Weihnachtswunder

Sicher, man kann einen 23. Dezember dazu nutzen, um noch die letzten fehlenden Geschenke einzukaufen, man kann sich bereits auf den Weg in die Heimat machen, um den ganze Heiligabend mit der Familie zu verbringen oder endlich mal die Bude auf Vordermann bringen, die während der ganzen „besinnlichen“ Vorweihnachtszeit zwischen Plätzchenbacken, Geschenke in ICAO-Karten einwickeln oder dem allgemeinen Chaos des Alltags vollends verwahrlost ist. Oder man kann fliegen gehen. Und diese Option ist aus meiner Sicht die beste.

Am Vorabend des Heiligvorabends bin ich einigermaßen ernüchtert, denn die Prognosen des Windfinders sind alles andere als optimal. Der Superforecast zeigt zwar West mit fünf bis zehn Knoten, aber angesichts der völlig anders aussehenden Normalvorhersage beibe ich skeptisch. Dann bleibt mir nur, die 59 aufzurüsten und zwei Runden turnen zu gehen. Auch schön. Das Büro der Besonderen Nutzung Luftraum bei der DFS ist nicht mehr besetzt, aber der Supervisior meint, dass man für uns ein NOTAM fertig macht und wir uns die Freigaben dann entsprechend bei Langen Radar holen sollen.

Am 23. Dezember kurz nachzehn Uhr ist schon richtig Gewusel auf der Hahnweide. Für die Fliegergruppe Wolf Hirth und das Fliegende Museum Hahnweide ist es ein Pflichttermin: Exakt 70 Jahre zuvor absolvierte Wolf Hirth seinen ersten Flug von der Hahnweide aus – mit dem legendären Side-by-Side-Doppelsitzer Gö 4. Also Grund genug, dem historischen Ereignis mit einem würdigen Flugbetrieb zu huldigen. Entsprechend sind die Gö 4 und ein Zugvogel bereits aus der Halle geräumt, unser Duo steht draußen und auch das Schleppflugzeug macht sich bereit. Mein Freund Christian ist bereits schwer damit beschäftigt, sein Blechfass zusammen zu stecken – er will den Tag nutzen, um seine Rauchanlage auszuprobieren.

Beim Zusammenstecken meines Flieger brauche ich dieses Mal mehr Hilfe als sonst. Die Kälte hat die Gasfedern des Anhängerdeckels in die Knie gezwungen, sodass zwei Flugschüler den Deckel halten müssen, damit er nicht auf die Nase schlägt. Aber meine polnische Schönheit lässt gnade walten und sich ohne murren zusammenstecken. Ich bin mittelschwer begeistert. Die Visiere spare ich mir, soll ja nur ein Spaßflug sein. Kaum sind Flächen und Leitwerk dran, schallt die Frage „Kann wer Fluglehrer machen“, durch die Gegend. Ich gucke Rainer an, er guckt zurück und meint, aus seiner Sicht kein Problem. Heißt: Ich kann doch noch vor dem Jahreswechsel meine ersten Versuche als FI machen. Innerlich springe ich vor Freude im Kreis, versuche aber, mir meinen Überschwang nicht anmerken zu lassen. Zunächst ordere ich Fabian ab, mal ne Handvoll Corona-Schnelltests zu besorgen, damit wir uns alle vorher absichern können. In der Zwischenzeit mache ich die 59 fertig und und begebe mich mit dem Rest der Gesellschaft zum Start.

Hier stehen bereits die Gö 4 und der Duo bereit. In der Gö hockt neben Tilo auch Wolf Hirths Sohn Helmuth, selbst viele Jahre Segelflieger, jetzt aber im aviatischen Ruhestand. Während Duo und Gö fliegen, mache ich mit den Flugschülern eine Viertelstunde Theorie zum F-Schlepp: Unterschiede zum Windenstart, potenzielle Gefahren, das richtige Steuern etc. pp. Das lässt sich vorm Flug doch besser briefen als im Eifer des Gefechts.

Als ich mich schließlich in den Fallschirm wühle und mich auf den hinteren Sitz unserer D-KWWH fallen lassen, fühlt sich das alles richtig an. Vor mir sitzt Henry, der mit Schirm nur knappe 62 Kilo wiegt, was mich nochmal zum Handbuch greifen lässt, um die Anzahl der benötigten Trimmgewichte nachzuschlagen. Drei sind drin, stimmt also. Als der Vorflugcheck durch ist und sich das Seil strafft, bin ich gespannt und entspannt zugleich. Gespannt, weil ich jetzt Verantwortung dafür habe, dass uns der vor mir nicht umbringt, entspannt, weil ich endlich ein weiteres Ziel auf dem Weg meiner fliegerischen Entwicklung erreicht habe. Ich hatte schon seit einiger Zeit mega Lust drauf, den FI zu machen, aber der Weg war wegen einiger Widerstände nicht so einfach zu gehen wie ich mir das vorgestellt hatte. Über die Ausbildung am Haus der Luftsportjugend in Laucha berichte ich in einer Reportage, die im Segelflug-Special in der aerokurier-Ausgabe 2/2022 erscheint.

Henry macht das ganz passabel, meine Korrekturvorschläge halten sich in Grenzen. Dank der Kälte steigt der Schleppzug richtig gut. Unter uns liegt eine winterliche Welt, wenngleich kaum richtig Schnee liegt. Aber eine dicke Schicht Reif tuts halt auch. Kaum ausgeklinkt, geht es mit etwas Airwork weiter. Rollübungen, Kreiswechsel, irgendwie muss man die Höhe ja nutzen. Meine erste Idee, direkt an die F-Schlepps eine Trudelübung anzuschließen, hatte ich verworfen, nachdem Rainer gemeint hatte, die kognitiven Kapazitäten eines Flugschürlers seien dafür vielleicht doch zu begrenzt. Beim nächsten mal aber mache ich das so, dann kann man die Höhe wenigstens sinnvoll verheizen.

Bei Flug zwei muss ich direkt in der ersten Kurve laut werden, weil mein Flugschüler Bene meint, am Ausstellfenster rumfingern zu müssen. Das ist ne Sache, die ich von vornherein unterbinden will, weil Ablenkung in dieser Flugphase ein No-Go ist. Nach dem kurzen Anpfiff fängt er sich und meine Korrekturen halten sich in Grenzen. Auch hier schließen wir nach dem F-Schlepp Airwork an und sind nach einer knappen Viertelstunden wieder unten. Flug drei mit Fabian ist tiefenentspannt, man merkt einfach, dass der zehn Jahre älter ist als die anderen und entsprechend mit viel mehr Ruhe agiert. Kurz nach dem Abheben ist er noch etwas nervös, aber mit einem behrzten Griff zum Knüppel und kurzer Blockade kann ich ihn davon überzeugen, dass die Korrekturen gar nicht notwendig sind und der Eimer trotzdem dem Schleppflugzeug folgt. Oben gibt es Langsamflug, Abkippen und Steilkreise, dann ist meine erste FI-Session beendet. Zeit für Self-care.

Christian ist bereits mit seinen Startvorbereitungen durch und hat die B4 in die Piste gezogen. Die Flugpläne für uns beide sind aktiviert und ich bin gespannt darauf, wie sein erster Einsatz als fliegender Räuchermann aussieht. Kurz nach dem Start wechselt er auf Langen Radar, um sich die Einzelfreigabe für den Kunstflug im kontrollierten Luftraum zu holen. Dreimal funkt er die Lotsen an, bekommt Antwort, reagiert dann aber nicht mehr. Irgendwann grätsche ich dazwischen und kontaktiere Langen Radar, erkläre, was er vorhat und ob ich vermitteln soll. Dabei bin ich zunächst überrascht, dass ich – am Boden stehend – überhaupt halbwegs verständlich mit Radar funken kann. Ich rechne zunächst damit, dass Langen die Freigabe verweigert, von wegen Segler mit Funkproblemen im kontrollierten Luftraum und so. Denn wir haben 6000 Fuß beantragt, der Segelflugsektor geht hier aber nur bis 5000, sodass wir selbt bei aktiviertem Sektor noch 1000 Fuß im Stuttgarter Charlie hängen würden. Aber die Jungs an den Konsolen sind mega lässig. „D-8059, ihr bekommt jetzt eine Blockfreigabe für eine Stunde auf 5500 Fuß, meldet euch, wen ihr fertig seid.“ Ich gebe die frohe Kunde an Christian weiter und freue mich, dass die Flugsicherung auch für zwei Deppen, die meinen, irgendwelche kruden Figuren fliegen zu müssen, das Schwermetall über uns umleiten.

Christian meldet sich an und zündet seinen rauch. Wir am Boden so alle ganz plakativ: „Ooooooooh!“ – und das, obwohl man den Rauch zunächst total beschissen sieht… Aber diese Episode lasse ich Christian lieber selbst erzählen…

Nachdem der erste Einweihungsflug am 2. Advent sehr emotional für mich war, gab es am 23. Dezember schon die nächste Möglichkeit, wieder fliegen zu gehen. An diesem Tag wollten ein paar Piloten zum 70. Jahrestag der erstebn Segelflüge auf der Hahnweide mit der Gö4 und allem anderen, was noch fliegt, an den Start gehen. Doch umso näher der Tag rückte, rutschte meine Motivation bei nasskaltem Wetter und der vielen Arbeit, die ich hatte, immer weiter in den Keller. Ich hatte mich schon damit abgefunden, im Büro zu sitzen und die Weihnachtsvorbereitungen weiter zu erledigen, bis Lars spontan angerufen hatte. „Du wirst morgen die B4 aufbauen und fliegen. Da das Wetter eh nicht so gut wird, hab ich bereits die Kunstflugbox angemeldet“. Ja so ist er, bevor ich noch ein Veto einlegen konnte, hatte er sich bereits verabschiedet und aufgelegt. Da sich aber quasi zeitgleich ergeben hatte, dass ich noch einen Urlaubstag abfeiern musste und so doch fliegen gehen konnte, stand ich nun erstmal etwas hilflos da. Als ich bei meinen Kumpels und Vereinskollegen schnell über WhatsApp nachgefragt hatte, wer noch zum Fliegen kommen möchte, meldete sich Marius als fleißiger Helfer für den Auf- und Abbau der Pilatus.

Ok, was brauch ich eigentlich alles? Leichte Hektik brach in mir aus, und nachdem ich mit meiner Frau eine komplette Umplanung der Weihnachtsvorbereitungen durchgesprochen hatte (war ja nicht so dass wir nicht am übernächsten Tag für zehn Personen kochen und dekorieren wollten), packte ich schon mal das wichtigste zusammen und hing meine Akkus an die Ladegeräte. Es kam mir eher so vor, als ob ich Equipment für eine Woche Urlaub zusammen suchte. Lieber hat man alles dabei (Kamera, GoPros, Werkzeug, diverse Halterungen…), als dass nachher das entscheidende Teil fehlt. Diejenigen, die mich kennen, wissen was ich immer so mit mir rumschleppe und eigentlich einen LKW anstatt meinem Flitzers fahren sollte 😉

Dabei war ganz wichtig: Eine Weihnachtsmütze und Pyro-Technik. Also wieder einmal Dinge, die eigentlich nicht wirklich relevant sind, aber für einen gewissen Effekt sorgen sollten. Ich träumte schon seit ich ein kleiner Junge war davon, einen Kunstflug mit Rauchpatronen oder anderen Effekten in den Himmel zaubern zu können. Und was eignet sich da besser zum Ausprobieren als ein Flugplatz-Jubiläum, ohne große Öffentlichkeit? Bald war es soweit, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und meine Aufregung war schon bei 120 Prozent.

Ich konnte in der Nacht nur schlecht schlafen und musste mich dazu zwingen, da ich ja fit sein wollte. Zum Glück hatte Marius mitgedacht und schlug schon kurz nach 9 Uhr bei mir auf. Gemeinsam ging es dann mit einem vollen Kofferraum, vielen Flugzeugsachen und Männerspielzeug zum Flugplatz. Vor lauter Aufregung habe ich sogar unseren Plan, noch etwas zu frühstücken, komplett vergessen. Marius war da ein wenig schlauer. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt war alles zwar anstrengend, aber dadurch auch sehr besonders. Als wir an meinem Anhänger ankamen, fanden wir hier wunderschöne Eiskristalle, die im Sonnenlicht glitzerten. Wir rieben ein paar davon mit den Fingern ab, dabei erzeugten sie ein leises mystisches Klimpern wie ein Musikinstrument. Es ging an den Aufbau und ohne groß nachfragen zu müssen, bekamen wir noch ein paar helfende Hände. In wenigen Minuten war die B4 trotz eisiger Kälte aufgebaut und wir waren selbst überrascht, dass dieses Mal keine Komplikationen aufgetreten sind (wir werden besser!!). Wir beschäftigten uns nun zum ersten Mal mit den Halterungen und der Pyrotechnik, gingen jeden Schritt dreimal durch. Zugegeben waren wir auch etwas nervös, da wir nicht aus Versehen am Boden zünden und unsere Halle und Flugzeuge einnebeln wollten. Endlich zogen wir meine B4 an den Start, aber es waren immer noch einige Telefonate und Organisatorisches notwendig. Wo bleibt eigentlich mein Vater, dachte ich mir. Die örtliche Polizei und die Feuerwehr wurden informiert, dass für den Fall, dass ein Spaziergänger ein brennendes Flugzeug meldet, klar war, dass nicht die ganze Kavallerie ausrücken musste. Flugschule und Flugleitung wurden involviert, Lars hat sich in der Zeit um die DFS gekümmert. Dank Marius und der Flugleitung haben wir dann noch eine allgemeine Höhenfreigabe für den Segelflugsektor bekommen und es konnte pünktlich um 14 Uhr los gehen. Die Husky schleppte mich mit bis zu 3,5 m/s bis an die Wolkenbasis in Richtung Kunstflugbox heran. Lars unterstütze mich noch beim Funken mit Langen Radar, da ich die Funksprüche von dort kaum verstehen konnte, und bei knapp 900 Meter über Grund konnte es los gehen. Ich schaltete die Sicherung ein und drücke auf den Rauchknopf… Es dauerte kurz, aber tatsächlich… „Die Scheiße funktioniert!“, würde der Mediamarkt-Anrufer vom Sinnlos-Telefon wohl brüllen!

Ich begann mit meinen Kunstflugfiguren. Die B4 gehorchte trotz sehr straffen Windes präzise, doch ich merkte bereits im Flug, dass der Raucheffekt nicht der war, den ich mir erhofft hatte. Trotzdem lachte und jubelte ich laut, war ich doch mitten im Winter in meinem eigenen Flugzeug gerade im Rückenflug und mit Rauchpatronen unterwegs. Spontan baute ich ein paar Rollenkreise ein, um vom Wind nicht allzu weit vom Flugplatz abgetrieben zu werden. Außerdem wollte ich diese sowieso üben, nachdem ich Sie im Wettbewerb bereits ohne Training vorführen musste. Nach meiner Landung eine erste Analyse: Der Rauch war nur sehr schwach zu sehen. Vermutlich lag das an der Luftfeuchtigkeit und dem Nebel. Aber egal, ich bin mir nicht sicher ob man es mir angesehen hat, aber ich war wieder überglücklich. Als Lars mir lachend ein Corona-Highfive angeboten hat, war mir bewusst, dass er wissen musste, wie ich mich fühlte.

Da es schon relativ düster war, entschied ich mich kurzfristig, im zweiten Flug die Sprühfunken auszuprobieren. Alles ging sehr flott, ich bereitete mich auf den Flug vor und Marius, der nun zum Pyro-Meister ausgerufen wurde, brachte alles am Flieger an. Zack, und ich war schon wieder in der Luft. Der Schlepp ging direkt auf ein kleines Wolkenloch zu, durch welches die Sonne schien und alles in ein dunkelrotes Licht tauchte, welches man nicht mit Worten beschrieben kann. In solchen Momenten fühlt man sich frei, glücklich und hat keinerlei Sorgen. Fliegerromantik eben. An der Box angekommen hatte ich diesmal deutlich mehr Höhe und war gespannt, ob alles korrekt zünden würde. Marius hat mich nicht im Stich gelassen, ich blickte links über den Flügel und eine Sprühfontäne von goldenen Funken zog sich über mein Horizontbild. Ich flog ganz langsam, um den Anblick noch etwas genießen zu können und ging dann direkt ins Trudeln über. Beim Gedanken daran bekomme ich jetzt noch Gänsehaut und leuchtende Augen. Dann noch ein Looping und ich flog durch meine eigene Rauchlinien, die ich in den Himmel gezeichnet hatte. Das Funkeln, das sich in meiner Haube spiegelte, die Welt, die auf dem Rücken Kopf stand – die Zeit schien kurz stillzustehen. Die Effekte brannten nach kurzer Zeit ab, aber da ich nun warm geflogen war, übte ich noch einen Rückenvollkreis und ein Käseeck. Nachdem ich genug Blut im Kopf hatte, folgten noch ein paar Turns und Rollen, um in Übung zu bleiben. Diesmal bestätigten mir alle, dass die Funken viel besser zu sehen waren. So macht man Schritt für Schritt weitere Erfahrungen. Wir bauten noch gemeinsam ab und ich konnte mein Grinsen den ganzen Abend nicht abstellen. Ohne meine Helfer und neu gewonnen Freunde wäre das alles nicht möglich gewesen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Als Christian nach seinem ersten Flug wieder unten ist, mache ich mich fertig. Irgend ein altes Programm aus Walldürn hängt bei mir im Cockpit, mal gucken, ob ich das zusammengefrickelt kriege nach meiner langen Pause. Seit Walldürn war ich – von einer Spaßrolle am Teckberg Ende November mal abgesehen – keine Aerobatics geflogen. 45 ab mit Aufschwung und halber Rolle, dann 1 1/4 Trudler mit Viertelrolle dagegen auf der senkrechten. Das war in Walldürn cool, mal gucken, ob es sich reproduzieren lässt. Erstmal hoch kommen. Dabei lässt sich wunderbar die frostige Landschaft genießen, zumal die Sonne jetzt so tief steht, dass sie unter der Wolkendecke durchscheint. Die genehmigten 5500 Fuß, die uns die Langen Radar zugesteht, können wir gar nicht ausnutzen, denn schon knapp über 5000 droht die Husky, im Dreck zu verschwinden. Also drunter bleiben und kurz vor der Box ausklinken.

Schon beim Positionieren merke ich, wie stark der Wind hier oben ist. Boxmeldung, Anwackeln, Nase runter. Ziehen, rum und in eine geierte halbe Rolle. Dass mir hier fast die Fahrt ausgeht, ist in Anbetracht des folgenden Trudlers gar nicht so schlecht, denn so muss ich keine große Aufwärtslinie fliegen. In Walldürn hatte uns Schorsch eingetrichtert, an dieser Stelle im Zweifelsfall die Klappen zu ziehen, um Fahrt abzubauen. Die Fahrtmessernadel nähert sich der 70, ich trete ins Seitenruder und ziehe durch. mit leichtem Querruder nach rechts stabilisiere ich die Drehung, stoppe, stelle die Senkrechte ein und rolle 1/4 zurück. Abfangen, Aufschwung. Als ich unter mir nur noch Häuser sehe, wo eigentlich keine sein sollten, rolle ich in Normalfluglage, um mich erstmal zu orientieren. Der Wind hat mich zu stark Richtung Kirchheim versetzt, sodass ich mich neu positionieren muss. Gut, dass wir die Box dieses Mal größer angemeldet haben, das verschafft uns den nötigen Raum. Nach einigen Orientierungskurven eiere ich noch ein paar Figuren zusammen und beende in 300 Meter AGL meine Turnerei. Fahrwerk raus, Landemeldung und rein in den Parkplatz (Na, wer erkennt das Filmzitat??).

Christian legt noch einen nach, dieses Mal mit silbernen Fontänen anstatt Rauch, die aber nur für vielleicht fünf Figuren halten und dann ausbrennen. Man merkt, dass Chris noch Zeit braucht, um sich auf die B4 einzufliegen, richtig rund sehen die Programme noch nicht aus. Aber bei seiner Motivation mache ich mir wenig gedanken, dass er bald vom Freund zum Konkurrenten wird, zumindest in den paar Minuten, in denen im Wettbewerb scharf geflogen wird.

Ein paar Minuten später bin ich wieder in der Luft, und im Querabflug bietet sich ein absolut irres Panorama. Im Südwesten steht die Sonne tief über dem Horizont und lässt ein warmes Licht über die Täler streichen, in denen Nebelschwaden wabern. „D-VH, guck mal auf zwei Uhr“, funke ich Wolle im Schleppflugzeug an. „Fantastisch“, kommt es knarzend zurück. Der Schleppzug steigt im Schnitt mit dreieinhalb Metern, damit halten sich die Kosten wenigstens halbwegs in Grenzen, denke ich. Die paar Tropfen, die vor dem Start auf die Haube geklatscht waren, bleiben die einzigen in diesem Flug, Glück gehabt. Bei 5100 Fuß kommt die Wolkendecke, im Gegensatz zu meinem ersten Flug ist sie aber unten weit weniger ausgefranst, sondern dichter. Ich klinke aus und positioniere mich dieses Mal direkt in Windrichtung, sodass ich leicht schräg zur Box fliege. Fahrt, Loopbogen aufwärts und Knüppel durchziehen. Die 59 flippt herum, aber das Einfangen klappt nicht hundertprozentig. Egal, Aufwärtslinie, Trudler rechts herum, Senkrechte zum Männchen. Es ist völlig surreal, wie die das Flugzeug auf die Wolkendecke zuschießt und die graue Wand immer näher kommt. Ich stemme beide Füße in die Pedale, warte auf das Umschlagen des Fadens und Ziehe dann durch. Das Flugzeug klappt ordentlich um, nach kurer Senkrechte fange ich sie ein und lege gleich noch ein Männchen nach. Das steht sogar noch besser! Jetzt links vorspannen zum Turn, sonst fliege ich sie lieber rechts, aber ich will in den Wind fächern. Wieder kommt die graue Wand näher, und als ich links ins Pedal trete, bin ich völlig fasziniert davon, wie der Flugzeug auf dem Teller dreht, die Wolkendecke vorbei zieht und alles in Zeitlupe abzulaufen scheint. Ich setze direkt noch einen Turn hinterher und bebachte noch einmal mit der gleichen Faszination das Schauspiel. Ich komme mir vor, als wäre ich nur Gast in diesem Szenario. Noch eine Rolle, eine gerissene und ein paar Rollenkreise hinterher, und ich genieße das wohlige Gefühl, mein Flugzeug endlich wieder artgerecht bewegt zu haben. Beim Überfliegen der Hahnweide melde ich uns bei Langen Radar ab, bedanke mich für den Service und wünsche den Jungs schöne Weihnachten. Kurz darauf rumpelt das Rad über die Wiese und ich komme auf Höhe unserer Halle neben dem Duo zum Stehen. Geiler Tag. Das absolut beste draus gemacht. Und dank des Spiels von Licht, Wind und Wolken waren das die vielleicht schönsten Kunstflüge, die ich bisher gemacht habe. Sicher nicht vom Ergebnis her, aber in jedem Fall in Bezug aufs Erlebnis. Und darauf kommt es an.

Mit Schirm, Flarm und Calzone

Manch regelmäßiger Besucher dieses Blogs wird festgestellt haben, dass ich mit der Layoutumstellung Mitte vergangenen Jahres eine neue Seite eingebaut habe: Supporter. Mir erschien das notwendig, weil es schon länger Unternehmen und Einzelpersonen gibt, die mich in ganz verschiedener Weise auf meinem Weg unterstützen.

Zwei Dinge haben das Thema Sponsoring für mich im vergangenen Jahr zu einer gewissen Priorität gemacht: Zum einen der Kauf meines Flugzeuges, zum anderen die Orientierung in Richtung Wettbewerbskunstflug. Punkt eins bringt ganz selbstverständlich gewisse Kosten mit sich. Das wusste ich vorher und habe zigmal durchgerechnet, ob ich mir das leisten kann. Und wenn man sich mal vor Augen führt, dass der Kaufpreis eines Segelflugzeugs im besten Sinne nicht weg, sondern nur woanders ist, dürften viele Piloten zu dem Schluss kommen, dass das finanziertbar ist. Es ist halt nicht wie bei einem Auto, wo man Betrag X zahlt und nach einmal Zündschlüssel rumdrehen hat man bereits zehn Prozent Wertverlust. Segelflugzeuge, zumal voll kunstflugtaugliche, verlieren kaum an Wert. Der Swift zeigt angesichts der Tatsache, dass es nunmal nur 30 Stück gab und er das einzige Muster ist, mit dem man in der Unlimited Weltmeister werden kann, sogar den gegenteiligen Trend: die Preise steigen.

Ja, ich musste mir für den Kauf Geld von meiner Familie leihen, aber ich zahle brav meine Raten und weiß, dass die Kiste irgendwann Mitte 2024 mir gehört – sofern mich nicht unvorhersehbare Umstände zu einer Stundung zwingen. Mit dem Kauf ist es aber nicht getan. Dann kommt ein Anhänger dazu, der entsprechender Pflege bedarf, Verschleißteile wollen bezahlt werden und zu optimieren gibt es freilich auch immer was. Und da kann man richtig Geld ausgeben. Das führt zu Punkt zwei: der Wettbewerbskunstflug.

Man kann nach Erhalt der Kunstflugberechtigung immer mal ein bisschen aus Spaß an der Freude Turnen. Das ist genauso ok wie das entspannte Fliegen um den Kirchturm anstatt im Überlandflug auf Kilometerjagd zu gehen. Für jemanden wie mich, der immer irgend eine Aufgabe braucht, um sich dran abzuarbeiten, funktioniert das freilich nicht. Mit dem unerwarteten Sieg in der Sportsman beim Salzmann-Cup 2019 und dem unerwartet guten Abschneiden bei den Schweizer Meisterschaften in Thun musste ich mir eingestehen, dass ich im Kunstflug im Gegensatz zum Streckenflug nicht völlig talentfrei bin, und damit war die Richtung vorgegeben. Nun gilt im Kunstflug wie in allen anderen Dingen, dass Kunst von Können kommt. Und Können ist ein direkte Folge von Training. Und Training ist teuer.

Ein Streckenflieger nimmt einmal am Tag einen F-Schlepp und ist dann vier, fünf, sechs Stunden unterwegs. Beim Kunstfliger sind es in einer Trainingswoche gerne vier Schlepps pro Tag, und die auch nicht in der Discount-mal-fix-in-den-erstbesten-Bart-Version, sondern eher Variante Rockefeller. 50 Euro ist da der Standardsatz. Heißt: fünf Tage trainieren = 20 Schlepps = 1000 Euro ärmer. Und 20 Flüge sind jetzt noch nicht das mega Training. Dazu kommen noch die allgemeinen Kosten, die man sowieso ins Hobby versenkt, sowie Meldegebühren und Schlepps für Wettbewerbe. Kunstflug muss man sich im Gegensatz zum Streckenflug leisten können. Förderung? Unwahrscheinlich bis unmöglich. Jedenfalls nicht auf dem Niveau, auf dem ich mich aktuell bewege.

Tatsächlich lassen sich die reinen Trainingskosten in Form von F-Schlepps auch nicht reduzieren, denn der Sprit und die laufenden Kosten für die Schleppmöhre müssen eben bezahlt werden. Dieser Posten ist also vergleichsweise fix. Bleibt also nur, die sonstigen Kosten zu drücken und sich die Einsparungen in F-Schlepps umzurechnen. Beispiel: ein Schlauch fürs Hauptrad kostet 100 bis 150 Euro. Kriege ich den gesponsert, sind das drei F-Schlepps. Die Wahrscheinlichkeit, dass man ein Unternehmen findet, dass einen Schlauch sponsert, ist dabei deutlich größer als die, jemanden zu finden, der einem spontan 150 Euro zusteckt. Die Chance auf Unterstützung steigt dabei in dem Maße, in dem man für das Unternehmen Öffentlichkeit herstellen kann. Und an diesem Punkt habe ich einen Vor- und einen Nachteil.

Der Vorteil ist, dass dieser Blog inzwischen eine gewisse Bekanntheit in Fliegerkreisen hat und auch die Zugriffszahlen je nach Beitragsaufkommen und Werbung meinerseits dafür gar nicht mal so schlecht sind, wenn man sie in Relation zur Zielgruppe setzt. Der Nachteil ist, dass ich mir in meiner Funktion als Redaktionsleiter des aerokuriers sehr genau überlegen muss, inwiefern ich mich durch Sponsorings angreifbar mache. Es ist rein aus journalistischer Sicht schon ein Problem, wenn man Teil der Szene ist, über die man berichtet, weil man dann kaum wirklich unabhängig sein kann. Mit Sponsorings potenziert sich das ganze. Ich für meinen Teil versuche stets, eine saubere Rollentrennung zwischen mir als Segel(kunst)flieger und Privatperson und mir als Luftfahrtjournaist hinzubekommen. Und ich denke, das gelingt mir bisher ziemlich gut. Der Grundsatz „Kein Applaus für Scheiße!“ gilt in beiden Rollen. Ich habe hier oft genug Dinge kritisiert, habe eigene Fehler und die von anderen angesprochen. Das hat mir nicht nur Freunde eingebracht, selbst im eigenen Verein hat man das mitunter alles andere als gern gesehen. Im Redaktionsalltag handhabe ich das genauso. Halte ich etwas für gefährlich, unsinnig, falsch oder überteuert, dann schreibe und begründe ich das. Dankenswerter Weise haben meine beiden Kollegen einen ähnlich hohen journalistischen Anspruch wie ich, sodass die da ganz gut als Sparringspartner taugen. Letztendlich halte ich es für das wichtigste, transparent zu machen, welche Unternehmen mich unterstützen, sodass sich jeder sein eigenes Urteil bilden kann.

Ein Fallschirm muss her

Der Kauf des Flugzeuges bedingte zwangsweise eine weitere Investition, die man nicht mal eben aus der Kaffeekasse bezahlt: ein Fallschirm musste her. Investitionsvolumen: mindestens 2000 Euro. Klar, es wäre mit einem MARS ATL auch noch billiger gegangen, aber auf den Schirmen hab ich immer scheiße gesessen, und deswegen schied der für mich von vornherein aus. Nicht zuletzt aufgrund meines ostdeutschen Migrationshintergrundes war bei mir relativ schnell Spekon aus Seifhennersdorf im Fokus, deren Schirme ich in Taucha, in Perleberg und auch auf der Hahnweide im Clubbetrieb erlebt hatte und die anatomisch recht gut zu meinem zu passen schienen. Im Sommer 2020 schrieb ich Spekon an, erläuterte mein Vorhaben und mein Ziel, irgendwie den Weg in die Segelkunstflug-Nationalmannschaft zu finden, und fragte nach Unterstützung. Tatsächlich kam recht zügig eine Mail vom Geschäftsführer zurück mit der Bitte, ihn anzurufen. Ihn zu erreichen hat dann etwas gedauert, aber das Gespräch ließ hoffen. Herausgekommen ist dann am Ende nichts, trotz mehrmaliger Nachfragen.

Anfang 2021 wurde ich durch den Instagram-Account meines Kumpels Tobias Barth auf die Firma Paratec aufmerksam. Die kannte ich tatsächlich nicht und fand deren Schirme zumindest optisch schonmal ansprechend. Daraufhin begann ich mit der Recherche, was die Paratec-Schirme auszeichnet und von den Wettbewerbern abhebt. Und es dauerte nicht lange, bis mich das Produkt überzeugt hatte. Dazu aber später. Tobi, der ein Sponsoring von Paratec ergattern konnte, verschaffte mir einen Kontakt zu Paratecs Verkaufsleiter Jupp Thomas, dem ich daraufhin die gleiche Mail schrieb wie ein dreiviertel Jahr zuvor an Spekon. Und auch da gab es relativ schnell eine positive Rückmeldung. Im Telefonat mit Jupp erklärte ich, was ich mache, warum ich auf Paratec komme und dass ich mit meinem Blog und Facebook und meinem im Aufbau befindlichen Instagram-Account eine gewisse Reichweite in der Szene habe. Mein Job beim aerokurier war zu diesem Zeitpunkt kein Thema, das war mir wichtig. In einem weiteren Telefonat machte mir Jupp Vorschläge, wie eine Kooperation aussehen könnte, und dass Paratec daran interessiert sei, die eigenen Produkte in der Segelfliegerszene bekannter zu machen. Denn Paratec kommt eigentlich aus dem Bereich Sprungfallschirme im Sport- und Militärbereich und musste sich auf dem Markt für Rettungsschirme erst einen Namen machen. Beste Voraussetzungen.

Im Laufe der weiteren Gespräche und der Auseinandersetzung mit der Thematik Rettungsschirme wurde mir bewusst, welche Revolution Paratec mit dem hauseigenen Lebensretter namens Wingman angestoßen hatte und dass dieses Thema dringend mehr Öffentlichkeit bedurfte. Ich hatte an diesem Punkt die Wahl, alles für mich zu behalten und stillschweigend das Sponsoring einzusacken, oder die Reichweite des aerokuriers zu nutzen, um sachlich über die Vorteile des Wingman zu berichten und ihn mit anderne Schirmen zu vergleichen. Zu dieser Zeit wurde mir bewusst, dass Paratec auch Anzeigenkunde des aerokuriers ist und da gerade eine Kampagne am laufen hatte. Also war auch aus dieser Sicht eine Auseinandersetzung mit dem Unternehmen durchaus angebracht.

Ich besuchte also Mitte Februar Paratec am Firmenstandort in Saarlouis und ließ mir detailliert erklären, worin sich der Wingman von herkömmlichen (scheiße, das klingt jetzt wie ne Pril-Werbung…) Rettungsschirmen unterscheidet. Und spätestens in dem Moment, als ich das Video sah, in dem ein Absprung mit einem Wingman und ein Absprung mit einer klassischen Rundkappe verglichen wurden, wurde mir klar, dass der Paratec-Schirm ein echtes Plus an Sicherheit bedeutete. Jupp nahm sich gut eineinhalb Stunden Zeit für das Gespräch und führte mich anschließend durch die Produktionshalle, in der ich mir anschauen konnte, wie die Schirme hergestellt werden.

Am Ende, als wir uns voneinander verabschiedeten, warf er mir noch einen Satz zu: „Das mit deinem Schirm ist übrigens von der GF abgesegnet. Wir melden uns wegen der Anpassung und des Designs.“ Es war also gebongt, ich hatte mit Paratec tatsächlich ein Unternehmen gefunden, das mich unterstützt.

Der Wingman

Ich war in diesem Moment einfach nur unglaublich froh. Nicht nur, weil damit ein massiver Posten der anstehenden Investitionen wegfiel (wir reden hier über umgerechnet gut 80 F-Schlepps!), sondern in gleichem Maße darüber, dass ich künftig den mit Abstand besten Rettungsschirm am Markt auf dem Rücken haben würde.

Alle mir bekannten herkömmlichen Rettungsschirme sind als Rundkappenfallschirme ausgeführt. Das heißt, der Schirm dient durch seine große Kappe einzig und allein als Aufschlagsverzögerer, dessen Aufgabe es ist, die Sinkgeschwindigkeit so weit zu reduzieren, dass die Ankuft auf dem Erdboden für den Piloten überlebbar wird. Die gängigen Sinkgeschwindigkeiten bewegen sich meiner Recherche nach den Herstellern zufolge zwischen 4,4 m/s (AirPol SK 94) und 7,1 m/s (Mars ATL 15/88). Das heißt, man rastet mit 15 bis 25 km/h in Wald, Feld oder Dachterrasse ein. Das klingt erstmal nach nicht allzuviel. Um es in Relation zu setzen, ein Vergleich: Bei einem Sprung aus zwei Metern Höhe erreicht man eine Fallgeschwindigkeit von etwa 6,2 m/s. Schon beim konzentrierten Sprung aus dieser Höhe dürften sich die Hälfte aller Probanden mehr oder weniger wehtun, sofern sie keine Ahnung vom weichen Landen bzw. korrekten Abrollen haben. Und machen wir uns nix vor: Wenn wir uns unter dem Stress einer Kollision aus einem Segler-Cockpit gewühlt haben, sind wir vermutlich so voller Adrenalin, dass der schlaue Spruch aus dem Kassera von wegen mit leicht angewinkelten Beinen landen und abrollen mehr oder weniger Makulatur sein dürfte.

Michael Eisele, ein den meisten bekannter Weltklasse-Segelflieger, der wie ich auf der Hahnweide fliegt, hat sich bei der Landung nach seinem Notausstieg in Benalla 2017 das Fußgelenk gebrochen, weil er irgendwie halb verdreht und rückwärts fahrend im Globus eingerastet ist. Ziel muss also sein, die Sinkgeschwindigkeit so gering wie möglich zu halten. Nun mag man einwenden, ein gebrochener Fuß ist angesichts eines Notausstiegs zu bewerten wie ein Parkrempler. Das gilt vielleicht, wenn man mitten über dem Ruhrpott abspringen muss und in Rufweite der nächsten Notaufnahme landet. Im Outback aber kann jede Verletzung schnell zu einem ernsthaften Problem werden. Ziel muss also sein, die beim Impact wirkenden Kräfte so weit es geht zu reduzieren. Und hier spielt der Wingman seine Stärke aus. Da die Kappe ein Flächenschirm wie beim klassischen Sprungschirm ist, setzt der Wingman einen Teil der potenziellen Energie in Vorwärtsfahrt um. Paratec gibt die Sinkgeschwindigkeit bei maximaler Last am Wingman mit 3,4 m/s an – also weniger als halb so viel beim Mars ATL 15/88. Dabei bietet Paratec drei verschiedene Kappengrößen an, die für Pilotengewichte von maximal 88, 105 bzw. 115 Kilogramm ausgelegt sind. Ein weiterer Pluspunkt: man schaut immer in die Richtung, in die sich der Schirm bewegt.

Zweiter Vorteil des Wingman im Gegensatz zu Rundkappenschirmen ist die Steuerbarkeit. Zwar heißt es auch bei den Rundkappen, sie seien begrenzt steuerbar, aber so richtig gut funktioniert das wohl nicht. Ein Flächenschirm hingegen kann sowohl mit den Tragegurten, als auch mit den Steuerleinen recht exakt gelenkt werden, was es ermöglicht, Hindernissen bei der Landung auszuweichen, sofern man bei Bewusstsein ist und sich das zutraut. Im Rahmen meiner Recherche versuchte zumindest ein Hersteller von Rundkappen das große Drama heraufzubeschwören in dem Sinne, dass man dafür ja eine Ausbildung benötige, ein steuerbarer Schirm viel höhere Ansprüche an den Piloten stelle usw. usf. Nö. Diese Bedenken konnte Paratec im Handumdrehen entkräften. Denn der Wingman öffnet mit zunächst halb gesetzten Bremsen und kann bis zur Landung in dieser Konfiguration bleiben und dabei mit den Tragegurten gesteuert werden. Das heißt, ich KANN die Bremsen lösen, MUSS es aber nicht. Wenn die Landefläche frei ist, kann ich die Hände vors Gesicht halten, damit ich das Drama nicht sehen muss, und der Wingman macht alles allein. Allerdings habe ich im Gegensatz zur Rundkappe die Chance, einzugreifen, wobei der Wingman in seiner Auslegung laut Jupp als „Anfängerkappe“ so gutmütig ist, dass man ihn unter normalen Bedingungen auch durch zu starkes Ziehen der Bremsen nicht in den Stall bekommt.

Neben diesen zwei wesentlichen Sicherheitsfaktoren kommt noch eine Reihe weiterer Vorteile zum Tragen. So ist der Wingman rein technisch gesehen ein Sprungschirm, der von jedem Fallschirmwart (Techniker des Deutschen Fallschirmsportverbandes) geprüft und gepackt werden kann. Damit hat man nicht mehr das Problem, auf einen der immer weniger werdenden Prüfer für Rettungsfallschirme angewiesen zu sein. Der Fallschirmsport boomt, dementsprechend gibt es auch reichlich technisches Personal, vor allem an stark frequentierten Sprungplätzen. Weiterhin ist die Ausstattung des Wingman ab Werk ordentlich: Eine automatische Auslösung ist Serie, ebenso eine SPOT-Tasche am Schultergurt.

An dieser Stelle sei mir die Anmerkung gestattet, dass es nur ein einziges Argument gegen eine Zwangsauslösung gibt: Höhenflüge über 6000 Meter. An allen anderen Fällen kann eine Static Line Leben retten. Ich für meinen Teil bin nicht so vermessen zu glauben, dass ich im Fall der Fälle noch genug geistige Kapazitäten habe, um ans Auslösen des Schirms zu denken. Ein tragischer Unfall in Braunschweig, wo einem Flugschüler der Ausstieg gelang, er aber seinen manuellen Schirm nicht auslöste, sollte Mahnung genug sein (siehe BFU-Bericht). Und selbst Adolf Galland, der als Jagdflieger auf der Bf-109 als stresserprobt gelten durfte, hat einmal fast in der Luft seinen Schirm ausgezogen, weil er am Schnelltrennschloss anstatt am Auslösegriff rumfummelte!

Zurück zur Ausstattung des Wingman: Einschübe an den Beingurten nehmen die überstehenden Gurtenden auf – super im Kuntflug, wo alles, was im Cockpit rumbaumeln kann, einfach nur stört. Bei den Verschlüssen hat man die freie Wahl, wobei sich mir nicht erschließt, warum man andere als die Flachschnallen nehmen sollte. Die Farben kann man sich aus etlichen Grundtönen frei kombinieren, was ebenfalls keinen Aufpreis kostet. Und schließlich hat der Wingman keine Laufzeitbegrenzung. Alle anderen mir bekannten Rettungsschirme sind nach spätestens 20 Jahren ein Fall für die Tonne. Angesichts dessen relativiert sich auch der Anschaffungspreis, der doch nicht unwesentlich über einer „klassischen“ Rundkappe liegt.

Mein Wingman

Auf die Zusage von Jupp folgten etliche Mails mit Stefan, einem Mitarbeiter von Paratec, der mich bezüglich der Maßanfertigung meines Schirms betreute. Denn Paratec hat kaum Schirme auf Lager, die meisten werden direkt nach Kundenwunsch angefertigt, sodass man viele Möglichkeiten der Individualisierung hat, sei es, um den Schirm perfekt an die eigenen Körpermaße anzupassen, oder ihn einfach hübsch zu gestalten. Bei mir ist beides erfolgt.

Zunächst hatte ich mit drei verschiedenen Schirmgrößen, die Michael Eisele als Paratec-Ansprechpartner permanent im Auto liegen hat, in meinem Flieger eine ausführliche Sitzprobe gemacht. Am Ende fiel die Entscheidung für den Wingman 190 in der Ausführung kurz mit zusätzlich angeknöpftem Rückenkissen. Um ihn für mich passend zu machen, orderte ich gekürzte Beinschlaufen, um so wenig wie möglich zusätzliches Gurtmaterial im Cockpit rumflattern zu haben, siehe oben. Überdies ließ ich mir die Schulterträger zusätzlich aufpolstern, denn im Gegensatz zu den Streckenfliegern ratscht der Kunstflieger die Gurte halt richtig fest, und da sorgt etwas Polster einfach für eine bessere Verteilung des Drucks. Und dann blieb noch die Frage mit dem Design. So gerne ich mir einen Schirmcontainer in meiner Lieblingsfarbe Gelb gegönnt hätte – für Paratec freilich kein Problem – so klar war mir, dass das vielleicht ein, zwei Jahre gut aussehen würde und dann sukzessive Schweiß, Sonnenmilch und Staub bedingter Speckigkeit anheimfallen würde. Also ein dunkler Ton. Wenngleich ich eigentlich eine Abneigung gegen alles schwarze habe – selbst Kugelschreiber mit dieser Farbe sind mir zuwieder – fiel hier doch die Entscheidung dafür. Allerdings in der Ausführung Alien Skin, einer besonderen Oberfläche, die ein bisschen aussieht wie abgespacte Reptilienhaut. Zur dunklen Grundfarbe kommen allerdings die Gurtbänder und Nähte in Königsblau, das Logo von Paratec und der Wingman-Schriftzug in Orange und – als absolutes Highlight – der Stick meines Logos auf der Rückseite des Containers.

Als ich den Schirm das erste Mal auspacke, bin ich hin und weg. Die Verarbeitung, das Design – ein absoluter Traum und genau das, was ich mir vorgestellt hatte. In der ASK21 und im Nimbus 2c bin ich ihn schon im scharfen Einsatz geflogen. Die Trainingswoche in Walldürn wird die Premiere in meiner SZD-59. Ich bin gespannt und werde berichten.

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Mein Wingman mit Logo-Stick auf der Rückseite und noch einigen weiteren Optimierungen.

Weitere Supporter

Neben Paratec konnte ich in diesem Jahr noch weitere Firmen gewinnen, die mich mit Material unterstützt haben. Da ist beispielsweise FLARM zu nennen, die mir ein PowerFLARM Fusion zu einem sehr fairen Preis verkauft haben, weiterhin Aveo, deren Glider Burst ich in meinem Flugzeug verbauen durfte. Über beide Umbauprojekte wird es voraussichtlich im nächsten Winter Do-It-Yourself-Geschichten im aerokurier geben. Da ist es ein bisschen ein Geben und nehmen: Wenn mir ein Unternehmen etwas zur Verfügung stellt, dann setze ich mich damit gerne auseinander. Was ich aber vermeide, ist, meine Position beim aerokurier für die Akquise von Sponsorings zu missbrauchen. Das funktioniert schon deshalb nicht, weil ich beim aerokurier Dinge, die sich im Cokpiteinsatz als untauglich herausstellen, auch so benennen muss, weil ich mich sonst unglaubwürdig mache. Was tatsächlich nicht unüblich ist – und das gilt für so ziemlich alle Tests in Medien – dass man hinterher ein Angebot bekommt, das Testprodukt zu kaufen. Dass man da einen gewissen Rabatt bekommt, dürfte kaum verwundern.

Ein Firma, die mich von Anfang an unterstützt hat, ist Ülis Segelflugbedarf. Das hat mit einem gesponserten Düsenstopfen angefangen, nachdem ich mal eine halbe Stunde sehr einseitig mit einer Wespe diskutiert hatte, die der Meinung war, sich in der Düsenaufnahme der LS1-c einnisten zu müssen. Üli und Marcus Böhnisch unterstützen mich hin und wieder mit Material für mein Flugzeug, dafür gebe ich Feedback zu Produkten oder weise auf solche hin, die eventuell gut in den Shop passen könnten. Stichwort Wingman 😉 Mindestens genauso lange wie mit Ülis Segelflugbedarf besteht die Partnerschaft zu TopMeteo. Bernd Fischer und Bernd Goretzki kenne ich von der Bad Breisiger Segelflugwoche, und den Account nutze ich beruflich wie privat. Tost Flugzeuggerätebau und Anhänger Berger geben immer mal Prozente, wenn es um Ersatzteile fürs Flugzeug oder meinen Anhänger geht, bei Schempp-Hirth sind es mal ein paar Meter Kabel, mal ein Seilzug, mal ein Becher Harz oder einfach Fachkompetenz, mit dem man unkompliziert weiter hilft, wenns mal irgendwo klemmt. Und schließlich sind da noch zwei Fliegerkameraden, die inzwischen zu guten Feunden geworden sind: mein Fliegerarzt Benjamin Schaum und Fotograf Tobias Barth. Benjamin macht nen fairen Preis fürs Medical, und Tobis Fotos darf ich hier honorarfrei verwenden.

Allen, die mich unterstützen, besten Dank dafür!

Die Calzone aus der Headline ist übrigens nur ein Platzhalter. Wobei man die Option, bei unserem Italiener am Platz auch mal anschreiben zu können, irgendwie auch als Support bezeichnen könnte…

 

Doppelter Ventus-Spaß

Es gibt so Tage, an denen passt es einfach. Der dritte März, ein Sonntag, gehörte zu genau diesen Tagen. Wobei eigentlich auch der Samstag schon gut war, sodass man von einem insgesamt gelungenen Wochenende sprechen könnte.

Nachdem ich die SZD-59 für die vorbereitenden Arbeiten zur Montage des Blitzers auf dem Rumpfrücken ohnehin aufs Kreuz drehen musste, konnte ich bereits ein paar Punkte der Liste für die Winterwartung abarbeiten, denn so kam ich perfekt ans Fahrwerk ran. Für Samstag und Sonntag hatte ich mir schließlich die Kontrolle der Tragflächen vorgenommen. Sprich Oberfläche reinigen, Querruder und Klappenanlenkung kontrollieren, die Buchsen an der Wurzelrippe nachschmieren und die Holme abklopfen, um potenzielle Delaminierungen rechtzeitig zu erkennen. Alles in allem gingen dafür etwa sechs Stunden drauf. Ohne Stress, versteht sich, ganz in Ruhe mit Deutschlandfunk aus der Bluetooth-Box.

Sowohl Samstag als auch Sonntag sahen vom Wetter her jetzt nicht so besonders aus, also perfekt, um sich in der Werkstatt zu betun. Dementsprechend überrascht war ich auch, als ich Sonntag bei der Ankunft auf dem Platz auf geschäftiges Treiben stieß. Bestimmt 20 Flugzeuge bereits am oder auf dem Weg zum Start, darunter auch mancher Spitzenpilot. Und das bei trübem Himmel. Was wussten die, das mir verborgen geblieben war? Ich konnte es mir nicht erklären. Sicherheitshalber gab ich meinem Vereinskameraden Benjamin zu verstehen, dass ich im Anschluss an seinen Flug gerne auch noch einen Flug auf Tilos VV machen wollen würde, sofern das ok ist. Er versprach, mir Bescheid zu geben, wenn er gelandet ist – für mich der Moment, mich in die Werkstatt zu trollen.

Irgendwann zweieinhalb Stunden später sind beide Flächen im Anhänger verschwunden, und da mein Telefon noch nicht geklingelt hat, beschließe ich, zum Start zu fahren und mal zu gucken, was da los ist. Der große Betrieb hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits gelegt, dafür sind unsere Flugschüler jetzt zugange. Offenbar haben sie Fluglehrer Otto breitgeschlagen, mit ihnen noch ein paar Starts zu machen. VV steht noch immer am Boden, und ich erkundige mich, wie der Plan ist. Ich erfahre, dass Benj noch gar nicht in der Luft war und Nico als nächster fliegt. Man hätte versucht, micht zu erreichen und zu fragen, ob ich K9, unseren Discus 2c, noch fliegen will, aber ich sei nicht rangegangen. Und tatsächlich spuckt mein iPhone in diesem Moment einen unbeantworteten Anruf aus. Na toll. So muss ich mich wohl hinten anstellen, um noch einen Start abzugreifen.

In diesem Moment kommt Tilo vom Anhängerplatz zurück, um sein Egobesteck einzusammeln, und wir kommen ins Quatschen. Er erzählt von seinem Flug, ich sage, dass ich noch ne Runde VV fliegen will und mir den Ventus 3 in diesem Jahr auch mal anschauen muss. Und da kommt wieder einer dieser legendären Sätze von ihm: „Magste gleich die 3V nehmen? Die schieben wir schnell wieder an den Start!“ Auf genau diese Weise war ich am 3. Advent 2016 zu meinem ersten Ventus-Flug überhaupt gekommen, eben in Tilos VV. Und mir fällt es zuegegebener Maßen unglaublich schwer, so ein Angebot abzulehnen.

Die 3V steht schon auf dem Rüstplatz und harrt dort ihrer Demontage, aber nachdem wir noch schnell geholfen haben, die SHK aus der Bahn zu ziehen und Richtung Halle zu schieben, sind wir mit der 3V schon auf dem Weg zum Start. Schiebender Weise, es heißt ja nicht umsonst Segelflug-Sport. Am westlichen Platzende angekommen, mache ich eine ausgiebige Sitzprobe und stelle fest, dass ich sogar halbwegs passabel in den Sport-Rumpf hineinpasse. Eng ist es schon, und für die perfekte Sitzhaltung müsste ich mir eigentlich noch ein Kissen in den Rücken klemmen, aber es sollte auch so gehen. Am Ende tuts meine Jacke ebenso. Ich gehe in Ruhe die Bedienelemente durch, wölbe mich durch alle Stellungen, fahre die Klappen mehrfach ein und aus, um ein Gefühl für die notwendige Kraft dafür zu bekommen.

Tilo steht daneben und gibt mir Tipps, welche Klappenstellung grob zu welcher Fahrt passt und was ich sonst noch wissen sollte, um den Edelrenner am Stück wieder auf die Erde zu bringen. Im Wesentlichen läufts auf einen zentralen Briefing-Satz raus: „Fliegt wie ein Ventus!“ Die Husky rollt vor und nimmt mich an den Haken. Im Gegensatz zur Schneeflug-Aktion ein paar Wochenenden zuvor kann ich dieses Mal immerhin mit Sicht aufs Schleppflugzeug starten. Das macht es aber irgendwie nicht besser, denn als die 3V Fahrt aufnimmt und ich sie mit der Wölbklappe weglupfen will, dotzt sie mir noch zweimal wieder auf den Boden. Ich sehe vor meinem inneren Auge, wie Tilo die Hände vorm Gesicht zusammenschlägt, aber irgendwann bin ich dann doch in der Luft und fliege stoisch der Husky hinterher. Die ersten ein, zwei Minuten im F-Schlepp auf einem neuen Muster bin ich wie im Tunnel. Fokus nach vorne, einfach nur konzentrieren. Da der Sektor Hahnweide noch ne Freigabe hat, lasse ich mich bis an den Deckel schleppen und klinke erst kurz vor 1500 Meter MSL, also rund 1200 Meter AGL. Thermik kann ich keine mehr erwarten, aber ein bisschen Kennenlernzeit hätte ich dann doch gerne, bevor ich den Hobel wieder im Globus einrasten muss.

Klinken, Fahrwerk rein und ausleveln. Verdammt ist das Ding leise, denke ich mir. Da ist Schempp-Hirth ein echter Fortschritt gelungen, denn unsere Discen lärmen zum Teil gewaltig. Bei der K9 hatte ich mal den gröbsten Krach durch neue Dichtungen und Mylarbänder am Seitenruder beseitigt, aber die K6 heult immernoch wie Hölle. Die meisten Kameraden scheint das nicht zu stören, wärs mein Flieger, hätte ich da lange was gemacht. Vielleicht sind das Baustunden für den nächsten Winter.

Zurück zur 3V: Meiner Turnleidenschaft geschuldet mache ich mir zunächst mal ein Bild von der Agilität des Fliegers. Rollen geht Ventus-typisch flott, wenngleich ich bis dato nur die VV kannte, die dank 15 Meter Spannweite eher als Go-Kart denn als Flugzeug durchgeht. Aber für ihre 18 Meter geht die 3V schon verdammt lässtig ums Eck. In Kurvenwechseln folgt sie den Steuereingaben verdammt fix, bei Neutralstellung der Wölbe dank der dann größten möglichen Ruderausschläge natürlich am zackigsten. Im Langsamflug lässt sie sich in stellung L mit unter 70 km/h noch am Himmel halten, ohne wirklich gefährlich zu werden. Selbst ein Seitenrudervollausschlag bringt sie in diesem überzogenen Flugzustand nicht direkt ins Trudeln, sondern eher in ein seitliches Abrutschen. Ich verzichte darauf, das Höhenruder voll durchzuziehen, denn drauf anlegen will ich es dann doch nicht. Nicht bei einem ersten Flug und nicht am Sonntagabend. Was den Geräuschpegel im Cockpit angeht, bleibt der auch bei gut 200 Sachen angenehm niedrig. Ich lasse sie laufen, wölbe negativ bis auf S und bin einfach nur beeindruckt von der Performance.

Den Großteil der Höhe verbrate ich mit Airwork aller Art und habe wirklich einen Heidenspaß dabei. Als ich tiefer komme, ziehe ich probehalber die Klappen um herauszufinden, wie wirksam sie sind. Fahrwerk raus, Wölbe auf +2, Positionsmeldung, Queranflug, Endanflug und nach 26 Minuten hat uns die Erde wieder. Tilo steht wie erwartet am Pistenrand und grinst. Es ist immer wieder toll zu sehen, wie viel Spaß er am Spaß anderer hat. Als ich mich für den missratenen Start entschuldige, meint er nur, dass das gar nicht so schlimm ausgesehen hat. Nunja.

Das Abrüsten dauert bis in die Dämmerung, und am Ende lassen wir den Abend bei Pizza ausklingen. Damit geht einer diese tollen Flugplatztage, die mitunter unerwartete Überraschungen bereit halten, zu Ende.

Mit dem Arcus am Hang
und der VV durch die Thermik

Eine Woche nach dem ersten Tanz mit der 3V finden sich wieder eine handvoll Flugverrückte auf dem Flugplatz ein, und zwar wieder mal bei einer Wetterlage, die dem Durchschnittsflieger allenfalls ein müdes Schulterzucken abgenötigt hätte. Die Vorhersagen sind eher lala, aber wir versuchen es. Tilo auf dem Discus 2c FES, Nico fliegt unseren Duo solo, Andi die K9 und ich zerre mir den Arcus aus dem Hangar. Zu faul zum Rüsten. Und da ich noch nen Platz frei habe, frage ich Tilos Tochter Amelie, ob sie bock hat, mitzufliegen. Beim Abziehen des Haubenbezuges trifft mich der Schlag: Ein gut zehn Zentimeter langer Riss spannt sich vom oberen linken Eck des hinteren Fensters aus nach vorn. Nach kurzer Beratschlagung informieren wir den Vorstand und holen uns das OK, den Riss anzubohren, damit er nicht weiter läuft. Tape drauf zur Abdichtung und der Arcus ist zumindest für diesen Tag einsatzklar.

Wir gehen als letzte in die Luft und machen zunächst am Teckberg Höhe. Es geht nicht berauschend, aber es geht. Irgendwann wagen wir den Sprung Richtung Neuffen. An der Burgruine kein Steigen, aber am direkt dahinter liegenden Hörnle treffen wir auf erstaunlich gute Steigwerte. Auch wenn ich Amelie schon vor dem Start klargemacht habe, dass sie bei mir keine Hangfeilerei wie bei ihrem Vater erwarten kann und dass ich wahrscheinlich ohnehin innerhalb von eineinhalb Stunden zwecks Drainen wieder landen muss, packt mich dann doch ein bisschen der Ehrgeiz. Angespornt von den Erfolgsmeldungen der anderen, die schon vorgeflogen waren, springen wir zum nächsten Hang westlich des Flugplatzes Rossfeld. Einer der anderen hat hier 300 Meter gemacht, aber entweder ist der Aufwind Geschichte oder ich bin zu blöd. Nico mit der K5 is mal über mal unter uns, Andi in der K9 gehts genauso. Nach einer knappen Viertelstunde wird es mir zu bunt, und angesichts der ziemlich dunklen Wolken, die von Westen auf uns zukommen, gehe ich auf Gegenkurs Richtung Teck. Hier eiern wir noch ein paar Schleifen über dem Grat, bevor es zur Landung geht. Es gelingt uns gerade so, den Arcus in die Halle zu schieben, bevor es zu schütten anfängt. Die Einsitzer stehen noch draußen vor den Anhängern, die Piloten hatten keine Chance, rechtzeitig abzurüsten. Wo Tilo steckt, ist zu dem Zeitpunkt unklar. Ich mache mich im Geiste schon fertig für eine Rückholtour.

In diesem Moment zischt im strömenden Regen der Discus 2c FES über den Platz und kommt zur Landung. Tilo hat es geschafft. Völlig irre, bei dem Wetter. Er war am weitesten in Richtung Westen vorgeflogen und hatte es tatsächlich bis kurz vors Klippeneck geschafft. Dann holten aber auch ihn die Schauer ein und er musste die letzten zehn Kilometer den Akkuschrauber anwerfen. Mit einer wilden Trockenleder-Orgie geht der Tag zu Ende.

Nur eine Woche später sieht das Wetter zum ersten mal in diesem Jahr so richtig nach Thermik aus. Es ist frisch und die Sonne knallt, und sechs Piloten der Fliegergruppe Wolf Hirt wollens wissen. Wobei – wissen will ichs eigentlich nicht, aber ich hab einfach Lust zu fliegen. Was dabei rauskommt, ist mir dabei völlig egal. Spaß solls machen! Ich spekuliere auf den Arcus, weil das Bordbuch noch im Schrank liegt. An der Halle angekommen, macht mich Schlepp-Pilot Stefan auf den eher ungünstigen Wind aufmerksam. Leichte Nordkomponente, für Starts auf der 25 alles andere als ideal. Alternative? Ich frage Tilo, ob ich die VV fliegen kann, und der meint, ich sollte das mit einem unserer Kameraden klären, der hätte bereits gefragt. Also kurzes Telefonat und dann die freudige Botschaft: er weiß noch gar nicht, ob er kommen kann, ich soll einfach fliegen. Yeah, das agile Go-Kart mit 15 Metern Spannweite macht nämlich richtig viel Spaß. Nach der Ventus-Erfahrung vom Wochenende hatte ich wieder derbe Lust auf nen Wölbklappen-Einsitzer, auch wenn das bei meinem Talent für den Streckenflug freilich irgendwie Perlen vor die Säue ist. Bevor ich allerdings ins Cockpit passe, muss ich tatsächlich eine Schicht Klamotten ausziehen. So ein A-Rumpf ist halt nichts für das winterliche Zwiebelsystem, mit dem der findige Pilot versucht, der Kälte zu trotzen.

Wie so oft komme ich erst als letzter in die Luft, was mir angesichts meiner wenig ausgeprägten Leistungsorientierung in diesem Moment völlig Schnuppe ist. Im Gegensatz zum 3er Ventus gelingt es mir völlig easy, die VV mit der Wölbklappe vom Boden wegzulupfen. Keine Ahnung, was ich da in der Woche zuvor vergeigt habe. Bei gut 600 Meter AGL klinke ich aus und kreise mich querab der Teck langsam nach oben. Entlang des Lenninger Tals geht es zuerst nach Münsingen, und ich ärgere mich angesichts der dicken Quellwolken, dass ich keinen Proviant dabei habe. Weiter Richtung Donau stehen lange Wolkenstraßen, aber ich spare mir den Umweg und hüpfe in südöstlicher Richtung von Cumulus zu Cumulus. Ab Erbach folge ich der Donau Richtung Ulm und mache Boden gut auf die kur vor mir gestarteten. Über Ulm drehe ich etliche Runden und fotografiere das Münster aus allen möglichen Perspektiven. Ich finde es immer wieder spannend, genau über dem Zentrum großer Städte zu kreisen und mir anzuschauen, was am Boden passiert.

Währenddessen höre ich im Funk, dass David, Nico und ein Pilot des Aeroclubs Stuttgart in der Nähe des Kernkraftwerks Grundremmingen arg zu kämpfen haben. David stellt seinen Flieger schließlich auf den Acker, und die Kommentare der anderen lassen nicht erwarten, dass es in diese Richtung deutlich besser wird. Also mache ich etwas östlich von Ulm kehrt und fliege zurück – auch im Wissen, dass ich nicht alles darauf setzen will, dass Tilos Frau Katja die VV immer zurückholt – egal wer da im Cockpit sitzt. Im straffen Vorflug geht es an Laichingen vorbei auf die Teck zu, immer begleitet von der Überlegung, welchen Aufwind ich noch mitnehmen muss, um nach Hause zu kommen. Am Ende reicht es komfortabel, und kaum dass ich die VV wieder auf die Hahnweide gesetzt habe und ausgestiegen bin, klingelt mein Handy und Nico fragt, ob ich ihn denn in Blaubeuren abholen könnte. Da war nämlich für ihn Schluss.

Als die VV verpackt ist, beginnt die zweite Rückholtour in diesem Jahr. Beim Tanken in Kirchheim fällt mir jedoch auf, dass der Anhänger zwar Stoßdämpfer hat und die Papiere für 100 km/h aktualisiert sind, der Aufkleber auf dem Deckel aber fehlt. Da ich keine Lust habe, mit 80 nach Blaubeuren zu eiern, düse ich nochmal auf den Flugplatz und pappe den Darfschein auf die Leitwerkshutze. Als Strafe für seine Außenlandung muss mir Nico ein Essen beim Restaurant zur goldenen Möwe finanzieren. Nur gerecht, finde ich…