Weihnachtswunder

Sicher, man kann einen 23. Dezember dazu nutzen, um noch die letzten fehlenden Geschenke einzukaufen, man kann sich bereits auf den Weg in die Heimat machen, um den ganze Heiligabend mit der Familie zu verbringen oder endlich mal die Bude auf Vordermann bringen, die während der ganzen „besinnlichen“ Vorweihnachtszeit zwischen Plätzchenbacken, Geschenke in ICAO-Karten einwickeln oder dem allgemeinen Chaos des Alltags vollends verwahrlost ist. Oder man kann fliegen gehen. Und diese Option ist aus meiner Sicht die beste.

Am Vorabend des Heiligvorabends bin ich einigermaßen ernüchtert, denn die Prognosen des Windfinders sind alles andere als optimal. Der Superforecast zeigt zwar West mit fünf bis zehn Knoten, aber angesichts der völlig anders aussehenden Normalvorhersage beibe ich skeptisch. Dann bleibt mir nur, die 59 aufzurüsten und zwei Runden turnen zu gehen. Auch schön. Das Büro der Besonderen Nutzung Luftraum bei der DFS ist nicht mehr besetzt, aber der Supervisior meint, dass man für uns ein NOTAM fertig macht und wir uns die Freigaben dann entsprechend bei Langen Radar holen sollen.

Am 23. Dezember kurz nachzehn Uhr ist schon richtig Gewusel auf der Hahnweide. Für die Fliegergruppe Wolf Hirth und das Fliegende Museum Hahnweide ist es ein Pflichttermin: Exakt 70 Jahre zuvor absolvierte Wolf Hirth seinen ersten Flug von der Hahnweide aus – mit dem legendären Side-by-Side-Doppelsitzer Gö 4. Also Grund genug, dem historischen Ereignis mit einem würdigen Flugbetrieb zu huldigen. Entsprechend sind die Gö 4 und ein Zugvogel bereits aus der Halle geräumt, unser Duo steht draußen und auch das Schleppflugzeug macht sich bereit. Mein Freund Christian ist bereits schwer damit beschäftigt, sein Blechfass zusammen zu stecken – er will den Tag nutzen, um seine Rauchanlage auszuprobieren.

Beim Zusammenstecken meines Flieger brauche ich dieses Mal mehr Hilfe als sonst. Die Kälte hat die Gasfedern des Anhängerdeckels in die Knie gezwungen, sodass zwei Flugschüler den Deckel halten müssen, damit er nicht auf die Nase schlägt. Aber meine polnische Schönheit lässt gnade walten und sich ohne murren zusammenstecken. Ich bin mittelschwer begeistert. Die Visiere spare ich mir, soll ja nur ein Spaßflug sein. Kaum sind Flächen und Leitwerk dran, schallt die Frage „Kann wer Fluglehrer machen“, durch die Gegend. Ich gucke Rainer an, er guckt zurück und meint, aus seiner Sicht kein Problem. Heißt: Ich kann doch noch vor dem Jahreswechsel meine ersten Versuche als FI machen. Innerlich springe ich vor Freude im Kreis, versuche aber, mir meinen Überschwang nicht anmerken zu lassen. Zunächst ordere ich Fabian ab, mal ne Handvoll Corona-Schnelltests zu besorgen, damit wir uns alle vorher absichern können. In der Zwischenzeit mache ich die 59 fertig und und begebe mich mit dem Rest der Gesellschaft zum Start.

Hier stehen bereits die Gö 4 und der Duo bereit. In der Gö hockt neben Tilo auch Wolf Hirths Sohn Helmuth, selbst viele Jahre Segelflieger, jetzt aber im aviatischen Ruhestand. Während Duo und Gö fliegen, mache ich mit den Flugschülern eine Viertelstunde Theorie zum F-Schlepp: Unterschiede zum Windenstart, potenzielle Gefahren, das richtige Steuern etc. pp. Das lässt sich vorm Flug doch besser briefen als im Eifer des Gefechts.

Als ich mich schließlich in den Fallschirm wühle und mich auf den hinteren Sitz unserer D-KWWH fallen lassen, fühlt sich das alles richtig an. Vor mir sitzt Henry, der mit Schirm nur knappe 62 Kilo wiegt, was mich nochmal zum Handbuch greifen lässt, um die Anzahl der benötigten Trimmgewichte nachzuschlagen. Drei sind drin, stimmt also. Als der Vorflugcheck durch ist und sich das Seil strafft, bin ich gespannt und entspannt zugleich. Gespannt, weil ich jetzt Verantwortung dafür habe, dass uns der vor mir nicht umbringt, entspannt, weil ich endlich ein weiteres Ziel auf dem Weg meiner fliegerischen Entwicklung erreicht habe. Ich hatte schon seit einiger Zeit mega Lust drauf, den FI zu machen, aber der Weg war wegen einiger Widerstände nicht so einfach zu gehen wie ich mir das vorgestellt hatte. Über die Ausbildung am Haus der Luftsportjugend in Laucha berichte ich in einer Reportage, die im Segelflug-Special in der aerokurier-Ausgabe 2/2022 erscheint.

Henry macht das ganz passabel, meine Korrekturvorschläge halten sich in Grenzen. Dank der Kälte steigt der Schleppzug richtig gut. Unter uns liegt eine winterliche Welt, wenngleich kaum richtig Schnee liegt. Aber eine dicke Schicht Reif tuts halt auch. Kaum ausgeklinkt, geht es mit etwas Airwork weiter. Rollübungen, Kreiswechsel, irgendwie muss man die Höhe ja nutzen. Meine erste Idee, direkt an die F-Schlepps eine Trudelübung anzuschließen, hatte ich verworfen, nachdem Rainer gemeint hatte, die kognitiven Kapazitäten eines Flugschürlers seien dafür vielleicht doch zu begrenzt. Beim nächsten mal aber mache ich das so, dann kann man die Höhe wenigstens sinnvoll verheizen.

Bei Flug zwei muss ich direkt in der ersten Kurve laut werden, weil mein Flugschüler Bene meint, am Ausstellfenster rumfingern zu müssen. Das ist ne Sache, die ich von vornherein unterbinden will, weil Ablenkung in dieser Flugphase ein No-Go ist. Nach dem kurzen Anpfiff fängt er sich und meine Korrekturen halten sich in Grenzen. Auch hier schließen wir nach dem F-Schlepp Airwork an und sind nach einer knappen Viertelstunden wieder unten. Flug drei mit Fabian ist tiefenentspannt, man merkt einfach, dass der zehn Jahre älter ist als die anderen und entsprechend mit viel mehr Ruhe agiert. Kurz nach dem Abheben ist er noch etwas nervös, aber mit einem behrzten Griff zum Knüppel und kurzer Blockade kann ich ihn davon überzeugen, dass die Korrekturen gar nicht notwendig sind und der Eimer trotzdem dem Schleppflugzeug folgt. Oben gibt es Langsamflug, Abkippen und Steilkreise, dann ist meine erste FI-Session beendet. Zeit für Self-care.

Christian ist bereits mit seinen Startvorbereitungen durch und hat die B4 in die Piste gezogen. Die Flugpläne für uns beide sind aktiviert und ich bin gespannt darauf, wie sein erster Einsatz als fliegender Räuchermann aussieht. Kurz nach dem Start wechselt er auf Langen Radar, um sich die Einzelfreigabe für den Kunstflug im kontrollierten Luftraum zu holen. Dreimal funkt er die Lotsen an, bekommt Antwort, reagiert dann aber nicht mehr. Irgendwann grätsche ich dazwischen und kontaktiere Langen Radar, erkläre, was er vorhat und ob ich vermitteln soll. Dabei bin ich zunächst überrascht, dass ich – am Boden stehend – überhaupt halbwegs verständlich mit Radar funken kann. Ich rechne zunächst damit, dass Langen die Freigabe verweigert, von wegen Segler mit Funkproblemen im kontrollierten Luftraum und so. Denn wir haben 6000 Fuß beantragt, der Segelflugsektor geht hier aber nur bis 5000, sodass wir selbt bei aktiviertem Sektor noch 1000 Fuß im Stuttgarter Charlie hängen würden. Aber die Jungs an den Konsolen sind mega lässig. „D-8059, ihr bekommt jetzt eine Blockfreigabe für eine Stunde auf 5500 Fuß, meldet euch, wen ihr fertig seid.“ Ich gebe die frohe Kunde an Christian weiter und freue mich, dass die Flugsicherung auch für zwei Deppen, die meinen, irgendwelche kruden Figuren fliegen zu müssen, das Schwermetall über uns umleiten.

Christian meldet sich an und zündet seinen rauch. Wir am Boden so alle ganz plakativ: „Ooooooooh!“ – und das, obwohl man den Rauch zunächst total beschissen sieht… Aber diese Episode lasse ich Christian lieber selbst erzählen…

Nachdem der erste Einweihungsflug am 2. Advent sehr emotional für mich war, gab es am 23. Dezember schon die nächste Möglichkeit, wieder fliegen zu gehen. An diesem Tag wollten ein paar Piloten zum 70. Jahrestag der erstebn Segelflüge auf der Hahnweide mit der Gö4 und allem anderen, was noch fliegt, an den Start gehen. Doch umso näher der Tag rückte, rutschte meine Motivation bei nasskaltem Wetter und der vielen Arbeit, die ich hatte, immer weiter in den Keller. Ich hatte mich schon damit abgefunden, im Büro zu sitzen und die Weihnachtsvorbereitungen weiter zu erledigen, bis Lars spontan angerufen hatte. „Du wirst morgen die B4 aufbauen und fliegen. Da das Wetter eh nicht so gut wird, hab ich bereits die Kunstflugbox angemeldet“. Ja so ist er, bevor ich noch ein Veto einlegen konnte, hatte er sich bereits verabschiedet und aufgelegt. Da sich aber quasi zeitgleich ergeben hatte, dass ich noch einen Urlaubstag abfeiern musste und so doch fliegen gehen konnte, stand ich nun erstmal etwas hilflos da. Als ich bei meinen Kumpels und Vereinskollegen schnell über WhatsApp nachgefragt hatte, wer noch zum Fliegen kommen möchte, meldete sich Marius als fleißiger Helfer für den Auf- und Abbau der Pilatus.

Ok, was brauch ich eigentlich alles? Leichte Hektik brach in mir aus, und nachdem ich mit meiner Frau eine komplette Umplanung der Weihnachtsvorbereitungen durchgesprochen hatte (war ja nicht so dass wir nicht am übernächsten Tag für zehn Personen kochen und dekorieren wollten), packte ich schon mal das wichtigste zusammen und hing meine Akkus an die Ladegeräte. Es kam mir eher so vor, als ob ich Equipment für eine Woche Urlaub zusammen suchte. Lieber hat man alles dabei (Kamera, GoPros, Werkzeug, diverse Halterungen…), als dass nachher das entscheidende Teil fehlt. Diejenigen, die mich kennen, wissen was ich immer so mit mir rumschleppe und eigentlich einen LKW anstatt meinem Flitzers fahren sollte 😉

Dabei war ganz wichtig: Eine Weihnachtsmütze und Pyro-Technik. Also wieder einmal Dinge, die eigentlich nicht wirklich relevant sind, aber für einen gewissen Effekt sorgen sollten. Ich träumte schon seit ich ein kleiner Junge war davon, einen Kunstflug mit Rauchpatronen oder anderen Effekten in den Himmel zaubern zu können. Und was eignet sich da besser zum Ausprobieren als ein Flugplatz-Jubiläum, ohne große Öffentlichkeit? Bald war es soweit, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und meine Aufregung war schon bei 120 Prozent.

Ich konnte in der Nacht nur schlecht schlafen und musste mich dazu zwingen, da ich ja fit sein wollte. Zum Glück hatte Marius mitgedacht und schlug schon kurz nach 9 Uhr bei mir auf. Gemeinsam ging es dann mit einem vollen Kofferraum, vielen Flugzeugsachen und Männerspielzeug zum Flugplatz. Vor lauter Aufregung habe ich sogar unseren Plan, noch etwas zu frühstücken, komplett vergessen. Marius war da ein wenig schlauer. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt war alles zwar anstrengend, aber dadurch auch sehr besonders. Als wir an meinem Anhänger ankamen, fanden wir hier wunderschöne Eiskristalle, die im Sonnenlicht glitzerten. Wir rieben ein paar davon mit den Fingern ab, dabei erzeugten sie ein leises mystisches Klimpern wie ein Musikinstrument. Es ging an den Aufbau und ohne groß nachfragen zu müssen, bekamen wir noch ein paar helfende Hände. In wenigen Minuten war die B4 trotz eisiger Kälte aufgebaut und wir waren selbst überrascht, dass dieses Mal keine Komplikationen aufgetreten sind (wir werden besser!!). Wir beschäftigten uns nun zum ersten Mal mit den Halterungen und der Pyrotechnik, gingen jeden Schritt dreimal durch. Zugegeben waren wir auch etwas nervös, da wir nicht aus Versehen am Boden zünden und unsere Halle und Flugzeuge einnebeln wollten. Endlich zogen wir meine B4 an den Start, aber es waren immer noch einige Telefonate und Organisatorisches notwendig. Wo bleibt eigentlich mein Vater, dachte ich mir. Die örtliche Polizei und die Feuerwehr wurden informiert, dass für den Fall, dass ein Spaziergänger ein brennendes Flugzeug meldet, klar war, dass nicht die ganze Kavallerie ausrücken musste. Flugschule und Flugleitung wurden involviert, Lars hat sich in der Zeit um die DFS gekümmert. Dank Marius und der Flugleitung haben wir dann noch eine allgemeine Höhenfreigabe für den Segelflugsektor bekommen und es konnte pünktlich um 14 Uhr los gehen. Die Husky schleppte mich mit bis zu 3,5 m/s bis an die Wolkenbasis in Richtung Kunstflugbox heran. Lars unterstütze mich noch beim Funken mit Langen Radar, da ich die Funksprüche von dort kaum verstehen konnte, und bei knapp 900 Meter über Grund konnte es los gehen. Ich schaltete die Sicherung ein und drücke auf den Rauchknopf… Es dauerte kurz, aber tatsächlich… „Die Scheiße funktioniert!“, würde der Mediamarkt-Anrufer vom Sinnlos-Telefon wohl brüllen!

Ich begann mit meinen Kunstflugfiguren. Die B4 gehorchte trotz sehr straffen Windes präzise, doch ich merkte bereits im Flug, dass der Raucheffekt nicht der war, den ich mir erhofft hatte. Trotzdem lachte und jubelte ich laut, war ich doch mitten im Winter in meinem eigenen Flugzeug gerade im Rückenflug und mit Rauchpatronen unterwegs. Spontan baute ich ein paar Rollenkreise ein, um vom Wind nicht allzu weit vom Flugplatz abgetrieben zu werden. Außerdem wollte ich diese sowieso üben, nachdem ich Sie im Wettbewerb bereits ohne Training vorführen musste. Nach meiner Landung eine erste Analyse: Der Rauch war nur sehr schwach zu sehen. Vermutlich lag das an der Luftfeuchtigkeit und dem Nebel. Aber egal, ich bin mir nicht sicher ob man es mir angesehen hat, aber ich war wieder überglücklich. Als Lars mir lachend ein Corona-Highfive angeboten hat, war mir bewusst, dass er wissen musste, wie ich mich fühlte.

Da es schon relativ düster war, entschied ich mich kurzfristig, im zweiten Flug die Sprühfunken auszuprobieren. Alles ging sehr flott, ich bereitete mich auf den Flug vor und Marius, der nun zum Pyro-Meister ausgerufen wurde, brachte alles am Flieger an. Zack, und ich war schon wieder in der Luft. Der Schlepp ging direkt auf ein kleines Wolkenloch zu, durch welches die Sonne schien und alles in ein dunkelrotes Licht tauchte, welches man nicht mit Worten beschrieben kann. In solchen Momenten fühlt man sich frei, glücklich und hat keinerlei Sorgen. Fliegerromantik eben. An der Box angekommen hatte ich diesmal deutlich mehr Höhe und war gespannt, ob alles korrekt zünden würde. Marius hat mich nicht im Stich gelassen, ich blickte links über den Flügel und eine Sprühfontäne von goldenen Funken zog sich über mein Horizontbild. Ich flog ganz langsam, um den Anblick noch etwas genießen zu können und ging dann direkt ins Trudeln über. Beim Gedanken daran bekomme ich jetzt noch Gänsehaut und leuchtende Augen. Dann noch ein Looping und ich flog durch meine eigene Rauchlinien, die ich in den Himmel gezeichnet hatte. Das Funkeln, das sich in meiner Haube spiegelte, die Welt, die auf dem Rücken Kopf stand – die Zeit schien kurz stillzustehen. Die Effekte brannten nach kurzer Zeit ab, aber da ich nun warm geflogen war, übte ich noch einen Rückenvollkreis und ein Käseeck. Nachdem ich genug Blut im Kopf hatte, folgten noch ein paar Turns und Rollen, um in Übung zu bleiben. Diesmal bestätigten mir alle, dass die Funken viel besser zu sehen waren. So macht man Schritt für Schritt weitere Erfahrungen. Wir bauten noch gemeinsam ab und ich konnte mein Grinsen den ganzen Abend nicht abstellen. Ohne meine Helfer und neu gewonnen Freunde wäre das alles nicht möglich gewesen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Als Christian nach seinem ersten Flug wieder unten ist, mache ich mich fertig. Irgend ein altes Programm aus Walldürn hängt bei mir im Cockpit, mal gucken, ob ich das zusammengefrickelt kriege nach meiner langen Pause. Seit Walldürn war ich – von einer Spaßrolle am Teckberg Ende November mal abgesehen – keine Aerobatics geflogen. 45 ab mit Aufschwung und halber Rolle, dann 1 1/4 Trudler mit Viertelrolle dagegen auf der senkrechten. Das war in Walldürn cool, mal gucken, ob es sich reproduzieren lässt. Erstmal hoch kommen. Dabei lässt sich wunderbar die frostige Landschaft genießen, zumal die Sonne jetzt so tief steht, dass sie unter der Wolkendecke durchscheint. Die genehmigten 5500 Fuß, die uns die Langen Radar zugesteht, können wir gar nicht ausnutzen, denn schon knapp über 5000 droht die Husky, im Dreck zu verschwinden. Also drunter bleiben und kurz vor der Box ausklinken.

Schon beim Positionieren merke ich, wie stark der Wind hier oben ist. Boxmeldung, Anwackeln, Nase runter. Ziehen, rum und in eine geierte halbe Rolle. Dass mir hier fast die Fahrt ausgeht, ist in Anbetracht des folgenden Trudlers gar nicht so schlecht, denn so muss ich keine große Aufwärtslinie fliegen. In Walldürn hatte uns Schorsch eingetrichtert, an dieser Stelle im Zweifelsfall die Klappen zu ziehen, um Fahrt abzubauen. Die Fahrtmessernadel nähert sich der 70, ich trete ins Seitenruder und ziehe durch. mit leichtem Querruder nach rechts stabilisiere ich die Drehung, stoppe, stelle die Senkrechte ein und rolle 1/4 zurück. Abfangen, Aufschwung. Als ich unter mir nur noch Häuser sehe, wo eigentlich keine sein sollten, rolle ich in Normalfluglage, um mich erstmal zu orientieren. Der Wind hat mich zu stark Richtung Kirchheim versetzt, sodass ich mich neu positionieren muss. Gut, dass wir die Box dieses Mal größer angemeldet haben, das verschafft uns den nötigen Raum. Nach einigen Orientierungskurven eiere ich noch ein paar Figuren zusammen und beende in 300 Meter AGL meine Turnerei. Fahrwerk raus, Landemeldung und rein in den Parkplatz (Na, wer erkennt das Filmzitat??).

Christian legt noch einen nach, dieses Mal mit silbernen Fontänen anstatt Rauch, die aber nur für vielleicht fünf Figuren halten und dann ausbrennen. Man merkt, dass Chris noch Zeit braucht, um sich auf die B4 einzufliegen, richtig rund sehen die Programme noch nicht aus. Aber bei seiner Motivation mache ich mir wenig gedanken, dass er bald vom Freund zum Konkurrenten wird, zumindest in den paar Minuten, in denen im Wettbewerb scharf geflogen wird.

Ein paar Minuten später bin ich wieder in der Luft, und im Querabflug bietet sich ein absolut irres Panorama. Im Südwesten steht die Sonne tief über dem Horizont und lässt ein warmes Licht über die Täler streichen, in denen Nebelschwaden wabern. „D-VH, guck mal auf zwei Uhr“, funke ich Wolle im Schleppflugzeug an. „Fantastisch“, kommt es knarzend zurück. Der Schleppzug steigt im Schnitt mit dreieinhalb Metern, damit halten sich die Kosten wenigstens halbwegs in Grenzen, denke ich. Die paar Tropfen, die vor dem Start auf die Haube geklatscht waren, bleiben die einzigen in diesem Flug, Glück gehabt. Bei 5100 Fuß kommt die Wolkendecke, im Gegensatz zu meinem ersten Flug ist sie aber unten weit weniger ausgefranst, sondern dichter. Ich klinke aus und positioniere mich dieses Mal direkt in Windrichtung, sodass ich leicht schräg zur Box fliege. Fahrt, Loopbogen aufwärts und Knüppel durchziehen. Die 59 flippt herum, aber das Einfangen klappt nicht hundertprozentig. Egal, Aufwärtslinie, Trudler rechts herum, Senkrechte zum Männchen. Es ist völlig surreal, wie die das Flugzeug auf die Wolkendecke zuschießt und die graue Wand immer näher kommt. Ich stemme beide Füße in die Pedale, warte auf das Umschlagen des Fadens und Ziehe dann durch. Das Flugzeug klappt ordentlich um, nach kurer Senkrechte fange ich sie ein und lege gleich noch ein Männchen nach. Das steht sogar noch besser! Jetzt links vorspannen zum Turn, sonst fliege ich sie lieber rechts, aber ich will in den Wind fächern. Wieder kommt die graue Wand näher, und als ich links ins Pedal trete, bin ich völlig fasziniert davon, wie der Flugzeug auf dem Teller dreht, die Wolkendecke vorbei zieht und alles in Zeitlupe abzulaufen scheint. Ich setze direkt noch einen Turn hinterher und bebachte noch einmal mit der gleichen Faszination das Schauspiel. Ich komme mir vor, als wäre ich nur Gast in diesem Szenario. Noch eine Rolle, eine gerissene und ein paar Rollenkreise hinterher, und ich genieße das wohlige Gefühl, mein Flugzeug endlich wieder artgerecht bewegt zu haben. Beim Überfliegen der Hahnweide melde ich uns bei Langen Radar ab, bedanke mich für den Service und wünsche den Jungs schöne Weihnachten. Kurz darauf rumpelt das Rad über die Wiese und ich komme auf Höhe unserer Halle neben dem Duo zum Stehen. Geiler Tag. Das absolut beste draus gemacht. Und dank des Spiels von Licht, Wind und Wolken waren das die vielleicht schönsten Kunstflüge, die ich bisher gemacht habe. Sicher nicht vom Ergebnis her, aber in jedem Fall in Bezug aufs Erlebnis. Und darauf kommt es an.

Adventsfeeling

Ich hatte beinahe vergessen, wie besinnlich es ist, Adventssonntage im Cockpit zu verbringen. Im Dezember 20/21 war ich gar nicht geflogen, auch die anderen Monate der Nebensaison hielt sich mein fliegerisches Engagement derbe in Grenzen. Im Frühjahr, bei den ersten beiden Flügen mit der 8E, musste ich mir angesichts eines beinahe vergessenen Fahrwerks und einer ziemlich miesen Landung in Hülben einen entsprechend unterirdischen Trainingsstand eingestehen. Das wollte ich so nicht nochmal erleben.

Durch meinen FI-Lehrgang Ende Oktober – über den ich hier noch ausführlich berichten werde – war mein Trainingsstand recht solide. Im November passte das Wetter meist nicht, oder ich hatte keine Zeit, sodass es nur für zwei kurze Flüge am 27. November reichte. Also rückte das zweite Adventswochenende in den Fokus.

Am Freitag muss mein Kollege Patrick dran glauben. Schon länger habe ich ihm versprochen, ihn mal mitzunehmen. Er arbeitet in unserer Onlineredaktion und hat ein mir unerklärliches Faible für Flugzeuge aus dem Osten. Und da ist die Liste der Typen, in denen er bereits mitgeflogen ist, beachtlich. Außerdem ist er beim bisher einzigen europäischen Einsatz des fliegenden Observatoriums SOFIA dabei gewesen und hat darüber eine beeindruckende Reportage geschrieben. Nun also als Backseater im Duo Discus. So der Plan. Wäre da nicht die homöopathische Dosis an Luft im Spornrad. Also zunächst Luftpumpe ausm Anhänger gezerrt, festgestellt, dass meine eigene Ventilverlängerung nicht da ist, wo sie sein sollte, und dann auf die Suche nach Ersatz gemacht. An der Motorflugschule sehe ich, wie jemand an einer Cessna den Luftdruck prüft. Fragen kostet nichts, denke ich mir und erkläre, dass ich mal für ein paar Minuten ne Ventilverlängerung brauche. Die Antwort: „Ich habe eine, aber die kriegst du nicht.“ Ich denke zunächst, der will mich verarschen, also Frag ich nochmal nach. „Nö, keine Chance. Ich hab hier schonmal eine verborgt und die nicht wieder bekommen.“ Ganz im Ernst: So viel Arschlochhaftigkeit unter Piloten habe ich noch nie erlebt. Jemandem, der ein Problem hat, Hilfe zu verweigern, obwohl man helfen könnte, das ist so ziemlich das niederträchtigste was es gibt. Ich hab auch schon kram verborgt und nie wieder gesehen, aber das würde mich in solch einer Situation nicht davon abhalten, zu helfen. Möge den Typen der Blitz beim Scheißen treffen. Andererseits: Man begegnet sich immer zweimal im Leben. Das nächste mal braucht er vielleicht ne Ventilverlängerung. Dann kann ich sagen: Du nicht, denn du bist ein schlechter Mensch. Und schlechten Menschen helfe ich nicht… Ein Kamerad von den Köngenern kann schließlich helfen, aber es stellt sich heraus, dass das Ventil abgerissen ist, sodass ich erst zu Schempp-Hirth fahren muss, um Ersatzschläuche zu besorgen. Für die ganze Maintenance-Aktion gehen eineinhalb Stunden drauf, als Alarmrotte ist unser Verein also nur bedingt geeignet.

Immerhin kommen wir dann noch auf eine knappe Stunde Flugzeit, weil meinem Passagier irgendwann doch ein wenig mulmig wird, möglicherweise auch deshalb, weil ich mal unvemittelt etwas Überfahrt in Höhe umgesetzt habe… Nunja. Das Fazit fällt dennoch positiv aus, und hätte ich auf der Heimfahrt nicht die richtige Ausfahrt verpasst, hätte ich ihn sogar pünktlich bei seiner Familie abliefern können.

Nur das Teelicht fehlt

Am zweiten Advent zwei Tage später muss ich mich regelrecht zum Fliegen überreden. Am Abend zuvor gabs bei meinem Kunstflug-Kumpel Christian leckere Burger, und es wurde selbstsredend spät (wozu nicht unereheblich beigetragen hatte, dass wir bei Youtube Compilations mit 90er-Musikvideos fanden und uns etliche davon reinzogen…). Sonntag früh lügt der Windfinder was von acht bis zehn Knoten aus Südwest, aber der Blick in die Webcam zeigt einen Windsack mit derben Potenzproblemen. Müde und kein Wind, was soll der Scheiß? Erst als die Kameraden, die ich mit meinem Flugvorhaben heiß gemacht hatte, mir vom Flugplatz ermutigende Beobachtungen bezüglich des Höhenwindes zukommen lassen, fine ich den Weg ins Leben. Frühstück, für den abendlichen Besuch nochmal die Bude saugen und ab zur Hahnweide.

Hier ist Christian bereits voll dabei, sein frisch erworbenes Schätzchen zusammenzustecken. Tatsächlich hatte er einige Wochen zuvor Simons B4 gekauft, und ich muss mir an diesem Geschäft einen nicht unerheblichen Anteil zurechnen lassen, hatte ich ihn doch von dieser Offerte erzählt. Klar war da auch Kalkül dabei, denn mit zwei Kunstfliegern auf der Hahnweide, die dort mit eigenem Flieger turnen, bin ich nicht mehr der alleinige Exot. Wie auch immer, die beiden sind sich einig geworden, ich hatte dann kurz ein schlechtes Gewissen wegen des nicht unerheblichen Schadens, der durch mein Zutun in der Finanzsituation meines Freundes entstanden ist, und Chris hat jetzt ne B4 an der Backe. Manchmal läufts.

Ich zerre mir die K5 aus der Halle, weil ich zu faul bin, die 59 aufzurüsten und eigentich geplant hatte, zwei Gastflüge zu machen. Da die potenziellen Mitflieger aber absagen, nehme ich Marc mit, einen Kumpel von Christian, der schon beim Bayern DoSi mit dabei war. Dort bin ich wegen Trouble mit meinem Ohr nicht mitgeflogen, saß aber zwei Tage an der Judgeline als Assistent von Linda und habe dabei wahrscheinlich mehr für sauberes Kunstfliegen gelernt als in zehn Trainingsflügen. Weiterhin dabei: Nico in der K9 und JLA vom Aeroclub Stuttgart mit der ASK-13. Zudem sind die Köngener mit ihrer SF-34 und einem Discus 2C am Start.

Aufgrund des Betriebs zieht sich alles hin, in der Luft sind wir erst kurz nach 13 Uhr. Auch wenn die anderen oben bleiben, bin ich zunächst skeptisch, ob das wirklich gut geht. Doch der Hang enttäuscht tatsächlich nicht. Aufgrund des lauen Lüftchens ist das Steigen allerdings eher schwach ausgeprägt, vor allem zwischen der Ruine der Diepoldsburg und dem Gelben Felsen geht es solide, während der Rest des Hangs bis zur Burg Teck eher mäßig trägt. Aber was solls, wir sind schon bei besserm Wetter nicht geflogen, und es macht ja auch irgendwie Spaß, wenn sich der Aufind nicht als idiotensicher präsentiert, sondern man ein bisschen suchen muss, um die ideale linie zu finden. EIne gute Viertelstunde nach uns eiert auch die B4 Richtung Teck, und ich kann es mir nicht verkneifen, Christian darauf hinzuweisen, dass Pilatus dem Gerät seinerzeit ein Einziehfahrwerk spendiert hat – was der mit dem Kommentar quittiert, dass es plötzlich überraschend leise sei im Cockpit.

Zunächst bleiben wir am Teckberg, aber nach einiger Zeit interessiert mich doch, ob und wenn ja wie weit das Lenninger Tal geht. Der Wind hat ne deutliche Südkomponente, zumindest lügt das LX irgendwas in diese Richtung. Aber mit der Höhe, die ich mir inzwischen erflogen habe, kann mans wagen. Und Tatsächich – bis zur Hälfte trägt der östliche Hang, in jedem Fall halten wir die Höhe problemlos. Erst auf Höhe des Steinbruchs, also etwa fünf Kilometer südlich des Teckberges, nimmt das saufen zu und wir drehen um.

Während unseres Erkundunsausfluges schieben sich sukzessive Schauer von Westen an den Berg heran und regnen davor ab. Im Laufe der Zeit wird die Sicht immer schlechter, aber der Hang trägt nach wie vor. Jetzt heißt es aufpassen, über Funk informieren wir uns gegenseitig permanent über unsere Position und die Absicht. Christian hat sich halbwegs warm geflogen, und ein kleines bisschen neidisch bin ich schon, als er die B4 einmal um die Längsachse rollen lässt. Den Spaß hatte ich eine gute Woche zuvor auch. Südlich der Linie Teck-Neuffen ist der Luftraum E nicht abgesenkt und beginnt erst in 2500 Fuß AGL, da hat man für Figuren, die kaum Höhe verbrauchen, ein bisschen Spielraum, ohne dass man gleich bei der Flugsicherung ein Fass aufmachen muss wegen Boxanmeldung oder so. Und mit fünf fliegenden Luftraumbeobachtern rundrum war das auch aus Sicht der Flugsicherheit völlig in Ordnung.

Die Graupelschauer lösen sich irgendwann auf und sogar die Sonne steckt ihre Strahlen zwischen den dichten Wolken hindurch. Sofort wird das Gesicht warm, was allerdings die langsam kälter werdenden Füße nur bedingt kompensieren kann. Nach knapp eineinhalb Stunden machen wir uns auf den Weg zurück Richtung Hahnweide, natürlich nicht, ohne die Wanderer auf der Burg Teck nochmal einen mit einem Vorbeiflug zu erfreuen. Es macht einfach spaß, da vorbei zu zischen und denen zuzuwinken, dann parallel zum Tum die Fahrt wieder in Höhe umzusetzen und 45 Grad nach Links zum Flugplatz abzubiegen.

Dank Landung auf der asphaltierten 07 bleibt sogar der Flieger sauber, sodass sich die Putzeinlage auf das Wegrubbeln einiger kleiner Dreckspritzer beschränkt. Auch mein Mitflieger ist zufrieden. Gelungener zweiter Advent. Nur das LED-Teelicht hatte ich wieder mal zuhause vergessen. Naja, Gemütlichkeit gibts halt beim nächsten Mal…

Ratteln, LS4en und Akrobatieren

Irgendwann hatte ich mir mal geschworen, meiner Erlebnisse möglichst schnell in Texte zu gießen, um nicht immer ellenlange Romane schreiben zu müssen. Beim Schwur ist es geblieben. Deswegen hier der Versuch, mich etwas kürzer zu fassen.

TMG-Ausbildung, die Dritte: Anflug eines kontrollierten Platzes. Die Wahl fällt auf Friedrichshafen, weil es dort nicht wesentlich teurer, aber deutlich schöner ist als in Augsburg. Am geplanten Sonntag sieht das Wetter richtig Scheiße aus, und es ist eher Zufall, dass ich mich nicht nochmal rumdrehe und weiter penne und stattdessen auf mein Handy glotze. Ein Nachricht von meinem Fluglehrer Otto: „Ich hab in EDNY angerufen, wir brauchen kein PPR, Wetter ist gut.“ WTF??? Im nu bin ich aus dem Bett, klemme mir ein belegtes Brot zwischen die Kiefer und ziehe mir einen Kursstrich in die Karte (Empfehlung an dieser Stelle: Pilot Frixion light Marker – ein radierbarer Textmarker! Funktioniert absolut super. Am besten sieht man die Farbtöne Pink und Orange in der ICAO-Karte. Allerdings funktionieren sie nur bei den Papierkarten, für Folienkarten braucht man die Wachsstifte!). Hahanweide, Saulgau, Friedrichshafen, Memmingen als Alternate. Dazu ein paar Frequenzen auf meine Kniebrett-Vorlage und schon kanns losgehen.

Kaum am Flugplatz, ziehen wir gemeinsam unsere Grob 109 aus dem Hangar und stecken ihr die Flügel an. Otto checkt kurz meine Flugvorbereitung und ich erkundige mich, an welchen Bodenmerkmalen ich den Pflichtmeldepunkt November erkenne. „Direkt überm Flugplatz Markdorf!“, lautet die Antwort. Damit kann ich arbeiten.

Der Hinflug ist vergleichsweise unspektakulär. Die nette Stimme auf Langen Info versorgt uns zuverlässig mit Verkehrsinformationen, das Wetter ist gut, aber für den Nachmittag sind Schauer vorhergesagt. Fünf Minuten vor dem Pflichtmeldepunkt werde ich nervös und kritzele mir die wichtigsten Stichworte für den Einleitungsanruf aufs Kniebrett. „D-KGWH, Motorsegler Grob 109B, VFR, zwei Personen, fünf Minuten nörlich November in 4000 Fuß, zur Landung.“ „D-KGWH, melden sie November“. So, das wäre erledigt. Und dann passiert genau das, worauf dich keiner vorbereitet. Der lotse quakt mich an: „D-WH, Linkskurve, Einflug in die Kontrollzone frei, Piste 24 in Betrieb, melden Sie Endanflug 24!“ What? Ich will verdammt nochmal erst meine Pflichtmeldepunkt-Pflichtmeldung machen, die ich mir im Kopf zurechtgelegt habe! Der Typ bringt mich völlig aus dem Konzept. „D-WH Einflug in die Kontrollzone frei“ kriege ich noch zusammen, für mehr reichts nicht. Otto neben mir grinst, weil er genau weiß, was gerade passiert ist.

Kurz darauf melde ich Queranflug 24 und der Lotse erteilt die Landefreigabe. Es ist aufs neue saucool, auf ein PAPI anzufliegen, das hat sowas Profi-mäßiges. Nach dem Aufsetzen bekommen wir Order, über den mittleren Taxiway abzurollen und auf den GA-Flächen gegenüber dem Tower abzustellen. Kaum haben wir uns aus dem Cockpit geschält, kommt unser Transfer: ein Linienbus. Kein Witz. Das Gefährt ist ungefähr dreimal so groß wie unsere Grob, aber offensichtlich hat man wegen Corona die Kleinbusse, die diesen Job Erzählungen nach mal erledigt haben sollen, erstmal aus dem Verkehr gezogen. In einem Karren, der sonst Airbusse entlädt, lässt sich freilich besser Abstand halten. Der Busjockey bringt seine Paxe lässig zum Terminal, wo wir den gleichen Ausgang nehmen wie alle anderen Reisenden. Von dort geht es straight zum C-Büro, wo ich 26 Euro abdrücken muss. Dann wieder so ein Moment: Die Dame hinter der Glasscheibe guckt mich an und meint „Dich kenne ich! Du bist 2018 auf der Wasserkuppe ASK 21B geflogen, ich saß vorher drin!“ In solchen Momenten beschleicht mich immer der Verdacht, mich derartig daneben benommen zu haben, dass sich die Leute an mich erinnern, aber es ist irgendwie umgekehrt. Vielleicht bin ich doch ein ganz netter Typ?

Wir lassen das C-Büro hinter uns, und als wir durchs Terminal schleichen – ich mit dem Mund voller Kekse und Otto auf der Suche nachm Klo, hören wir, wie die ersten Tropfen aufs Dach trommeln. Scheiße, die Front. Jetzt gehts zackig durch die Sicherheitskontrolle und dann Ratzfatz ins Cockpit. Der Lotse weist uns an, zum Rollhalt 24 zu rollen. Otto meint unterdessen, wenn ich mehr Gas gebe, sind wir lange vor dem Rollhalt in der Luft, und ich gebe grinsend zurück, dass wir das wohl besser lassen.

Kaum ist der Rattel in der Luft, erbittet Otto eine Rechtskurve und dann ein Direct nach Norden, weil die Regenfront bedrohlich nahe kommt. Au weia, sieht das Wetter scheiße aus! Die folgenden 35 Flugminuten werden die lehrreichsten meine jungen Motorfliegerkarriere. Die Sicht ist über weite Strecken miserabel, wir weichen Wolkenfetzen aus, umfliegen Schauer und freuen uns über jede Verkehrsinformation von Langen Info. Auf dem Direktweg zur Hahnweide ist Schifft es derart, dass wir einen Bogen nach Westen fliegen. Otto erklärt mir, was noch fliegbar ist und wo man sich aus seiner Erfahrung heraushalten sollte. Querab Albstadt-Degerfeld geht es außen um den Übersberg rum und dann von der Alb runter. Wie auf Knopfdruck ist das Dreckswetter vorbei und die Sonne scheint. Noch ein paar Minuten gen Osten, und wir können uns wieder auf der Hahnweide melden. Als wir landen, ist sogar der Flieger wieder sauber.

zweimal Hülben

Ende Mai komme ich endlich auch mal wieder dazu, meinen eigenen Hobel zu bewegen. Der Versuch, bei starkem Südwestwind bei zerrissener Thermik ein bisschen Strecke zu machen, endet in Hülben. Und zwar alles andere als schön. Zwar ist mir angesichts meiner relativ niedrigen Höhe und nicht vorhandenen Steigens schnell klar, dass ich da einschlagen werde, sodass der Entschluss zur Außenlandung rechtzeitig fällt. Irgendwie verpasse ich dann aber den richtigen Moment, um Position zu melden und komme viel zu tief in den Platz rein. Zu allem Überfluss verabschiedet sich in der letzten Kurve die Fußschlaufe meines rechten Seitenruderpedals, und da ich atürlich prompt mit meinem Treter abrutsche, baue ich mir einen hässlichen Schlenke in Bodennähe ein. Beim Aufsetzen merke ich, dass auch die Bremse nicht so mega tut, sodass ich über den halben Platz holpere, bis der Eimer zum stehen kommt. Reife Leistung, Herr Reinhold, denke ich, als die ersten auf mich zukommen und mir helfen, die 59 aus der Bahn zu schieben. Besser hätte ich mich hier nicht einführen können angesichts der Tatsache, dass ich ein paar Tage später für eine aerokurier-Geschichte die LS4b des Vereins fliegen will.

Man beruhigt mich und erklärt mir, dass sich Ortsfremde hier gerne verschätzen. Nunja, besser machts das halt nicht. Nach eine guten Stunde Gesabbel und gemeinsamer Planung der LS4-Geschichte versucht ein Vereinskamerad, mit Draht und Presshülse meine Fußschlaufe instandzusetzen. Die Crimpzange ist aber viel zu groß und passt nicht in den Fußraum. Also muss es ohne gehen. Nach anderghalb Stunden – das Wetter hat inzwischen wieder aufgemacht und die Cumuli sehen einladend aus – starte ich hinter der Hülbener Breezer gen Hahnweide.

Aus dem eigentlich nur als Rückflug geplanten Trip wird dann aber noch eine schöne Airwork-Einlage. Als ich auf der Hahnweide ankomme, erfahre ich, dass wir im Sektor 6000 Fuß freihaben. Laut Andi aufm Turm sind die geälligst auch auszunutzen. Nunja. Es steigt und steigt, aber mehr als 5300 sind nicht drin. Allerdings ist die Höhe komfortabel, um ordentlich Airwork zu machen. Die Flugleitung ist informiert und ich kann die 59 mal ran nehmen. Ich will endlich mal wieder trudeln, um mich aus allen möglichen und unmöglichen Fluglagen retten zu können, falls es nötig werden sollte. Dennoch fühlt sich das irgendwie einen Moment lang komisch an, das Flugzeug in einen Zustand zu bringen, vor dem man in der Ausbildung Mantra artig gewarnt wird. Aber das muss jetzt sein! Also Fahrt wegziehen, Tritt ins Pedal und Knüppel an den Bauch. Es ist ein Genuss, wie definiert die Strömung abreißt. Die 59 hat einfach nicht diesen „Ich-will-nicht-trudeln-und-fliege-auch-bei-Minimalfahrt-noch-irgendwie“-Anspruch wie beispielsweise ein 2er Discus. Bei einem polnischen Flugzeug gibts zwei Zustände: Strömung anliegend oder eben nicht, und wenn letzterer nachrücklich angefordert wird, dann kommt der eben auch. Kaum kippt sie weg, überkommt mich ein unerwartetes Hochgefühl. Nach einer Umdrehung fange ich sie wieder ein. Dasselbe nochmal rechts herum und dann noch zweimal links. Es folgen Rollübungen, Kurvenwechsel, Steilkreise, und dabei merke ich, wie ich mich wieder so richtig in mein Flugzeug verliebe.

Tags darauf gönne ich mir zwei Turneinlagen, wobei die erste wie üblich mehr schlecht als Recht funktioniert und mein Kumpel Dideldum wahrscheinlich seinen Standardkommentar „Hat sich nicht umgebracht – Applaus!“ loslassen würde. Zu Recht, wie ich finde. Allerdings erweist sich mein neugewonnener Kunstflug-Kumpel Christian vom ACS als echt fähiger Bodenbeobachter, denn als ein platzfremder Motorflieger durch den Kunstflugraum schüsselt, breakt er mich zielsicher aus der Sequenz. Die zweite Runde läuft besser, hier spiele ich mein altes Spaßprogramm vom Vorjahr einmal durch, und vor allem die Avalanche zimmert mir ein Grinsen ins Gesicht. Bei 250 Metern AGL wackle ich ab und schließe bei Langen Info meinen Flugplan. Doof nur, dass ich darüber vergesse, das Fahrwerk auszufahren. Das merke ich erst, als kurz vor dem Platz „8E, Fahrwerk“ durch mein Cockpit schallt. Hier spielt mir in die Karten, dass ich mal wieder viel zu schnell anfliege – was bei einer langen Landung zum Anhänger kein Problem ist, da der Platz zum Fahrtabbau dicke reicht – sodass ich einfach 30 km/h rausziehen kann und mir den Platz zum Boden verschaffe, um einmal umzugreifen und das Rad rauszuschmeißen.

Nach der Landung bin ich pappsatt und ärgere mich unglaublich über diesen äußerst dummen Fehler. Schuldbewusst wackle ich zu Günther, einem altgedienten Fluglehrer des Aeroclubs Stuttgart, bedanke mich für den Hinweis und biete ihm an, mich seinen Schülern als schlechtes Beispiel zu präsentieren. Allerdings bin ich jetzt aufgeschreckt: Die Kacklandung in Hülben und der Unfug eben haben mir klar gemacht, wie schlecht mein Trainingsstand ist. Und der erklärt sich ganz einfach dadurch, dass ich in diesem Winter viel seltener geflogen bin als in der Nebensaison der Vorjahre. Die Sperre des Windenstarts für Privatflieger wegen Corona tat ein Übriges. Naja, Lesson learned.

Ausflug mit einer Legende

Es gibt in meinem fliegerischen Lebenslauf noch so manche Fehlstelle, die förmlich nach einer Korrektur schreit. Galsflügel und Rolladen-Schneider sind solche Fehlstellen. Bezüglich ersterer bin ich komplett unbelastet, und abgesehen davon, dass ich zweimal ne Außenlandung mit ner LS1c vergeigt habe – Pardon: mit der gleichen LS1c – das machts auch nicht besser. Grund genug, sich mal im Schaffen von Wolf Lemke und Walter Schneider umzuschauen. Die geplante LS3-Story mit Obercrack Uwe aus Bensheim hatte sich noch nicht realisieren lassen, und irgendwie schien es mir auch angebrachter, zunächst mit der absoluten Legende einzusteigen: der LS4. 1054 Stück sind davon bei Rolladen-Schneider bwz. AMS Flight in Slowenien entstanden, wobei letztere nur zwei Exemplare aus vorhandenen Teilen fertigte. Warum verkaufte sich dieses Flugzeug so unglaublich gut, warum schwören Vereine und Clubklasse-Piloten bis heute drauf? Das wollte ich herausfinden. Die Fliegergruppe Hülben gab mir dazu die Chance – auch wenn ich meine 59 kurz zuvor da so unsanft in den Platz gesemmelt hatte.

Nach zwei Windenstarts mit FI – die schienen mir einfach notwendig, um den Platz nochmal ordentlich kennenzulernen – durfte ich die D-3816 für zwei Flüge entführen und bekomme eine Ahnung, was dieses Flugzeug so einzigartig macht. Am Ende meiner Recherche werde ich es als „Mach-halt-Flugzeug“ bezeichnen. Du sitzt drin und hast das Gefühl, der Flieger sagt dir „mach halt“. Er tut so ziemlich alles und wird dabei niemals giftig. Die Details zu meinen Erlebnissen mit der LS4 gibt es demnächst im aerokurier. Eine Sache sei hier aber erwähnt: Auch die legendäre Gutmütigkeit der LS4 hat Grenzen, vor allem dann, wenn man beim Ausleiten des Trudelns überreagiert und zu stark drückt. Was dann passiert, das hat Martin Pohl vom KFAO in einem eindrucksvollen Video demonstriert.

Endlich wieder Turnen

Ansbach die Zweite. Eigentlich hätte in der Fronleichnamwoche der im Vorjahr ausgefallene Salzmanncup hier stattfinden sollen, aber Corona ließ auch die Planung für diese Veranstaltung platzen. Unser Local Hero Klaus plante um und organisierte das zweite Kunstflug-Trainingslager für uns. Und mein Programm war straff. Zu straff, wie sich herausstellen sollte.

Zunächst will ich in die Salzlore des Fördervereins Segelkunstflug im BWLV vier digitale G-Messer einrüsten um sie für den aerokurier zu testen. Und welches Umfeld wäre dafür besser geeignet als dieses? So verbringe ich einen ganzen Tag zwischen Werkstatt und Vereinsheim, fräse das von Schleicher gesponserte Ersatzpanel passend, schraube, quetsche, crimpe und werde dabei das Gefühl nicht los, dass mein Provisorium vom Aufbau und der Montage her um Welten besser ist als das Originalpanel, dass sonst hinten in der Lore pappt. Das ist irgendwie ernüchternd, aber seitdem ich die Elektrik meiner 59 saniert habe, weiß ich, wie schön man das machen kann. Und schön ist die Kabelage in der Lore definitiv nicht. Tatsächlich funktioniert alles auf Anhieb, und wir können die ersten Flüge für den Test machen. Besonders freut mich, dass auch Robin und Uli, sehr erfahrene Kunstflieger, ihren Senf dazu geben. Details zu der Aktion gibts auch demnächst im aerokurier.

Baustelle zwei: Flüge auf dem Fox machen. Wenngleich mich Dideldum ein Jahr zuvor auf dem Reißwolf ausgecheckt hatte, hatte ich mir einen Soloflug nicht zugetraut. Also nutze ich die Gunst der Stunde und lasse mir von Eugen – mutmaßlich der beste deutsche Segelkunstflieger unserer Zeit – nochmal alle möglichen Trudelzustände des Fox demonstrieren. Die Karussellfahrt motiviert mich, es Ende der Woche endlich mit dem Solo anzugehen.

Akt 3: 59 fliegen und meine Free known für 2021 üben. Die hatte ich bereits eine Woche zuvor mit Hilfe von Robin zusammengebastelt und mich tierisch über den Chinese mit der Zweizeitenrolle in den Pflichtfiguren aufgeregt, weil ich es da schon Nuller hageln sehe. Eine Avalanche, also ein Loop mit ganze gerissener Rolle oben, kann ich halbwegs zuverlässig in die Box zaubern, aber bei den gesteuerten Rollen oben drin treffe ich nie den richtigen Moment. Es ist zum brüllen. Aber hilft ja nix. Ich fliege das Programm zweimal, und es gelingt allenfalls leidlich. Vor dem zweiten Mal nimmt mir Tobi den Zettel aus der Hand und meint, er fliegt das auch und wir machen nen kleinen Wettbewerb draus. Nun gut. Ich schaue von unten zu und denke, ok, so schön kann das aussehen. Ich fliege hinterher und bin froh, zumindest keine Figur vergessen zu haben, wenngleich ich aus dem geplanten Weibchen ein 10er Männchen gemacht habe. Klasse… Als ich nach der Landung zur Schiri-Bank am Vereinsheim komme, um mir meinen Anschiss abzuholen, grinst mich Tobi an, zeigt mir nen Vogel und meint, es wäre ultra abgebrüht, so eine Nummer außerhalb eines Wettbewerbs abzuziehen. Ich habe keine Ahnung was er meint und verstehe auch das Gekicher der anderen nicht. Dann platzt es aus ihm heraus: „Du hast mir das falsche Programm gegeben, sodass ich alles falsch herum geflogen bin!“ Ich habe immernoch keine Ahnung, was er meint, weil ich den Zettel ohnehin nur von links nach rechts lesen kann. Des Kunstfluges unkundige müssen dazu wissen, dass man das Programm je nach Wind von den Schiedsrichtern ausgesehen entweder von links nach rechts oder von rechts nach links fliegt. Und dafür gibt es freilich auch zwei verschiedene Zettel, damit es die Judges leichter haben. Nur hängt bei mir im Cockpit immer der Zettel, in dem der Wind von rechts kommt, egal, wie der Wind durch die Box weht, denn aus der Cockpitperspektive ist das egal. Ich lese Figur für Figur ab und fliege die, denn so muss ich nicht umdenken. Tobi ist natürlich genau das geflogen, was auf dem Zettel stand, und das war freilich falsch. Als ich mir das Tonband von Suna anhöre, kommt als erstes der Satz „Na wenigstens fängt er richtigrum an!“ Irgendwann später hört man Marinas Stimme aus dem Hintergrund sagen „Lars hat den Tobi voll verarscht!“ DAS WAR KEINE ABSICHT!!! Dennoch bekomme ich unmittelbar die Quittung: „Morgen Wettbewerb“, sagt Tobi. „Du schlägst vier Figuren vor, ich vier, den Rest macht Schorsch.“ Na Großartig…

Zwischendrin fliege ich mal ein komplettes Programm auf der Salzlore von hinten und muss feststellen, dass mir der Rücksitz im Doppelsitzer ausgesprochen gut liegt. Auch Michael, der vorne sitzt und den FI in der Pappe stehen hat, hat wenig zu meckern, das macht Mut für meinen FI-Lehrgang im Herbst.

Das Programm für unseren kleinen, internen Wettbewerb sieht gar nicht so übel aus, auch wenn es Advanced sein sollte, damit ich mich nicht umbringe, durfte ich eine Avalanche vorschlagen. Und die fliege ich gemäß Schorschs Wertungszettel sogar mit einer 7,0! Damit bin ich nicht unzufrieden, wenngleich das Männchen wieder daneben geht. Schöne HZ… Am Ende des Tages ist es Platz drei hinter Tobi und Fleischi, der sich kurzerhand auch noch ins Starterfeld reingemogelt hatte. Auch eine dritte Auflage des internen Wettbewerbs gibt es noch, dieses Mal mit einem um Oli und Uli ergänzten Teilnehmerfeld. Und hier entstehen Figuren, von denen bisher kein Kunstflieger wusste, dass sie existieren. Beispielsweise Fleischis geplantes Männchen mit entsprechend angeschrägter Aufwärtslinie, dass aber halb zum Weibchen, halb zum Turn fällt, oder Olis Avalanche mit zweieinhalb gerissenen Rollen und einer weiteren ungewollten Viertel im Abgang. Zeichne sowas mal als Aresti-Symbol…

Das letzte Wettbewerbsprogramm fliege ich auf dem Fox, weil das Wetter so unbeständig ist, dass ich meinen Flieger nicht mehr aufrüsten will. Und nach den insgesamt drei Flügen in dieser Woch mit FI auf dem Rücksitz traue ich mich endlich auch, den Reißwolf zu einer Solo-Runde zu entführen. Mit Mickeymouse-Programm, einfach, um das Flugzeug kennenzulernen. Und als ich die Haube schließe und mit Daumen hoch meine Startbereitschaft signalisiere, ist er wieder da, dieser Tunnelblick, der dafür sorgt, dass man sich bei einer wichtigen Sache wie dem ersten Alleinflug auf einem Muster auch wirklich nur auf das Wesentliche konzentriert. Die erste Herausforderung kommt bereits kurz nach dem Abheben, denn 120 km/h ist mir in Bodennähe doch noch zu wenig. Über Funk gebe ich dem Schlepp-Piloten durch, dass ich lieber mit 140 Sachen unter der Stromleitung nordwestlich des Platzes durchfliege als mit 110 drüber. Ja, ich bin ein bisschen nervös.

Mit zunehmender Höhe werde ich immer ruhiger und freue mich nach dem Ausklinken einfach nur noch darauf, das Monster allein zu bändigen. Endlich tue ich das, wofür mir Dideldum schon im Jahr zuvor die Fähigkeiten attestiert hatte. Das Programm ist wirklich larifari, Loop, Rollen, Aufschwünge etc. Und schon in den ersten Figuren wird mir wieder bewusst, wie gerechtfertigt mein riesiger Respekt vor dem Fox ist. Da reicht es eben, oben im Loop ein bisschen zu stark zu ziehen, und die Möhre fänt an zu tanzen. Die Mischung aus Fahrt und Lastvielfachen habe ich einfach noch nicht raus, mal ziehe ich im Aufschwung zu viel, so dass schon direkt im Bogen die Strömung mit der weißen Fahne winkt, oder ich komme oben auf dem Rücken mit homöpathischer Fahrtreserve an, sodass erstmal eine Gedenksekunde lang Rückenflug ansteht, bevor ich mich traue, ins Querruder zu langen. Kurzum: es muss von unten unfassbar beschissen ausgesehen haben. Das ist mir aber herzlich egal, als ich den Fox mit Tempo 140 in den Platz hämmere. Ich hab mich getraut, ich bin solo Fox geflogen. Was manch erfahrenem Kunstflieger geradezu banal erscheinen mag – für mich war es eine Herausforderung.

Einstellungstest bestanden

Jaja, die Fluggeilheit… Kaum sagt der Windfinder `ne ordentliche Westlage vorher, fällt es schwer, sich auf so irdische Dinge wie die Arbeit zu konzentrieren. Am vergangenen Mittwoch hatte ich aber immerhin ein schlagendes Argument, mit dem ich meine Fahrt auf den Flugplatz begründen konnte: den Einstellungsflug mit meiner neuen Kollegin. Eine gute Woche zuvor hatte mir unser Flugfossil Jo ja mit seinem über Jahrzehnte geschulten Flugplatz-Charme meine Co-Pilotin abgejagt, und ich musste notgedrungen Ralf an den Rand der Kotzgrenze fliegen. Dieses mal lautete der Plan, zwei Starts zu machen – einen mit Tashi und wieder einen mit Ralf.

Unser Schlepp-Pilot Wolli hat sich dankenswerter Weise bereiterklärt, seine Mittagspause zu opfern, um die Husky eine Runde um den Platz zu scheuchen. „Ich kann allerdings wirklich nur einen Schlepp machen“, entschuldigt er sich, als er auf dem Platz eintrudelt. Die Husky steht zu dem Zeitpunkt bereits draußen, und Ralf und ich wuchten die Schirme ins Cockpit des Twins. Ralf verzichtet selbstlos auf seinen Flug und überlässt Tashi den Spaß. Spaß, nunja. Ich war mir anfangs nicht sicher, ob das wirklich so sinnvoll wird bei dem Wetter, denn der Wind bläst straff aus 260 Grad. Sehr straff. So straff, dass ich ein bisschen Angst bekomme, ob die Gleitleistung des Twins ausreicht, um vom Hang zum Platz zurück zu kommen. Mit dem Duo oder einem der Single-Schempps habe ich da keine Bedenken. Dazu kommt, dass da, wo bis neulich der Twin-Anhänger stand plötzlich nichts mehr steht. Zum Aushallen des Fliegers war das wegen des zusätzlichen Raums zum Rangieren super, aber der Gedanke, mir dieses Mal absolut keinen Fehler leisten zu können, sorgt doch für ein eher flaues Gefühl in der Magengrube… Nicht nur, dass ich im Falle einer Außenlandung keinen Plan habe, wie wir den Flieger zum Platz zurück bekommen. Das ist aber möglicherweise das kleinere Problem, denn gleichzeitig wäre ich keinesfalls pünktlich in der Firma zu meinem halbjährlichen Mitarbeitergespräch mit meinem Chef. Allerdings – ein kurzer Schnack mit Tilo Holighaus kurz nach meiner Ankunft am Flugplatz hat mich einigermaßen beruhigt. „Auch wenn eine Südkomponente drin ist dürfte der Hang am Teckberg gehen“, meinte er. „Lass dich südlich und über Kammhöhe schleppen, dann kannst du in Richtung Flugplatz testen, ob es trägt. Wenn nicht, kannst Du problemlos auf Kammhöhe abfliegen und schaffst es sicher zum Platz – mit dem Twin kein Problem“. Diese Einschätzung sorgt in Verbindung mit der Tatsache, dass selbst die Motorflugschule des BWLV ihre Cessnas im Schulbetrieb um den Platz prügelt, schließlich dafür, dass mir mein innerer Fluglotse eine Startfreigabe erteilt. Es ändert aber nichts daran, dass ich mir fortwährend Ausreden ausdenke für den Fall, dass es doch schief geht…

Den Bericht über den Flug überlasse ich an dieser Stelle meiner Kollegin Tashi Dolma Hinz, selbst Motorflug- und Gleitschirm-Pilotin und seit Mitte Januar eine unschätzbare Stütze der aerokurier-Redaktion.

Haben wir nicht alle eine Macke?
Voller Elan traben Lars, Ralf und ich mit dem Twin zur Piste 25. Obwohl das Segelflugzeug eine beachtliche Spannweite von 18 Metern hat – die motorisierte Tecnam, die ich sonst in Hohenems fliege, ist mit ihren neun Metern Spannweite dagegen geradezu handlich – liegt mir die Fläche leicht in den Händen. Es ist das erste Mal seit vielen, vielen Jahren, dass ich wieder in ein Segelflugzeug steige – und entsprechend groß ist auch die Vorfreude. Ein straffer Wind bläst uns entgegen und peitscht mir die Haare ins Gesicht. 20 Knoten war auf dem Windmesser im Turm zu lesen gewesen, und die Böen fallen nochmals deutlich heftiger aus. Mit dem Gleitschirm, überlege ich mir, wäre ans Fliegen nicht zu denken, und auch Lars schien sich seiner Sache anfangs nicht so sicher zu sein. Doch die gemeinsame Entscheidung ist zugunsten des Fliegens gefallen – nicht zuletzt aufgrund der Cessna, die den widrigen Bedingungen zum Trotz noch immer fröhlich ihre Schulungsplatzrunden dreht. Hinter uns brummt mittlerweile charakteristisch die Husky und mir huscht unwillkürlich ein Grinsen übers Gesicht – der Flug mit Jo ist mir in bester Erinnerung geblieben!

Die Pistenschwelle ist erreicht. Ich schlüpfe in den Fallschirm, steige hinten ein und bin überrascht, wie komfortabel es im Cockpit ist. Als Motorfliegerin kommt mir das Instrumentenbrett spartanisch vor: Die Anzeigen für Öl- und Benzindruck, Öl- und Zylinderkopftemperatur, die Tankanzeigen, Volt- und Ampèremeter, der Schalter für die Benzinpumpe und der Zug für die Vergaservorwärmung, all das fällt weg, wenn es keinen Motor gibt, der überwacht werden muss. Ein Fahrtmesser, ein Variometer, ein Höhenmesser und ein kleiner roter Faden, der außen auf der Haube klebt- mehr braucht es hier nicht. Ich schnalle mich an, schließe die Haube und winke Ralf, der das Schleppseil bereits eingeklinkt hat und den Flügel hält. Er winkt zurück und zwinkert mir aufmunternd zu.

Unser Schlepp-Pilot strafft das Seil, gibt Vollgas, beschleunigt und wir heben hinter ihm ab… oder auch nicht. Mehrere Male drücken uns Böen wieder zu Boden, und auch die Husky vor uns hat sichtlich Mühe, abzuheben. Die ersten hundert Höhenmeter sind ein wahrer Rodeoritt. Die Böen versetzten uns mal über, mal unter, mal links und mal rechts der Schleppmaschine, bis sich Lars besorgt erkundigt, ob meine Gurte auch gut angezogen seien. Etwas mulmig ist mir schon, aber ich vertraue auf die Erfahrung des Piloten. Zum Glück wird es in zunehmender Höhe ruhiger. In der Nähe des Teckbergs klinkt Lars aus. Das Variometer piepst vielversprechend. Lars nutzt den Aufwind geschickt, während ich ausgiebig das ländliche Idyll unter uns betrachte. Majestätisch thront die Burg Teck über den Dörfern, Feldern und Wäldern – ein friedliches Fleckchen Erde. Ein paar Kinder hatten die gleiche Idee wie wir und lassen einen Drachen spielerisch im Wind steigen. Bei genauem Hinsehen entdecke ich im Norden auch den Flugplatz Nabern und das Segelfluggelände Dettingen/Teck und freue mich, dass es in unmittelbarer Stadtnähe so viele Möglichkeiten gibt, in die Luft zu kommen.

Wie ich so konzentriert die Landschaft studiere, merke ich erst spät, dass mein Magen das nicht goutiert. Vorsichtshalber werfe ich einen Blick in die Seitentasche und stelle erleichtert fest, dass sich dort genügend Tüten befinden. Ich öffne das Seitenfenster, atme tief ein und fokussiere mich auf die Instrumente. Nützt leider alles nichts. Ich zupfe eine Tüte heraus und falte sie auf. „Wir nehmen es nicht persönlich“ steht darauf – ich bin beruhigt. Vom Rascheln alarmiert fragt Lars, ob wir umkehren sollen. „Nein“, entgegne ich bestimmt. „Sicher?“, erkundigt er sich skeptisch. Ich lasse mir von meinem Magen doch nicht den Spass verderben! „Alles gut“, flunkere ich und übergebe mich zielsicher in die Tüte. Lars reicht mir eine Packung Taschentücher. Jetzt geht es mir wieder besser. „Immer noch fest überzeugt weiterzufliegen?“, fragt er. „Aber klar doch!“ „Weißt du was?“, stellt Lars amüsiert fest, „Du hast eine noch grössere Macke als ich!“ Ich fühle mich auf eine seltsame Art geschmeichelt von dieser Aussage.

Mittlerweile haben wir das obere Limit des Luftraums erreicht und Lars erbittet bei Langen Informationen eine Freigabe. Dort kommt man unserem Wunsch gerne nach, wenn auch etwas verwundert über die Tatsache, ein Segelflugzeug zu dieser Jahreszeit und bei diesen Bedingungen auf der Frequenz zu haben. Wir fliegen das ganze Programm, lassen uns vom Hangaufwind nach oben tragen, legen den Twin in Steilkurven und rollen hin und her – was meinem Magen nicht unbedingt zuträglich ist. Dennoch genieße ich den Flug, bis der Wind sich abschwächt und uns nach etwas mehr als einer Stunde zur Rückkehr zwingt. In den unteren Luftschichten wird es wieder böiger. Lars fliegt die Piste 25 an und während ich mir im Endanflug noch überlege, wie er die ganze Höhe vernichten will, fährt er die Bremsklappen aus. Ich bin beeindruckt, wie effizient sie wirken, doch für eine Motorfliegerin, die an kontrollierte Sinkflüge von 500 Fuß pro Minute gewöhnt ist, sieht der Anflug schon ziemlich steil aus. Lars arbeitet geschickt mit den Bremsklappen, fängt den Twin sanft ab und wir setzen auf.

Mein Fazit: Ob Gleitschirm-, Segel- oder Motorfliegen – abheben macht einfach immer unglaublich viel Spaß! Was mir beim Segelfliegen besonders gut gefällt, ist die Eleganz, die das Segelflugzeug ausstrahlt, und die Möglichkeit, im Einklang mit der Natur zu fliegen und dabei Strecken zurückzulegen, von denen Gleitschirmpiloten nicht zu träumen wagen. Vielen Dank, Lars, für dieses tolle Erlebnis.

Liebe Tashi, auch Dir vielen Dank für die Gesellschaft im Cockpit. Wird wohl nicht das letzte Mal gewesen sein. Ich freue mich schon auf die Revanche in Hohenems mit der Tecnam.

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Das aerokurier-Team im Cockpit.

Winterblues

Auch wenn die Wettertendenz so langsam wieder in Richtung Frühling geht, fällt es schwer, sich dem Winterblues zu entziehen. Allerdings hat mir mein Umzug nach Stuttgart und damit verbunden das Fliegen auf der Hahnweide den Winter zumindes einigermaßen erträglich gemacht. War in Taucha bzw. Perleberg immer Anfang November Schluss mit der Fliegerei, bietet die Hahnweide bei entsprechendem Wind immer die Chance für einen schönen Hangflug. So war ich seit dem 1. November elfmal in der Luft – mit insgesamt 13 Stunden und 16 Minuten! Irgendwie muss man sich ja in Übung halten…

Das erste Mal in diesem Jahr hat es am 14. Januar gepasst. Gemeinsam mit Torsten, einem unserer Flugschüler, beiße ich mich für eine Stunde und zehn Minuten am Teckberg fest. Anfangs ist es noch bedeckt, aber nach einer guten halben Stunde reißt es auf und wir können uns die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Einfach schön. An dieser Stelle nochmal einen Dank an unseren Schlepp-Piloten Klaus, der extra für einen Schlepp auf den Flugplatz gekommen ist.

30 Tage später kribbelts wieder. Und zwar gewaltig. Vier Wochen mussten wir aushalten, weil das Wetter einfach gar nichts hergab. Klar hätte man sich an den Luftraumdeckel schleppen lassen und die Höhe abgleiten können, aber irgendwie ist das ja auch nicht das Wahre. Aber dann deutet die Windfinder-Vorhersage doch wieder klar auf Hangflug. Naja, zumindest so weit klar, dass ich bedenkenlos das Geld in den F-Schlepp investieren will.
Allerdings – zunächst scheint uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung zu machen. 12 Uhr, Blick in die Webcam – die Alb ist zu. 13 Uhr, gleiches Spiel. Anruf beim Turm. „Mit viel Fantasie kann man den Teckberg sehen…“ schallt es durchs Telefon. Um 14 Uhr reißt der Himmel über Stuttgart auf, es wird blau, die Sonne scheint. Scheiß drauf, denke ich, gebe Ralf und meiner neuen Kollegin Tashi Bescheid und wir rücken ab gen Hahnweide. Mein Dauerlieblingsschlepppilot Jo hat uns seine Unterstützung zugesagt. Kaum am Platz, zeigt sich das Wetter zumindest von einer bedingt fliegbaren Seite. Klar könnte man sagen, es ist zu diesig, das tue ich mir nicht an. Man kann aber genauso gut sagen, da geht was – wie wir es am dritten Advent gemacht hatten und dafür mit einem fantastischen Flug belohnt wurden.

Also den Twin aus der Halle gezerrt und unsere neue Kollegin dem Schleppmann vorgestellt. Dem sich entwickelnden Gespräch kann ich entnehmen, dass Jo den Vater von Tashi – eine Koryphäe in der Luft- und Raumfahrttechnik – gekannt hat. Damit hat sich auch mein Plan, mit ihr zusammen zu fliegen, erledigt, denn der alte Mann mit den 20.000 Flugstunden lädt sie lieber auf ne Runde Husky ein. Klar, dass das auf eine Motorfliegerin mehr Eindruck macht als schnödes Segelfliegen. Ralf nimmts entspannt, immerhin springt so für ihn ein Start mehr raus.
Wind aus Ost, Startbahn 13… Die Husky zerrt uns zügig von der Piste, und Jo wählt einen Weg nördlich des Platzes, um uns östlich des Teckberges schleppen zu können. Wir steigen zügig auf rund 1000 Meter MSL, und bereits im Schlepp zeichnet sich ab, dass es am Hang richtig turbulent werden wird. Ich ziehe am gelben Griff und gleite querab der Burg Teck an den Hang. Es braucht nur ein paar Korrekturen, bis uns die ersten Aufwinde unter die Flächen greifen. Allerdings dauert es zwei, drei Schleifen, bis ich die Windline am Hang wirklich einigermaßen sauber nachfliegen kann. Es bockt ohne Ende, und ich hämmere mit reichlich Fahrtüberschuss den Grat entlang, immer drauf gefasst, im Fall der Fälle ins Tal abzudrehen. Wir werden durchgeschüttelt, und mir ist auch nicht groß nach Quatschen zumuten, dafür muss ich mich einfach zu sehr konzentrieren. Dennoch frage ich alle zwei Minuten, wie es meinem Co geht. Der ist überwiegend damit beschäftigt, die Haube freizurubbeln und kann sich auch nur beschränkt auf den Flug konzentrieren. Irgendwie scheint die Lüftung vom Twin nur für vorne zu funktionieren, hinten ist Milchglas.

Da meine Kollegin ja auch noch dran kommen soll, drehen wir nach gut 20 Minuten auf Kurs Hahnweide und gehen zur Landung. Als wir den Twin zurück schieben, macht Tashi deutlich, dass sie im Anschluss an den Schlepp noch eine Runde mit der Husky drehen will. Also bleibt mein Co der gleiche – ob Ralf da so scharf drauf ist frage ich mal lieber nicht. Ist auch nicht nötig, denn gut gelaunt steigt er wieder ein. Wieder angeschnallt und der Schleppmaschine sauber hinterhergerollt. Gleiches Spiel, allerdings dieses Mal mit Sonne. Also zumindest dem, was davon durch den Dunst durchkommt. Die Lichtverhältnisse machen es jetzt noch einmal schwieriger am Hang, denn auf der Schattenseite ist kaum was zu erkennen. Entsprechend mehr Vorsicht lasse ich walten und fliege nicht so nah ans Relief. Allerdings – die Böen werden immer stärker. In einer Wende machen wir erst reichlich Höhe und verlieren Sekunden später noch mehr. Da Ralf schon wieder nichts mehr sieht gibt er mir zu verstehen, dass es ihm reicht. Also Kurs Hahnweide. Feierabend. Nach 18 Minuten berührt das Rad die Bahn und beim Aufsetzgeräusch schwant mir böses. Das wird ne dreckige Angelegenheit… Ich parke unser Schiff direkt am Rollweg zur Halle, absolute Punktlandung.

Kaum sind wir aus dem Cockpit, grinst uns meine Kollegin an. „Husky fliegen fetzt“, kommentiert sie ihren Ausflug mit Jo. Klar. Jetzt steht Fliegerputzen an. Nicht schön. Wir besorgen uns warmes Wasser und kratzen dann gefrorenen Schlamm vom Rumpf und aus dem Radkasten. Als der Flieger in der Halle verschwindet, werten wir den Tag aus. Man hätte freilich nicht fliegen müssen. Aber man konnte es eben auch trotz des Wetters tun. Und es hat Spaß gemacht, wie eigentlich immer.

Das letzte Erlebnis, was in diesem Beitrag Erwähnung finden soll, hat mich im Rahmen der Winterwartung unserer Flugzeuge ereilt. Am letzten Samstag habe ich rund sieben Stunden damit zugebracht, bei einem Discus 2b den Seilzug für die Pedalverstellung zu wechseln. Trotz paralleler Anwesenheit zweier Diplomingenieure für Luftfahrttechnik und deren schlauer Kommentare ging nichts ohne try & error. Aber gut, am Ende hat es funktioniert, und jetzt könnte ich das alles – Material und Werkzeug vorausgesetzt – wahrscheinlich in einer Stunde erledigen. Wieder was gelernt. Vor allem, das Flugzeugkonstrukteure Dinge konstruieren, die funktionieren. Sobald sie aber mal nicht funktionieren, gewartet oder gar repariert werden müssen, kommt man mehr als einmal auf die Idee, den Waffenladen des Vertrauens zu besuchen…

Advent, Advent

Es gibt diese Momente, in denen du mit dir selbst völlig im Reinen bist. Diese Momente, wo dein Leben perfekt zu sein scheint. Diese Momente, wo du dir denkst, ein Glück, dass ich das probiert habe. Zugegeben, solche Momente habe ich in 99 von 100 Fällen im Flugzeug. Manchmal sind es nur Sekunden – ein Blick auf eine tolle Wolkenformation, die von der Sonne angestrahlt wird, der Bart, der dich vorm Einschlag in den Acker rettet oder das Grinsen eines anderen Segelfliegers, der mit dir im gleichen Aufwind kreist und die Hand zum Gruß erhebt – die einen Flug besonders machen. Manchmal allerdings dehnt sich dieser Moment auf einen ganzen Flug aus, und genau das ist mir am dritten Advent passiert.

Wenngleich in diesem Winter meine Fluggeilheit mehrfach über den Geiz gesiegt und ich – wohl wissend, dass ich allenfalls die Höhe abgleiten kann – 35 Euro in einen F-Schlepp investiert habe, hat die beständige Gabe von geringe Flugdosen das Virus in mir nicht wirklich klein gehalten. Eher ist es so, dass die Fieberschübe immer intensiver werden, wenn ich mal zwei Wochen nicht geflogen bin. Zu meiner Zeit in Sachsen bzw. Brandenburg kam das mit dem Abrüsten Anfang November zumindest ein paar Monate zum Erliegen, aber das ist nun definitiv vorbei. Die Alb bietet beim passenden Wind einfach zu viele Möglichkeiten, zu spielen, und meine ersten Versuche am Hang haben das Feuer nur weiter angefacht.

Eigentlich wollte ich schon am Samstag fliegen. Die Windvorhersage von Top Meteo passte, und mit Sonnenschein und milden Temperaturen war es ein perfekter Tag. Oder besser: wäre ein perfekter Tag gewesen, wenn sich denn der Wind an die Vorhersage gehalten hätte. Hat er aber nicht. So mancher Kamerad auf der Hahnweide konnte dem Wetter nicht widerstehen, aber mehr als Abgleiten war eben nicht drin. Ich verkniff mir das ganze, nicht ohne seichten Ärger, aber immerhin konsequent. Ich nutzte die Zeit aber, mal auf die Burg Teck zu steigen und selbst die Aussichtsplattform zu erklimmen, von der mir schon so mancher Tourist zugewunken hat.

Auf der Vereinsweihnachtsfeier am Abend keimte beim gemeinsamen Buffet-Räubern die Idee auf, es am Sonntag früh zu versuchen. Eine Regenfront mit sattem Westwind sollte gegen 10 Uhr durchgehen, also hätte man vorher durchaus Zeit gehabt, zu fliegen. Einen Schlepp-Pilot hatte ich schon breitgequatscht, und den ein oder anderen Vereinskameraden hatte ich auch noch gefragt, wenngleich ich mir sicher war, dass von denen keiner kommen würde.

Also zum 3. Advent um acht Uhr aus dem Bett gewühlt und aus dem Fenster geguckt. Es tröpfelt. Na klasse. Ich raffe trotzdem meinen Krempel und fahre los. Kaum auf der Autobahn, wird der Regen stärker. Ein Anruf beim Flugleiter bringt Gewissheit: Es schüttet. „Aber die Front ist Mittag durch, und die Windvorhersage bleibt bestehen“, heißt es.

Zweiter Versuch. Gegen 12 Uhr bin ich auf der Hahnweide. Im Norden ist der Himmel blau, die Sonne scheint. Über der Alb thronen tiefschwarze Wolken. Die Teck hängt zeitweise komplett in der Sotte. Oh mann, was fürn Bockmist. Anderhalb Stunden hänge ich im Turm rum, wir philosophieren über Sinn und Unsinn des Fliegens bei solchen Wetterlagen, kommen aber zum Schluss, dass es eben nicht nur dumm, teuer und gefährlich, sondern auch einfach schön ist. Aber selbst Joe, unser Schleppilot, ex-Luftfhansa-Kapitän und passionierter Segelflieger, hat seine Bedenken, ob das Wetter taugt.

Als ich unten auf dem Flugfeld stehe, schallt es mir entgegen. „Was ist los, Lars, fliegen wir??“ Noch bevor ich richtig realisiere, dass es Tilo Holighaus ist, rufe ich zurück „Ich bin noch am Überlegen…“. Tilo will mit seinen Kids eine Runde Arcus fliegen. „Komm, das probieren wir! Willste mal Ventus fliegen??“ Spätestens jetzt hat er mich endgültig, obwohl ich natürlich nur drauf gewartet hatte, dass sich noch ein Verrückter findet, der es versuchen will. Und zwar trotz tief hängender Wolken, trotz Wind aus Süd, trotz der Kälte und der Tatsache, dass man bei diesem Wetter nicht in ein Flugzeug, sondern auf die Couch gehört – mit Tee, Teelichtern und Stollen.

Wir zerren die K2 aus der Halle und rüsten dann die Victor Victor auf. Es ist der Prototyp des Ventus 2a, nach mehreren Umbauten inzwischen zum 2ax geworden. 15 Meter, Wölbklappen, federleichte Innenflügel. Gleitzahl irgendwas um die 48. Vielleicht nicht das teuerste, aber garantiert das agilste, was ich je geflogen bin. Während wir das Gerät zusammenstecken, erklärt mir Tilo, worauf es ankommt. Anrollen mit -1, der besseren Querruderwirksamkeit wegen. Dann auf +2 umwölben. „Oder einfach bei 0 lassen, das ist wahrscheinlich das einfachste.“ Klingt plausibel, denke ich mir. „Und immer schön auf den Fahrtmesser gucken, das Horizontbild täuscht mitunter sehr.“ Nun gut. Dann gibt es noch ein paar Hinweise zur Flugleistung ala „wenn Du den Flugplatz siehst, kommst du auch hin“ und die ganz klare Bitte, keine Experimente zu machen. „Wenn es nicht geht, such dir ein Feld. Das ist kein Problem, die da unten gehen alle. Lieber holen wir dich vom Acker, als aus irgend einer Baumkrone.“ Die Einstellung gefällt mir.

Wir schieben die Flieger an die Startstelle der 25. Die Husky rollt heran, und ich quetsche mich ins Cockpit. So weit ist der Ventus 2a von der Foka tatsächlich nicht entfernt, Tilo hatte gesagt, auch den müsste man sich anziehen. Die stark liegende Position ist zunächst etwas ungewohnt, aber wirklich unbequem ist es nicht. Die Hand am gelben Griff zu halten, ist mühsam, aber das habe ich mir angewöhnt, um bei einem Problem der Schleppmaschine schnell ausklinken zu können. Irgendwie wirds gehen.

Das Seil strafft sich, der Ventus rollt. Kaum abgehoben, bestätigt sich die vermutete Agilität. Schon im Schlepp deutet sich die Leichtgängigkeit der Steuerung um alle Achsen an. Tatsächlich fordert der Schlepp aus diesem Grund etwas mehr Aufmerksamkeit, weil jede grobmotorische Bewegung sofortige Reaktion und schnelles Zurücksteuern hinter die Schleppmaschine verlangt. Südöstlich des Platzes klinke ich in 900 Meter Höhe aus und nehme direkt Kurs auf den Teckberg. Wölbe auf -1 und vorwärts. So ganz unbekannt ist mir die Wölbklappenfliegerei ja dank Speed Astir und Arcus nicht. Im Geradeausflug kann ich mich mit leichten Kurswechseln ein bisschen auf die Steuerung einstellen. Und ja, er fliegt sich toll.

Am Hang ist Waschküche. Die Teck ist nicht zu sehen, und ein bisschen frage ich mich schon, was ich hier eigentlich mache. Aber in dem Moment bin ich auch schon dran am Relief, umwölben auf +1 und – es steigt. Da ist es wieder, dieses Glücksgefühl, wenn du dem Gelände folgst und wie von Zauberhand angehoben wirst. Ohne Thermik, ohne Kreis, nur durch den Wind. Beinahe Magisch. Ab dem gelben Felsen geht es in Richtung Süden recht gut. Ein Meter Steigen ist im Aufwindband drin. Aber es is höchste Aufmerksamkeit gefragt, um sich nicht in die Wolken tragen zu lassen. Und das kann richtig schnell gehen, insbesondere an den Stellen, wo der Hang in Ost-West-Richtung verläuft und der Wind voll angreifen kann. Nach drei oder vier Wenden knackt der Funk: „Na Lars, gehts?“ Tilo hat ausgeklinkt und will wissen, ob es sich lohnt, rüberzukommen. „Es geht, die Sicht ist grenzwertig, aber es geht“, gebe ich samt meiner Position zurück. Kurz darauf ist Tilo bei mir und bittet mich, vorm Wenden immer kurz Bescheid zu geben. So feilen wir eine Zeit lang am Teckberg und der Ostkante des Lenninger Tals entlang, und ich komme mir mit dem agilen Flieger ein bisschen wie ein Airrace-Pilot vor, nur dass ich nicht Pylonen ausweiche sondern Wolken.

Plötzlich ist Tilo weg. Hä? Aber wohin? In eine Wolke fliegt ein solch routinierter Pilot garantiert nicht ein. Kurz darauf sehe ich ihn, bestimmt 200 Meter höher als ich über Brucken. Dort stehen keine Wolken, aber wie er es da hoch geschafft hat, ist mir ein Rätsel. Bestimmt eine halbe Stunde versuche ich – per Funk dirigiert aus der Etage über mir – auch auf die Höhe zu kommen, aber es gelingt mir ums Verrecken nicht. Dann meldet sich Tilo ab, um seinen Sohn abzusetzen und dessen Zwillingsschwester ins Cockpit zu holen. Kaum ist der Arcus weg, finde ich mein Steigen. Und das ist sogar rund! Ich fliege am 11. Dezember kreise mit einem bis eineinhalb Meter Steigen! Ich bin total perplex. An den Wolken vorbei bin ich nach kurzer Zeit auf 1050 Meter MSL und damit am Deckel. Riskiere ichs? „Hahnweide Info, Victor Vitor. Können wir den Sektor Alb Nord aktivieren?“ „Bitte was??“ kommt es etwas verstört vom Tum, aber Stefan fragt natürlich. Kurz darauf haben wir 6000 Fuß frei, und ich kann weiter klettern. Bis auf 1300 Meter geht es rauf, und da liegt ein Großteil der Wolken schon unter mir.

Inzwischen ist auch der Arcus wieder da, und ich folge Tilo an den sich links neben uns auftürmenden Wolken das Lenninger Tal hinauf. Ich bin nur noch fasziniert von dem Anblick und kann es immer noch nicht richtig fassen, was ich da gerade tue. Warum habe ich je was anderes gemacht?  Es fehlt nur noch ein LED-Teelicht, mit Tesa aufs Panel gepappt, und es wäre der absolut perfekte dritte Advent. Auf Höhe des Steinbruchs Grabenstetten drehen wir um und es geht gen Norden. „Lust auf Experimente?“, fragt Tilo. „Es ist Dein Flugzeug. Du weißt, was es kann und was nicht, also von mir aus“, gebe ich zurück. Wir fliegen parallel zur Wolkenfront wieder Richtung Teck, biegen hinter dem Berg nach rechts ab und gehen auf Ostkurs. Mit einem Nullschieber fliegen wir rund zehn Kilometer geradeaus, wenden dann aber, weil die Welle dort nicht so funktioniert wie Tilo vermutete.

Am Teckberg geht es wieder nach Süden, die Hand zum Grüßen der Teck-Touris erhoben. So toben wir noch eine Weile am Hang entlang und genießen das Erlebnis. „Ich würde dann langsam zurück“, gibt Tilo per Funk durch, und auch mir ist nach Feierabend, weil es langsam dunkler wird, Füße und Nase kalt sind und sich der Tee meldet, den ich vor dem Flug in mich hineingeschüttet habe. Also Kurs Heimat, Wölbklappe auf -2 und mit 150 losgefeuert. Am Platz kreise ich langsam meine Höhe ab, fahre das Fahrwerk aus und nehme Kurs auf die Piste 07. Wölbklappe auf +2, Fahrt 120 und Bremsklappen raus. Der Anflug ist trotz der Windböen und des Rückenwindes unspektakulär – Tilo hatte empfohlen, dass wir die 07 nehmen, weil sie sich am besten anfliegen lässt und der leichte Rückenwind bei seiner ersten Landung keine Probleme bereitete. Abfangen, Ausschweben, Aufsetzen. Dann mache ich den Kardinalfehler und nehme die Klappen wieder rein, um möglichst weit zu rollen, und prompt steigt er nochmal weg. Das zweite Aufsetzen ist etwas weniger sanft, aber immernoch im Rahmen. Ich schaffe es noch, den halben Weg bis zur Halle zu rollen, dann steht die Victor Victor. Ich muss pissen wie sau, schaffe es aber erst im dritten Anlauf aus dem Cockpit. Ab zur nächsten Hecke und endlich Erleichterung.

Tilo schwebt fünf Minuten später ein, und auch er scheint einen Kleiderbügel im Mund zu haben. Kaum ist er aus dem Cockpit, umarmen wir uns. Auch er hätte nicht annähernd gedacht, dass es solch ein fantastischer Flugtag werden würde.

Angefixt

Tatsächlich ist seit meinem letzten Blogeintrag aber noch einiges mehr passiert. So habe ich einmal mehr Überstunden auf dem Fugplatz abgebaut und bin mit einigen meiner Kollegen geflogen. Wieder mit dabei: Markus aus der Motorrad-Redaktion. Und bei ihm ist das Feuer auch schon ganz kräftig am Lodern, aber das machen seine eigenen Worte wohl mehr als deutlich:

Rund anderthalb Wochen nach meinem ersten Flug mit Lars im Duo Discus bekomme ich überraschend noch einmal einen Platz unter der Plexiglashaube des großen Vogels. Schon die Vorbereitung und der Preflight-Check des Flugzeuges hatten wieder großen Spaß gemacht, und Lars war anschließend bereits mit meiner Tochter Lea 29 Minuten in der Luft gewesen. Ein großzügiges Geschenk seinerseits zum 14. Geburtstag, das ihr nachhaltig Spaß gemacht hat. Im Gegensatz zu mir ist die Kleine absolut flugfest. Das nächste Mal könnte sie sich vorstellen auch im Kunstflieger Fox, der am gleichen Tag am Platz unterwegs war, mitzuturnen, sagt sie später.

Nachdem uns diesmal eine Aviat Husky von der Graspiste gezogen hat, erklimmen wir mit 1,5 bis 2 Metern Steigen stetig Höhe. Von Beginn an fühle ich mich gelassener, die Umgebung wirkt vertraut, das Abendlicht intensiviert die Sinneseindrücke, der Duo liegt satt und ruhig in der Luft. Bei rund 600 Metern über Grund klinkt Lars aus und legt die Ruder hart rechts, um einer grade gespürten Thermik nachzujagen. Entgegen seinen Erwartungen findet Lars noch den einen oder anderen Bart um uns auf Höhe zu halten. Sei es der ruhigeren Wetterlage gedankt oder einer erwachenden „Routine“, aber heute fühle ich mich körperlich voll auf der Höhe und genieße ohne physische Irritationen jede Minute unseres Segelns über den grünen Hügeln der Albvorlandschaft.

Wieder darf ich ein kleines bisschen an Knüppel und Pedalen mitfühlen. Ich bin wieder begeistert, wie stabil der Duo in Schräglage gleitet, wie konsequent er auf Ruderausschläge reagiert und empfinde ähnliche Glücksgefühle wie beim Hochkurven eines Passes in den Alpen mit dem Motorrad. Das Spiel mit Fliehkraft und Gravitation ist im Segelflugzeug noch viel intensiver und der Anblick der Instrumente, der Flächen, die wahlweise ins Blau des Himmels oder ins Grün des Grundes stechen elektrisiert mich völlig. Lars erklärt mir, dass man in der Segelflugausbildung vor allem lernen muss, nicht nur nach den Instrumenten zu fliegen. Nein, es gehe darum, Höhe, Fluglage und Geschwindigkeit auch im Abgleich mit dem Horizont ins Gefühl zu bekommen. Klar, das ist mein Fernziel: Einen solch elegant-schönen Vogel nur mit dem „Arsch“ kontrollieren zu können, meine Sinne zu erweitern bis in die Flügelenden, ins Leitwerk und den Rumpf. Eins zu werden mit dem Flieger, das kann ich mir schon richtig vorstellen, obwohl der Weg bis dahin noch weit ist. Irgendwann werde ich diesen Weg beschreiten und ihn ganz sicher bis zu Ende gehen, das steht fest.

Nach 33 Minuten setzen wir sanft auf der Graspiste auf. Lars schafft es, bis fast vor die Halle zu rollen. Mir war keine Sekunde schlecht, ich habe das Flugzeug zum ersten Mal richtig gespürt und einen Durchbruch in der Erkenntnis erzielt, was Segelfliegen bedeutet und ausmacht. Ich bin so sehr angefixt, dass ich bereits dem nächsten Flug entgegen fiebere.

So viel zur Wirkung zweier Mitflüge auf einen, der es eigentlich auch schon immer wollte, und dessen Widerstand so langsam aber sicher bricht 😉

Tschüss Duo, Hallo Twin III

Weiterhin musste ich mich von meiner geliebten K5 verabschieden, da sie im Januar durch einen Duo XLT ersetzt wird. Das freut mich nur bedingt, denn dann gibt es für mich keine Alternative mehr, als mir das beste aktive Headset am Markt zuzulegen, um irgendwie den Lärm des Triebwerks auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Tatsächlich flog ich die letzte Runde mit „meiner“ K5 am 16. Oktober gemeinsam mit meiner Schwester, die so zum ersten Mal meine neue fliegerische Heimat aus der Luft zu Gesicht bekam.

Zwei Wochen später erlebte ich wieder einen Typen-Erstflug, denn mein Checkout auf unserem neuen Schul-Dosi stand an. Ein Twin III, der sogar mal Acro durfte, bei dem aber die Rumpfverstärkungen nicht eingebaut wurden. Rumturnen also tabu. Dennoch war mir der Flieger vom ersten Moment an sympathisch, denn er fliegt sich deutlich besser als der IIer. Mit Fluglehrer Steffen flog ich am 1. November meine Einweisung auf dem Ding, und meine Frage, ob wir noch einen zweiten Start gemeinsam machen sollten, kam nur lapidar zurück: „Was soll ich dir denn da jetzt noch erklären??“ Nun gut. War mir auch recht so, denn für den Nachmittag hatte ich eine nette Kollegin zu ihrem ersten Segelflug eingeladen, und da brauchte ich den Twin. Dumm nur, dass der eigentlich in der Schulung war, also blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit den Flugschülern gut zu stellen und ihnen den Twin gegen einen Kasten Bier für 15 Minuten abzuschwatzen. Ich denke, es hat sich gelohnt, denn mein Passagier machte nach dem Flug ein sehr zufriedenes Gesicht.

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Meine Kollegin Silke genießt ihren ersten Segelflug.

Zu einem weiteren, denkwürdigen Flug kam es am 20. November. Philipp, ein Kumpel von meinem Kollegen vom Klassiker der Luftfahrt, war zu Besuch in Stuttgart und nahm die Einladung, bei mir eine Runde mitzufliegen, gerne an. Beruflich fliegt er als Co A380 bei der Lufthansa, privat eine Vultee BT-13, einen alten US-Trainer mit Sternmotor, über den ich im aerokurier eine schöne Story gemacht habe. Im Gegensatz zu meinem Kollegen Philipp hat der Lufthansa-Philipp weniger Scheu, sich dem lautlosen Fliegen zu stellen. Allerdings, es ist wieder kein wirkliches Gastflugwetter. Aufgrund des Windes ist Hangaufwind am ehesten am Gelben Felsen zu erwarten, und dann dürfte es extrem bockig werden. Egal, hoch, rüber und probieren.

Schon im F-Schlepp zeigt sich mein Fluggast, der knapp 100-Mal so viele Flugstunden hat wie ich, angetan von dieser Art der luftgebundenen Fortbewegung. Die Entspannung schwindet aber zunehmend, als wir uns am Hang zwischen die vier anderen Flugzeuge quetschen, die sich dort auf dem knappen Kilometer drängen, auf dem der Hang wirklich geht. Und es ist an diesem Tag wirklich nicht einfach, sich zu halten. Das Aufwindband ist schmal, und ich bin permanent nur am rotieren, um alle anderen Flugzeuge im Blick zu behalten. Nach einer guten Viertelstunde hartem Ritt reicht es Philipp, und wir machen uns auf den Rückweg zur Hahnweide. Selbst über dem Tal werfen uns Böen hin und her, und wenn ich in dem Moment nicht mit Fliegen beschäftigt gewesen wäre, hätte auch mir durchaus schlecht werden können. Schließlich richte ich den Twin auf die 07 aus und fliege hoch über dem Wald an, um bei den starken Böen reichlich Höhenreserve zu haben. Kaum über die Bürgerseen weg, slippe ich bis auf 50 Meter Höhe ab und schwebe lange bis etwa zur Mitte der Asphaltbahn. Mit einem Quietschen setzt das Hauptrad auf, mit Seitenruder rechts und Gegenquerruder rolle ich ab und parke das Flugzeug direkt am F-Schleppstart. Vom Rücksitz kommt nur ein einziges Wort. „Respekt!“ Ich hätte ja nun alles erwartet, aber nicht diese Art von komprimierter Anerkennung.

Nach dem Flug erzählt mir Philipp, dass er als Passagier gerade genau das erlebt hat, was er sich als Pilot über die Jahre komplett versucht hat abzugewöhnen: Die Annäherung an andere Flugzeuge, die Nähe zum Relief. Hangflug ist eben doch was komplett anderes als das freie Fliegen irgendwo im Luftraum.

Nachdem ich meine Excel-Tabelle mit den ganzen Flügen gefüttert habe, stehen jetzt 81 Stunden und 55 Minuten für 2016 im Flugbuch. Mal gucken, was noch kommt. Ich gebe mir Mühe  😉

Zwischen Whuuuuuuh und ooooooh

Endlich Urlaub – wobei die erste Woche auch was mit Segeln zu tun hat, aber dieses Mal wassergebunden. Deswegen wird sie hier keine Rolle spielen, es sei denn, ein Segelflugzeug wassert neben uns (Edit: ist nicht passiert, aber ich war erfreut, als ich gesehen habe, dass im Vorsegel der Bavaria 46 Fäden hängen 😉 ). Ab dem 31. Juli steht dann noch eine Woche Fliegerlager in Murnau am Staffelsee an, da wird dann hier auch wieder mehr passieren.

Aber immerhin sind die beiden Wochenenden zuvor berichtenswert. Im Anschluss an das Drachenbootrennen in Wittenberge hatten sich tatsächlich wieder ein paar Todesmutige gefunden, die sich zu mir ins Cockpit setzen und sich der lautlosen Fliegerei hingeben wollten. Acht Leute folgten mir am Sonntag auf den Perleberger Flugplatz, und die Tatsache, dass ich am Abend noch 680 km gen Stuttgart zu fahren hatte, zwang mich, ein wenig auf die Tube zu drücken, damit der Betrieb in Gang kam. Angesichts der Tatsache, dass meine Perleberger Kameraden zwei Wochen Fliegerlager in den Knochen hatten, war ich froh, sie zu einem weiteren Flugtag überreden zu können, um meine Freunde in die Luft zu bringen. Also Bocian und Bergfalke auf die Bahn gezerrt und zur Abwechslung mal Winde und SKP an den jeweils letzten Reiter gestellt, um nicht unnötig Bahnmeter zu verschenken.

Mein Drachenbootkamerad Steiner hatte die Ehre des ersten Fluges mit mir. Es sollte ein Geschenk anlässlich seines 30. Geburtstages sein, auf den er zum Drachenbootrennen einen ausgegeben hatte. Sonst immer großfressig wie sau, ohne dabei unsympathisch zu sein, ließ seine Unruhe kurz vor dem Start doch etwas von der Nervosität erahnen, die den sonst so souveränen Kerl angesichts des bevorstehenden Ereignisses überkam. Kaum festgeschnallt, gab es für ihn aber keine Chance, sich zu drücken. Also Haube zu und los. Kaum nimmt der Flieger Fahrt auf, kommt von Hinten nur noch ein Satz. Und der immer wieder. „Ach du Sau!“ Bis zum Ausklinken höre ich das ungefähr zehn Mal und kann mir demzufolge sicher sein, dass die Beschleunigung eines gut 45 Jahre alten Seglers auch einen Mitarbeiter der Automarke mit dem Stern, der hin und wieder Boliden jenseits der 400 PS bewegen darf, beeindruckt. Thermisch ist zu dem Zeitpunkt leider nichts los, sodass wir nur die Höhe abkreisen können. Klar wäre genug Luft für eine Parabel gewesen, aber mein Fluggast äußert den Wunsch, ich möge doch darauf verzichten. Die Landung verkacke ich ein wenig, komme zu hoch rein und muss reichlich Höhe abslippen, was vom Rücksitz noch mehrmals mit dem oben genannten Satz quittiert wird.Als wir ausgestiegen sind, meine ich im Gesicht meines Fluggastes so etwas wie Erleichterung zu erkennen. Nur wenige Minuten später ist auch Steiners Freundin Franka wieder auf dem Boden, die Frank mit dem Bergfalken durch die Gegend geflogen hat. Franka grinst als hätte sie einen Kleiderbügel im Mund. Offenbar ist hier die Dame weit belastbarer als ihr Mann. Nunja, wie das halt so ist.

Als nächstes fliege ich mit Jana, einer ehemaligen Kollegin von der Schweriner Volskzeitung, und sie feiert sich beim Parabelflug hinter mir komplett einen weg. Meine Ex-Kollegin und gute Freundin Lisa hingegen kneift. Das hätte ich von ihr echt nicht erwartet, haben wir doch gemeinsam diverse Outdoor-Abenteur wie die im Gewitter gescheiterte Zugspitz-Besteigung erlebt. Man kann die Menschen nicht zu ihrem Glück zwingen…

Nummer drei auf der Passagierliste ist mein Freund Daniel, der im Prinzip schon seit Ende meiner Ausbildung darauf gewartet hatte, mit mir in die Luft zu gehen. Jetzt klappt es endlich. Die Einweisung in den Notabsprung verfolgt er mit gesunder Skepsis. Kurz bevor das Seil straff wird kommt von hinten noch der prägnante Satz: „Was ich nicht hören will ist dieses ,raus!‘“ Wenn ich ehrlich bin, will ich mich das selbst nicht unbedingt sagen hören. Der Start läuft entspannt, auch wenn ich wegen des straffen Seitenwindes ordentlich vorhalten und immer wieder korrigieren muss. Bei rund 500 Meter klatscht der Ring aus der Kupplung, ich klinke nach und trimme aus. In weitem Bogen kreisen wir um den Flugplatz herum, und im Norden finden wir sogar etwas Thermik. Langsam aber sicher geht es aufwärts, 600 Meter, 700 Meter. Mit einer entspannten Parabel bekommt auch Daniel seinen Dosis an Beschleunigung, bleibt dabei aber durchaus gelassen. In schwacher Thermik kreise ich weiter und beantworte Fragen vom Rücksitz zu Instrumenten und Steuerung. Dabei verliere ich mehr und mehr den Wind aus dem Blick, der uns immer weiter vom Platz wegtreibt. Als die Thermik immer schwächer wird richte ich auf und erschrecke. Scheiße sind wir weit weg. Also zumindest für Bocian-Verhältnisse, die mit dem Duo, in den ich mich so verliebt habe, überhaupt nicht zu vergleichen sind. Gleitzahl 26 gegen 45. Mit dem straffen Wind auf der Nase wird das ein Kunststück, uns wieder an den Platz ranzuschleichen. Zwischenzeitlich sehe ich mich schon auf einem Feld unter uns stehen und nach Erklärungen suchen, warum jetzt irgendwer irgendwohin fahren und einen Bocian-Anhänger ausleihen muss. Dankenswerter Weise trägt die Luft und wir schaffen es noch mit hinreichend Sicherheitshöhe zum Platz zurück. Die Landung ist unspektakulär, mein Freund zufrieden.

Nummer vier auf der Passagierliste ist Benjamin, ein Schulkamerad von mir, zu dem ich seit meinem Umzug nach Stuttgart sehr viel Kontakt habe, da er dort schon seit Studienzeiten wohnt. Er hat ebensowenig Lust auf das Raus-Kommando und formuliert einen weiteren, denkwürdigen Satz an diesem Tag: „Entweder wir haben das gleiche Ziel, oder das gleiche Schicksal.“ Also los. Schon der Start hinterlässt der Geräuschkulisse zufolge massiven Eindruck bei meinem Passagier. Auf knapp 550 Meter kommen wir, die Nutzung der gesamten Bahnlänge macht sich bemerkbar. Linkskurve, Linkskurve, Thermik? Nee, doch nicht. „Achterbahn?“ frage ich. „Jup“ kommt von hinten. Also Bocian auf die Nase, anstürzen, abfangen, nachdrücken. Geräuschhaft ausgedrückt klingt das im Cockpit etwa so: Whuuuuuuh – oahr – ooooooh. „Ist das geil“ brüllt Benni von hinten. Als ich nach der zweiten Parabel noch eine hochgezogene Fahrtkurve anhänge ist er hin und weg. „Der absolute Wahnsinn, man hält es nicht für möglich, was man damit für Zunder bekommt“, sagt er. Ich erkläre nebenbei, dass das mit Kunstflug eigentlich gar nichts zu tun hat, sondern normale Flugmanöver sind. Im Anschluss finden wir Thermik, die uns bis auf knapp 1000 Meter bringt. Mit diversen Spielereien, die meinen Passagier abwechselnd zum Schwitzen und zum Lachen bringen, verfliege ich die Höhe und lande nach 17 Minuten. Benni ist absolut begeistert. Damit ist der Flugtag vorbei und wir düsen gen Stuttgart.

 

Das Wochenende 16./17. Juli ist fliegerisch auch nochmal ein kleines Highlight. Die knappen zwei Flugstunden am Samstag im Discus 2b sind entspannt und einfach nur solide Nummern fürs Flugbuch. Der Sonntag hingegen ist thermisch richtig gut. Vormittags verschwinden einige Vereinskameraden zu langen Streckenflügen. Zu meiner Freude ist der Duo nicht verplant, und so kann ich mich ganz entspannt mit meinem 20-Meter-Einsitzer vergnügen. Voll aufmunitioniert mit Trinksystem, Müsliriegeln und sonstigem Krimskrams geht es an den Start, nur hat kurz nach Mittag eine Wolkendecke die Sonne abgeschirmt. Ich fluche gewaltig über meine eigene Trödelei und will nur noch in die Luft, aber am Nachbarstart streiken Winde oder Telefon oder wasweisich und es geht nicht vorwärts. Kaum ist mein Seil straff, ruckt unsere Winde an, zieht und stoppt wieder. Ich überrolle das Seil, es macht klick, das Seil läuft wieder an und es macht puff, als der Schirm aufgeht. Ich fluche wieder. Zurückgeschoben und noch einmal. 400 Meter Ausklinkhöhe. 18 Minuten Rumgeeier, ohne so richtig an Höhe zu gewinnen. Also wieder runter.

Zweiter Start, und dieses Mal geht es direkt über der Winde richtig gut. Und das, obwohl die Wolkendecke kaum Sonne durch lässt. Innerhalb von rund 20 Minuten kreise ich mich bis an den Deckel des Luftraums hoch und düse dann erstmal gen Süden ab. Ungefähr eine halbe Stunde kreise ich hier um die Burg Neuffen herum und freue mich wie Bolle über die Gutmütigkeit des Fluggerätes. So ganz stellt mich das aber noch zufrieden, sodass ich meine Platzrunde ganz gewaltig ausweite und dabei versuche, meinen Drang nach Streckenflug und den Gleitbereich des Duo einigermaßen in Einklang zu bringen. Letztendlich fliege ich ein kleines Dreieck: Erst zum Flugplatz Übersberg, dann über Bad Urach entlang der drei Plätze Rossfeld, Hülben und Grabenstätten bis nach Bad Ditzenbach und wieder retour. Inzwischen ist der Himmel wieder aufgerissen und das Wetter fantastisch. Wo es steigt, steigt es richtig. Zur Abwechslung ziehe ich mir immer mal wieder Langen Information rein, einfach um für die Zukunft ein bisschen Routine in der Funkerei mit den Info-Controllern zu bekommen. Den Platz Nabern erkenne ich erst, als ich wirklich fast drüber fliege, und als ich wieder an der Hahnweide ankomme, bin ich gute zwei Stunden in der Luft. Ein bisschen geht schon noch, denke ich mir und kurbele mich wieder an den Deckel, mache Airwork und turne einfach ein bisschen rum. Das Slippen mit dem Gerät funktioniert ganz gut, nur die Richtungskorrektur gelingt mir nicht wirklich. Wieder zurück zur Burg Neuffen, dort über den Gleitschirmfliegern gekreist und wieder zur Hahnweide, Höhe tanken. Dort geht es nach wie vor. Nach drei Stunden und drei Minuten setze ich die Kilo 5 entspannt ins Gras der Hahnweide und bin eigentlich durch. Ich helfe den anderen beim Flugbetrieb und fahre Seile und freue mich des Lebens.

Als der Flugtag langsam zu Ende geht, steht der Duo immer noch am Start. Was tun sprach Zeuse? „Will noch jemand Duo fliegen?“ frage ich bewusst beiläufig und komme mir dabei ein bisschen vor wie das Kind aus der Fruchtzwerge-Werbung. Tatsächlich will niemand, und ich mache die Kilo 5 klar zum Heimflug. Start auf 500 Meter, Höhe abkreise und Landen, so der kühne Plan. Kann ja keiner wissen, dass es über den Hügeln südlich des Platzes immernoch steigt. Also nochmal eingekreist und Höhe gemacht. Dieser Flug beschert mir noch eine interessante Begegnung mit historischem Geflügel: Die Gö1 Wolf des Fliegenden Museums Hahnweide ist in der Luft, und gemeinsam kreisen wir eine Zeitlang und vereinen Generationen von Segelflugzeugbau in einem Aufwind. Nach 25 Minuten gehe ich in den langen Landeanflug und parke die Kilo 5 genau vor der Einfahrt zur Halle. Fast fünfeinhalb Stunden an einem Wochenende in der Luft – besser geht es kaum.