Einmal Lüchow und zurück…

…aber ohne Eintrag auf der 100 Plätze – 100 Flüge-Liste. Nachdem das Wetter bereits am Samstag nur für Platzrunden reichte, sah es heute früh schon mehr als beschissen aus. In der Hoffnung, dass es doch irgendwie fliegbar wird, stehe ich gegen halb zehn auf dem Flugplatz und zerre den Else-Hänger aus der Halle. Das Ziel ist der Flugplatz Lüchow-Rehbeck. Bereits gestern hatte ich mit dem dort ansässigen Luftsportverein Lüchow-Dannenberg telefoniert und mich nach der Möglichkeit für nen Start erkundigt. Lapidare Antwort: „Komm her und flieg!“ Um nicht völlig dämlich vor verschlossener Tür zu stehen, klingel ich kurz vor der Abfahrt nochmal bei den Lüchowern an und erfahre, dass das Wetter bescheiden ist, aber eventuell doch noch Schulungsbetrieb in Gang kommt. Also Hänger dran und los.

Eine gute Stunde später bin ich da und werde freundlich eingewiesen. Auf dem Tower erfahre ich, dass man noch abwartet und die Tendenz wohl eher gegen das Fliegen spricht. Das Wetterradar zeigt Regenfelder, die sich auf den Platz zubewegen. Klar könnte ich jetzt aufrüsten und mich mal eben auf 600 Meter ziehen lassen – ein Schleppilot ist da. Aber will ich dann gegebenenfalls ein klatschnasses Flugzeug einladen, dass eigentlich noch ordentlich geputzt werden muss, um den Staub vom Oldtimertreffen zu beseitigen? Die Entscheidung ist gefallen.

Dennoch nutze ich meine Sonntagsausflug mit Neun-Meter-Anhänger, um Kontakte zu knüpfen. Ich lasse mich von Vereinsmitglied Yannik, der mich bereits über Facebook schon einmal eingeladen hatte, über den Platz führen und gucke mir an, was die Kameraden so in den Hallen stehen haben. Und da steht da doch tatsächlich ein LET 23 Super Blanik! Der Shades-of-Grey-Flieger im Original, ich lach mich kaputt (Für die nicht-Insider: Im Buch fliegt SM-Snob Christian Grey seine Sub in spe mit einer LET 23 durch die Gegend, im Film hat man die Blechdose allerdings durch eine DG 1000 ersetzt). Nun steht die Frage, wo ich mich zum Blanikfliegen einlade, in Jena-Schöngleina oder doch in Lüchow… Wobei, man kann ja beide mal probieren, den 23er und den 13er. Letzteren haben die Lüchower auch noch, leider gegroundet und seit 2012 auf dem Anhänger verstaut. Weiterhin stehen Astire, die obligatorische ASK 21 und eine Pik20D zusammengeschachtelt in der Halle.

Nach der Führung sitze ich mit Jasper und Sebastian im Vereinsheim bei einer Tasse Tee und wir diskutieren dieses und jenes rund ums Vereinsleben, Wettbewerbsfliegen und die Vorzüge und Nachteile der Segelflugregion Brandenburg-Niedersachsen. Postwendend kommt die Einladung, in zwei Wochen nochmal vorbei zu schauen, denn dann haben die Lüchower Sommerlager. Schließlich zeigt mir Jasper noch seine Speed Astir, einen Flieger, den ich aufgrund seiner konstruktiven Gimmicks wie spaltlose Wölbklappen interessant finde.

Nach gut zwei Stunden verabschiede ich mich wieder und zerre den Anhänger vom Flugfeld. Rückwärts fahre ich auf der linken Seite der Elbe und nehme schließlich die Fähre von Schnackenburg nach Lütkenwisch. Als ich den schmalen Weg zum Fähranleger hinunter fahre, hoffe ich inständig, dass der Kahn auch in Betrieb ist, denn hier mit dem Anhänger rückwärts zu rangieren wäre völlig unmöglich. Doch Tatsache, die Fähre ist trotz Niedrigwassers unterwegs.

Während der Wartezeit erzähle ich mit drei Motorradfahrern, die mich im Spaß fragen, warum ich nicht über die Elbe fliege. Einer war tags zuvor auch auf dem Oldtimertreffen und erkennt mich wieder. Beim Auffahren auf die Fähre kratzt der Arsch des Anhängers natürlich auf der Rampe, aber irgendwie passt es dann doch. Für zehn Euro kutscht der Fährmann mein 14-Meter-Gespann über den Fluss, und die Rampe auf der anderen Seite passiere ich in der Tat, ohne aufzusetzen. Einmal in Lütkenwisch, nutze ich die Chance, mir die Gedenkstätte für den hier von einem DDR-Grenzboot getöteten Flüchtlings Hans-Georg Lemme anzuschauen.

Gegen 15 Uhr schiebe ich den Anhänger wieder in die Halle und das Tor zu. Dank der Gastfreundschaft der Lüchower auch ohne Flug ein netter Ausflug. Wir sehen uns!

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Das Beweisfoto: Sebastian, Jasper, ich und die India Lima, letztere allerdings eingepackt.
Das Beweisfoto: Sebastian, Jasper, ich und die India Lima, letztere allerdings eingepackt.

Bodenturnen und zwei glückliche Fluggäste

Oldtimertreffen in Perleberg. Großes Spektakel bei den Oldtimerfreunden, direkt neben dem Flugplatz auf dem ehemaligen Militärareal. Die Chance für uns, ein bisschen die Werbetrommel zu rühren. Also die Else hingezerrt, zusammengesteckt, Pavillon drüber und in den Plastestuhl gelümmelt. Erfahrungsgemäß dauert es eine Zeit, bis Besucher von alleine zum Stand kommen. Sichere Distanz wahren, erstmal gucken – klar, so ne LS1 mit ihren gewaltigen 15 Metern Spannweite (Achtung, Ironie!) schüchtert schon ein.

Erst gegen Mittag kommt der ganze Spaß richtig in Gang, regelmäßig umringen Gruppen von Besuchern den Flieger und lassen sich das Cockpit und die Steuerung erklären. Interessanter Weise ist die LS1 auf einem Oltimertreffen gar nicht so falsch, mir ist neulich das Lachen aus dem Gesicht gefallen, als ich im Bordbuch das Baujahr 1969 gelesen habe. Die Gurke ist echt 16 Jahre älter als ich – und noch drei Jahr älter als unser Pirat und viele der DDR-Oldtimer, die an diesem Tag so über das Treffen rumpeln.

Schließlich umringt uns eine Gruppe junger Prignitzer, vielleicht Anfang 20. Während die Jungs sich eher zurückhaltend geben, scheinen die Mädels weniger Scheu zu haben. Tatsächlich lassen sich die beiden mit gutem Zureden zu Ihrem Glück bewegen, und die Gruppe setzt sich in Richtung Flugfeld in Bewegung. Auch ich lasse mich am Stand zwischenzeitlich von Felix ablösen und gucke zum Start. Als die erste Passagierin wieder aus dem Flieger steigt und die Obligatorische Frage „Und?“ mit zwei nach oben gereckten Daumen quittiert ist klar: Alles richtig gemacht. Auch Madame zwei lässt sich von Bernd ganz entspannt durch die Luft kutschen und steigt mit einem zufreidenen Gesicht aus.

Im Anschluss mache ich zwei Gästeflüge, den ersten mit Andreas, einem Brandenburger, der zum gucken aufs Oldtimertreffen gekommen ist und sich von mir hat belatschern lassen, einfach mal ins Flugzeug einzusteigen. Der Start ist untenraus zwar ganz schön lasch, aber wir kommen trotzdem auf 420 Meter Höhe. In bester Reisebegleitermanier mache ich einen kurzen Sightseeing-Flug, vor allem über dem Oldtimertreffen kreisen wir mit ordentlich Schräglage, damit mein Gast gut fotografieren kann. Nach sieben Minuten sind wir wieder unten, und ich unterschreibe die dritte Urkunde an diesem Tag für einen mutigen Mitglieger. Schließlich folgt noch ein siebenminütiger Gästeflug, der wieder für ein zufriedenes Gesicht sorgt.

Zurück am Stand kommt es zu einer Begegnung, die ich wohl nie vergessen werde. Mit zwei Herren mittleren Alters komme ich ins Gespräch, erkläre viele Details rund ums Segelfliegen. Irgendwie komme ich dann auf den Sternmotor, der um die Ecke auf nem Anhänger steht. „Der gehört uns“, klärt mich einer der beiden auf. „Wir haben den mal über Kontakte bekommen und auf nen Anhänger montiert.“ Ich frage nach, was man mit einem Antonow-Sternmotor mit neun Zylindern, 30 Litern Hubraum und 1000 PS auf einem Anhänger macht. Die Antwort darauf hätte konsequenter nicht sein können: „Na an!“ Muss man nicht verstehen, war aber eine urkomische Situation.

Um 18 Uhr verschwindet die Else total verstaubt im Anhänger und wir machen feierabend. Fünf Gästeflüge insgesamt, bisschen was für die Vereinskasse und ein schöner Tag. Es hat sich gelohnt.

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Erklärbär und Else am Stand. Man beachte das verdammt coole T-Shirt.
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Ein Schwezow ASch-62 auf einem Anhänger montiert. „Und was macht man damit?“ „Na an!“
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Viele der Cockpitinstrumente der An 2 finden sich im Bedienpult des Motors wieder.

Mit Freunden unterwegs und Kammermark die Zweite

Drei Tage Segelflug in Folge – es gab definitiv schon schlechtere Wochenenden. Wobei Wochenende ja nur halbkorrekt ist, da ich am Samstag mit dem legendären Drachenbootteam „Gera 11km“ zunächst bei unbarmherziger Hitze das Wasser des Wittenberger Hafenbeckens quirlen musste, wobei immerhin ein respektabler viertletzter Platz unter 23 Teams herauskam. Fliegerisch konnte ich am Samstag ohnehin nicht viel verpasst haben, zumindest zeugten zahlreiche Facebookfotos mit improvisierten Pools in Anhängern von der einzigen Beschäftigung auf hiesigen Flugplätzen, die bei Temperaturen jenseits der 35 Grad noch denkbar war.

Für Sonntag allerdings hatten sich vier meiner Teamkameraden für einen Platz im Cockpit beworben, um aus der Perspektive des Co-Piloten einmal das zu erleben, wovon ich seit Jahren schwärme. So schlage ich um 10 Uhr auf dem Platz auf, um gemeinsam mit meinem Schlukumpel Lars, der ebenfalls mitgepaddelt war, bei den Startvorbereitungen zu helfen. Noch bevor wir fertig zum ersten Start sind kündet eine Kolonne aus vier Autos von der Ankunft der anderen „Delinquenten“.

Beim Durchchecken das Bocians folgen mir neugierige Augenpaare und ich erkläre hier und da, was ich warum kontrolliere. Als ich fertig bin, wühle ich mich mit Bernd zusammen ins Cockpit. Ich will einfach vorab einen Start machen, um mich auf die Windverhältnisse einzustellen, und es schadet nicht, ab und zu mal einen Fluglehrer dabei zu haben, zumal für die Sportpilotenlizenz zwei Checkflüge mit einem Lehrberechtigten innerhalb von 24 Monaten vorgeschrieben sind. Wir starten, alles verläuft unspektakulär. Es zuppelt ein bisschen, aber ich verkneife mir das Einkreisen, da am Boden meine Gäste warten.

Kaum sind wir wieder unten, kommen erste Fragen nach Geschwindigkeit und Steigwinkel. Offenbar werden sich meine Freunde der Tatsache bewusst, dass Segelfliegen aus der Nähe doch ein bisschen dynamischer ist als das entspannte Kreisen, das man gemeinhin vom Boden aus beobachten kann, wenn sich mal wieder ein Streckenflieger über den eigenen Garten verirrt. Lars ist der erste, der sich den Jägermeisterhut, den wir für Gäste immer im Startwagen liegen haben, aufsetzt. Dazu gibt es einen Müllbeutel, für den Fall der Fälle. Ich erkläre ihm vorab die Details des Starts, dass es untenraus heftig wird, aber spätestens nach dem Ausklinken sehr entspannt. Schließlich gibt es noch die obligatrische Einweisung in den Notabsprung einschließlich der Hinweise, dass Springen extra kostet und jede Nachfrage auf mein Ausstiegskommando hin ein Selbstgespräch ist. Den Startcheck mache ich bei offener Haube, sonst sterben wir den Hitzetod. Kaum ist der Deckel zu, wird das Cockpit zum Backofen. Erst als sich das Seil strafft, der Flieger Fahrt aufnimmt und es frische Luft durch die tausend Löcher im Rumpfbug drückt, wird es erträglich. Ein freudiges „Oaaaar“ vom Rücksitz kündet von der erwarteten Wirkung des Windenstarts. Kaum sind wir bei 400 Meter raus, kurve ich ab und suche nach Thermik. Es säuft. Na klasse. Erst über Sükow kündigt sich etwas Steigen an, aber es ist Feingewinde. In mühsamer Eichhörnchenmanier kreise ich den Bocian langsam nach oben, erkläre nebenbei die Steuerung, die Instrumente und den ominösen Faden auf der Haube. Bis auf 700 Meter geht es, hier kommt die obligatorische Frage, ob mein Fluggast Achterbahnfest ist oder die ruhige Variante bevorzugt. Lars bevorzugt die ruhige, und so kreise ich langsam die Höhe ab. Nach einer guten Viertelstunde sind wir wieder unten.

Beim zweiten Flug spielt Tom den Cockpitassistenten. Als echtes As in der Playstation-Flugsimulation Air Combat scheint er dafür ganz gut geeignet, wenngleich es kaum Ziele geben dürfte, die er mir zuweisen kann. Festgeschnallt, Haube zu, los gehts. Auch Tom scheint der Windenstart zu beeindrucken, das „Wow…“ vom Rücksitz lässt da wenig Zweifel. 420 Meter in 40 Sekunden, die letzten Meter als Überfahrt-Wegnaschen mit anschließender Airtime beim Nachdrücken hinterlassen beim Fluggast offenbar den ersten Adrenalinschub. Zweimal links, Kurs Sükow. Siehe da, der Bart steht noch, also rein in den Kreis und Höhe machen. Bis auf 800 geht es dieses Mal hoch, und als ich ihn einmal auf anderthalb Meter eingezirkelt habe, zeigt sich mein Co vom Spiel der Zeiger in Variometer, Fahrt- und Höhenmesser durchaus beeindruckt. Ich demonstriere Tom einen Seitengleitflug, denn im ersten Landeanflug mit Bernd im Nacken musste ich den Flieger ziemlich an den Boden ranprügeln, da wir im Endanflug noch Aufwind hatten. Per Funk kommt die Info, dass wir eine Viertelstunde voll haben, und da Tom sich für achterbahntauglich hält, Kreise ich die Höhe in Steilkurven ab und mache ein paar Parabelflüge. Zeitnah kommt dann von hinten die Rückmeldung, dass es reicht…

Flug drei gehört Daniel, der seiner Freundin Kristin einen Fluggutschein geschenkt hatte und damit diesen Flugtag mit Freunden überhaupt erst ins Rollen brachte. Da ich keine Thermik finde, sind wir nach fünf Minuten unten und rollen direkt wieder zum Start, um es noch einmal zu versuchen. Der zweite Flug geht immerhin 22 Minuten, und ich nutze die Zeit, um ein bisschen Sightseeing über Perleberg zu machen. Daniel fotografiert fleißig und scheint ebenso begeistert wie meine beiden vorherigen Co-Piloten. Die Landung versemmel ich etwas, da ich zu schnell anfliege und dadurch natürlich zu weit komme.

Schließlich darf die Hauptperson einsteigen. Daniels Freundin Kristin hat keine Angst, aber gesunden Respekt vor der Sache. Bereits am Tag zuvor habe ich ihr das Wissenswerte erklärt, auch Gefahrensituationen und Gegenmaßnahmen angesprochen. Jetzt scheint sie ganz entspannt. Einsteigen, Deckel zu, wir sind startklar. Noch einmal zeigt Horst, was seine Erfahrung als Windenfahrer wert ist, denn der Schlepp ist wieder perfekt. 420 Meter Höhe, eigentlich eine gute Basis. Madame hat ganz offensichtlich ihren Spaß, aber der Thermikgott steht uns dieses Mal so gar nicht bei. Es geht einfach nur abwärts. Bereits auf dem Weg zur Position verspreche ich ihr, bei Gelegenheit einen zweiten Flug mit ihr zu machen. Wir machen eine lange Landung, und dieses Mal parke ich den Bocian wirklich direkt am Rollweg zur Halle. Ich helfe meiner Passagierin beim Aussteigen und gucke in ein gut gelauntens Gesicht. Ziel erfüllt.

Starke Männer mit Glitzertattoos.
Starke Männer mit Glitzertattoos.
Kristin bekam den Flug von ihrem Freund geschenkt.
Kristin bekam den Flug von ihrem Freund geschenkt.
Landung.
Landung.
In der Luft.
In der Luft.
Startklar.
Startklar.
Ein Heer von Inspektoren.
Ein Heer von Inspektoren.
Der (Durch)Checker und das Publikum.
Der (Durch)Checker und das Publikum.

Zu Gast bei den Kammermärkern

Montag und Dienstag frei. Beim angesagten Wetter konnte ich diese Tage eigentlich nur auf dem Flugplatz verbringen. Zwei Optionen: In Kyritz 40 Euro für nen F-Schlepp auf den Tisch legen oder nochmal nach Kammermark fahren und mich dort bei der Akaflieg Berlin und den Bonnern einklinken, die dort gerade ihr Sommerlager machen. Schließlich fällt die Entscheidung für Variante zwei, da ich von Kyritz zwar am Vormittag das OK für ’nen F-Schlepp bekommen habe, am frühen Nachmittag dort aber niemanden erreichen kann.

Wie üblich vertrödel ich vorher viel zu viel Zeit, und da der Flieger gerade aus der Werkstatt kommt, muss ich erstmal wieder alles ins Cockpit packen und das Zubehör zusammensammeln. Düse? Da. Hauptbolzen? Da. Xwieviele Kissen? Da. Kuller? Da. Akku? Da. Soweit alles Komplett, also rein in den Hänger. Zuvor ziehe ich die Klebebänder ab, die die Static-Ports und das Staurohr in der Werkstatt vor Staub schützen sollten, um dann nicht mit funktionslosem Fahrt- oder Höhenmesser am Windenseil zu hängen. Bevor ich abhaue, schneide ich noch einen Gummilappen zum Abdecken der Schleppkupplung passend, den ich vor Ort montieren will, da ich nicht an die Kupplung ran komme, wenn die Else auf dem Rumpfwagen steht.

Im gestrecken Galopp geht es nach Pritzwalk, gegen 16 Uhr bin ich da. Nach der Anmeldung beim Flugleiter helfen mir ein paar Flugschüler beim Zusammenstecken der Else. Das Anpassen und Ankleben des Gummilappens erweist sich als schwierige Fummelarbeit, und da ich meiner Handwerkskunst nicht traue, sichere ich ihn zusätzlich mit einem Streifen PVC-Klebeband. Beim Durchgehen meiner Vorflugkontrollliste stutze ich am Punkt „Aufzugsleine Schirm“ und fluche augenblicklich drauflos. Ich hab tatsächlich den Fallschirm vergessen. Gehts denn noch dämlicher? Die Akaflieger haben Mitleid und sponsern mir einen Schirm für den Tag. Der ist natürlich schlanker als mein üblicher Spekon RE5L, und so sitze ich mal wieder vollkommen beschissen in der Else. Das ist aber auch egal, weil das gute Wetter nun eh durch ist und ich nicht mehr auf Thermik hoffen brauche.

Drei Flüge, drei Platzrunden, mehr ist nicht drin. Aber allein das Kennenlernen anderer Flieger war es mal wieder Wert, an einen anderen Platz zu fahren. Natürlich erhalten sowohl die Bonner als auch die Akaflieger die Einladung, uns in Perleberg besuchen zu kommen. Letztere sind vor allem scharf darauf, einmal Holzflugzeuge zu fliegen. Als ich über Pirat, Bocian, Rhönlerche und Bergfalke berichte, die bei uns auf Piloten warten, glänzen die Augen der Kammermarker Platzherren. Offenbar kann man auch mit Oldtimern Eindruck machen. Als der Flugbetrieb zu Ende geht, rüste ich die Else ab und stelle den Anhänger abgeschlossen neben die des LSV Bonn Rhein-Sieg. Zwar verspricht der Dienstag laut Segelflugwetterbericht allenfalls mäßige Blauthermik, aber frei habe ich eh, und da kann ich auch noch einen Versuch starten.

Erste Amtshandlung am Dienstag: Fallschirm holen. Wenn ich schon fliege, will ich auch mit meiner bewährten Schirm-Kissen-Kombination unterwegs sein, mit der ich im Else-Cockpit wenigstens halbwegs bequem sitzen kann. Gegen 12 bin ich in Kammermark und erneut finde ich schnell drei Mann, die mir beim Aufrüsten helfen. Zwei von ihnen sind aber nicht Mitglieder der Akaflieg, sondern Teilnehmer des Studentenfliegens, eines Kurses der TU Berlin, in dem die Theorie der Aerodynamik für Studenten der Fachrichtungen Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik praktisch erlebbar wird. So erkläre ich ihnen nebenbei alles Wissenswerte rund ums Aufrüsten, die notwendigen Tätigkeiten zum Anschluss der Steuerung und der Klappen und die Vorzüge und Nachteile des Pendelleitwerks.

Der erste Flug wird wieder nur eine Platzrunde. Aber ich merke, dass mir jeder Start auf der LS1 gut tut, da ich sie in der Luft zwar mittlerweile sehr mag, mir ihre Kapriolen beim Start und bei der Landung aber immer noch auf die Nerven gehen. Aufbäumneigung, ellenlanges Ausschweben und richtiges Bremsen muss ich einfach durch Üben beherrschen lernen.

Wie auch immer, gleich wieder an den Start. Auch der ist an der starken Winde mit den Kunststoffseilen äußerst zügig, aber dennoch recht sanft. 330 Meter, jetzt gilt es. Der Wald nordwestlich des Platzes wurde mir empfohlen, und siehe da, die Hausherren wissen, wo ihre Bärte stehen. Untenraus ist es mühsam, aber ab 400 Meter wird es spürbar besser. Das Vario pegelt sich bei 0,5 bis einem Meter Steigen ein, und so gewinne ich sukzessive an Höhe. Nach ein oder zwei Kreiswechseln habe ich jetzt den richtigen Aufwind, der mich bis auf 1500 Meter hoch zieht. Endlich habe ich mal die Zeit, mir die Umgebung ein bisschen genauer anzusehen, denn dafür war bei den Platzrunden am Vortag einfach keine Zeit. Orientieren, Bodenmarken merken. Die Autobahn, der Gewerbepark Falkenhagen, die Anschlussstelle Meyenburg mit der Brücke, wo ich mal volle Kanne in den Blitzer gefahren bin. Man erkennt doch so einiges.

Gegen den Wind arbeite ich mich nach Pritzwalk vor, kreise über der Stadt und fliege weiter nach Giesensdorf, drehe hier meine Kreise. Im Raum Pritzwalk hänge ich bestimmt 30 oder 40 Minuten rum und beobachte die Stadt aus der Luft. Es ist einfach nur herrlich, hier oben mein Ding für mich zu machen. Keine Sau geht mir auf die Nüsse, mein Handy hat eh keinen Empfang und man kann wunderbar die Aussicht genießen. Segelfliegen ist vielleicht die einzige Beschäftigung jenseits des Klogangs, bei der ich auf die Anwesenheit von Artgenossen echt verzichten kann. Sonst totales Rudeltier, bin ich hier gerne mal alleine.

Den nächsten Bart kreise ich über dem Bad im Hainholz ein und lasse mich im Kreisen wieder fast bis nach Falkenhagen versetzen. In einiger Entfernung sehe ich blauen Qualm von einem Feld aufsteigen, kann aber die Ortschaft nicht genau identifizieren. Ich funke Kammermark an und beschreibe ungefähr die Position. Da Waldbrandwarnstufe 5 herrscht halte ich es für cleverer, die Feuerwehr gleich zu informieren, als unsinnig lange abzuwarten. Wer weiß, was da brennt. Als ich mir nochmal 1400 Meter Höhe ergeiert habe, beschließe ich, doch noch hin zu fliegen und mir das aus der Nähe anzuschauen. Schließlich entpuppt sich das Feuer doch als offenbar geplant, denn der Qualm kommt von einem landwirtschaftlichen Hof. Entspannt gleite ich zurück zum Flugplatz und kreise hier noch eine Zeit lang mit einem Twin zusammen, bevor ich zur Landung gehe. Nach zwei Stunden und sieben Minuten bin ich wieder unten, und ich kann mir einen weiteren Flugplatz in meine persönliche Liste eintragen.

So gehen drei tolle Flugtage zu Ende, und ich bedanke mich bei den Kammermärkern und den Bonnern mit einer Kiste Bier samt der Einladung zu uns auf den Platz. Und ich bin sicher, dass sie irgendwann bei uns auftauchen.

Kreisen mit dem Twin.
Kreisen mit dem Twin.
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Der Flugplatz Kammermark
Es brennt.
Es brennt.
Gewerbepark Falkenhagen.
Gewerbepark Falkenhagen.
1050 Meter GND.
1050 Meter GND.
Pritzwalk.
Pritzwalk.
Flugbetrieb in Kammermark.
Flugbetrieb in Kammermark.
India Lima in Kammermark.
India Lima in Kammermark.

Gäste aus Bonn in der Prignitz oder wie ich während der Arbeitszeit auf den Flugplatz kam

Das derzeitige Hammerwetter frustet so ziemlich jeden Segelflieger, der berufsbedingt an den Boden gefesselt ist. Fette Cumuluswolken, blauer Himmel, besser geht es eigentlich nicht.
Gestern führte mich die Fahrt zu einem Termin in der hintersten Ecke des Landkreies Prignitz auch am Segelfluggelände Kammermark vorbei. Hals gereckt und siehe da, diverses Geflügel auf der Wiese erspäht. Die Studenten haben offenbar Zeit, denke ich mir, denn der Platz wird gemeinsam von der Akademischen Fliegergruppe und der Akademischen Fliegervereinigung Berlin betrieben. Logisch, dass ich auf der Rückfahrt vom Termin hier nen Stopp einlegen und nen Schwatz halten musste.

Als ich auf den Platz komme hebt gerade eine ASK 21 ab und zischt in den Himmel. Die Nackenhaare in Habacht-Stellung beobachte ich den Start und schlendere dann gemütlich zum Startwagen. Im Gespräch mit den Segelfliegern stellt sich heraus, dass die Segelflieger Mitglieder des LSV Bonn Rhein-Sieg sind, die hier im Rahmen ihres Sommerlagers fliegen. Im sich schnell entwickelnden Gespräch, in dem ich auch durchblicken lasse, dass ich nicht nur Pressefuzzi sondern auch Segelflieger bin, kommt natürlich irgendwann die Bemerkung „Ach, du bist doch der mit der Beinahe-Bruchlandung in Wershofen…“ Ja, in der Tat. Mein Ruf scheint mir vorauszueilen. Guido Help, Segelflugreferent im LSV ist selbst viele Jahre auf der Mönchsheide geflogen und kennt demzufolge auch die BBSW zur genüge. Nach allerlei Fachsimpelei, deren Quintessenz die Diskrepanz zwischen Ausklinkhöhe und Thermikbeginn ist, lasse ich mir von Guido ein paar Sätze zu seiner Truppe in den Block diktieren und scheuche das Bodenpersonal zur ASK 21, um ein schönes Foto für die Zeitung zu machen. Entspannter Plausch, der auch noch nen schönen Artikel für die Zeitung ergibt – besser geht es nicht.

Wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja in der nächsten Woche nochmal…

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Die Flieger des LSV Bonn Rhein-Sieg.