Es gibt diese Momente, in denen du mit dir selbst völlig im Reinen bist. Diese Momente, wo dein Leben perfekt zu sein scheint. Diese Momente, wo du dir denkst, ein Glück, dass ich das probiert habe. Zugegeben, solche Momente habe ich in 99 von 100 Fällen im Flugzeug. Manchmal sind es nur Sekunden – ein Blick auf eine tolle Wolkenformation, die von der Sonne angestrahlt wird, der Bart, der dich vorm Einschlag in den Acker rettet oder das Grinsen eines anderen Segelfliegers, der mit dir im gleichen Aufwind kreist und die Hand zum Gruß erhebt – die einen Flug besonders machen. Manchmal allerdings dehnt sich dieser Moment auf einen ganzen Flug aus, und genau das ist mir am dritten Advent passiert.
Wenngleich in diesem Winter meine Fluggeilheit mehrfach über den Geiz gesiegt und ich – wohl wissend, dass ich allenfalls die Höhe abgleiten kann – 35 Euro in einen F-Schlepp investiert habe, hat die beständige Gabe von geringe Flugdosen das Virus in mir nicht wirklich klein gehalten. Eher ist es so, dass die Fieberschübe immer intensiver werden, wenn ich mal zwei Wochen nicht geflogen bin. Zu meiner Zeit in Sachsen bzw. Brandenburg kam das mit dem Abrüsten Anfang November zumindest ein paar Monate zum Erliegen, aber das ist nun definitiv vorbei. Die Alb bietet beim passenden Wind einfach zu viele Möglichkeiten, zu spielen, und meine ersten Versuche am Hang haben das Feuer nur weiter angefacht.
Eigentlich wollte ich schon am Samstag fliegen. Die Windvorhersage von Top Meteo passte, und mit Sonnenschein und milden Temperaturen war es ein perfekter Tag. Oder besser: wäre ein perfekter Tag gewesen, wenn sich denn der Wind an die Vorhersage gehalten hätte. Hat er aber nicht. So mancher Kamerad auf der Hahnweide konnte dem Wetter nicht widerstehen, aber mehr als Abgleiten war eben nicht drin. Ich verkniff mir das ganze, nicht ohne seichten Ärger, aber immerhin konsequent. Ich nutzte die Zeit aber, mal auf die Burg Teck zu steigen und selbst die Aussichtsplattform zu erklimmen, von der mir schon so mancher Tourist zugewunken hat.
Auf der Vereinsweihnachtsfeier am Abend keimte beim gemeinsamen Buffet-Räubern die Idee auf, es am Sonntag früh zu versuchen. Eine Regenfront mit sattem Westwind sollte gegen 10 Uhr durchgehen, also hätte man vorher durchaus Zeit gehabt, zu fliegen. Einen Schlepp-Pilot hatte ich schon breitgequatscht, und den ein oder anderen Vereinskameraden hatte ich auch noch gefragt, wenngleich ich mir sicher war, dass von denen keiner kommen würde.
Also zum 3. Advent um acht Uhr aus dem Bett gewühlt und aus dem Fenster geguckt. Es tröpfelt. Na klasse. Ich raffe trotzdem meinen Krempel und fahre los. Kaum auf der Autobahn, wird der Regen stärker. Ein Anruf beim Flugleiter bringt Gewissheit: Es schüttet. „Aber die Front ist Mittag durch, und die Windvorhersage bleibt bestehen“, heißt es.
Zweiter Versuch. Gegen 12 Uhr bin ich auf der Hahnweide. Im Norden ist der Himmel blau, die Sonne scheint. Über der Alb thronen tiefschwarze Wolken. Die Teck hängt zeitweise komplett in der Sotte. Oh mann, was fürn Bockmist. Anderhalb Stunden hänge ich im Turm rum, wir philosophieren über Sinn und Unsinn des Fliegens bei solchen Wetterlagen, kommen aber zum Schluss, dass es eben nicht nur dumm, teuer und gefährlich, sondern auch einfach schön ist. Aber selbst Joe, unser Schleppilot, ex-Luftfhansa-Kapitän und passionierter Segelflieger, hat seine Bedenken, ob das Wetter taugt.
Als ich unten auf dem Flugfeld stehe, schallt es mir entgegen. „Was ist los, Lars, fliegen wir??“ Noch bevor ich richtig realisiere, dass es Tilo Holighaus ist, rufe ich zurück „Ich bin noch am Überlegen…“. Tilo will mit seinen Kids eine Runde Arcus fliegen. „Komm, das probieren wir! Willste mal Ventus fliegen??“ Spätestens jetzt hat er mich endgültig, obwohl ich natürlich nur drauf gewartet hatte, dass sich noch ein Verrückter findet, der es versuchen will. Und zwar trotz tief hängender Wolken, trotz Wind aus Süd, trotz der Kälte und der Tatsache, dass man bei diesem Wetter nicht in ein Flugzeug, sondern auf die Couch gehört – mit Tee, Teelichtern und Stollen.
Wir zerren die K2 aus der Halle und rüsten dann die Victor Victor auf. Es ist der Prototyp des Ventus 2a, nach mehreren Umbauten inzwischen zum 2ax geworden. 15 Meter, Wölbklappen, federleichte Innenflügel. Gleitzahl irgendwas um die 48. Vielleicht nicht das teuerste, aber garantiert das agilste, was ich je geflogen bin. Während wir das Gerät zusammenstecken, erklärt mir Tilo, worauf es ankommt. Anrollen mit -1, der besseren Querruderwirksamkeit wegen. Dann auf +2 umwölben. „Oder einfach bei 0 lassen, das ist wahrscheinlich das einfachste.“ Klingt plausibel, denke ich mir. „Und immer schön auf den Fahrtmesser gucken, das Horizontbild täuscht mitunter sehr.“ Nun gut. Dann gibt es noch ein paar Hinweise zur Flugleistung ala „wenn Du den Flugplatz siehst, kommst du auch hin“ und die ganz klare Bitte, keine Experimente zu machen. „Wenn es nicht geht, such dir ein Feld. Das ist kein Problem, die da unten gehen alle. Lieber holen wir dich vom Acker, als aus irgend einer Baumkrone.“ Die Einstellung gefällt mir.
Wir schieben die Flieger an die Startstelle der 25. Die Husky rollt heran, und ich quetsche mich ins Cockpit. So weit ist der Ventus 2a von der Foka tatsächlich nicht entfernt, Tilo hatte gesagt, auch den müsste man sich anziehen. Die stark liegende Position ist zunächst etwas ungewohnt, aber wirklich unbequem ist es nicht. Die Hand am gelben Griff zu halten, ist mühsam, aber das habe ich mir angewöhnt, um bei einem Problem der Schleppmaschine schnell ausklinken zu können. Irgendwie wirds gehen.
Das Seil strafft sich, der Ventus rollt. Kaum abgehoben, bestätigt sich die vermutete Agilität. Schon im Schlepp deutet sich die Leichtgängigkeit der Steuerung um alle Achsen an. Tatsächlich fordert der Schlepp aus diesem Grund etwas mehr Aufmerksamkeit, weil jede grobmotorische Bewegung sofortige Reaktion und schnelles Zurücksteuern hinter die Schleppmaschine verlangt. Südöstlich des Platzes klinke ich in 900 Meter Höhe aus und nehme direkt Kurs auf den Teckberg. Wölbe auf -1 und vorwärts. So ganz unbekannt ist mir die Wölbklappenfliegerei ja dank Speed Astir und Arcus nicht. Im Geradeausflug kann ich mich mit leichten Kurswechseln ein bisschen auf die Steuerung einstellen. Und ja, er fliegt sich toll.
Am Hang ist Waschküche. Die Teck ist nicht zu sehen, und ein bisschen frage ich mich schon, was ich hier eigentlich mache. Aber in dem Moment bin ich auch schon dran am Relief, umwölben auf +1 und – es steigt. Da ist es wieder, dieses Glücksgefühl, wenn du dem Gelände folgst und wie von Zauberhand angehoben wirst. Ohne Thermik, ohne Kreis, nur durch den Wind. Beinahe Magisch. Ab dem gelben Felsen geht es in Richtung Süden recht gut. Ein Meter Steigen ist im Aufwindband drin. Aber es is höchste Aufmerksamkeit gefragt, um sich nicht in die Wolken tragen zu lassen. Und das kann richtig schnell gehen, insbesondere an den Stellen, wo der Hang in Ost-West-Richtung verläuft und der Wind voll angreifen kann. Nach drei oder vier Wenden knackt der Funk: „Na Lars, gehts?“ Tilo hat ausgeklinkt und will wissen, ob es sich lohnt, rüberzukommen. „Es geht, die Sicht ist grenzwertig, aber es geht“, gebe ich samt meiner Position zurück. Kurz darauf ist Tilo bei mir und bittet mich, vorm Wenden immer kurz Bescheid zu geben. So feilen wir eine Zeit lang am Teckberg und der Ostkante des Lenninger Tals entlang, und ich komme mir mit dem agilen Flieger ein bisschen wie ein Airrace-Pilot vor, nur dass ich nicht Pylonen ausweiche sondern Wolken.
Plötzlich ist Tilo weg. Hä? Aber wohin? In eine Wolke fliegt ein solch routinierter Pilot garantiert nicht ein. Kurz darauf sehe ich ihn, bestimmt 200 Meter höher als ich über Brucken. Dort stehen keine Wolken, aber wie er es da hoch geschafft hat, ist mir ein Rätsel. Bestimmt eine halbe Stunde versuche ich – per Funk dirigiert aus der Etage über mir – auch auf die Höhe zu kommen, aber es gelingt mir ums Verrecken nicht. Dann meldet sich Tilo ab, um seinen Sohn abzusetzen und dessen Zwillingsschwester ins Cockpit zu holen. Kaum ist der Arcus weg, finde ich mein Steigen. Und das ist sogar rund! Ich fliege am 11. Dezember kreise mit einem bis eineinhalb Meter Steigen! Ich bin total perplex. An den Wolken vorbei bin ich nach kurzer Zeit auf 1050 Meter MSL und damit am Deckel. Riskiere ichs? „Hahnweide Info, Victor Vitor. Können wir den Sektor Alb Nord aktivieren?“ „Bitte was??“ kommt es etwas verstört vom Tum, aber Stefan fragt natürlich. Kurz darauf haben wir 6000 Fuß frei, und ich kann weiter klettern. Bis auf 1300 Meter geht es rauf, und da liegt ein Großteil der Wolken schon unter mir.
Inzwischen ist auch der Arcus wieder da, und ich folge Tilo an den sich links neben uns auftürmenden Wolken das Lenninger Tal hinauf. Ich bin nur noch fasziniert von dem Anblick und kann es immer noch nicht richtig fassen, was ich da gerade tue. Warum habe ich je was anderes gemacht? Es fehlt nur noch ein LED-Teelicht, mit Tesa aufs Panel gepappt, und es wäre der absolut perfekte dritte Advent. Auf Höhe des Steinbruchs Grabenstetten drehen wir um und es geht gen Norden. „Lust auf Experimente?“, fragt Tilo. „Es ist Dein Flugzeug. Du weißt, was es kann und was nicht, also von mir aus“, gebe ich zurück. Wir fliegen parallel zur Wolkenfront wieder Richtung Teck, biegen hinter dem Berg nach rechts ab und gehen auf Ostkurs. Mit einem Nullschieber fliegen wir rund zehn Kilometer geradeaus, wenden dann aber, weil die Welle dort nicht so funktioniert wie Tilo vermutete.
Am Teckberg geht es wieder nach Süden, die Hand zum Grüßen der Teck-Touris erhoben. So toben wir noch eine Weile am Hang entlang und genießen das Erlebnis. „Ich würde dann langsam zurück“, gibt Tilo per Funk durch, und auch mir ist nach Feierabend, weil es langsam dunkler wird, Füße und Nase kalt sind und sich der Tee meldet, den ich vor dem Flug in mich hineingeschüttet habe. Also Kurs Heimat, Wölbklappe auf -2 und mit 150 losgefeuert. Am Platz kreise ich langsam meine Höhe ab, fahre das Fahrwerk aus und nehme Kurs auf die Piste 07. Wölbklappe auf +2, Fahrt 120 und Bremsklappen raus. Der Anflug ist trotz der Windböen und des Rückenwindes unspektakulär – Tilo hatte empfohlen, dass wir die 07 nehmen, weil sie sich am besten anfliegen lässt und der leichte Rückenwind bei seiner ersten Landung keine Probleme bereitete. Abfangen, Ausschweben, Aufsetzen. Dann mache ich den Kardinalfehler und nehme die Klappen wieder rein, um möglichst weit zu rollen, und prompt steigt er nochmal weg. Das zweite Aufsetzen ist etwas weniger sanft, aber immernoch im Rahmen. Ich schaffe es noch, den halben Weg bis zur Halle zu rollen, dann steht die Victor Victor. Ich muss pissen wie sau, schaffe es aber erst im dritten Anlauf aus dem Cockpit. Ab zur nächsten Hecke und endlich Erleichterung.
Tilo schwebt fünf Minuten später ein, und auch er scheint einen Kleiderbügel im Mund zu haben. Kaum ist er aus dem Cockpit, umarmen wir uns. Auch er hätte nicht annähernd gedacht, dass es solch ein fantastischer Flugtag werden würde.
Angefixt
Tatsächlich ist seit meinem letzten Blogeintrag aber noch einiges mehr passiert. So habe ich einmal mehr Überstunden auf dem Fugplatz abgebaut und bin mit einigen meiner Kollegen geflogen. Wieder mit dabei: Markus aus der Motorrad-Redaktion. Und bei ihm ist das Feuer auch schon ganz kräftig am Lodern, aber das machen seine eigenen Worte wohl mehr als deutlich:
Rund anderthalb Wochen nach meinem ersten Flug mit Lars im Duo Discus bekomme ich überraschend noch einmal einen Platz unter der Plexiglashaube des großen Vogels. Schon die Vorbereitung und der Preflight-Check des Flugzeuges hatten wieder großen Spaß gemacht, und Lars war anschließend bereits mit meiner Tochter Lea 29 Minuten in der Luft gewesen. Ein großzügiges Geschenk seinerseits zum 14. Geburtstag, das ihr nachhaltig Spaß gemacht hat. Im Gegensatz zu mir ist die Kleine absolut flugfest. Das nächste Mal könnte sie sich vorstellen auch im Kunstflieger Fox, der am gleichen Tag am Platz unterwegs war, mitzuturnen, sagt sie später.
Nachdem uns diesmal eine Aviat Husky von der Graspiste gezogen hat, erklimmen wir mit 1,5 bis 2 Metern Steigen stetig Höhe. Von Beginn an fühle ich mich gelassener, die Umgebung wirkt vertraut, das Abendlicht intensiviert die Sinneseindrücke, der Duo liegt satt und ruhig in der Luft. Bei rund 600 Metern über Grund klinkt Lars aus und legt die Ruder hart rechts, um einer grade gespürten Thermik nachzujagen. Entgegen seinen Erwartungen findet Lars noch den einen oder anderen Bart um uns auf Höhe zu halten. Sei es der ruhigeren Wetterlage gedankt oder einer erwachenden „Routine“, aber heute fühle ich mich körperlich voll auf der Höhe und genieße ohne physische Irritationen jede Minute unseres Segelns über den grünen Hügeln der Albvorlandschaft.
Wieder darf ich ein kleines bisschen an Knüppel und Pedalen mitfühlen. Ich bin wieder begeistert, wie stabil der Duo in Schräglage gleitet, wie konsequent er auf Ruderausschläge reagiert und empfinde ähnliche Glücksgefühle wie beim Hochkurven eines Passes in den Alpen mit dem Motorrad. Das Spiel mit Fliehkraft und Gravitation ist im Segelflugzeug noch viel intensiver und der Anblick der Instrumente, der Flächen, die wahlweise ins Blau des Himmels oder ins Grün des Grundes stechen elektrisiert mich völlig. Lars erklärt mir, dass man in der Segelflugausbildung vor allem lernen muss, nicht nur nach den Instrumenten zu fliegen. Nein, es gehe darum, Höhe, Fluglage und Geschwindigkeit auch im Abgleich mit dem Horizont ins Gefühl zu bekommen. Klar, das ist mein Fernziel: Einen solch elegant-schönen Vogel nur mit dem „Arsch“ kontrollieren zu können, meine Sinne zu erweitern bis in die Flügelenden, ins Leitwerk und den Rumpf. Eins zu werden mit dem Flieger, das kann ich mir schon richtig vorstellen, obwohl der Weg bis dahin noch weit ist. Irgendwann werde ich diesen Weg beschreiten und ihn ganz sicher bis zu Ende gehen, das steht fest.
Nach 33 Minuten setzen wir sanft auf der Graspiste auf. Lars schafft es, bis fast vor die Halle zu rollen. Mir war keine Sekunde schlecht, ich habe das Flugzeug zum ersten Mal richtig gespürt und einen Durchbruch in der Erkenntnis erzielt, was Segelfliegen bedeutet und ausmacht. Ich bin so sehr angefixt, dass ich bereits dem nächsten Flug entgegen fiebere.
So viel zur Wirkung zweier Mitflüge auf einen, der es eigentlich auch schon immer wollte, und dessen Widerstand so langsam aber sicher bricht 😉
Tschüss Duo, Hallo Twin III
Weiterhin musste ich mich von meiner geliebten K5 verabschieden, da sie im Januar durch einen Duo XLT ersetzt wird. Das freut mich nur bedingt, denn dann gibt es für mich keine Alternative mehr, als mir das beste aktive Headset am Markt zuzulegen, um irgendwie den Lärm des Triebwerks auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Tatsächlich flog ich die letzte Runde mit „meiner“ K5 am 16. Oktober gemeinsam mit meiner Schwester, die so zum ersten Mal meine neue fliegerische Heimat aus der Luft zu Gesicht bekam.
Zwei Wochen später erlebte ich wieder einen Typen-Erstflug, denn mein Checkout auf unserem neuen Schul-Dosi stand an. Ein Twin III, der sogar mal Acro durfte, bei dem aber die Rumpfverstärkungen nicht eingebaut wurden. Rumturnen also tabu. Dennoch war mir der Flieger vom ersten Moment an sympathisch, denn er fliegt sich deutlich besser als der IIer. Mit Fluglehrer Steffen flog ich am 1. November meine Einweisung auf dem Ding, und meine Frage, ob wir noch einen zweiten Start gemeinsam machen sollten, kam nur lapidar zurück: „Was soll ich dir denn da jetzt noch erklären??“ Nun gut. War mir auch recht so, denn für den Nachmittag hatte ich eine nette Kollegin zu ihrem ersten Segelflug eingeladen, und da brauchte ich den Twin. Dumm nur, dass der eigentlich in der Schulung war, also blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit den Flugschülern gut zu stellen und ihnen den Twin gegen einen Kasten Bier für 15 Minuten abzuschwatzen. Ich denke, es hat sich gelohnt, denn mein Passagier machte nach dem Flug ein sehr zufriedenes Gesicht.

Zu einem weiteren, denkwürdigen Flug kam es am 20. November. Philipp, ein Kumpel von meinem Kollegen vom Klassiker der Luftfahrt, war zu Besuch in Stuttgart und nahm die Einladung, bei mir eine Runde mitzufliegen, gerne an. Beruflich fliegt er als Co A380 bei der Lufthansa, privat eine Vultee BT-13, einen alten US-Trainer mit Sternmotor, über den ich im aerokurier eine schöne Story gemacht habe. Im Gegensatz zu meinem Kollegen Philipp hat der Lufthansa-Philipp weniger Scheu, sich dem lautlosen Fliegen zu stellen. Allerdings, es ist wieder kein wirkliches Gastflugwetter. Aufgrund des Windes ist Hangaufwind am ehesten am Gelben Felsen zu erwarten, und dann dürfte es extrem bockig werden. Egal, hoch, rüber und probieren.
Schon im F-Schlepp zeigt sich mein Fluggast, der knapp 100-Mal so viele Flugstunden hat wie ich, angetan von dieser Art der luftgebundenen Fortbewegung. Die Entspannung schwindet aber zunehmend, als wir uns am Hang zwischen die vier anderen Flugzeuge quetschen, die sich dort auf dem knappen Kilometer drängen, auf dem der Hang wirklich geht. Und es ist an diesem Tag wirklich nicht einfach, sich zu halten. Das Aufwindband ist schmal, und ich bin permanent nur am rotieren, um alle anderen Flugzeuge im Blick zu behalten. Nach einer guten Viertelstunde hartem Ritt reicht es Philipp, und wir machen uns auf den Rückweg zur Hahnweide. Selbst über dem Tal werfen uns Böen hin und her, und wenn ich in dem Moment nicht mit Fliegen beschäftigt gewesen wäre, hätte auch mir durchaus schlecht werden können. Schließlich richte ich den Twin auf die 07 aus und fliege hoch über dem Wald an, um bei den starken Böen reichlich Höhenreserve zu haben. Kaum über die Bürgerseen weg, slippe ich bis auf 50 Meter Höhe ab und schwebe lange bis etwa zur Mitte der Asphaltbahn. Mit einem Quietschen setzt das Hauptrad auf, mit Seitenruder rechts und Gegenquerruder rolle ich ab und parke das Flugzeug direkt am F-Schleppstart. Vom Rücksitz kommt nur ein einziges Wort. „Respekt!“ Ich hätte ja nun alles erwartet, aber nicht diese Art von komprimierter Anerkennung.
Nach dem Flug erzählt mir Philipp, dass er als Passagier gerade genau das erlebt hat, was er sich als Pilot über die Jahre komplett versucht hat abzugewöhnen: Die Annäherung an andere Flugzeuge, die Nähe zum Relief. Hangflug ist eben doch was komplett anderes als das freie Fliegen irgendwo im Luftraum.
Nachdem ich meine Excel-Tabelle mit den ganzen Flügen gefüttert habe, stehen jetzt 81 Stunden und 55 Minuten für 2016 im Flugbuch. Mal gucken, was noch kommt. Ich gebe mir Mühe 😉
Ein Kommentar zu “Advent, Advent”