestoßen, und dann wieder rein in den Aufzug. Keine Ahnung, wie viele Rollen es an diesem Tag sind, aber es macht riesigen Spaß, mal wirklich intensiv Figuren zu trainieren. Vielleicht wirds dadurch ja vielleicht besser? Nach Einer Stunde und 18 Minuten bin ich wieder unten. Und natürlich isses wieder Dämmrig, sodass wir im bis in die Dunkelheit abrüsten. Das Thema Anhänger-Innenbeleuchtung bekommt wieder Aufmerksamkeit…

BAuarbeiten

Angesicht der angespannten Corona-Lage im Dezember und des eher bescheidenen Wetters blieb genug Zeit, sich in der Werkstatt mal wieder nützlich zu machen. Mein Projekt in diesem Jahr: unser Startbus. Die alte V-Klasse tut seit Jahren ihren Dienst als Transportmittel für den ganzen Kram, den man an der Startstelle eben so braucht, wurde aber bisher alles andere als gut behandelt. Mir persönlich ging die unfassbare Unordnung da drinnen seit langem auf den Sack, also bot sich die Chance, beim Beseitigen derselben Baustunden zu sammeln. Die Idee: Die zwei Sitze in Clubanordnung hinten drin lassen und daneben eine Ablage für Rucksäcke, Trimmgewichte etc. bauen, unter der die Bierzeltgarnitur und der Pavillon Platz finden sollten.

Da ein Auto im Innenraum nahezu keine geraden Flächen hat, sondern alles geschwungen und verwinkelt ist, war es utopisch, alles von vornherein genau zu planen. Anfangen und die Idee fortwährend entwickeln, war vielmehr die devise. Als Leisten, OSB-Platten und Schrauben besorgt und losgelegt. Die Verkleidungen links rausgerissen, Platten angespaxt. Rahmenkonstruktion, auch hier OSB-Platten drauf und ne Rahmenkante gesetzt. Weiterhin durch Leisten mehrere Fächer oben abgetrennt und für zusätzliche Stabilität gesorgt. Ein fest eingebauter 12V-Kompressor, der bei einem Test in meiner Firma übriggeblieben war, sowie diverse Halterungen für Seile und Trimmgewichte vervollständigten die Ausstattung. Final habe ich noch alle losen Verkleidungen wieder fixiert und den Hobel noch komplett ausgesaugt und die Oberflächen abgewischt. Mit dem Ergebnis war ich so zufrieden, dass plötzlich der Selbstausbau eines Transporters zwecks mobiler Flugplatzunterkunft gar kein so abwegiger Plan mehr ist… 😉

Rückmeldung aus Ösiland

Bereits im Juli hatte ich in einem kurzen Beitrag geschrieben, dass die Jungs von Streckenflug.at meine Idee mit der Scho-Ka-Kola-Dose als Tape-Behälter zu einem netten Bundle zusammengestrickt haben und zehn Rollen Tape mit einer Dose Schkolade zum sehr fairen Preis verticken. Irgendwann im Oktober kam dann aus Austria ein kleines Päckchen mit ein paar Rollen Tape, einer Dose Scho-Ka-Kola Vollmilch und einigen weiteren Goodies. Danke fürs Dankeschön 😉

 

Angefixt und rumgeturnt

Ich hab mich getraut. Ich habe vor ein paar Wochen tatsächlich meine erste TMG-Flugstunde gehabt.

Er hat sich getraut? Was soll an einer Flugstunde aufm Motorsegler so besonders sein?

An der Stelle muss ich wahrscheinlich etwas ausholen, damit man das versteht. Es ist nicht so, dass ich seit zwölf Jahren beim Segelflug geblieben bin, weil mich der Motorflug nicht reizt. Ganz im Gegenteil, ich habe oft neidisch auf die motorisierten Kollegen geschaut, weil die eben einfach die Möhre aus der Halle ziehen, den Quirl anlassen und hinfliegen können wo immer sie wollen bzw. es das Wetter zulässt. Aber ich hatte schlicht Angst davor. Nicht Angst in dem Sinne, dass ich die Motorfliegerei für gefährlicher gehalten hätte als das Segelfliegen (wobei, so ohne Schirm fühlt sich das im Cockpit irgendwie nicht richtig an…). Sondern Angst davor, dass ich mir damit gesundheitlich Schaden könnte.

Seit meiner Jugend leide ich an Gehörproblemen, konkret Tinnitus und Hyperakusis. In den vergangenen 20 Jahren habe ich so ziemlich alles aus meinem Leben verbannt, was laut ist, bin beispielsweise auf keinem großen Konzert mehr gewesen und werde das sehr wahrscheinlich auch nie wieder tun. Selbst mit dicksten Ohrenstöpseln läuft in meinem Körper eine irrwitzige Stressreaktion ab, wenn die Bässe auf mich einzudreschen beginnen. Ich habe um Kinder mit Luftballons einen großen Bogen gemacht und bei schreienden Babys innerhalb von Sekunden Ohrentöpsel drin gehabt. Selbst im Segler trage ich bis auf wenige Ausnahmen Ohrenstöpsel, weil mich in den meisten Fliegern die Windgeräusche nach einer gewissen Zeit einfach nerven und ich merke, dass meine Konzentration leidet. (Solltes es anderne Piloten ähnlich gehen – versucht mal die Alpine FlyFit – wiederverwendbare Silikonstöpsel in Tannenbaumform mit offenem Lautstärkefilter, mit denen kann man Problemlos Druckausgleich machen). Aktuell macht die Idafieg übrigens eine Untersuchung zur Lärmentwicklung in Cockpits von Segelflugzeugen, und das wird sicher ziemlich spannend!

Aufgrund dieser Erfahrungen war Motorflug für mich einfach tabu. Selbst mit Aktivheadset und Stöpseln drunter hatte ich immer ein ziemlich ungutes Gefühl.

Allerdings – die Lust, mit dem Motorflug anzufangen, die war unterschwellig immer da. Berufsbedingt saß ich in den letzten Jahren mehrfach in Huskys und Cubs und anderen Flugzeugen, aus denen heraus ich bei offener Tür andere Flugzeuge fotografierte. Manchmal ging es mir danach so gut als wäre nichts gewesen, manchmal nahmen die Ohrgeräusche und damit die Angst, irgendwas endgültig kaputtgemacht zu haben, wieder zu. Der erste Ausflug in die selbstbestimmte Fliegerei war die Eigenstartberechtigung auf der ASK 21Mi, und schon damals war mir klar, wie geil das ist, einfach den Hebel nach vorn zu schieben und loszurollen. Das Interesse am TMG wuchs. Dann war 2018 die Grob 109 meines Vereins kaputt und Anfang 2019 hatte ich wieder eine Phase, in der es mir aufgrund meiner Gehörprobleme einfach richtig mies ging – ich verschob die Pläne auf unbestimmte Zeit.

Dieses Jahr schienen meine Löffel mitzuspielen – mehrere Fotoflüge liefen völlig ohne Probleme. Jetzt oder nie. Bis dann die Dokumente samt ATO-Meldung fertig sind, ist es Herbst, aber warum nicht die für den Segelflug eher maue Zeit nutzen, um den Rattelschein zu machen?

Der Moment, in dem ich den Gashebel nach vorne schiebe und die Grob 109 Fahrt aufnimmt, hat etwas Magisches. Es überkommt mich das gleiche Gefühl der diebischen Freude, dass mich schon bei meiner Eigenstarter-Einweisung ereilte. Fliegen ohne Windenbetrieb und Schlepp-Pilot – ätsch, ich kanns alleine, möchte ich durch den Äther brüllen, unterlasse es aber freilich im Sinne der Funkdisziplin. Dann eine kurze Schrecksekunde: Wir werden immer schneller, die Fahrtmessernadel aber bleibt stur bei null hängen. Als ich das aber realisiere, liegt gut die hälfte der abschüssigen Piste hinter uns, und das Flugzeug signalisiert überdeutlich, dass es fliegen will. Den Start durchzuzuiehen erscheint mir sicherer als der Abbruch, und auch mein Fluglehrer neben mir nickt zustimmend. Kaum haben wir den Platz hinter uns gelassen, kommt Leben in die Fahrtanzeige. Vermutlich ein Wassertropfen vom Schauer kurz vor dem Start.

Mein Fluglehrer lässt mich weitgehend mein Ding machen und vertraut darauf, dass ich mir in gut 500 Segelflugstunden und 1000 Starts gewisse fliegerische Fähigkeiten angeeignet habe. Nur hin und wieder höre ich eine Ermahnung, die Höhe zu halten. Und damit dürfte die größte Herausforderung für Umschüler, die vom Segelflug kommen, auch schon skizziert sein: die weitgehende Entkopplung von Horizontal- und Vertikalgeschwindigkeit. Im Segelflug konzentriert man sich in erster Linie darauf, die für die jeweilige Situation passende Fahrt zu halten und nimmt dafür einen spezifischen Höhenverlust in Kauf. Die Höhe gerät erst dann so richtig in den Fokus, wenn man aus der eigenen Komfortzone gleitet und sich wieder intensiv Gedanken um den nächsten Aufwind machen muss. Beim Flug mit Motorkraft ist das anders. Jetzt muss man sich plötzlich darauf konzentrieren, nicht unbeabsichtigt zu steigen und möglicherweise in einen freigabepflichtigen Luftraum einzufliegen. Für Segelflieger jenseits eines Hammerbartes ein Luxusproblem!

Dabei ändert sich am Grundprinzip der Fliegerei, wie man es aus dem Segler gewohnt ist, nur wenig. Die Fahrt wird weiterhin mit dem Steuerknüppel reguliert, allerdings bietet der Gashebel jetzt die Möglichkeit, aktiv auf die Steig- bzw. Sinkrate Einfluss zu nehmen. Hebel vor, Motor laut, steigen, Hebel zurück, Motor leise, sinken. Ungewohnt ist das Steuern mit der linken Hand, da Gashebel, Trimmung und und Propellerverstellung in der Mitte liegen.

Nach dem Steigflug hangeln wir uns entlang des Stuttgarter Luftraumes in Richtung Reutlingen, um hier – abseits lärmsensibler Gebiete – ein kleines Airwork-Programm zu machen. Steigen, Sinken, Rollübungen, Kurven, Steilkurven, Abkippen, Recovern – Scheiße macht das Spaß! Gas zurück auf 2200 U/min, Verstellgriff ziehen, warten, Gas wieder rein und zack, läuft die Möhre mit erträglicher Drehzahl cruise 170 km/h. Das rockt (Piloten mit fetten Motoren und richtig Leistung mögen mir die Begeisterung für 87PS mit Verstellprop verzeihen…). Der Suchtfaktor ist riesig, und ich sehe mich schon im nächsten Jahr Termine auf der Alb auf dem Luftweg ansteuern…

Nach 45 Minuten gehen wir wieder auf Kurs Richtung Hahnweide. Das einzige, was nervt, ist das miserable Intercom. Den Funk höre ich laut und klar, meinen Fluglehrer hingegen kann ich kaum verstehen. Memo an mich: Geschichte über mobile Intercoms machen. „Willste gleich landen oder noch ne Durchstartübung machen?“ fragt mein FI, während ich den Proo wieder in Startstellung bringe und den Motor aufheulen lasse. Wenn schon, denn schon, gebe ich zurück. Wir melden den Gegenanflug 25 zum Go-Around und es kostet mich alle Kraft, nicht sofort die Kend-Dravis-Nummer anzustimmen. You can always go around. If it don´t look right, coming down. Don´t wait untill your socks keep sliding on the ground. You can Always go around…

Der Anflug ist einigermaßen ungewohnt, aber selbst im Segler habe ich dieses Gefühl, wenn ich Kurs auf die abschüssige Asphaltpiste nehme. Ich hungere die Grob leicht schiebend in den Platz und vergesse, sie mit dem Seitenruder vor dem Aufsetzen Gerade zu stellen. Es quitscht, aber das ist unser geringstes Problem. Wir beide haben wohl unterschätzt, dass sich das Wetter entscheidend gebessert hat und wir jetzt voll in die tiefstehende Sonne durchstarten. Also halbblind Gas rein, Fahrtkontrolle und sanft in den Steigflug. Es läuft wie am Schnürchen. Die Abschlusslandung dürfen wir angesichts der Tatsache, dass es faktisch keinen Wind mehr gibt, mit der Sonne im Rücken machen. Diese Landung läuft auch besser, wenngleich ich durch die ungewohnte Position außerhalb der Flugzeuglängsachse noch immer nicht perfekt ausgerichtet auf dem Asphalt aufsetze.

Mit blubberndem Motor rollen wir zurück zur Halle, und ich bin glückselig wie selten. Lars Reinhold, der Motorflieger in spe. Klingt komisch, aber irgendwie auch richtig. Putzen, Flieger zerlegen, einhallen, und das alles in der Gewissheit, dass es wieder mal ein Anfang war.

Turnübungen auf der Hahnweide

Ich glaube es ist nicht übetreiben, den 24. Oktober 2020 als Zäsur auf der Hahnweide zu bezeichnen. Meine zwei Flüge an diesem Tag mit der 8E dürften die ersten, ernstzunehmenden Kunstflüge mit sportlichem Hintergrund sein, die hier seit dem Unfall von Klaus Lenhart im Jahr 2012 stattfanden. Klar, beim Oldtimertreffen hatte es immer mal wieder Kunstflugdisplays gegeben, aber dass sich jemand ein Programm ins Cockpit klemmt und das straight durchfliegt – zumindest in den vier Jahren, die ich jetzt dort fliege, hat es das nicht gegeben. Auch den Erzählungen anderer Piloten zufolge war mit dem Tod von Lenhart auch der Kunstflug auf der Hahnweide abrupt vorbei. Der Mann in der roten Extra hatte das seinerzeit forciert betrieben, es gab sogar einen Kunstfluglehrgang auf dem Platz, der gemeinhin als Streckenflieger-Mekka gilt.

Mit der Anschaffung der SZD-59 war für mich klar, dass ich etwas gegen die offensichtlich verbreitete (und mir unerklärliche) Kunstflugaversion tun musste. Leider scheinen in der Segeflugszene noch immer viele Aktive davon überzeugt, dass Kunstflieger irre sind, die nichts anderes tun als sinnlos Höhe zu verballern und dabei Flugzeuge kaputtzufliegen. Dass es höchst disziplinierte Sportler sind, die sich intensiv mit ihren eigenen Grenzen und denen ihrer Sportgeräte beschäftigen und sich infolge dessen sehr exakt am Limit bewegen können, kommt offenbar den wenigsten in den Sinn. Um den Faktor Disziplin von vornherein zu unterstreichen, verkniff ich mir jegliche Turnaktion in Platznähe und zog bis zur offiziellen Genehmigung lediglich weiter draußen mal einen Loop oder eine Rolle. Im Luftraum Golf, nach ausführlicher Luftraumbeobachtung, versteht sich.

Parallel sondierte ich die Lage, sprach mit den Vorständen der anderen Vereine und wollte ergründen, woher die Ablehung kam. Interessanter Weise reichten die Antworten auf meine Fragen von „Cool, wenn das wieder geht, machen wir mit!“ bis „Uns völlig egal, geh halt spielen“. Von wirklicher Ablehnung keine Spur. Warum dann dieser Aufriss? Rein rechtlich gab es in Bezug auf den Segelflugsektor bereits seit 2018 kein Problem mehr, denn damals hatte die DFS ihre Regelungen zu den Sektoren geändert, seitdem schlossen sich aktive Kunstflugboxen und die Sektorenfreigabe nicht mehr aus.

Also habe ich das Thema Kunstflug beim BWLV und meinen Verein mehrfach auf die Tagesordnung gebracht, und Anfang Oktober kam schließlich die Mail mit der erlösenden Botschaft: Einzelflüge sind bereits möglich, eine Box wird demnächst veröffentlicht. Krasser Scheiß, es war geschafft. Zwei Wochenenden musste ich dann noch warten, einfach, weil mir das Wetter jedes Mal eine Wolkendecke bei 2500 Fuß MSL reindrückte. Was willste da machen?

Umso schöner waren die beiden Flüge am 24. dann. Ich hatte mir ein schönes Programm ausgedacht, dass beim ersten Mal so lala lief, beim zweiten Mal ganz ok. Es war ein würdiger Auftakt für das nächste Kapitel im Buch „Kunstflug auf der Hahnweide“. Obwohl ich keine Chance hatte, Klaus Lenhart kennenzulernen, habe ich mich ihm in diesem Moment sehr nahe gefühlt. Alle die ihn gekannt haben, berichten übereinstimmend, dass er nicht nur den Kunstflug im Herzen hatte, sondern auch das Wohl der Leute um ihn herum. Sowas macht Menschen für mich unglaublich sympathisch. Ich glaube, wir hätten uns gemocht.

Eine Woche später habe ich in der Salzlore, die auf der Hahnweide interimsmäßig parkt, bis ihr neuer Anhänger vom Spindelberger abgeholt ist, die ersten zwei Gastkunstflüge gemacht. Auch wenn die beiden Programme völlig vereiert waren – Hinweis an Nachahmer: Fahrt null im Scheitel einer Kubanacht reicht nicht für die halbe Rolle, aber man kann noch nen Loop draus retten – hatten meine Mitflieger ihren Lautäußerungen zufolge eine Menge Spaß. Das konnte man selbst durch die Maske hören.

Jetzt ist wahrscheinlich erstmal vier Wochen Ruhe, auch wenn der BWLV den Platz wohl nicht zu macht. Individualsport und so. Andererseits ermöglicht die Flugpause effektivere vorbereitung auf die AZF-Prüfung, den den Kram habe ich mir auch noch ans Bein genagelt. D-FABC – request further instructions…

Mein erstes Tausender

Ich muss echt anfangen, Erlebnisse sofort aufzuschreiben. Es passiert einfach zu viel, ich komme da nicht hinterher. Andererseits: An den Laptop setzen und tippen, während die anderen am Abend den Tag „debriefen“? Never ever…

Zwei Wochen Fliegerurlaub versuche ich jetzt hier irgendwie zu rekapitulieren, obs gelingt, schau´mer mal.

Station 1: Kunstfluglehrgang in Tarmstedt. Das war eigentlich eine Notlösung, denn ursprünglich war die 37. KW in Reinsdorf geplant. Höhenwinde, für 22 Euro in die Box, prima für den kostenbewussten Segelkunstflieger. Aufgrund eines Trauerfalls im Aero Club Berlin und Corona fand dieser Lehrgang jedoch nicht statt, und Lima Foxtrott, den ich zwei Jahre zuvor in Reinsdorf kennengelernt hatte, wies mich auf freie Plätze in Tarmstedt hin. Why not?

Hier fliegt die Airbus Segelfluggemeinschaft Bremen auf einem hübschen kleinen Platz, der aus der Luft gar nicht mal so einfach zu finden ist. Aber dazu später mehr. Ich trudele am Montag meiner ersten Urlaubswoche Mitte September gegen Mittag ein, und den ein oder anderen anderen Piloten erkenne ich doch. Die wahrscheinlich denkwürdigste Begegnung ist die mit Christian. Er ist schuld daran, dass mein Leben vor zwölf Jahren die entscheidende Wende genommen hat. Ohne ihn hätte ich weder mit dem Segelfliegen angefangen, noch wäre ich jetzt Chef beim aerokurier noch hätte ich mit dem Kunstfliegen begonnen geschweige denn absurd viel Geld in ein Spielzeug investiert. Aber das Schicksal wollte es nunmal so, dass wir uns im Sommer 2007 auf diesem winzigen Autotreffen in Schmölln (war es wirklich dort??) begegneten, auf das uns unsere Vorliebe für die 124er Baureihe von Mercedes geführt hatte. Er erzähle damals, er sei Segelflieger, und das war eine Art Initialzündung für mich. Bis dato war ich nie auf die Idee gekommen, dass es mehr geben könnte, als Flugzeuge in Museen anzugucken. Jetzt sehen wir uns das zweite mal, nach einem Treffen auf der AERO vor zwei oder drei Jahren. Christian und drei Kameraden haben eine ASK 21 vom Landesverband Niedersachsen dabei, zwei weitere stellt der hiesige Club zur Verfügung, zudem ist der ISN-Fox dabei und meine 59. Tatsächlich bin ich auch scharf auf ein paar ASK 21-Starts, denn ich will die Bekannte für den Bayern-Dosi zwei Wochen später trainieren.

Und noch eine Gestalt springt da rum: Tobias Barth, der wohl beste Segelflug-Fotograf unserer Tage und würdiger Nachfolger des legendären Claus-Dieter Zink. Tobias und ich kennen uns, seit ich ganz zu Beginn meiner aerokurier-Zeit mal ein Porträt über ihn gemacht habe. Wir schätzen uns und kritisieren gern die Fotos des jeweils anderen. Tobias ist eher der Künstler von uns beiden, ich vielmehr der Handwerker. Das liegt vor allem an den äußeren Zwängen bzw. Nicht-Zwängen, denen wir unterworfen sind. Tobias macht das in seiner Freizeit und hat die Zeit, Bilder aufwändig zu gestalten, Hintergründe auszusuchen und auf das richtige Licht zu warten. Ich muss im Alltag des Luftfahrtjournalisten stets mit dem klarkommen, was an diesem Tag gerade an Wetter zu haben ist, denn mehr als einen Termin pro Flugzeug kann ich mir zeitlich schlicht nicht leisten, und der muss auch noch in den Redaktionsterminkalender passen. Und privat, das gebe ich offen zu, habe ich nur noch bedingt Lust zu fotografieren.

Und natürlich ist von vornherein klar, dass es an diesem Tag auch erste Air2Air-Fotos von der 8E geben wird. Ich gönne mir vorher allerdings einen Gewöhnungsflug, um zu gucken, wie mein Fliegerle und ich so drauf sind. Also nachdem ich den ganzen Papierkram erledigt habe, sprich Teilnehmerliste, Corona-Briefing, Lastschriftfreigabe, Passierschein A38 etc.

Tarmstedt ist der 60. Platz in meiner Liste, und die anfängliche Sorge, mit fremden Plätzen nicht zurecht zu kommen, ist inzwischen einer Art Vorfreude gewichen, etwas Neues von oben zu sehen. Wie üblich lasse ich mich über die örtlichen Gegebenheiten briefen, was Landemöglichkeiten für den Fall eines Startabbruchs angeht. Kurz darauf bin ich in der Luft und turne einmal das Bronze-Programm durch, dass mir irgendwer am Boden in die Hand gedrückt hat. Es läuft wie üblich: Winkel passen nicht, kreative Radiusvariationen im Kubaner und auch sonst ist es eben ein erster Flug einer Trainingswoche. Abhaken. Aber die 59 und ich sind uns einig, dass es für einen Fotoflug reichen sollte. Zunächst ist aber TvL im Fox dran, sich vor Tobias` Linse in Szene zu setzen. Während das Gespann in der Luft ist, beobachte ich mit Sorge das sich verschlechternde Wetter. Also nicht im eigentlichen Sinne schlecht, aber die Wolkendecke schließt sich wieder, was das passende Licht für die Fotoatmosphäre natürlich zunichte macht.

Als ich schließlich hinter der Husky hänge, rollt eine gigantische Wolkenwand auf den Flugplatz zu. Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit, um schnell genug so hoch zu kommen, dass sich die 59 noch den Bauch von Sonnenstrahlen kitzeln lassen kann und nicht alle Fotos im Schatten entstehen müssen. Am Boden hatten wir noch besprochen, welche Richtung ich grob fliegen soll, damit der Lichtwinkel passt. Also ausklinken und auf Kommando die Möhre auf den Rücken werfen. Und dann straight und rock steady Fluglage halten. Die Herausforderung besteht für mich vor allem darin, Tobias und seinem Fotopilot blind zu vertrauen, denn ich sehe ganz einfach nicht, was die beiden tun. Über Funk bekomme ich hin und wieder ein Kommando zu einer leichten Kurskorrektur und beschränke mich ansonsten darauf, so exakt wie möglich zu fliegen und vor allem genau Fahrt zu halten. Selten zuvor bin ich so fokussiert auf dem Rücken geflogen, sogar der Faden liegt akkurat in der Mitte. Keine Ahnung wie lange die erste Session dauert, aber als meine Fußzehen anfangen zu kribbeln, gebe ich per Funk durch, mal etwas Blut aus dem Kopf lassen zu müssen und rolle wieder in den Normalflug. Kurz darauf gehts nochmal upside down, und Tobias knipst weiter, bis das Kommando „fertig“ kommt.

Inzwischen sind wir allerdings arschweit weg vom Flugplatz, und aus der Luft sieht hier alles absolut gleich aus. Aber anstatt einfach 180° zu wenden, versuche ich mich anderweitig zu orientieren, was natürlich schiefgehen muss. Als ich im Navi Tarmstedt eindrehen will, klicke ich eins zu weit und habe Seedorf drin. Bevor ich das aber bemerke, muss die Husky mir erst dreimal zufunken, dass ich in die komplett falsche Richtung fliege. Also kehrt, nochmal am Navi gefummelt und dann endlich Tarmstedt eingedreht. Das LX lügt was von knapp zehn Kilometer Distanz, und noch nie war ich so froh, dass mein Eimer selbst mit Stummelflächen noch ein 34er Gleiten haben soll. Dennoch wird der Anflug spannend, und ich checke permanent Außenlandemöglichkeiten. Aber alles geht gut, und als sich abzeichnet, dass ich noch mit komfortabler Resthöhe in Tarmstedt ankomme, pfeife ich die Husky nochmal ran für ein paar Fotos im Normalflug. Landung, Debriefing, großes Gelächter bei den Anwesenden. Jaja, für Außenlandungen bin ich immer gut, wenns drauf ankommt, sogar im Kunstflug. Zu früh gefreut, Freunde!

Dienstag – Mistwetter und Bettruhe. Ich schniefe schon wieder, auch das hat Tradition in der KW37. Also Frühstück, wieder hinlegen und weiter pennen. Den Abend nutze ich noch, an einem Hochzeitsgeschenk für meinen besten Freund zu basteln, und so wird aus der Werkstatt der Tarmstedter kurzerhand eine Bootswerft. Also zumindest im kleinen Maßstab. Angesichts der miesen Wettervorhersage habe ich den Plan, mein Zelt aufzuschlagen, ad acta gelegt und bin in eins der Zimmer im Vereinsheim gezogen. Hier schläft außer mir offenbar noch eine Maus, zumindest deutet die nächtliche Geräuschkulisse darauf hin.

Mittwoch – immernoch Mistwetter. Aber ein Plan: Deutsches Schiffahrtsmuseum Bremerhaven und die Wilhelm Bauer, das letzte existierende Klasse XXI-Uboot besuchen. Und anschließend den Stationsleiter von Christoph 6 in Bremen treffen, den ich durch ein Interview kennen gelernt hatte und der mir sofort so sympathisch war wie selten ein Fliegerkamerad zuvor. Während mich im Uboot permanent die Frage begleitet, ob man mit dem Ding einen Looping fahren kann oder nicht, erfahre ich später auf der Rettungswache von Christoph 6 alles mögliche aus dem Alltag eines ADAC-Hubschrauberpiloten. Spannend in jedem Fall! Und die Zeit hat an diesem Tag sogar noch gereicht, um mir die Known für den DoSi mal ordentlich auszudrucken…

Donnerstag – es geht weiter. Früh aushallen, jede Minuten nutzen, damit möglichst viele der Grundschüler durchkommen. Das ist auf jedem Lehrgang die Maxime, dafür stecken auch die Weiterbilder immer mal wieder zurück. Dennoch bin ich optimistisch, zwei oder drei Starts auf der 21 abzukriegen, um das krude DoSi-Programm mal durchzuspielen. Donauwelle, Senkrechte abwärts, Turn mit Loop in der Aufwärtslinie, Zwei Viertel in Rückenlage, Käseecke, Fassrolle, halber Kubaner, gedrückter Humpty, Treppe auf. Mal abgesehen davon, dass ich von den anwesenden Fluglehrern vier verschiedene Anleitungen bekomme, wie man eine Fassrolle fliegt, sollte das machbar sein. Rainer ist der erste, der sich von mir durchschleudern lässt, nachdem er das Programm kompfschüttelnd zur Kenntnis genommen hat. Tatsächlich funktioniert das ganze einigermaßen, auch wenn ich feststelle, dass es in einer ASK 21 wohl keinen unsinnigeren Einbauort für einen G-Messer gibt als ganz unten im Panel vorm Steuerknüppel. Ablesbarkeit gleich null. Da man aber einige der Figuren nur mit Schmackes fliegen kann, macht sich das ziemlich beschissen ohne den entscheidenden Zeiger im Blickfeld. Ich jedenfalls hab da immer Angst, zu viele Gs aufzulegen.

Um die G-Messer-Problematik zu umgehen, switche ich für Flug zwei und drei auf die andere vereinseigene 21 und habe sodann Kamerad Sebastian im Rücken sitzen, den ich aus Hayingen kenne. Am Boden gehen wir das Programm nochmal durch, diskutieren über das Fahrtmanagement, und nach zwei weiteren Runden glaube ich, für den DoSi zumindest nicht völlig unvorbereitet zu sein.

Freitag – Wetter gut, Stimmung gut, Potenzial für einen passenden Abschluss einer gelungenen Woche. Drei Flüge auf der 59 gönne ich mir noch und habe mir dafür ein erstes, eigenes Spaßprogramm gebastelt. Natürlich musste da auch was Gerissenes drin sein, denn das macht mit der 59 einfach nur einen Heidenspaß! Kneifzange mit ganzer gerissener auf der 45 ab, Weibchen, Turn mit 2/8 abwärts, gedrückter Humpty mit 1/4 ab, Avalanche, 2/4 in den Rücken, Käseecke, Kubaner, Aufschwung mit vorgeschalteter ganzer Rolle. Und dabei direkt die Erkenntnis gewonnen, dass das einfangen ganzer gerissener Rollen deutlich anspruchsvoller ist als bei halben Rollen. Und: Ein Avalanche fliegt sich definitiv deutlich einfacher als ein Chinese. In Ansbach war in einem Programm so ein Drecksding mit einer Zweizeitenrolle drin, das mich völlig fertig gemacht hat. Das bedarf noch sehr sehr viel Übung, wohingegen der Avalanche vom ersten Moment an gesessen hat. Warum? Keine Ahnung. Passt vielleicht besser zu einem Grobmotoriker wie mir.

Schließlich packe ich mein Schätzchen wieder in den Anhänger und verbringe den Rest des Abends damit, in der Werkstatt für die Fluglehrer und den Organisator Kunstflugfiguren aus Schweißdraht zu biegen – als Andenken. Offenbar hatte ich mich mit meiner Bootsbau-Kür dafür qualifiziert.

Tarmstedt kann ich rückblickend nur als gelungene Woche bewerten. Wir haben aus wechselhaftem Wetter das beste gemacht, die meisten Grundschüler sind durchgekommen und ich habe in einem persönlichen Gespräch erfahren, warum bei einer Ariane-Rakete auch mal ein Triebwerk ausfallen kann. Spoiler: am Spritmangel lags nichts… Organisator Julian hat vor Ort wirklich einen top Job gemacht und unser Küchenbulle hat die Meute jeden Tag mit leckerem Futter und sogar frisch gebackenem Kuchen zur Kaffeezeit versorgt. Daher auch an ihn nochmal ein ganz besonderer Dank! Schön wars bei euch!

Sturm im Norden

Der Samtag ist mit der Hochzeit in Kiel verplante, aber sicherheitshalber habe ich die 8E dabei, man weiß ja nie. Tatsächlich ist der Plan, am Sonntag nach Aventoft zu fahren und mir den nördlichsten Flugplatz Deutschlands ins Flugbuch zu schreiben. Als ich gegen zehn uhr erstmals aus dem Delirium erwache, bin ich fast froh zu hören, wie es draußen stürmt. Wie üblich bei solchen Feiern war ich am Vorabend abgesehen vom Brautpaar und meinem völlig dichten Kumpel Benni der letzte. Wobei Vorabend Quatsch ist, wenn man bedenkt, dass ich erst halb fünf wieder im Hotelzimmer war. Ich beschließe, aus Gründen der Flugsicherheit noch weiter zu dösen und verlasse das Hotel erst gegen 11.30 Uhr. Ein Anruf in Aventoft bringt die Erlösung. „Du kannst herkommen und aufrüsten, aber dann fliegt dein Flugzeug noch bevor du drinsitzt“, erfahre ich von den Locals. Ich lehne also das Kaffeeangebot dankend ab und verspreche, es im nächsten Jahr erneut zu versuchen. Der Tag geht dann mit einem exzellenten Frühstück (Waffel mit Vanillieeis, Apfelmus und Eierlikör), Dösen in der Hängematte, abhängen am Strand und schließlich Helfen beim Aufräumen in der Feierlocation drauf. Hätte schlechter laufen können.

Fotosession die zweite

Da es von Kiel nur gut zwei Stunden nach Stade sind, winken dort ein weiterer neuer Flugplatz und die zweite Chance, mit Tobias ein Fotoshooting zu machen. Da Tobias auch erst am frühen Nachmittag Zeit hat, muss ich keine Hektik machen. Aber selbst die Anreise ist schön. Zwischen Hamburg und Stade ist die gesamte Elbaue gesäumt von Obstplantagen, und die durch die Blätter schimmernden knallroten Äpfel machen Lust, dort eine Handvoll zu klauen. Allerdings kann ich mit dem Anhänger schlecht mal eben anhalten, und die feine Art ist Obstdiebstahl ja auch nicht. Kurz vor 14 Uhr laufe ich in Stade ein, und nach einem kurzen Briefing stecken wir die 59 zusammen. Zunächst bekommt sie die langen Ohren, denn davon wollen wir auch Fotos haben. Dieses Mal fliegt Tobias im Motorsegler selbst, im Gegensatz zur „Gastposition“ in der Husky bietet ihm das nach eigener Aussage mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Mein Job erneut: rock steady neben ihm herfliegen und darauf achten, dass die SZD möglichst in der Winkelhalbierenden zwischen Fläche und Rumpf der Dimona bleibt. Wir fliegen Kreise mit nur fünf Grad schräglage, und ich bin überrascht, dass mein Flieger das überhaupt kann, denn eigentlich sind das 55 Grad zu wenig… Trotz der Fokussierung auf den Fotoflug kann ich hin und wieder den Blick etwas schweifen lassen über die tolle Landschaft unter uns. Die Elbe, das AKW Stade an ihrem Ufer, die vier großen Hochspannungsmasten, die die Leitungen über den Fluss führen und die weiten Obstplantagen.

Für den zweiten Flug kommen die langen Ohren ab und dafür die Visiere dran. Erneut ein Schlepp bis unter den Deckel in 4500 Fuß. Dieses Mal allerdings scheint der Wurm drin zu sein. Zunächst versuche ich krampfhaft, mit Tobias in Funkkontakt zu kommen – nichts. Ich wechsle permanent zwischen Platz- und Fotofrequenz, aber nichts passiert. Irgendwann knistert es im Funk und Tobias ist da, der Stecker seines Headsets hatte sich aus der Buchse gerüttelt. Auf Kommando drehe ich die 8E auf den Rücken und halte wie schon in Tarmstedt so genau es geht meine Geschwindigkeit. Dann die Aufforderung zum sanften Rückenkreis mit fünf Grad Bank. Und wieder merke ich, dass man auch auf dem Rücken absolut koordiniert fliegen kann, wenn man nur den Druck im Schädel konsequent genug ignoriert. Kurz darauf fliege ich im Normalflug wieder im 45-Grad-Eck hinter dem Motorsegler, wir beschleunigen auf etwa 150 und ich lasse die 59 mit einem kräftigen Zug am Knüppel bei gleichezitigem Seitenruderausschlag um die Längsachse schnippen. „Das sah ja geil aus“, kommentiert Tobias im Funkt, und ich freue mich schon diebisch auf das Foto.

Nach der Landung kommt aber das böse Erwachen. Tobias’ Kamera hat zwischendrin andauernd ausgesetzt, und so ist keins der Bilder aus der Session so richtig verwertbar. Frust auf beiden Seiten. Aber was willste machen? Für einen dritten Flug ist es zu spät, und Frau Barth wartet zuhause bereits mit dem Abendessen. Also flugs den Flieger auseinander gerissen, den Anhänger gesichert und den Ärger auf später verschoben. Und um ehrlich zu sein – so richtig viel Ärger wars auch gar nicht. Den Abend nutzen wir noch, um gemeinsam Fotos anzugucken und zu quatschen, und im Gästezimmer finde ich ein weiches Bett vor. Gastfreundschaft par Excellence, danke dafür!

Im Duo über die Hansestadt

Nächster Stopp meiner Flugplatztour: Hamburg-Boberg. Hier bin ich mit Peer vom HVL verabredet, um mir die Hansestadt mal aus der Luft anzugucken. Dafür bietet der Platz im Osten der Stadt mit einer Entfernung von gerade mal 15 Kilometern zur Hafencity beste Voraussetzungen. Das Wetter allerdings lässt kaum auf gute Segelflugbedingungen hoffen. Aber der Turbo wirds richten, sagt Peer, mit dem ich mich am Airbus-Werksflugplatz in Finkenwerder treffe, um gemeinsam nach Boberg zu fahren. Allerdings geht er den Verkehr ziemlich sportlich an, und ich habe einige Mühe, mit der 8E im Schlepptau dranzubleiben. Aber irgendwie schaffen wir es doch in einer knappen Dreiviertelstunde durch den Verkehr zum Flugplatz. Dort ist Dienstags immer Flugbetrieb, normalerweise die Senioren, jetzt alle, die Corona bedingt Zeit haben. ASK 21, ASK 23 und ein Duo stehen bereits am Start. Ob wir uns da unkompliziert einen Doppelsitzer klauen können?

Zunächst wieder das übliche Spiel, wenn man mit einem Anhänger, der auf den ersten Blick weder als Spindelberger noch als Anschau zu erkennen ist, irgendwo auf den Hof rollt. „Wasn da drin? Zeich ma her!“ Also Deckel auf, Rumpf raus und die wesentlichen Fragen beantwortet. Peer hat uns in der Zwischenzeit den Duo klargemacht. Also rin in die Kartoffel, Startcheck und ab dafür. Im Gegenanflug ziehen wir den Turbo und ratteln uns ein paar Minuten nach oben, damit es zumindest für eine kleine Sightseeing-Tour reicht. Auch wenn uns wegen der Kontrollzone ein Flug über die Innenstadt verwehrt bleibt, so finde ich es doch unheimlich spannend, Hamburg so nah zu sehen. Die Hafencity mit der Elbphilharmonie und dem großartigen Miniaturwunderland, der Hafen mit seinen Containerterminals und überhaupt das ganze urbane Umfeld faszinieren mich total. Peer gibt vom Rücksitz den Tourguide. Nach knappen 20 Minuten sind wir wieder unten. Eine knappe Stunde und ein Eis später bekommen wir noch die Chance auf einen zweiten Flug, und ich parke den Duo danach direkt vor der Halle ein. Boberg erlebt, Daumen hoch und danke für die freundliche Mitfluggelegenheit!

Beim Benni zu Besuch

Nach Hamburg blieb noch die Frage: wohin als nächstes? Bis zum DoSi hatte ich noch etwas Luft, nur Donnerstag wollte ich in Stuttgart sein, um mal paar Klamotten durch die Waschmaschine zu pressen. Nach der Boberg-Aktion hatte ich es noch bis Hannover geschafft und durfte dort bei einer guten Freundin aus Schultagen die Reste selbstgemachten Hühnerfrikassees verhaften und konnte von hier aus viele Plätze schnell erreichen. Als mein Kumpel und Fliegerarzt Benni aus Gelnhausen darauf hinwies, dass bei ihm am Platz Segelflugbetrieb sei und auch die Box ruckzuck angemeldet werden könne, war klar, wohin mich der Weg führt. 330 Kilometer mit Anhänger sind zwar kein Pappenstiel, aber da auspennen angesichts der Tatsache, dass zwei Kids durch die Wohnung turnen, eh nicht drin war, sollte ich kurz nach dem Mittag dort sein können. Gesagt getan. Gegen 13 Uhr schlage ich in Gelnhausen auf, ein Ort, mit dem mich die ziemlich schräge Freundschaft zu Benni und seiner Frau Melanie verbindet.

Vielleicht ist das der einzig richtige Moment, um das öffentlich zu machen: Am 16. Dezember 2017 gründete ich auf Facebook die Gruppe „Ride & Fly – Wo Reiterinnen auf Piloten treffen“. Mutmaßlich aus dauerhafter Frustration über mein Singledasein heraus ist das entstanden, und weil ich kurz zuvor auf dem Blog Pferdekosmos einen hoch interessanten Beitrag mit dem Titel „Warum Männer reiten und Frauen segelfliegen sollten“ gelesen hatte, dessen Logik ich mich nicht verschließen konnte. Zu dieser Zeit saß ich mit meinem aerokurier-Office noch Tür an Tür mit der Cavallo-Redaktion, und mutmaßlich hat mir eine von den Mädels den Link geschickt. Jedenfalls wird darin vom konträten Geschlechterverhältnis der beiden Sportarten berichtet, und wenn man mal bisschen in Statistiken wühlt, bestätigt sich das dort Geschriebene. Also warum nicht den gefrusteten Reiterinnen und Piloten gleichsam was Gutes tun und eine Plattform für Begegnungen initiieren? Gesagt, getan. Die Mitgliederzahlen stiegen, und tatsächlich gab es irgendwann rund 40 Prozent Single-Ladys in der Gruppe – selten für solche Anbahnungs-Prothesen. Irgendwann fanden sich auch Benni und Melli in diesem Dunstkreis wieder, und Mellis Einstands-Statement hatte ziemlich den Nagel auf den Kopf getroffen und musste einen versierten Jak-Piloten einfach zu einem Kommentar hinreißen. Man schrieb sich, traf sich – der Tatsache zufolge, dass nach nicht allzu langer Zeit Sohn Emil dazu kam lässt den Schluss zu, dass man sogar Sex hatte – und ich habe seitdem wohl für immer in Gelnhausen eine Couch, auf der ich pennen kann. Melli hat inzwischen zudem den LAPL(A) und Benni ein Pferd… Mir selbst hat die Gruppe übrigens nichts gebracht, trotz der aktuell 660 Mitglieder…

Zurück zum Thema. Angekommen, Döner gegessen, nen Strafzettel über 30 Ocken kassiert, weil ich aufm fremkontrollierten Netto-Parkplatz die Parkscheibe vergessen hatte und schließlich vor Wut kochend wieder am Platz angekommen. Flieger raus, visiere dran und dann erstmal ein nettes Gespräch mit dem Supervisor der DFS gehabt, ob man denn die Airliner, die im Anflug auf die Frankfurter 27 in dreieinhalbtausend Fuß über den Platz donnern, nicht mal für zwei Stunden umleiten kann, damit der Herr Reinhold spielen gehen kann. Und siehe da: die DFS konnte. Das hat mich dann doch überrascht und mir einmal mehr gezeigt, dass viele Dinge gehen, wenn man nur nett fragt.

Zeitgleich am Platz ist auch Moritz Kirchberg, der hier ein paar Starts auf einer Cub für die Spornradeinweisung machen will und sich sofort bereit erklärt, mein Spaßprogramm zu kommentieren. Short Story noch shorter: Der erste Flug ging völlig daneben, mieses Positioning und die Hälfte der Figuren vergeigt. Das zweite hingegen war wohl so, dass sich selbst Moritz zum ein oder anderen Lob hinreißen ließ. Und sogar das Weibchen sah wohl richtig schön aus. Beim zusammenpacken helfen mir Bennis Bruder und noch ein paar andere Gelnhausener, wobei ersterer drängelt, denn im Hause Schaum gibts zum Abendessen Burger, und Zuspätkommer müssen dann die Küche putzen oder so… Dennoch setze ich hier noch den Plan um, meine Anhängerdeichsel mit Griptape zu bekleben. Benni hat mir vor seinem Verschwinden nach Hause und in die Küche ein paar Reste und eine Schere bereitgelegt. Beim Einladen des Staufachs gut zehn Tage zuvor war ich im Übereifer auf die feuchten Deichselträger geklettert und hatte im Wegrutschen fast nen Abgang gemacht, worauf mir die Idee mit dem Tape kam.

Schließlich kommen wir im Dunkeln bei Benni an und in der Küche sind die Burger schon am brutzeln. Dazu gibt es urst gutes Radler aus Hellers Brauwerkstatt, das mir der Braumeister, ein Kumpel von Benni, höchstselbst als oberlecker, da wenig süß weil mit selbst gemachter Zitronenlimonade gemixt, anpreist. Und obwohl ich kurz zuvor eigentlich zu dem Schluss gekommen war, dass ich kein Radler mehr trinken will, kaufe ich gleich noch vier Flaschen, die der Braumeister dabei hatte.

Als ich am Donnerstag Abend endlich mal Zeit finde, mein Flugbuch zu führen, frohlocke ich, dass ich auf dem DoSi mein erstes Tausender voll mache. Natürlich kein Strecken-Tausender, sondern den tausendsten Start. Dann fallen mir im Vereinsflieger noch drei Flüge von mir auf, die ich offenbar vergessen habe einzutragen. Och nö! Nachdem das Malheur korrigiert ist, wird mir klar, dass die Tausend ungefeiert an mir vorüber gegangen ist. Mein tausendster Start war der zweite in Gelnhausen. Aber hey, immerhin hat Moritz den als gar nicht mal so übel besprochen. Damit kann ich dann doch irgendwie leben.

Koppüber in Agathazell

Nach einem Tag Waschpause gehts direkt weiter ins Allgäu nach Agathazell. Bayern-Dosi – der einzige Wettbewerb, den ich in diesem Jahr fliegen sollte. Dafür hatte ich mir von den Kollegen der Caravaning-Redaktion eine knallgelbe Knutschkugel samt passendem Zugfahrzeug geborgt, denn einen Flieger musste ich ja nicht mitnehmen. Als ich am frühen Nachmittag am Flugplatz aufschlage, bin ich einer der ersten. Wohnwagen abstellen, dabei bemerken, dass ich keinen Steckeradapter von Womo auf Schuko dabei habe und schon die erste Bastelaktion planen. Vorher noch Tonanlage aufbauen und verkabeln – immerhin habe ich mit Ines vom Degerfeld einen grandiosen Kulturbeitrag geplant. Von vorbereitet zu sprechen wäre hier sicher übertrieben. Also Baumarkt, zwei Stecker und ein Stück Kabel sowie drei Lampen für die Lichterkette in der Halle geholt und zurück zum Platz. Allerdings rächen sich jetzt der Stress des Tages und zu wenig Flüssigkeitszufuhr, und ich habe nen mega Schädel, der mich sogar dazu zwingt, auf den Trainingsflug zu verzichten. Dank Chief-Judge Suna – im richtigen Leben Ärztin – gibts für mich ne Tablette, sodass ich bis zum Eröffnungsbriefing mit meinem Kopf wieder durchs Hallentor passe. Wenigstens was.

Fleischi, einer der FIs, die an meiner Leidenschaft für Kunstflug erhebliche Schuld tragen, hat als Wettbewerbsleiter den DoSi Generalstabsmäßig organisiert. 3D-Animationen der Box, die sich derjenige Kunstflieger, der echt viel zu viel Zeit hat, vorher hätte in Google Maps anschauen können, eine bis auf einen Eckmarker komplett ausgelegte Box und vor allem die detaillierten Zeitpläne, wer wann in welchem Flugzeug zu sitzen und zu starten hat, lassen so ein ganz kleines bisschen Salzmanncup-Feeling aufkommen. Denn da haben wir im Vorjahr in Vielbrunn den Startkladden-Fanatiker und den F-Schlepp-Verschränker erlebt, die mit militärischem Führungsstil respektive kruden Ideen zur Effizienzsteigerung im Schleppbetrieb für einige Erheiterung sorgten. (Anmerkung dazu: den permanent rumbrüllenden Typ mit der Kladde, der jeden irgendwie von der Seite angemacht hat, hat keiner so richtig ernstgenommen, und der Schleppbetrieb lief trotz der Doktorarbeit im Vorfeld einigermaßen chaotisch, weil man versuchte, mit einer bis zum Stehkragen vollgetankten Diesel-Remo Föxe in den Himmel zu ziehen, und weil auch schonmal Schlepp-Piloten doof guckend rumstanden, obwohl ein abflugbereiter Segler auf einen Schlepp wartete… Abgesehen von diesen kritikwürdigen Punkten hat das dort aber durchaus Spaß gemacht!)

Mit 19 Teilnehmern ist der DoSi nahezu ausgebucht, und auch die Judgeline ist prominent besetzt. Suna, Robins Freundin, wacht als Chief Judge über den ordnungsgemäßen Ablauf der Wettbewerbsflüge, weiterhin sitzen hier Nationaltrainer Schorsch, Rainer, Linda und Tobi mit ihren Assistenten, allesamt erfahrene Schiedsrichter. Und ziemlich unbestechlich. Suna macht direkt klar, dass Einspruch zwar möglich aber a) teuer und b) sinnlos ist. Nunja.

Der Abend geht schließlich mit einer eineinhalbstündigen Probe in der Werkstatt dahin, in der Ines, Martin und ich probieren, aus Gitarre, Cajon und Mundharmonika ein brauchbares Programm für den folgenden Abend zu zimmern. So schlecht klangs nichtmal. Ab in die Knutschkugel und halbe gerissene ins Bett.

Samstag. Frühstück und Wetter top. Und soooobock! Da Fleischi vergisst, meinen Cockpitplatz zu verlosen, der durch die kurzfristige Absage von JL vakant geworden ist, setze ich mir Matze aus der Advanced-Nationalmannschaft hinten rein. Der ist zwar als Safetypilot eingeplant, diesbezüglich aber noch arbeitslos. Wir starten irgendwo im Mittelfeld. Unser weltbester Schlepppilot der Welt, Sammy, ist wieder dabei, und angesichts der Konstanz, mit der er Segler in den Himmel zieht, bin ich geneigt, ihm ein T-Shirt mit dem Schriftzug MASCHINE drucken zu lassen. Wir sprechen das kuriose Programm nochmal durch und verständigen uns bezüglich der Eingangsgeschwindigkeiten der Figuren. Haube zu und los!

Bei 1250 Metern klickt das Seil aus der Kupplung. Allerdings sind wir recht nahe an der Box, sodass ich mit dem Positionieren eigentlich schon zu weit reinfliege. Anwackeln, Fahrt, Donauwelle. Die Senkrechte aufwärts am Ende gerät einen Tick zu lang, sodass ich Mühe habe, die 21 auf der folgenden Linie zu halten. Senrechte abwärts, Fahrt holen für den Turn mit Loop in der Aufwärtslinie. Der Loop kommt, Fächerung ist so lala, Senkrechte drücken, Abfangen und rein in die zwei Viertel in den Rücken. 30° Aufwärts, Käseecke. Und dann die Fassrolle. Eher nicht schön, aber wahrscheinlich auch keine Null. Halber Kubaner, der Bogen könnte schöner sein und sicher wieder zu wenig Linie nach der halben Rolle. Senkrechte zum Humpty, knapp vor der Ballistik läuft die 21 in den Bogen, Senkrechte ab und abfangen. Treppe auf, Abwackeln. Blick zum Höhenmesser: 500 quetsch. Sollte gepasst haben. „Also ne Null hab ich da nicht gesehen“, kommt es von hinten. Sehe ich auch so, weiß aber nicht, wie das von unten ausgesehen hat. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass ich wieder mal zu schnell durch die Box gedübelt bin.

Nach der Landung debriefen wir noch kurz, kommen aber zu dem Schluss, dass es so schlecht nicht gewesen sein kann. Jetzt heißt es, den anderen zugucken, abschätzen, wer besser und wer schlechter fliegt, und natürlich beim Einsteigen und abfertigen helfen.

Irgendwann nach dem Mittag trommelt Fleischi zum Zwischenbriefing in der Halle. Alle warten gespannt auf ihre Platzierung nach dem ersten Durchgang. Ines auf Rang 1, Fisch auf 2 und Stephan auf 3. Immer mehr Namen fallen, meiner nicht. Ich spüre Enntäuschung und Wut in mir aufsteigen. Weniger, weil andere vor mir sind, sondern vielmehr, weil ich mir nicht erklären kann, wo ich die Punkte liegengelassen habe. Rang 12 von 19 ist es am Ende, ich koche innerlich, versuche aber noch irgendwie, mir das nicht anmerken zu lassen. Auch Matze guckt sparsam, weil er nicht so richtig kapiert, was da los ist.

Jetzt wird das Wettbewerbsfeld geteilt in Advanced und Sportsman. Die Advanced bekommt ein völlig krudes Programm, angesichts dessen ich eigentlich froh sein müsste, dass ich in der Sportsman gelandet bin. Wir haben aber auch ne ziemlich kreative Figurenfolge für unseren zweiten Durchgang bekommen: 30 Grad ab, mit einer je einer viertel Rolle in eine Richtung und wieder zurück in den Normalflug. Gezogener Humpty, halbe Donauwelle mit halber Rolle in Rückenlage und halbem Loop, Rolle, Wingover, Doppel-Loop, also zwei Loops auf einer Stelle, Turn, gedrückter Humpty, Aufschwung. Dideldum hat die Sportsman-Meute um sich gesammelt und geht mit uns die Figuren durch. Knackpunkte sind die gegenläufigen Viertelrollen, da die 21 nunmal langsam rollt und auf der Abwärtslinie sukzessive Fahrt aufnimmt. Auch die Donauwelle verlangt nach reichlich Fahrt, damit oben noch genug Energie für die halbe Rolle da ist.

Als nächstes fliegt die Advanced ihre Unknown, und ich bin eigentlich die ganze Zeit damit beschäftigt, meine Wut über den vergeigten ersten Durchgang irgenwie im Zaum zu halten. Ich kanns mir ums verrecken nicht erklären, was da falsch gelaufen ist. Und es gelingt mir leider nicht wirklich, das vor den anderen zu verbergen. Sowohl Robin als auch Dideldum scheitern daran, mir den Ärger auszureden. Keine Chance. Obwohl die ganze Nummer noch gar nicht gelaufen ist, fühle ich mich ein kleines bisschen wie nach dem letzten Durchgang bei den Schweizer Meisterschaften in Thun ein Jahr zuvor.

Die Zeit Schreitet voran, und es sieht ganz so aus, wie wenn die Sportsman erst am nächsten Tag fliegen kann und es bei insgesamt zwei Durchgängen bleibt. Als die Judges einpacken, gelingt es mir, einen Blick in den Wertungsordner zu werfen. Abgesehen von der Fassrolle, die jeder der Schiris anders gesehen haben will, sehen die Noten gar nicht mal so schlecht aus. Ganz unten im Bewertungsbogen steht die Antwort auf meine Frage nach dem warum: 70 Strafpunkte für ein low. LOW? WTF? Kann nicht sein. Wir waren nach dem Abwackeln sowas von saumäßig hoch, dass man da noch entspannt zwei Figuren hätte fliegen können. Low? Im Leben nicht. Als ich in die Bewertungsbögen linse, muss ich einsehen, dass alle vier Judges den gedrückten Humpty zu tief gesehen haben. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass wir auf der 30er-Treppe am Ende 100 Meter gut gemacht haben sollen. Aber was solls? Ändern kann ichs eh nicht. Was mich entspannt ist die Tatsache, dass ich ohne die Strafe im Gesamtclassement auf Rang sechs gelandet wäre und sogar meinen Kunstflug-Lehrer Oli hinter mir gelassen hätte. Ich muss bei dem Gedanken in mich rein grinsen, gebe aber nach außen weiterhin den „Wutbürger“. Auch wenn jetzt jede Bemerkung über blinde Schiedsrichter und dekalibrierte Augenmaße mit einem ironischen Unterton kommt. Ich vermute aber, den bekommen angesichts meiner realen Wut vom Nachmittag nur die wenigsten mit.

Am Abend hat unsere frisch zusammenimprovisierte Band ihren ersten Auftritt. Kurz zuvor gibt es aber noch eine Überrschung für mich. Fleischi überreicht mir ein Unklar-Schild in Flamongo-Rosa. Und damit hat unsere Kapelle dann auch ihren Namen, denn das Blechding baumelt für die rund anderthalb Stunden, die wir unsere Kameraden und die vielen Helfer mit klassischer Lagerfeuermucke von Clapton, Pink Floyd und co. unterhalten, an meinem Mikrofonständer.

Noch an diesem Abend bekommt mein Copilot Matze die fristlose Kündigung, da er es versäumt hat, durch einen Hinweis auf die verbleibende Höhe das Low zu verhindern. Morgen fliege ich mit Isa, die gerade in Beilngries ihren Turnschein gemacht hat. Und sie bekommt einen einzigen Auftrag: den Höhenmesser nicht aus den Augen zu lassen und bei 600 und 500 Metern ne Ansage zu machen.

Tag zwei, Flug zwei, jetzt gilts. „Maschine“ setzt uns wieder perfekt positioniert vor der Box ab. Die Wechselrolle fühlt sich mit der 21 regelrecht behindert an, der gezogene Humpty läuft einigermaßen. In die halbe Donauwelle gehe ich zu langsam rein, sodass das Flugzeug regelrecht in den halben Loop reinfällt. Au Backe, das gibt wahrscheinlich ne Null. Die Rolle sitzt gefühlt halbwegs vernünftig, aber für den Wingover ist es arg wenig Fahrt, sodass die 21 nach der halben Drehung viel zu stark in die Abwärtslinie eintaucht. Doppelloop. Hoch, rum, raus, direkt wieder hoch, rum, raus. Wie das wohl von unten ausgesehen hat? Vorspannen, Senkrechte zum Turn, Tritt – hat man auch schon schöner gesehen. „600!“ kommt von hinten. 150 Meter noch. Ein zweites Low würde mich wohl zu wutbedingt vorzeitiger Abreise nötigen. Also Konzentration! auf zum Humpty, rumdrücken, Senkrechte nicht zu lange stehen lassen und raus. 45 auf, abwackeln. Höhe irgendwas über 500. Auch egal nun, vorbei ist vorbei.

Nach der Landung meint Isa nur, mein Flugstil sei gar nicht so rabiat wie sie befürchtet hatte. Ich fasse das mal als Kompliment auf und versuche, irgendwie mit dem zufrieden zu sein, was ich da zusammengeflogen habe. Gelingen mag mir das nicht so recht, was mich auch schonwieder ärgert, denn es macht ein stückweit den Spaß an solch einem an und für sich grandiosen Wochenende zunichte.

Nach den Wertungsflügen werden die Flieger zusammengepackt und es kehrt langsam Ruhe ein auf dem Agathazell International Airport, wie es selbstbewusst in großen Lettern am Tower steht. Und ja, der Platz ist echt schön gelegen. Und er hat einen unfassbar hohen Anteil an verdammt hübschen Mädels im Team. Hier muss ich wohl häufiger zu Besuch und zum Turnen kommen…

Fleischi pfeift zum finalen Debriefing samt Siegerehrung. Ich bin gespannt, wie schlecht es in Summe aussieht. Von hinten nach vorne geht er die Platzierungen der Sportsman durch, und als bei Rang vier mein name immernoch nicht gefallen ist, kann ich mich gegen die in mir aufsteigende Freude nicht wehren. Will ich auch nicht. Denn die Pokale, die die Organisatoren gebastelt haben, sind derart cool, dass ich mich einfach nur wie bolle freue, einen davon mit nach Hause nehmen zu dürfen. Silber in der Sportsman geht an Michael Köllner, Gold an Matthias Spreng. In der Advanced hat Ines abgeräumt. Sie hat nicht nur die höchste Gesamtpunktzahl, sondern auch den punkthöchsten Flug des Wettbewerbes gezeigt. Absoluten Respekt dafür. Rang zwei geht an Fischi, Bronze holt unser Mundi-Meuchler Martin. Damit gehen vier von sechs Pokalen des Bayern-Dosi nach Baden-Württemberg! Die BWLV-Luftturner haben wieder zugeschlagen.

Logisch, dass nach zwei derart emotionalen Tagen die Verabschiedungszeremonie so richtig wehmütig ausfällt. Aber während beispielsweise die Dideldums neun Stunden nach Hause in Kauf nehmen müssen, um Tags darauf wieder arbeiten zu müssen, geht es für mich weiter nach Schänis für ein Flugplatzportrait samt erstem Alpen-Einweisungsflug. Aber das ist wieder eine Story, die im aerokurier zu lesen sein wird. Spoiler: Es kommt ziemlich oft das Wort „Unlandbar“ drin vor…

It´s a wonderful, wonderful life…

Eigentlich ist eine SZD-59 ja in erster Linie dazu da, mit ihr Programme in die Box zu zimmern. Bis ich das aber offiziell auf der Hahnweide darf, bekommt sie vorerst häufiger die langen Ohren angesteckt, auf dass ich mit ihr auch die Schwäbische Alb ein bisschen erkunden kann. Oder Reviere, in denen Sie früher oder später ihres Amtes walten darf. So führte mich am 31. Mai der erste Streckenflug direkt nach Hayingen. Hier hatte mein Fliegerle ja bisher nur die Werkstatt von innen gesehen. Für den üblichen Streckensegelflieger dürfte diese Aktion auch ziemlich idiotisch anmuten: Start an der Winde, hochkurbeln, und dann straight in Richtung eines nur rund 40 Kilometers entfernten Flugplatzes mit der Absicht dort zu landen und die Leute zu besuchen, die dort fliegen. Aber was ist bei mir schon normal? Nüschd!

Bis nach Hayingen braucht es tatsächlich nur wenige Bärte, nach einer Dreiviertelstunde bin ich da und Quatsche mit den Piloten vor Ort. Bei Dennis bedanke ich mich noch einmal für die Unterstützung beim Bau des Reserverad-Deichselträgers und bei Kollege Fischer, der etwas später brüllender Weise mit der Pitts einschwebt, für die Top Arbeit am Rumpf.

Anderthalb Stunden und ein Eis später bin ich wieder in der Luft. Nach dem Schlepp bis Höhe Münsingen finde ich gut Anschluss an die Thermik und hangele mich zurück Richtung Hahnweide. Da die zwischenzeitliche Abschirmung unterdessen weitergezogen ist, ploppt auch die Thermik wieder auf und ich hänge noch ne gute Stunde Lustflug dran.

Nur einen Tag später schaffe ich es vom Ende des Lenninger Tals infolge schwacher Thermik und/oder (deutlich wahrscheinlicher) fehlender fliegerischer Fähigkeiten nicht mehr zurück zur Hahnweide und entschließe mich zur Landung in Grabenstetten. Was manch anderen Segelflieger wahrscheinlich wurmen würde, freut mich eigentlich, weil es wieder ein Platz mehr auf der Liste ist. Hier treffe ich Leute, die ich ein Jahr zuvor beim Salzmanncup kennengelernt habe – allerdings brauchen die angesichts von Bart und Corona-Matte mehrere Anläufe, bis sie mich erkennen. Auch hier verdaddel ich mehr als eine Stunde mit Quatschen, bevor ich dank Windenstart für lau zurück zur Hahnweide düse.

Grabenstetten
8E auf Besuch in Grabenstetten.

Der nächste Eintrag im Bordbuch der 59 datiert auf den 12. Juni – den Tag nach Fronleichnam. Für Segelflieger ist BaWü wirklich the place to be, denn abgesehen von Bayern gibt es nirgendwo mehr Feiertage, und je mehr Feiertage, desto mehr Tage für den Vereinsflugbetrieb. Doof nur, wenn das Wetter da nicht mitspielt. Aber dank Kurzarbeit kann man sich momentan recht unkompliziert Brückentage bauen, ohne das Urlaubskonto zu belasten. Und so ging es eben Freitags in die Luft. Fünfmal, davon vier Windenstarts und ein kurzer F-Sschlepp. Einfach fliegen, das Flugzeug besser kennen lernen, verstehen, was es wann tut…

Der Abend geht schließlich dafür drauf, die weiß grundierten Visiere endlich mit Farbe zu versehen. Und während das Primern irgendwie nur bedingt Spaß gemacht hat – einfach, weil weiße Visiere scheiße aussehen – war der Farbauftrag echt ne angenehme Sache. Erstens, weil man im Lackieren mit der Tagesleuchtfarbe endlich dem Endergebnis nahe kommt, und zweitens, weil auf dem Schotterplatz vor dem Flugplatz eine solide Dire Straits Coverband aufspielt. Dose schwingen im Takt von Sultans of Swing – da hab ich schon ödere Arbeitseinsätze auf der Hahnweide gehabt.

Visiere
Erster Lackierversuch in Farbe. Fürn Garten reichts…

Besuch in Paterzell

Auf der Heimfahrt muss ich natürlich Franz, der die Visiere gebaut hat, vom Lackiererfolg berichten. Im Quatschen erzählt er mir, dass mein Kunstfluglehrer Fleischi am nächsten Tag auch in Paterzell ist, und so reift kurzfristig der Entschluss, spontan nach Bayern zu fahren und dort einen Tag zu fliegen.

Als ich Sonntag um 7.30 vom Wecker aus dem Schlaf gerissen werde, bereue ich das fast, denn ich komme überhaupt nicht in Gang. Vorsorglich habe ich mein ganzes Geraffel noch in der Nacht vorbereitet und muss den Kram und mich eigentlich nur ins Auto werfen und zur Hahnweide fahren, um die 59 einzusammeln. Auf dem Weg dorthin werde ich einigermaßen wach, auch, weil ich permanten „Akkus nicht vergessen, Akkus nicht vergessen!“ vor mich hin meditiere. Runter von der A8, zum Platz, Flieger anhängen, Visiere einladen und wieder auf die Piste. Von der Hahnweide brauche ich etwa zweieinhalb Stunden bis Paterzell und kämpfe unterwegs mit Vorfreude die Müdigkeit nieder.

Als ich auf den Flugplatz einbiege und aussteige, schallt mir schon ein kräftiges „Spacko!“ entgegen. Insider vom Salzmanncup. Franz grinst mich an, und auch Fleischi freut sich offensichtlich über den Besuch. Nach kurzer Begrüßung bekomme ich einen Stellplatz zugewiesen und mit ein paar Helfern ist mein Baby ruckzuck aufgebaut. Die Visiere hatte ich eigentlich nur zum Zeigen mitgebracht, aber Franz reißt sie mir förmlich aus der Hand. „Bohren wir jetzt gleich passend“, meint er. Nun gut. Doof natürlich, dass ich vor dem Lackieren den Bereich der Visiere, der im Halter sitzt, nicht abgeklebt hatte. Als blankes Carbonrohr passte das saugend, die Schicht aus Primer und Lack ist aber zu dick. Also schneide ich mit dem Cutter einmal ringsrum und kratze das Zeug auf den letzten zehn Zentimetern wieder ab, währrend Franz die Halterungen auf der Ständerbohrmaschine bearbeitet. Nach einer guten halben Stunde ist alles erledigt und die 59 ist jetzt wirklich competition ready. Nicht dass ich mit den Antennen besser fliegen würde, aber es sieht in jedem Fall geil aus.

Natürlich zeigen mit Franz und Fleischi auch ihr neues Spielzeug, und ja, so ein Swift hat schon was.

Aber nun ab in die Luft! Mein Plan ist, mich auf 1200 Meter schleppen zu lassen und einmal das Grundprogramm durchzufliegen. Und dann möglichst Thermik zu finden, um nochmal Höhe zu machen fürs Figurentraining. Fleischi verspricht, vor seiner Abfahrt mein Programm zu kommentieren. Auf dem Weg in die Box steigt die Spannung. Das erste Programm auf dem eigenen Flieger. Surreal…

Anwackeln bei 1150 Metern, Knüppel vor und Blick aufs Visier. Schon cool, mal nicht schätzen, sondern nur abgleichen zu müssen. Fahrt 200, Linie, Loop. Oben schön ausrunden, und tatsächlich funktioniert das mit 20 km/h mehr viel besser. (Robin, du weißt wirklich wovon du sprichst!) Unten mit 200 raus, Linie, 45 Grad auf, Knüppel auf die Seite, halbe Rolle, stoppen und geradeaus weiter, bis die Fahrt niedrig genug für den 5/8-Loopbogen ist. Was mit der 21 immer ein mega Gewürge war – mit der 59 geht die halbe Rolle in der Aufwärtslinie wunderbar leicht von der Hand. Durchziehen, schön ausrunden und unten mit 220 raus, um Energie in den Aufschwung mitnehmen zu können, damit oben noch genug Power für die gesteuerte halbe Rolle da ist. Das klappt auch überraschend gut. Mit der 21 wäre man hier gleich wieder auf ner leichten Abwärtslinie, die SZD kann das natürlich nahezu horizontal, mit dem Ergebnis, dass ich sie bewusst anstechen muss, um Fahrt für den ersten Turn zu holen. 200 lege ich auf, spanne rechts vor, ziehe knackig in die Senkrechte und erfreue mich einmal mehr am Leuchtorange schimmernden Visier. Tritt ins Pedal, die Nase kommt rum und der erste Turn gelingt erstaunlich gut. Senkrechte einstellen, Richtung mit dem Querruder leicht korrigieren, abfangen. Mit knapp 200 Sachen durch die erste Rolle, Linie, zweiter Turn. Wieder spanne ich rechts vor, was doof ist angesichts der Tatsache, dass es im Grundprogramm ein definierter Linksturn sein muss. Natürlich wird es dann ziemlicher Quatsch und mein Tritt ins linke Pedal kommt nicht nur zu spät, sondern geht auch weitgehend ins Leere. Mit Hoffnung allein kriege ich den Eimer aber nicht ums Eck und bei aller Faszination vergesse ich auch noch, die Ruder auf Anschlag zu stellen. Als die aerodynamik das mit gewissem Nachdruck erledigt, erwache ich aus meiner Apathie und korrigiere immerhin mit ner Viertelrolle auf der Abwärtslinie, um wieder in Boxrichtung zu kommen. Apropos Boxrichtung: Die hab ich gleich mal um 90 Grad verdreht… Die letzte Rolle eiere ich einigermaßen durch, ziehe hoch und wackle bei 600 Meter ab – und bin froh, das erste Programm überlebt zu haben. +5 und -1,5 stehen am Ende auf dem G-Messer, und das Fahrtmanagement war auch einigermaßen solide.

Ich bin trotzdem klatschnass geschwitzt und muss mich erstmal sammeln. Kurze Zeit später kreise ich die 59 im nächstbesten Bart ein und mache wieder Höhe. Bei 1200 Meter AGL melde ich meinen zweiten Einflug in die Box, und Paterzell Info bestätigt. Jetzt soll es ein kleiner Kennenlern-Tanz werden, um überhaupt mal herauszufinden, was meine polnische Freundin so macht, wenn man dieses und jenes mit ihr anstellt. Also erstmal 160 Sachen aufgelegt und ne halbe Rolle in Rückenlage. Ausleveln und auf 160 halten. Fahrt laufen lassen und wieder wegdrücken. Ich sehe dabei mutmaßlich ziemlich angespannt aus, denn ans Negative bin ich irgendwie immernoch nicht gewöhnt. Querruder links, 45 Grad Querlage und drücken. Schön wird die Kurve nicht, aber immerhin ändert mein Fluggerät die Richtung. Nach 90 Grad reicht es mir und ich  rolle die 59 wieder in Normalfluglage.

Andrücken, 200 auflegen, Linie zeigen. Rechte Fläche auf den Horizont, ziehen, senkrechte einstellen. Blick aufs Visier, Winkel scheint zu passen. Aber wie lange stehen lassen, die Senkrechte? Ich trete voll ins rechte Pedal und scheine intuitiv den richtigen Moment getroffen zu haben. Die 59 fächert schön, kaum zeigt die Nase wieder gen Boden, stoppe ich die Drehung mit dem Seitenruder, drücke die Senkrechte passend hin und sehe fasziniert zu, wie der Fahrtmesserzeiger Karussell fährt. Bei 220 fange ich ab und ziehe gleich nochmal zum Turn hoch. Diesmal verpasse ich den richtigen Moment und meine polnische Freundin verhungert nach einer Achteldrehung um die Hochachse. Scheiße. Diesmal bringe ich die Ruder auf Anschlag, aber zum ersten Mal in meinem Leben ziehe ich nicht, sondern drücke. Die Bewegung, die das Flugzeug dann ausführt, überfordert auf einen Schlag alle meine Synapsen. Es ist, als ob mein Zentralrechner innerhalb von Sekundenbruchteilen abstürzt und neu bootet, denn kaum ist der Purzelbaum vollzogen und die 59 in der Senkrechten, fange ich sie halbwegs routiniert ab und bringe sie wieder in die Waagerechte. Mit vier Viertelkleeblättern verballere ich den Rest meiner Kunstflughöhe und reihe mich dann wieder in die Thermik ein, die mich noch einmal auf 1100 Meter bringt, die ich standesgemäß verheize. Nach einer Stunde und elf Minuten berührt das Rad der 59 wieder den Boden von Paterzell.

Als ich mir den Kommentar zum Programm anhöre, den mir Fleischi per WhattsApp geschickt hatt, muss ich erstmal lachen. Wie so oft hat er versucht, die ersten Sätze im Dialekt meiner Heimat zu formulieren. Freilich ist er daran grandios gescheitert, aber amüsant ist es allemal.

Nach einer Eispause hänge ich mich noch zweimal an die Winde, finde aber keine Thermik mehr. Als ich die 59 schließlich einpacke, geht ein fantastischer Tag zu Ende, den selbst die dunklen Wolken, die links von der A7 aufziehen, als ich nach Hause fahre, nicht trüben können. Mein Radio greift sich vom USB-Stick direkt hintereinander „What a Wonderful World“ von Louis Armstrong und „Wonderful Life“ von Black. Das ist so ultra kitschig, dass man es sich nicht ausdenken kann, aber in dem Moment passt es einfach. Und besser als auf Tilos Terrasse in Weilheim, bei gutem Essen im Kreis lieber Fliegerkameraden, hätte mein erster größerer Ausflug mit meiner polnischen Schönheit nicht enden können. Danke an alle, die das möglich gemacht haben.