Ich habe es getan. Ich habe absurd viel Geld in ein Spielzeug investiert. Und knapp eineinhalb Monate nach dem Kauf fängt es an, sich real anzufühlen.
Die Überlegungen, den Schritt vom Flugzeugnutzer zum Flugzeugbesitzer zu gehen, begleiteten mich schon seit einigen Jahren. Allerdings ist es auch für mich interessant, zu rekapitulieren, wie sich die Ansprüche in dieser Zeit geändert haben, welche Muster ich mal im Auge hatte und wie es am Ende zur Entscheidung kam.
Eine wichtige Rolle bei der ganz grundsätzlichen Entscheidung, dass ich mir ein Flugzeug kaufe, spielte die Unabhängigkeit. Ich wollte einfach niemanden mehr fragen müssen, wenn ich mit einem Flugzeug an einem Wochenende mal irgendwo hin fahren und auf einem anderen Platz mitfliegen will. Sowas macht Spaß, erweitert den Horizont, und diese Lust, über den eigenen Tellerrand und die bekannte Platzrunde hinaus zu blicken, hat mich seit meinem Lizenzerhalt Ende 2014 auf 50 Flugplätze geführt. Dabei ist es einfach interessant zu sehen, wie an anderen Plätzen Flugbetrieb organisiert wird, welche Routinen dort ablaufen und was andere anders und gegebenenfalls auch besser machen als der eigene Verein. Überdies habe ich selbst die Erfahrung gemacht, dass mancher Amtsträger in einem Club nicht in der Lage ist, zwischen Sach- und persönlicher Ebene zu unterscheiden. Dann werden Flugzeugvergaben plötzlich an irgendwelche Bedingungen geknüpft, die in keiner Satzung stehen, und wenns dumm läuft, guckt man in die Röhre. Ist kleingeistig, aber nicht ungewöhnlich. Hat man eine eigene „Aerobilie“, hängt man die Kiste an und fährt mit ausgestrecktem Mittelfinger vom Hof. (Um Missverständnissen vorzubeugen: Die meisten Leute, mit denen ich in Vereinen bisher zu tun hatte, waren klasse Kameraden. Aber ein einziger Idiot reicht im Zweifelsfall, um dir den Fliegerurlaub zu versauen…)
Ganz am Anfang liebäugelte ich mit preiswerten Clubklasse-Flugzeugen, beispielsweise LS1 oder ASW 19. Auch der Bölkow Phoebus war mal im Fokus, später schielte ich auch immer mal wieder in Richtung eines preiswerten Doppelsitzers, da mir das gemeinsame Fliegen einfach viel mehr spaß macht als allein durch die Kante zu daddeln. Einen Janus A gab es immer mal für rund 30.000 Euro in den Kleinanzeigen. Auch den Kauf eines Oldtimers wie eines Piraten oder einer Mucha zog ich in Erwägung, habe das dann aber aufgrund der Wartungsintensität dieser Muster und meiner begrenzten handwerklichen Fähigkeiten schnell wieder verworfen.
Der zweite, maßgebliche Punkt war der Kunstflug. Schon bei meinem ersten Lehrgang in Reinsdorf im September 2017 wurde mir klar, dass es mir perspektivisch nicht reichen würde, stupide geradeaus zu fliegen. Also sollte das künftige Flugeigentum auch noch irgendwie hinreichend positive und negative Gs verkraften. Damit wurde der Spielraum schlagartig kleiner. Es blieben: B4, DG-300, Lo-100, Blaník, Salto. Gegen jedes Muster sprach aber irgend ein Grund. Den Salto fand ich immer unfassbar hässlich und preislich völlig überbewertet, die Lo-100 war auf dem Gebrauchtmarkt eigentlich nicht zu haben, der Blaník als Doppelsitzer total übertrieben und mit Holm-LTA auch wieder teuer, die B4 als Blechflieger zu exotisch und die DG-300 für mich als Einsteiger eigentlich auch zu teuer. An die SZD-59 dachte ich nicht im Traum – zu teuer, zu krass – und an den Swift denke ich auch heute noch nicht – zu teuer, zu krass.
Irgendwann blieb ich dann bei der PIK-20D hängen. Alte Rennklasse, 42er Gleiten, Komplettsysteme für 16 bis 20 k€ zu haben und – zumindest in Maßen – kunstflugtauglich. An die Optik musste man sich zwar gewöhnen, aber irgendwie hatte der Vogel was. Und das Beste: es gab sie als einzigen GFK-Flieger überhaupt in meiner Lieblingsfarbe gelb. Nach einer Design Change in den 90ern war der Eimer für einfachen Kunstflug ohne gestoßene und gerissene Figuren sowie Tailslides zugelassen und durfte zwischen +6,6 und -4,6 bei Va belastet werden. Das sollte doch vorerst für mich ausreichen, dachte ich mir. Dazu kam, dass ich während der Recherchen zu dem Flieger herausfand, dass die finnische Verkehrsbehörde im Zuge der EASA-Einführung für die PIK mal ein Fatigue Evaluation Program hatte durchführen lassen. Das Ergebnis: Lebensdauer mutmaßlich 56.000 Flugstunden bei 8000 Stunden Kunstfluganteil. Klare Ansage. Um irgendwo doch ein Limit zu setzen, schrieben die Finnen dann eine Kontrolle bei 10.000 Stunden vor – mir ist aber kein Flugzeug bekannt, dass überhaupt über 4000 Stunden steht, und das nach 40 Jahren! Die Pik sollte also durchaus haltbar sein. Damit ging die Suche los.
Bereits während des Reinsdorf-Lehrgangs hatte ich im aerokurier ein Inserat mit einer gelben PIK-20D gesehen. Baujahr 1978, lächerliche 245 Starts mit 440 Stunden und nur ein Besitzer. Das musste doch was sein! (die Anzeige findet sich in diesem Blogeintrag) Als ich im Mai 2018 die Kunstflugberechtigung in der Tasche hatte, wurde es ernst. Allerdings: Alle Versuche der Kontaktaufnahme scheiterten zunächst, über Umwege wie bisherige Standorte des Flugzeugs und ehemalige Vereine, in denen der Pilot flog, kam irgendwann ein Telefongespräch zustande. Das Ergebnis: Flieger ist verkauft. Immerhin bekam ich die Nummer des neuen Besitzers. Der gab mir zu verstehen, dass er an einem Weiterverkauf nicht interessiert sei. Dumm gelaufen.
Die PIK aber hatte mich angefixt. Regelmäßig bekam ich von Bekannten Hinweise, wenn irgendwo ein Angebot auftauchte, aber meist waren die zum Verkauf stehenden Flugzeuge PIK-20B. Die ist zwar nicht kunstflugtauglich, hat aber den Streckensegelflug massiv beeinflusst. Das Muster besitzt getrennte Querruder und Wölbklappen, wobei letztere auch als Landeklappen dienen und dafür um 90 Grad nach unten gefahren werden können. 1975 wurden damit bei der WM die drei Podestplätze in der Standardklasse sowie mehrere nationale Titel gewonnen, und daraufhin verbot die IGC alle auftriebserhöhenden Vorrichtungen in der Standardklasse und schuf dafür die 15-Meter-Klasse. Für mich taugte sie aber nicht, da Kunstflug tabu.
Auf der AERO 2019 wurde am aerokurier-Stand ein gelber Zettel mit einer Telefonnummer und dem Stichwort PIK-20D hinterlegt. Angerufen habe ich aber erst nach der Messe, am 1. Mai, als ich mich auf dem Weg zu einem Probeflug einer 20D in Neumagen-Dhron befand. Der Name des Typen am anderen Ende der Leitung kam mir bekannt vor. Es war der neue Besitzer der gelben PIK! Er habe wegen Hausbau und Familie keine Zeit, das Projekt voranzubringen und könne sich vorstellen, zu verkaufen. Wir vereinbarten, dass ich mich zeitnah wegen eines Probefluges melden würde.
In Neumagen jedenfalls verknallte ich mich total in die Kiste. Saumäßig bequemes Cockpit, agil, eine im Gegensatz zu vielen Schempp-Hirth-Fliegern auch in der Luft funktionierende Rückenlehnenverstellung (was eine kleine Umlenkrolle doch so alles bewirken kann…) und eine echt schmucke Instrumentierung standen auf der Haben-Seite. Es machte einfach Spaß, den Hobel zu bewegen. Dazu kam, dass das Flugzeug recht gut dastand und der Besitzer viel Zeit und Kohle investiert hatte. Gekauft habe ich sie am Ende nicht, weil mir als mit empfindlichem Gehör geplagten die Geräuschkulisse zu intensiv war – vor allem beim Kunstflug ist man ja doch gerne mal schneller unterwegs. Und Geschwindigkeits-Headroom bietet die PIK mit einer VNE von 292 reichlich. Mir ist kein Serienflugzeug bekannt, das schneller darf… (Der Vogel ist übrigens aktuell immernoch zu haben, siehe HIER)
Knappe zwei Monate später stand ich in Völtendorf und fing schon an zu sabbern, als ich die Kiste auf Distanz das erste mal sah. Mit jedem Schritt, den ich näher kam, wurde die Vorfreude allerdings relativiert. Der Lack war offenbar nicht das von mir favorisierte Chromgelb – das am ehesten mit Sonnenblume zu beschreiben ist – sondern gelbgrün, was deutlich giftiger wirkte. Und der Lack sah auch noch unfassbar Scheiße aus. Blind und stumpf, überall macken und schlecht reparierte Stellen – sowas konnte man eigentlich nicht guten Gewissens kaufen. Das Fliegerische war PIK-typisch angenehm, aber der Wartungsstau, auf den mich der Prüfer hinwies, den ich mit zu dem Termin geschleppt hatte, und das für mich nicht überzeugende PIK-Anhängersystem waren letztendlich die KO-Kriterien. Und auch diese PIK war mir zu laut. 1400 Kilometer für nix.
Versuch drei ergab sich einen Monat später, als ich dienstlich am Flugplatz Bienenfarm zu tun hatte und spontan im nahegelegenen Brandenburg eine PIK fliegen konnte. Und das war die mit Abstand schönste! Und sie war leise! Der Vorbesitzer hatte eine Art Diffusor in die Lüftung gebaut, sodass ich selbst bei >260 km/h keinerlei größere Geräuschentwicklung bemerkte. Zudem war sie gut instrumentiert und sehr gepflegt. Ihr Manko: sie hatte dreimal als Bruch irgendwo im Feld gelegen. Das sorgte zwar infolge der Reparaturen für einen 1a-Lackzustand, aber für Kunstflug war mir das dann doch zu heiß. Zumal man dann zwangsläufig zwei unterschiedliche Harzsysteme im Flugzeug hat, denn das der PIK wurde bei >80 Grad in einem Autoklaven getempert, daher auch die Möglichkeit zur vollfarbigen Lackierung.
Zwischenzeitlich stand mal noch die letzte gebaute DG-303 Acro zum Verkauf, die auch wirklich hübsch aussah, mir mit 42.000 Euro aber schlicht zu teuer erschien. Bis dahin jedenfalls.
Eigentlich hatte sich zum Zeitpunkt des Probefluges in Völtendorf schon abgezeichnet, dass die PIK ohnehin nicht das Muster sein kann, mit dem ich glücklich werden würde. Infolge des Erfolgs beim Salzmanncup in Vielbrunn (der Artikel dazu liegt immer noch halbfertig im Entwürfe-Ordner…) war mir klar, dass ich den Kunstflug nicht nur als Spaßprojekt nebenbei betreiben wollte. So schielte ich auch immer mal wieder Richtung B4, und auch die ein oder andere Anzeige einer SZD-59 klickte ich an, nur um beim Blick auf den Preis kopfschüttelnd das x oben rechts im Browser zu bemühen.
Bei der Kunstflugwoche in Bruchsal nahm mich Robin Kemter – ehemaliges Mitglied der Advanced-Nationalmannschaft und seit einiger Zeit in der Unlimited-Klasse unterwegs – mal richtig ins Gebet und erklärte mir, dass das mit der PIK Unsinn sei. Damit würde ich bei dem Engagement, dass ich an den Tag legte, noch ein Jahr Spaß haben und dann wäre es sportlich vorbei. Er ließ mich ausgiebig in seiner 59 Probesitzen und versuchte, meine Bedenken bezüglich der für mich nicht optimalen Sitzhaltung zu zerstreuen. Das war der erste entscheidende Input.
Bei den Schweizermeisterschaften in Thun hatte ich nach der Siegerehrung – aus der ich mich selbst mit einem miserablen letzten Durchgang rausgeworfen hatte – ein intensives Gespräch mit Schiedsrichterin Sandra, die mir ebenfalls von der PIK abriet und auch die B4 von der Liste potenzieller Kandidaten strich. Deren Zeit ist vorbei und das Flugbild kenne heute kaum mehr ein Schiedsrichter, sagte sie. Damit blieb nur noch die SZD-59.
Und die ist es schließlich auch geworden. Ich habe da lange mit mir gerungen, aber als in Norddeutschland ein Flugzeug inkl. Anhänger für 55.000 Euro ausgeschrieben wurde, habe ich mir selber vorgelogen, dass Geld auf der Bank nichts bringt, allen meinen Mut zusammengenommen und mit den üblichen Argumenten wie Wertstabilität, drohender Negativzinsen auf Sparguthaben und meinem unbändigen Willen, in die Nationalmannschaft zu kommen, bei meiner Familie um ein zinsloses Darlehen gebeten (eine Bewerbung bei Wer Wird Millionär hatte bisher leider keinen Erfolg…) und als das bewilligt war einen Termin für einen Probeflug vereinbart. Das Wochenende zuvor war ich nochmal bei Robin in Sinsheim und habe ausführliche Sitzprobe gemacht, um mir einen Plan zurechtzulegen, wie ich mich in den flachen Rumpf falte und trotzdem noch an den Knüppel komme.
Den ersten Probeflug machte ich mit 15 Metern Spannweite, einfach um ein etwas weniger agiles Flugzeug zur Eingewöhnung zu haben. Das war ok, wenngleich die Ruderabstimmung der SZD-59 damit nicht wirklich harmonisch ist. Beim zweiten Flug waren die Ohren ab und ich ließ mich bis an den Deckel bei 750 Metern schleppen, um genügend Luft für ein Paar Figuren zu haben. Beim Loop zur Eingewöhnung musste ich lächeln, einfach, weil mir Kunstflug so viel Spaß macht. Aber spätestens in der ersten gesteuerten Rolle ist dieses Lächeln garantiert in ein grenzdebiles Grinsen umgeschlagen, das bis zur Landung nicht mehr aus meinem Gesicht gewichen sein dürfte.
Fliegerisch war klar, die Kiste wirds, nur technisch musste sie noch überzeugen. Davon habe ich mich Anfang Januar mit einem Prüfer überzeugt, ein paar Macken noch zur Verhandlung genutzt und am Ende einen Kaufvertrag über 54.000 Euro unterschrieben. Bei der Unterzeichnung habe ich gezittert, und das lag sicher nicht nur an der Saukälte an dem Tag. Nur Minuten später kam die Bestätigung der Versicherung über die Kasko-Deckung, und ich fuhr mit Flugzeug am Haken vom Hof. Und angesichts der Tatsache, dass ich die Beute schnell heimbringen wollte, hat sich der Burgenlandkreis sogar um ein erstes gemeinsames Foto gekümmert. Hat mich 15 Euro gekostet – günstiger als jedes Fotostudio!
Inzwischen sind alle Papiere komplett, das Flugzeug ist auf mich umgemeldet (72,50 Euro beim LBA), die Funkurkunde läuft auf mich (84 Euro Bundesnetzagentur – warum ist das teurer als beim LBA??) und die ersten Macken sind behoben. Neue Gurte werden jetzt bestellt – mein Plan sieht überholte Gadringer Bagu 4000 vor. Eine zentrale Sache steht noch an, aber da kümmert sich ein LTB drum.
An dieser Stelle danke ich meiner Familie, die den Kauf mit ihrem Darlehen ermöglicht hat, allen Prüfern, die sich mit mir Flugzeuge angeguckt haben und nicht zuletzt Robin, der mir klar gemacht hat, dass es nur ein richtiges Flugzeug im Moment für mich gibt.
Wenn alles nach Plan läuft, fliegt sie vielleicht Mitte März. Dann bleibt noch Zeit, um für den Salzmanncup und die Deutsche Meisterschaft in Gera zu trainieren. Und ja – wirklich jedes Mal wenn ich den Anhänger aufmache kribbelt es ein bisschen. Hoffentlich bleibt die 59 für lange, lange Zeit mein Endorphinspender…