Ratteln, LS4en und Akrobatieren

Irgendwann hatte ich mir mal geschworen, meiner Erlebnisse möglichst schnell in Texte zu gießen, um nicht immer ellenlange Romane schreiben zu müssen. Beim Schwur ist es geblieben. Deswegen hier der Versuch, mich etwas kürzer zu fassen.

TMG-Ausbildung, die Dritte: Anflug eines kontrollierten Platzes. Die Wahl fällt auf Friedrichshafen, weil es dort nicht wesentlich teurer, aber deutlich schöner ist als in Augsburg. Am geplanten Sonntag sieht das Wetter richtig Scheiße aus, und es ist eher Zufall, dass ich mich nicht nochmal rumdrehe und weiter penne und stattdessen auf mein Handy glotze. Ein Nachricht von meinem Fluglehrer Otto: „Ich hab in EDNY angerufen, wir brauchen kein PPR, Wetter ist gut.“ WTF??? Im nu bin ich aus dem Bett, klemme mir ein belegtes Brot zwischen die Kiefer und ziehe mir einen Kursstrich in die Karte (Empfehlung an dieser Stelle: Pilot Frixion light Marker – ein radierbarer Textmarker! Funktioniert absolut super. Am besten sieht man die Farbtöne Pink und Orange in der ICAO-Karte. Allerdings funktionieren sie nur bei den Papierkarten, für Folienkarten braucht man die Wachsstifte!). Hahanweide, Saulgau, Friedrichshafen, Memmingen als Alternate. Dazu ein paar Frequenzen auf meine Kniebrett-Vorlage und schon kanns losgehen.

Kaum am Flugplatz, ziehen wir gemeinsam unsere Grob 109 aus dem Hangar und stecken ihr die Flügel an. Otto checkt kurz meine Flugvorbereitung und ich erkundige mich, an welchen Bodenmerkmalen ich den Pflichtmeldepunkt November erkenne. „Direkt überm Flugplatz Markdorf!“, lautet die Antwort. Damit kann ich arbeiten.

Der Hinflug ist vergleichsweise unspektakulär. Die nette Stimme auf Langen Info versorgt uns zuverlässig mit Verkehrsinformationen, das Wetter ist gut, aber für den Nachmittag sind Schauer vorhergesagt. Fünf Minuten vor dem Pflichtmeldepunkt werde ich nervös und kritzele mir die wichtigsten Stichworte für den Einleitungsanruf aufs Kniebrett. „D-KGWH, Motorsegler Grob 109B, VFR, zwei Personen, fünf Minuten nörlich November in 4000 Fuß, zur Landung.“ „D-KGWH, melden sie November“. So, das wäre erledigt. Und dann passiert genau das, worauf dich keiner vorbereitet. Der lotse quakt mich an: „D-WH, Linkskurve, Einflug in die Kontrollzone frei, Piste 24 in Betrieb, melden Sie Endanflug 24!“ What? Ich will verdammt nochmal erst meine Pflichtmeldepunkt-Pflichtmeldung machen, die ich mir im Kopf zurechtgelegt habe! Der Typ bringt mich völlig aus dem Konzept. „D-WH Einflug in die Kontrollzone frei“ kriege ich noch zusammen, für mehr reichts nicht. Otto neben mir grinst, weil er genau weiß, was gerade passiert ist.

Kurz darauf melde ich Queranflug 24 und der Lotse erteilt die Landefreigabe. Es ist aufs neue saucool, auf ein PAPI anzufliegen, das hat sowas Profi-mäßiges. Nach dem Aufsetzen bekommen wir Order, über den mittleren Taxiway abzurollen und auf den GA-Flächen gegenüber dem Tower abzustellen. Kaum haben wir uns aus dem Cockpit geschält, kommt unser Transfer: ein Linienbus. Kein Witz. Das Gefährt ist ungefähr dreimal so groß wie unsere Grob, aber offensichtlich hat man wegen Corona die Kleinbusse, die diesen Job Erzählungen nach mal erledigt haben sollen, erstmal aus dem Verkehr gezogen. In einem Karren, der sonst Airbusse entlädt, lässt sich freilich besser Abstand halten. Der Busjockey bringt seine Paxe lässig zum Terminal, wo wir den gleichen Ausgang nehmen wie alle anderen Reisenden. Von dort geht es straight zum C-Büro, wo ich 26 Euro abdrücken muss. Dann wieder so ein Moment: Die Dame hinter der Glasscheibe guckt mich an und meint „Dich kenne ich! Du bist 2018 auf der Wasserkuppe ASK 21B geflogen, ich saß vorher drin!“ In solchen Momenten beschleicht mich immer der Verdacht, mich derartig daneben benommen zu haben, dass sich die Leute an mich erinnern, aber es ist irgendwie umgekehrt. Vielleicht bin ich doch ein ganz netter Typ?

Wir lassen das C-Büro hinter uns, und als wir durchs Terminal schleichen – ich mit dem Mund voller Kekse und Otto auf der Suche nachm Klo, hören wir, wie die ersten Tropfen aufs Dach trommeln. Scheiße, die Front. Jetzt gehts zackig durch die Sicherheitskontrolle und dann Ratzfatz ins Cockpit. Der Lotse weist uns an, zum Rollhalt 24 zu rollen. Otto meint unterdessen, wenn ich mehr Gas gebe, sind wir lange vor dem Rollhalt in der Luft, und ich gebe grinsend zurück, dass wir das wohl besser lassen.

Kaum ist der Rattel in der Luft, erbittet Otto eine Rechtskurve und dann ein Direct nach Norden, weil die Regenfront bedrohlich nahe kommt. Au weia, sieht das Wetter scheiße aus! Die folgenden 35 Flugminuten werden die lehrreichsten meine jungen Motorfliegerkarriere. Die Sicht ist über weite Strecken miserabel, wir weichen Wolkenfetzen aus, umfliegen Schauer und freuen uns über jede Verkehrsinformation von Langen Info. Auf dem Direktweg zur Hahnweide ist Schifft es derart, dass wir einen Bogen nach Westen fliegen. Otto erklärt mir, was noch fliegbar ist und wo man sich aus seiner Erfahrung heraushalten sollte. Querab Albstadt-Degerfeld geht es außen um den Übersberg rum und dann von der Alb runter. Wie auf Knopfdruck ist das Dreckswetter vorbei und die Sonne scheint. Noch ein paar Minuten gen Osten, und wir können uns wieder auf der Hahnweide melden. Als wir landen, ist sogar der Flieger wieder sauber.

zweimal Hülben

Ende Mai komme ich endlich auch mal wieder dazu, meinen eigenen Hobel zu bewegen. Der Versuch, bei starkem Südwestwind bei zerrissener Thermik ein bisschen Strecke zu machen, endet in Hülben. Und zwar alles andere als schön. Zwar ist mir angesichts meiner relativ niedrigen Höhe und nicht vorhandenen Steigens schnell klar, dass ich da einschlagen werde, sodass der Entschluss zur Außenlandung rechtzeitig fällt. Irgendwie verpasse ich dann aber den richtigen Moment, um Position zu melden und komme viel zu tief in den Platz rein. Zu allem Überfluss verabschiedet sich in der letzten Kurve die Fußschlaufe meines rechten Seitenruderpedals, und da ich atürlich prompt mit meinem Treter abrutsche, baue ich mir einen hässlichen Schlenke in Bodennähe ein. Beim Aufsetzen merke ich, dass auch die Bremse nicht so mega tut, sodass ich über den halben Platz holpere, bis der Eimer zum stehen kommt. Reife Leistung, Herr Reinhold, denke ich, als die ersten auf mich zukommen und mir helfen, die 59 aus der Bahn zu schieben. Besser hätte ich mich hier nicht einführen können angesichts der Tatsache, dass ich ein paar Tage später für eine aerokurier-Geschichte die LS4b des Vereins fliegen will.

Man beruhigt mich und erklärt mir, dass sich Ortsfremde hier gerne verschätzen. Nunja, besser machts das halt nicht. Nach eine guten Stunde Gesabbel und gemeinsamer Planung der LS4-Geschichte versucht ein Vereinskamerad, mit Draht und Presshülse meine Fußschlaufe instandzusetzen. Die Crimpzange ist aber viel zu groß und passt nicht in den Fußraum. Also muss es ohne gehen. Nach anderghalb Stunden – das Wetter hat inzwischen wieder aufgemacht und die Cumuli sehen einladend aus – starte ich hinter der Hülbener Breezer gen Hahnweide.

Aus dem eigentlich nur als Rückflug geplanten Trip wird dann aber noch eine schöne Airwork-Einlage. Als ich auf der Hahnweide ankomme, erfahre ich, dass wir im Sektor 6000 Fuß freihaben. Laut Andi aufm Turm sind die geälligst auch auszunutzen. Nunja. Es steigt und steigt, aber mehr als 5300 sind nicht drin. Allerdings ist die Höhe komfortabel, um ordentlich Airwork zu machen. Die Flugleitung ist informiert und ich kann die 59 mal ran nehmen. Ich will endlich mal wieder trudeln, um mich aus allen möglichen und unmöglichen Fluglagen retten zu können, falls es nötig werden sollte. Dennoch fühlt sich das irgendwie einen Moment lang komisch an, das Flugzeug in einen Zustand zu bringen, vor dem man in der Ausbildung Mantra artig gewarnt wird. Aber das muss jetzt sein! Also Fahrt wegziehen, Tritt ins Pedal und Knüppel an den Bauch. Es ist ein Genuss, wie definiert die Strömung abreißt. Die 59 hat einfach nicht diesen „Ich-will-nicht-trudeln-und-fliege-auch-bei-Minimalfahrt-noch-irgendwie“-Anspruch wie beispielsweise ein 2er Discus. Bei einem polnischen Flugzeug gibts zwei Zustände: Strömung anliegend oder eben nicht, und wenn letzterer nachrücklich angefordert wird, dann kommt der eben auch. Kaum kippt sie weg, überkommt mich ein unerwartetes Hochgefühl. Nach einer Umdrehung fange ich sie wieder ein. Dasselbe nochmal rechts herum und dann noch zweimal links. Es folgen Rollübungen, Kurvenwechsel, Steilkreise, und dabei merke ich, wie ich mich wieder so richtig in mein Flugzeug verliebe.

Tags darauf gönne ich mir zwei Turneinlagen, wobei die erste wie üblich mehr schlecht als Recht funktioniert und mein Kumpel Dideldum wahrscheinlich seinen Standardkommentar „Hat sich nicht umgebracht – Applaus!“ loslassen würde. Zu Recht, wie ich finde. Allerdings erweist sich mein neugewonnener Kunstflug-Kumpel Christian vom ACS als echt fähiger Bodenbeobachter, denn als ein platzfremder Motorflieger durch den Kunstflugraum schüsselt, breakt er mich zielsicher aus der Sequenz. Die zweite Runde läuft besser, hier spiele ich mein altes Spaßprogramm vom Vorjahr einmal durch, und vor allem die Avalanche zimmert mir ein Grinsen ins Gesicht. Bei 250 Metern AGL wackle ich ab und schließe bei Langen Info meinen Flugplan. Doof nur, dass ich darüber vergesse, das Fahrwerk auszufahren. Das merke ich erst, als kurz vor dem Platz „8E, Fahrwerk“ durch mein Cockpit schallt. Hier spielt mir in die Karten, dass ich mal wieder viel zu schnell anfliege – was bei einer langen Landung zum Anhänger kein Problem ist, da der Platz zum Fahrtabbau dicke reicht – sodass ich einfach 30 km/h rausziehen kann und mir den Platz zum Boden verschaffe, um einmal umzugreifen und das Rad rauszuschmeißen.

Nach der Landung bin ich pappsatt und ärgere mich unglaublich über diesen äußerst dummen Fehler. Schuldbewusst wackle ich zu Günther, einem altgedienten Fluglehrer des Aeroclubs Stuttgart, bedanke mich für den Hinweis und biete ihm an, mich seinen Schülern als schlechtes Beispiel zu präsentieren. Allerdings bin ich jetzt aufgeschreckt: Die Kacklandung in Hülben und der Unfug eben haben mir klar gemacht, wie schlecht mein Trainingsstand ist. Und der erklärt sich ganz einfach dadurch, dass ich in diesem Winter viel seltener geflogen bin als in der Nebensaison der Vorjahre. Die Sperre des Windenstarts für Privatflieger wegen Corona tat ein Übriges. Naja, Lesson learned.

Ausflug mit einer Legende

Es gibt in meinem fliegerischen Lebenslauf noch so manche Fehlstelle, die förmlich nach einer Korrektur schreit. Galsflügel und Rolladen-Schneider sind solche Fehlstellen. Bezüglich ersterer bin ich komplett unbelastet, und abgesehen davon, dass ich zweimal ne Außenlandung mit ner LS1c vergeigt habe – Pardon: mit der gleichen LS1c – das machts auch nicht besser. Grund genug, sich mal im Schaffen von Wolf Lemke und Walter Schneider umzuschauen. Die geplante LS3-Story mit Obercrack Uwe aus Bensheim hatte sich noch nicht realisieren lassen, und irgendwie schien es mir auch angebrachter, zunächst mit der absoluten Legende einzusteigen: der LS4. 1054 Stück sind davon bei Rolladen-Schneider bwz. AMS Flight in Slowenien entstanden, wobei letztere nur zwei Exemplare aus vorhandenen Teilen fertigte. Warum verkaufte sich dieses Flugzeug so unglaublich gut, warum schwören Vereine und Clubklasse-Piloten bis heute drauf? Das wollte ich herausfinden. Die Fliegergruppe Hülben gab mir dazu die Chance – auch wenn ich meine 59 kurz zuvor da so unsanft in den Platz gesemmelt hatte.

Nach zwei Windenstarts mit FI – die schienen mir einfach notwendig, um den Platz nochmal ordentlich kennenzulernen – durfte ich die D-3816 für zwei Flüge entführen und bekomme eine Ahnung, was dieses Flugzeug so einzigartig macht. Am Ende meiner Recherche werde ich es als „Mach-halt-Flugzeug“ bezeichnen. Du sitzt drin und hast das Gefühl, der Flieger sagt dir „mach halt“. Er tut so ziemlich alles und wird dabei niemals giftig. Die Details zu meinen Erlebnissen mit der LS4 gibt es demnächst im aerokurier. Eine Sache sei hier aber erwähnt: Auch die legendäre Gutmütigkeit der LS4 hat Grenzen, vor allem dann, wenn man beim Ausleiten des Trudelns überreagiert und zu stark drückt. Was dann passiert, das hat Martin Pohl vom KFAO in einem eindrucksvollen Video demonstriert.

Endlich wieder Turnen

Ansbach die Zweite. Eigentlich hätte in der Fronleichnamwoche der im Vorjahr ausgefallene Salzmanncup hier stattfinden sollen, aber Corona ließ auch die Planung für diese Veranstaltung platzen. Unser Local Hero Klaus plante um und organisierte das zweite Kunstflug-Trainingslager für uns. Und mein Programm war straff. Zu straff, wie sich herausstellen sollte.

Zunächst will ich in die Salzlore des Fördervereins Segelkunstflug im BWLV vier digitale G-Messer einrüsten um sie für den aerokurier zu testen. Und welches Umfeld wäre dafür besser geeignet als dieses? So verbringe ich einen ganzen Tag zwischen Werkstatt und Vereinsheim, fräse das von Schleicher gesponserte Ersatzpanel passend, schraube, quetsche, crimpe und werde dabei das Gefühl nicht los, dass mein Provisorium vom Aufbau und der Montage her um Welten besser ist als das Originalpanel, dass sonst hinten in der Lore pappt. Das ist irgendwie ernüchternd, aber seitdem ich die Elektrik meiner 59 saniert habe, weiß ich, wie schön man das machen kann. Und schön ist die Kabelage in der Lore definitiv nicht. Tatsächlich funktioniert alles auf Anhieb, und wir können die ersten Flüge für den Test machen. Besonders freut mich, dass auch Robin und Uli, sehr erfahrene Kunstflieger, ihren Senf dazu geben. Details zu der Aktion gibts auch demnächst im aerokurier.

Baustelle zwei: Flüge auf dem Fox machen. Wenngleich mich Dideldum ein Jahr zuvor auf dem Reißwolf ausgecheckt hatte, hatte ich mir einen Soloflug nicht zugetraut. Also nutze ich die Gunst der Stunde und lasse mir von Eugen – mutmaßlich der beste deutsche Segelkunstflieger unserer Zeit – nochmal alle möglichen Trudelzustände des Fox demonstrieren. Die Karussellfahrt motiviert mich, es Ende der Woche endlich mit dem Solo anzugehen.

Akt 3: 59 fliegen und meine Free known für 2021 üben. Die hatte ich bereits eine Woche zuvor mit Hilfe von Robin zusammengebastelt und mich tierisch über den Chinese mit der Zweizeitenrolle in den Pflichtfiguren aufgeregt, weil ich es da schon Nuller hageln sehe. Eine Avalanche, also ein Loop mit ganze gerissener Rolle oben, kann ich halbwegs zuverlässig in die Box zaubern, aber bei den gesteuerten Rollen oben drin treffe ich nie den richtigen Moment. Es ist zum brüllen. Aber hilft ja nix. Ich fliege das Programm zweimal, und es gelingt allenfalls leidlich. Vor dem zweiten Mal nimmt mir Tobi den Zettel aus der Hand und meint, er fliegt das auch und wir machen nen kleinen Wettbewerb draus. Nun gut. Ich schaue von unten zu und denke, ok, so schön kann das aussehen. Ich fliege hinterher und bin froh, zumindest keine Figur vergessen zu haben, wenngleich ich aus dem geplanten Weibchen ein 10er Männchen gemacht habe. Klasse… Als ich nach der Landung zur Schiri-Bank am Vereinsheim komme, um mir meinen Anschiss abzuholen, grinst mich Tobi an, zeigt mir nen Vogel und meint, es wäre ultra abgebrüht, so eine Nummer außerhalb eines Wettbewerbs abzuziehen. Ich habe keine Ahnung was er meint und verstehe auch das Gekicher der anderen nicht. Dann platzt es aus ihm heraus: „Du hast mir das falsche Programm gegeben, sodass ich alles falsch herum geflogen bin!“ Ich habe immernoch keine Ahnung, was er meint, weil ich den Zettel ohnehin nur von links nach rechts lesen kann. Des Kunstfluges unkundige müssen dazu wissen, dass man das Programm je nach Wind von den Schiedsrichtern ausgesehen entweder von links nach rechts oder von rechts nach links fliegt. Und dafür gibt es freilich auch zwei verschiedene Zettel, damit es die Judges leichter haben. Nur hängt bei mir im Cockpit immer der Zettel, in dem der Wind von rechts kommt, egal, wie der Wind durch die Box weht, denn aus der Cockpitperspektive ist das egal. Ich lese Figur für Figur ab und fliege die, denn so muss ich nicht umdenken. Tobi ist natürlich genau das geflogen, was auf dem Zettel stand, und das war freilich falsch. Als ich mir das Tonband von Suna anhöre, kommt als erstes der Satz „Na wenigstens fängt er richtigrum an!“ Irgendwann später hört man Marinas Stimme aus dem Hintergrund sagen „Lars hat den Tobi voll verarscht!“ DAS WAR KEINE ABSICHT!!! Dennoch bekomme ich unmittelbar die Quittung: „Morgen Wettbewerb“, sagt Tobi. „Du schlägst vier Figuren vor, ich vier, den Rest macht Schorsch.“ Na Großartig…

Zwischendrin fliege ich mal ein komplettes Programm auf der Salzlore von hinten und muss feststellen, dass mir der Rücksitz im Doppelsitzer ausgesprochen gut liegt. Auch Michael, der vorne sitzt und den FI in der Pappe stehen hat, hat wenig zu meckern, das macht Mut für meinen FI-Lehrgang im Herbst.

Das Programm für unseren kleinen, internen Wettbewerb sieht gar nicht so übel aus, auch wenn es Advanced sein sollte, damit ich mich nicht umbringe, durfte ich eine Avalanche vorschlagen. Und die fliege ich gemäß Schorschs Wertungszettel sogar mit einer 7,0! Damit bin ich nicht unzufrieden, wenngleich das Männchen wieder daneben geht. Schöne HZ… Am Ende des Tages ist es Platz drei hinter Tobi und Fleischi, der sich kurzerhand auch noch ins Starterfeld reingemogelt hatte. Auch eine dritte Auflage des internen Wettbewerbs gibt es noch, dieses Mal mit einem um Oli und Uli ergänzten Teilnehmerfeld. Und hier entstehen Figuren, von denen bisher kein Kunstflieger wusste, dass sie existieren. Beispielsweise Fleischis geplantes Männchen mit entsprechend angeschrägter Aufwärtslinie, dass aber halb zum Weibchen, halb zum Turn fällt, oder Olis Avalanche mit zweieinhalb gerissenen Rollen und einer weiteren ungewollten Viertel im Abgang. Zeichne sowas mal als Aresti-Symbol…

Das letzte Wettbewerbsprogramm fliege ich auf dem Fox, weil das Wetter so unbeständig ist, dass ich meinen Flieger nicht mehr aufrüsten will. Und nach den insgesamt drei Flügen in dieser Woch mit FI auf dem Rücksitz traue ich mich endlich auch, den Reißwolf zu einer Solo-Runde zu entführen. Mit Mickeymouse-Programm, einfach, um das Flugzeug kennenzulernen. Und als ich die Haube schließe und mit Daumen hoch meine Startbereitschaft signalisiere, ist er wieder da, dieser Tunnelblick, der dafür sorgt, dass man sich bei einer wichtigen Sache wie dem ersten Alleinflug auf einem Muster auch wirklich nur auf das Wesentliche konzentriert. Die erste Herausforderung kommt bereits kurz nach dem Abheben, denn 120 km/h ist mir in Bodennähe doch noch zu wenig. Über Funk gebe ich dem Schlepp-Piloten durch, dass ich lieber mit 140 Sachen unter der Stromleitung nordwestlich des Platzes durchfliege als mit 110 drüber. Ja, ich bin ein bisschen nervös.

Mit zunehmender Höhe werde ich immer ruhiger und freue mich nach dem Ausklinken einfach nur noch darauf, das Monster allein zu bändigen. Endlich tue ich das, wofür mir Dideldum schon im Jahr zuvor die Fähigkeiten attestiert hatte. Das Programm ist wirklich larifari, Loop, Rollen, Aufschwünge etc. Und schon in den ersten Figuren wird mir wieder bewusst, wie gerechtfertigt mein riesiger Respekt vor dem Fox ist. Da reicht es eben, oben im Loop ein bisschen zu stark zu ziehen, und die Möhre fänt an zu tanzen. Die Mischung aus Fahrt und Lastvielfachen habe ich einfach noch nicht raus, mal ziehe ich im Aufschwung zu viel, so dass schon direkt im Bogen die Strömung mit der weißen Fahne winkt, oder ich komme oben auf dem Rücken mit homöpathischer Fahrtreserve an, sodass erstmal eine Gedenksekunde lang Rückenflug ansteht, bevor ich mich traue, ins Querruder zu langen. Kurzum: es muss von unten unfassbar beschissen ausgesehen haben. Das ist mir aber herzlich egal, als ich den Fox mit Tempo 140 in den Platz hämmere. Ich hab mich getraut, ich bin solo Fox geflogen. Was manch erfahrenem Kunstflieger geradezu banal erscheinen mag – für mich war es eine Herausforderung.

Entspanntes Solo

Der Moment, in dem ich am Rollhalt der Piste 13 meine Abflugbereitschaft melde, ist irgendwie komisch. Komisch in dem Sinne, dass die Nervosität fehlt, die mich sonst begleitet, wenn ich Dinge das erste mal tue. Und eigentlich fühlt sich jeder Start in einem unbekannten Muster ein bisschen wie ein erster Alleinflug an, zumindest, wenn sich das Gerät deutlich von denjenigen unterscheidet, mit denen man sonst so durch die Gegend schüsselt. Die SH-2H war so ein Fall, auch der Jantar 2B, die LAK-12 und die PIK-20D haben mich mental durchaus gefordert, und, ja, auch bei der SZD-59 war Herzklopfen dabei. Jetzt aber, wo ich das erste mal in einem Flugzeug sitze, dass mehr Motorflieger als Segler ist, spüre ich nichts als diebische Vorfreude. Respekt vor der Sache – klar. Aber das Herzklopfen wie ich es sonst kenne, der Tunnelblick – nichts.

Ich schiebe den Gashebel ein kleines Stück nach vorne, trete mit der linken Fußspitze auf die Bremse und lasse die Grob 109 im 45-Grad-Winkel vom Asphalt über die Rinnsteine aufs Gras der Piste rollen. Nochmal links und ich stehe am Abflugpunkt. Jetzt gilts. Letzter Blick auf die Triebwerksinstrumente, dann schiebe ich den Gashebel gleichmäßig bis zum vorderen Anschlag. Die Grob nimmt Fahrt auf, und es ist immernoch mega ungewohnt, den Knüppel mit der linken Hand zu führen. Das Spornrad hebt sich und das Flugzeug signalisiert, dass es abeheben möchte. Mit leichtem Zug am Knüppel lupfe ich uns vom Boden weg, senke die Nase aber gleich wieder, um Fahrt aufzuholen. Als die Nadel auf den blauen Strich zuläuft, gehe ich mit leichtem Höhenrudereinsatz in den Steigflug. Und siehe da, allein ohne Fluglehrer steigt der Hobel trotz seiner schöngschwindelten 87 Pferde doch gar nicht mal so schlecht! Bereits kurz vor der ersten Kurve nehme ich 100 Umdrehungen raus, um die Lärmbelastung einigermaßen in Grenzen zu halten. Hinter dem kleinen See ziemlich exakt südlich der Hahnweide drehe ich in den Gegenanflug und habe hier schon fast die 1800 Fuß Platzrundenhöhe. „D-KGWH, Gegenanflug 13 zum touch & go“, melde ich im Funk, der Turm bestätigt mit Doppelklick. Ich nehme das Gas raus, ziehe die Vergaservorwärmung und drehe kurz darauf gut 30 Grad nach rechts ein, Blickpunkt Altbacher Schornsteine – wieder ein Zugestädnis an eine lärmsensible Siedlung. Nochmal 60 Grad rechts in den Queranflug zwischen Verkehrslandeplatz und Bauernhof, schließlich die letzte Kurve und ausrichten der Fuhre auf die 13. Umgreifen, rechte Hand an den Steuerknüppel und linke an den Klappenhebel. Die Richtung passt, Sinkrate und Höhe auch. Im Leerlauf schwebt die Grob in den Platz, und das Mahnen meines Lehrers Otto im Kopf, besser abzufangen, setze ich den Motorsegler dieses Mal wirklich passabel hin – und nicht so Abschuss-mäßig wie bei den letzten Platzrunden mit Lehrer. Nach vielleicht 50 Metern Rollstrecke verriegle ich die Klappen, gebe Vollgas und schiebe den Hebel für die Vorwärmung wieder nach vorne. Mit der Restfahrt aus der Landung kommt die Grob jetzt viel schneller auf Höhe, und ehe ich mich versehe muss ich wieder Drehzahl reduzieren und abkurven. Positisionsmeldung, Vergaservorwärmung, zwei Kurven, Aufsetzen und nochmal Gas rein und Platzrunde drei. Als ich nach der dritten Landung aus der Bahn rolle und mit dosierten Gasstößen und dem Einsatz der Radbremsen zum Hangar rolle, grinse ich vermutlich wie mit einem Kleiderbügel in der Fresse. Nach 19 Minuten stoppt der Motor. Drei TMG-Platzrunden im Alleinflug, quasi meine zweite A-Prüfung, sind erledigt.

Ich hätte es wirklich niemals gedacht, wie viel Spaß die motorisierte Fliegerei macht. Tatsächlich hat mich auch einfach die Angst vorm Lärm im Cockpit davon abgehalten, mich auf diese fliegerische Weiterentwicklung zu freuen. Gut, als Zugeständnis an meine lädierten Löffel sind Ohrenstöpsel unterm Headset Pflicht, aber im Cockpit ist die Geräuschkulisse der Grob 109 wirklich erträglich. Außerdem funktioniert unser Intercom wieder vernünftig, sodass ich selbst mit hardcore noise protection meinen Fluglehrer vernünftig verstehe.

Durch die Kontrollzone und über die Alb

Ein paar Tage nach dem ersten Solo heißt es wieder Schulungsflug mit Lehrer. Das Ziel: Die Stuttgarter Kontrollzone. Da in der TMG-Prüfung solch ein Flug verlangt ist, ist es sinnvoll, das mal geübt zu haben. Zwar macht man das zumindest theoretisch in der Flugfunkprüfung, aber als Segelflieger nutzt man es dann eigentlich nie wieder. Anflugkarte, Pflichtmeldepunkt, was war das nochmal? Meine vor einem halbe Jahr bestandene AZF-Prüfung ist mir in dem Moment auch keine große Hilfe, denn da denkt der Lotse und der Pilot handelt auf Anweisung. Allerdings habe ich mir kurz zuvor nochmal das Buch VFR-Sprechfunk von Eisenschmidt aus dem Redaktionsregal gezogen und mir selbst einen kleinen Refresher zum Funkverkehr beim Durchfliegen einer Kontrollzone gegeben. Das Buch ist wirklich eine Empfehlung, weil den abgedruckten Beispielen QR-Codes beigestellt sind, über die man sich den Funkverkehr mit dem Handy anhören kann. Gehört ist es doch nochmal was anderes als nur gelesen.

Beim Briefing schaue ich mir mit Fluglehrer Otto noch einmal die Anflugkarte für Stuttgart an und lasse mir erklären, wie ich die Pflichtmeldepunkte aus der Luft finden kann. Sierra liegt über dem Aichtalviadukt, das die B27 über das – oh Wunder – Aichtal führt. Echo, der für uns relevante Pflichtmeldepunkt im Norden, befindet sich zwischen Fernsehturm und Funkturm am Rand des Stuttgarter Talkessels. Das sollte sogar ich finden. Zweimal durch die Zone, das ist das Ziel. Vorflugkontrolle und los gehts!

Nach dem Start geht es über dem Tiefenbachtal südlich des Platzes auf 3200 Fuß Höhe. Hier wechseln wir auf die Stuttgarter Turmfrequenz und melden uns an. „D-KGWH, Motorsegler Grob 109 B, fünf NM westlich Sierra in 3200 Fuß, erbitte Flug durch die Kontrollzone von Sierra nach November.“ „D-WH, sie meinen sicher Echo, oder?“ „D-WH, korrekt, Echo.“ „D-WH melden Sie Sierra.“ Scheiße, direkt beim Einleitungsanruf den Meldepunkt vergeigt in der Annahme, dass ein nördlicher Pflichtmeldepunkt gefälligst November zu heißen hat. Aber bereits bei meinem ersten Kontakt mit den Stuttgarter Lotsen zeigte sich das, was man von der DFS immer hört: Die Lotsen sind da, um zu helfen. Angst vor der Kommunikation ist fehl am Platze. „D-WH, Sierra, 3200 Fuß.“ „D-WH Durchflug durch die Kontrollzone genehmigt, direct Echo nicht unter 3000 Fuß.“ „D-WH, Durchflug genehmigt, direct Echo, nicht unter 3000 Fuß.“ Das war es also. Mein Fluglehrer kommentiert nur, so einfach könne das sein. Durch die Direct-Freigabe kann ich mir die Anflugroute der B27 folgend sparen und die Lücke zwischen den beiden Türmen direkt ins Visier nehmen. Ich staune Bauklötze, als wir den Flughafen nahezu mittig überfliegen. Sowas siehste als Segelflieger eigentlich nie (es sei denn, es ist Vulkanausbruch, nichts fliegt mehr kommerziell und die Lotsen sind froh, überhaupt mal mit wem sprechen zu können…). Am nördlichen Platzrand stehen die Eurowings-Maschinen aufgereiht, die Corna bedingt aktuell nicht in die Luft gehen. Das GAT ist zu erkennen, die Flughafenfeuerwehr, einfach alles, was ich sonst nur von unten kenne. Um dem ansteigenden Geländeprofil zu folgen, gebe ich etwas mehr Gas – der Flughafen liegt etwa 120 Meter tiefer als der Frauenkopf, die Erhebung, auf der der Fernmeldeturm steht.

Als wir die beiden Türme passieren, melde ich mich wieder beim Tower. „D-WH, Echo, 3300 Fuß.“ „D-WH, verlassen der Frequenz genehmigt, Tschüss!“ „D-WH, verlassen der Frequenz genehmigt, Danke!“. Erster Flug durch die Kontrollzone – erledigt. Was nun? Als wir mitten über Stuttgart sind – zugegeben, es ist spannend, die Stadt mal aus der Luft zu sehen! – schaltet Otto den VOR-Empfänger ein, an dem er kurz nach dem Start bereits rumgefummelt hatte. „Guck auf das Anzeigegerät, das VOR Ludwigsburg ist jetzt ziemlich genau auf Radial 030. Diesen Wert stellst du am Drehknopf ein und steuerst dann so, dass der Ablagezeiger in der Mitte bleibt. Der Kurs entspricht dann dem Radial.“ Wieder was gelernt und, zugegeben, gleich angefixt von klassischen Navigationsinstrumenten. Mit 150 km/h düsen wir auf das VOR LBU zu, und im Moment des Überfliegens springt die Anzeige von TO auf FR. Wie in der Theorie irgendwann mal gehört!

Jetzt heißt es kehrt machen, nochmal durch die Kontrollzone und schauen, ob uns die Lotsen einen low approach genehmigen. Ein Paar Meilen vor Echo melden wir uns wieder, und mit einem ziemlich aus der Funkdisziplin fallenden „Den low approach kriegen wir auch gebacken“ gibt uns der Lotse zu verstehen, dass wir auch mal den Betrieb in Stuttgart aufhalten dürfen. „D-WH melden sie Queranflug 07“, schallt es aus dem Kopfhörer, und Otto dirigiert mich durch die Stuttgarter Platzrunde. Die Ansage „D-WH frei für low approach 07, direkt nach Durchstarten Rechtskurve Kurs 160“ quittiere ich und bin dann für die nächsten 30 Sekunden stiller Genießer. Der Eurowings-Airbus muss warten, während wir mit unserer Möhre die Bahn ansteuern. Zwei rot, zwei weiß – das PAPI signalisiert, dass der Gleitwinkel perfekt passt. Yeah! „Jetzt fliegst Du ein paar hundert Meter die Bahn entlang, gibts dann Gas und steigst weg. Dann rechtskurve und rechts der Siedlung dort halten“, weist mein Fluglehrer an. Ich sauge gierig jede Information auf, husche in einigen Metern Höhe über die gut 3,3 Kilometer lange Piste, gehe wieder in den Steigflug und kurve ab. Otto navigiert mich mich zwischen ein paar Ortschaften hindurch und erklärt mir, dass der Pflichtmeldepunkt Oscar, über den der Ausflug aus der Kontrollzone erfolgt, genau über dem Zentrum von Nürtingen liegt. Die scheinen wohl weniger lärmempfindlich als in Reudern, Erkenbrechtsweiler und wie die Käffer alle heißen, aus denen die Kleingartenbeseitzer anrufen, wenn mal wieder einer von den gewissenlosen Piloten in unter 3000 Fuß drübergekachelt ist…

Nach der Landung schwebe ich förmlich auf Wolke sieben und putze völlig verliebt den Motorsegler. Hach, war das schön. Und mein FI scheint auch gar nicht so unzufrieden zu sein mit dem, was ich da fabriziert habe. Ich gebe mir selber im Geiste high five und frage vorsichtig, ob Otto denn am Wochenende auf dem Flugplatz sei und ich evt. noch ein paar Solo-Runden drehen könnte. Könnte sein, antwortet er mir.

Und tatsächlich kann ich am Wochenende noch ein paar Flüge abgreifen. Nach Arbeitsstunden an der 59 (woraus wahrscheinlich der nächste Blogbeitrag wird…) springe ich am Samstag zunächst als Startleiter ein, aber gegen 18 Uhr haben wir alles weggepackt, weil die Schüler durch sind, was es mir erlaubt, noch drei Solo-Platzrunden unter Aufsicht zu drehen. Sonntag dasselbe Spiel, Arbeiten an der 59 und danach lässt sich Otto, der an diesem Tag seine Minimoa mal wieder gelüftet hat, einmal mehr erweichen, mir einen Flugauftrag zu erteilen. „Haub ab, am besten auf die nahe Alb und sieh zu, dass du ne halbe Stunde Solo-Zeit zusammenbekommst, ohne dass du irgendwen mit Krawall nervst!“ So starte ich, kreise mich überm Tiefenbachtal hoch, stelle die Latte auf Reise und fliege eine Runde spazieren. Und ich genieße es. Als die Räder wieder den Boden berühren, sind es sogar 40 Minuten geworden. 40 Minuten, die mir noch einmal gezeigt haben, dass Segelfliegen nicht alles ist und die Fliegerei noch viele spannende Herausforderungen für mich bereit hält. TMG-Berechtigung, PPL-A, Motorkunstflug – wer weiß, was da noch alles kommt…

Angefixt und rumgeturnt

Ich hab mich getraut. Ich habe vor ein paar Wochen tatsächlich meine erste TMG-Flugstunde gehabt.

Er hat sich getraut? Was soll an einer Flugstunde aufm Motorsegler so besonders sein?

An der Stelle muss ich wahrscheinlich etwas ausholen, damit man das versteht. Es ist nicht so, dass ich seit zwölf Jahren beim Segelflug geblieben bin, weil mich der Motorflug nicht reizt. Ganz im Gegenteil, ich habe oft neidisch auf die motorisierten Kollegen geschaut, weil die eben einfach die Möhre aus der Halle ziehen, den Quirl anlassen und hinfliegen können wo immer sie wollen bzw. es das Wetter zulässt. Aber ich hatte schlicht Angst davor. Nicht Angst in dem Sinne, dass ich die Motorfliegerei für gefährlicher gehalten hätte als das Segelfliegen (wobei, so ohne Schirm fühlt sich das im Cockpit irgendwie nicht richtig an…). Sondern Angst davor, dass ich mir damit gesundheitlich Schaden könnte.

Seit meiner Jugend leide ich an Gehörproblemen, konkret Tinnitus und Hyperakusis. In den vergangenen 20 Jahren habe ich so ziemlich alles aus meinem Leben verbannt, was laut ist, bin beispielsweise auf keinem großen Konzert mehr gewesen und werde das sehr wahrscheinlich auch nie wieder tun. Selbst mit dicksten Ohrenstöpseln läuft in meinem Körper eine irrwitzige Stressreaktion ab, wenn die Bässe auf mich einzudreschen beginnen. Ich habe um Kinder mit Luftballons einen großen Bogen gemacht und bei schreienden Babys innerhalb von Sekunden Ohrentöpsel drin gehabt. Selbst im Segler trage ich bis auf wenige Ausnahmen Ohrenstöpsel, weil mich in den meisten Fliegern die Windgeräusche nach einer gewissen Zeit einfach nerven und ich merke, dass meine Konzentration leidet. (Solltes es anderne Piloten ähnlich gehen – versucht mal die Alpine FlyFit – wiederverwendbare Silikonstöpsel in Tannenbaumform mit offenem Lautstärkefilter, mit denen kann man Problemlos Druckausgleich machen). Aktuell macht die Idafieg übrigens eine Untersuchung zur Lärmentwicklung in Cockpits von Segelflugzeugen, und das wird sicher ziemlich spannend!

Aufgrund dieser Erfahrungen war Motorflug für mich einfach tabu. Selbst mit Aktivheadset und Stöpseln drunter hatte ich immer ein ziemlich ungutes Gefühl.

Allerdings – die Lust, mit dem Motorflug anzufangen, die war unterschwellig immer da. Berufsbedingt saß ich in den letzten Jahren mehrfach in Huskys und Cubs und anderen Flugzeugen, aus denen heraus ich bei offener Tür andere Flugzeuge fotografierte. Manchmal ging es mir danach so gut als wäre nichts gewesen, manchmal nahmen die Ohrgeräusche und damit die Angst, irgendwas endgültig kaputtgemacht zu haben, wieder zu. Der erste Ausflug in die selbstbestimmte Fliegerei war die Eigenstartberechtigung auf der ASK 21Mi, und schon damals war mir klar, wie geil das ist, einfach den Hebel nach vorn zu schieben und loszurollen. Das Interesse am TMG wuchs. Dann war 2018 die Grob 109 meines Vereins kaputt und Anfang 2019 hatte ich wieder eine Phase, in der es mir aufgrund meiner Gehörprobleme einfach richtig mies ging – ich verschob die Pläne auf unbestimmte Zeit.

Dieses Jahr schienen meine Löffel mitzuspielen – mehrere Fotoflüge liefen völlig ohne Probleme. Jetzt oder nie. Bis dann die Dokumente samt ATO-Meldung fertig sind, ist es Herbst, aber warum nicht die für den Segelflug eher maue Zeit nutzen, um den Rattelschein zu machen?

Der Moment, in dem ich den Gashebel nach vorne schiebe und die Grob 109 Fahrt aufnimmt, hat etwas Magisches. Es überkommt mich das gleiche Gefühl der diebischen Freude, dass mich schon bei meiner Eigenstarter-Einweisung ereilte. Fliegen ohne Windenbetrieb und Schlepp-Pilot – ätsch, ich kanns alleine, möchte ich durch den Äther brüllen, unterlasse es aber freilich im Sinne der Funkdisziplin. Dann eine kurze Schrecksekunde: Wir werden immer schneller, die Fahrtmessernadel aber bleibt stur bei null hängen. Als ich das aber realisiere, liegt gut die hälfte der abschüssigen Piste hinter uns, und das Flugzeug signalisiert überdeutlich, dass es fliegen will. Den Start durchzuzuiehen erscheint mir sicherer als der Abbruch, und auch mein Fluglehrer neben mir nickt zustimmend. Kaum haben wir den Platz hinter uns gelassen, kommt Leben in die Fahrtanzeige. Vermutlich ein Wassertropfen vom Schauer kurz vor dem Start.

Mein Fluglehrer lässt mich weitgehend mein Ding machen und vertraut darauf, dass ich mir in gut 500 Segelflugstunden und 1000 Starts gewisse fliegerische Fähigkeiten angeeignet habe. Nur hin und wieder höre ich eine Ermahnung, die Höhe zu halten. Und damit dürfte die größte Herausforderung für Umschüler, die vom Segelflug kommen, auch schon skizziert sein: die weitgehende Entkopplung von Horizontal- und Vertikalgeschwindigkeit. Im Segelflug konzentriert man sich in erster Linie darauf, die für die jeweilige Situation passende Fahrt zu halten und nimmt dafür einen spezifischen Höhenverlust in Kauf. Die Höhe gerät erst dann so richtig in den Fokus, wenn man aus der eigenen Komfortzone gleitet und sich wieder intensiv Gedanken um den nächsten Aufwind machen muss. Beim Flug mit Motorkraft ist das anders. Jetzt muss man sich plötzlich darauf konzentrieren, nicht unbeabsichtigt zu steigen und möglicherweise in einen freigabepflichtigen Luftraum einzufliegen. Für Segelflieger jenseits eines Hammerbartes ein Luxusproblem!

Dabei ändert sich am Grundprinzip der Fliegerei, wie man es aus dem Segler gewohnt ist, nur wenig. Die Fahrt wird weiterhin mit dem Steuerknüppel reguliert, allerdings bietet der Gashebel jetzt die Möglichkeit, aktiv auf die Steig- bzw. Sinkrate Einfluss zu nehmen. Hebel vor, Motor laut, steigen, Hebel zurück, Motor leise, sinken. Ungewohnt ist das Steuern mit der linken Hand, da Gashebel, Trimmung und und Propellerverstellung in der Mitte liegen.

Nach dem Steigflug hangeln wir uns entlang des Stuttgarter Luftraumes in Richtung Reutlingen, um hier – abseits lärmsensibler Gebiete – ein kleines Airwork-Programm zu machen. Steigen, Sinken, Rollübungen, Kurven, Steilkurven, Abkippen, Recovern – Scheiße macht das Spaß! Gas zurück auf 2200 U/min, Verstellgriff ziehen, warten, Gas wieder rein und zack, läuft die Möhre mit erträglicher Drehzahl cruise 170 km/h. Das rockt (Piloten mit fetten Motoren und richtig Leistung mögen mir die Begeisterung für 87PS mit Verstellprop verzeihen…). Der Suchtfaktor ist riesig, und ich sehe mich schon im nächsten Jahr Termine auf der Alb auf dem Luftweg ansteuern…

Nach 45 Minuten gehen wir wieder auf Kurs Richtung Hahnweide. Das einzige, was nervt, ist das miserable Intercom. Den Funk höre ich laut und klar, meinen Fluglehrer hingegen kann ich kaum verstehen. Memo an mich: Geschichte über mobile Intercoms machen. „Willste gleich landen oder noch ne Durchstartübung machen?“ fragt mein FI, während ich den Proo wieder in Startstellung bringe und den Motor aufheulen lasse. Wenn schon, denn schon, gebe ich zurück. Wir melden den Gegenanflug 25 zum Go-Around und es kostet mich alle Kraft, nicht sofort die Kend-Dravis-Nummer anzustimmen. You can always go around. If it don´t look right, coming down. Don´t wait untill your socks keep sliding on the ground. You can Always go around…

Der Anflug ist einigermaßen ungewohnt, aber selbst im Segler habe ich dieses Gefühl, wenn ich Kurs auf die abschüssige Asphaltpiste nehme. Ich hungere die Grob leicht schiebend in den Platz und vergesse, sie mit dem Seitenruder vor dem Aufsetzen Gerade zu stellen. Es quitscht, aber das ist unser geringstes Problem. Wir beide haben wohl unterschätzt, dass sich das Wetter entscheidend gebessert hat und wir jetzt voll in die tiefstehende Sonne durchstarten. Also halbblind Gas rein, Fahrtkontrolle und sanft in den Steigflug. Es läuft wie am Schnürchen. Die Abschlusslandung dürfen wir angesichts der Tatsache, dass es faktisch keinen Wind mehr gibt, mit der Sonne im Rücken machen. Diese Landung läuft auch besser, wenngleich ich durch die ungewohnte Position außerhalb der Flugzeuglängsachse noch immer nicht perfekt ausgerichtet auf dem Asphalt aufsetze.

Mit blubberndem Motor rollen wir zurück zur Halle, und ich bin glückselig wie selten. Lars Reinhold, der Motorflieger in spe. Klingt komisch, aber irgendwie auch richtig. Putzen, Flieger zerlegen, einhallen, und das alles in der Gewissheit, dass es wieder mal ein Anfang war.

Turnübungen auf der Hahnweide

Ich glaube es ist nicht übetreiben, den 24. Oktober 2020 als Zäsur auf der Hahnweide zu bezeichnen. Meine zwei Flüge an diesem Tag mit der 8E dürften die ersten, ernstzunehmenden Kunstflüge mit sportlichem Hintergrund sein, die hier seit dem Unfall von Klaus Lenhart im Jahr 2012 stattfanden. Klar, beim Oldtimertreffen hatte es immer mal wieder Kunstflugdisplays gegeben, aber dass sich jemand ein Programm ins Cockpit klemmt und das straight durchfliegt – zumindest in den vier Jahren, die ich jetzt dort fliege, hat es das nicht gegeben. Auch den Erzählungen anderer Piloten zufolge war mit dem Tod von Lenhart auch der Kunstflug auf der Hahnweide abrupt vorbei. Der Mann in der roten Extra hatte das seinerzeit forciert betrieben, es gab sogar einen Kunstfluglehrgang auf dem Platz, der gemeinhin als Streckenflieger-Mekka gilt.

Mit der Anschaffung der SZD-59 war für mich klar, dass ich etwas gegen die offensichtlich verbreitete (und mir unerklärliche) Kunstflugaversion tun musste. Leider scheinen in der Segeflugszene noch immer viele Aktive davon überzeugt, dass Kunstflieger irre sind, die nichts anderes tun als sinnlos Höhe zu verballern und dabei Flugzeuge kaputtzufliegen. Dass es höchst disziplinierte Sportler sind, die sich intensiv mit ihren eigenen Grenzen und denen ihrer Sportgeräte beschäftigen und sich infolge dessen sehr exakt am Limit bewegen können, kommt offenbar den wenigsten in den Sinn. Um den Faktor Disziplin von vornherein zu unterstreichen, verkniff ich mir jegliche Turnaktion in Platznähe und zog bis zur offiziellen Genehmigung lediglich weiter draußen mal einen Loop oder eine Rolle. Im Luftraum Golf, nach ausführlicher Luftraumbeobachtung, versteht sich.

Parallel sondierte ich die Lage, sprach mit den Vorständen der anderen Vereine und wollte ergründen, woher die Ablehung kam. Interessanter Weise reichten die Antworten auf meine Fragen von „Cool, wenn das wieder geht, machen wir mit!“ bis „Uns völlig egal, geh halt spielen“. Von wirklicher Ablehnung keine Spur. Warum dann dieser Aufriss? Rein rechtlich gab es in Bezug auf den Segelflugsektor bereits seit 2018 kein Problem mehr, denn damals hatte die DFS ihre Regelungen zu den Sektoren geändert, seitdem schlossen sich aktive Kunstflugboxen und die Sektorenfreigabe nicht mehr aus.

Also habe ich das Thema Kunstflug beim BWLV und meinen Verein mehrfach auf die Tagesordnung gebracht, und Anfang Oktober kam schließlich die Mail mit der erlösenden Botschaft: Einzelflüge sind bereits möglich, eine Box wird demnächst veröffentlicht. Krasser Scheiß, es war geschafft. Zwei Wochenenden musste ich dann noch warten, einfach, weil mir das Wetter jedes Mal eine Wolkendecke bei 2500 Fuß MSL reindrückte. Was willste da machen?

Umso schöner waren die beiden Flüge am 24. dann. Ich hatte mir ein schönes Programm ausgedacht, dass beim ersten Mal so lala lief, beim zweiten Mal ganz ok. Es war ein würdiger Auftakt für das nächste Kapitel im Buch „Kunstflug auf der Hahnweide“. Obwohl ich keine Chance hatte, Klaus Lenhart kennenzulernen, habe ich mich ihm in diesem Moment sehr nahe gefühlt. Alle die ihn gekannt haben, berichten übereinstimmend, dass er nicht nur den Kunstflug im Herzen hatte, sondern auch das Wohl der Leute um ihn herum. Sowas macht Menschen für mich unglaublich sympathisch. Ich glaube, wir hätten uns gemocht.

Eine Woche später habe ich in der Salzlore, die auf der Hahnweide interimsmäßig parkt, bis ihr neuer Anhänger vom Spindelberger abgeholt ist, die ersten zwei Gastkunstflüge gemacht. Auch wenn die beiden Programme völlig vereiert waren – Hinweis an Nachahmer: Fahrt null im Scheitel einer Kubanacht reicht nicht für die halbe Rolle, aber man kann noch nen Loop draus retten – hatten meine Mitflieger ihren Lautäußerungen zufolge eine Menge Spaß. Das konnte man selbst durch die Maske hören.

Jetzt ist wahrscheinlich erstmal vier Wochen Ruhe, auch wenn der BWLV den Platz wohl nicht zu macht. Individualsport und so. Andererseits ermöglicht die Flugpause effektivere vorbereitung auf die AZF-Prüfung, den den Kram habe ich mir auch noch ans Bein genagelt. D-FABC – request further instructions…