„Seil straff“ gebe ich über Funk an den Schleppiloten der Remo durch und der Motor der in Holzbauweise gefertigten Echo-Klasse-Maschine brüllt auf. Die Else nimmt Fahrt auf und ich schwitze Blut und Wasser bei dem Versuch, die Flächen in der Luft zu halten. Erster F-Schlepp mit einem Plasteflugzeug an der Schwerpunktkupplung. Wir nehmen Fahrt auf, und in miesester Windenstartmanier bäumt sich mein Flieger auf. Einfangen, denke ich, drücke nach und zische in niedriger Höhe hinter der Remo her. Es kostet mich einige Beulen und Blessuren, bis ich eine einigermaßen gängige Position hinter dem Schleppflugzeug gefunden habe, die mich nicht völlig durchschüttelt. Bei der Wilga war das einfach: Höhenleitwerk oder Fahrwerk auf dem Horizont führen und dann einfach hinterher. Nach ein paar Minuten habe ich den Dreh raus und wir schrauben uns auf knapp 900 Meter. „Ich gehe raus und versuche mein Glück“ melde ich nach vorne, ziehe am gelben Griff und quittiere mit „frei“ per Funk. Die Wolken kommen und lösen sich wieder auf. Aber hier und da steigt es, und nach einigen Fehlgriffen erwische ich den ersten ordentlichen Bart. Es geht aufwärts, und zwar sahnig! Zwischenzeitlich klatscht der Zeiger des Varios immer mal wieder an den oberen Anschlag, es ist wie Fahrstuhlfahren.
Bei 1700 Metern ist Ende, und endlich habe ich mal Zeit, die fantastische Landschaft in der Umgebung der Mönchsheide zu genießen. Ich gleite gen Osten auf die andere Rheinseite, beobachte, wie unter mir Lastschiffe und die Autofähren ihre Bahnen ziehen. Es ist fantastisch, nach dem immergleichen Feld-Feld-Wald-Feld-Wald in Kartenähnlicher Darstellung, wie ich es von der Fliegerei in Perleberg oder Taucha gewöhnt bin auch mal sowas wie ein Relief zu sehen. Berge, Täler, den großen Fluss, Seen. Eine Funkstation, ein großes Kraftwerk, zwei Autobahnbrücken. Orientierungspunkte einprägen und merken, wie man den Flugplatz wieder findet.
Von der perfekten Sitzposition bin ich zwar nach wie vor weit entfernt, aber dank einiger Kissen geht es. Noch etwas mehr Stopfmasse unter den Hintern und es dürfte passen. Die Investition in ein Trinksystem, dass sich mit normalen PET-Flaschen koppeln lässt, hat sich hingegen bezahlt gemacht. Genüsslich aus dem Schlauch süffeln ohne alles einzusauen – in Perleberg hatte ich beim Trinken aus der Flasche mal beinahe den Piraten geflutet… Auch das Flarm funktioniert wieder tadellos, nachdem es den Platz vom Piraten in die Else gewechselt hat.
Ich habe keine Ahnung wie lange ich in der Luft bin, merke aber, dass ich für das wilde Gekreise und gleichzeitiges Kartenlesen definitiv zu wenig gegessen habe. Aber einfach mal eben die Höhe abgleiten ist nicht. Im Geradeausflug nach Westen mit 120 Sachen habe ich immernoch Steigen, also bleibe ich noch etwas, um den Thermikgott nicht völlig zu verärgern. Ein vor mir landender Segler erspart mir die peinliche Frage per Funk, welche Platzrunde hier geflogen wird. Schlecht informiert, ermahne ich mich selbst. Östlich des Platzes kreise ich mich langsam herunter und gehe schließlich in den Gegenanflug. Mit 300 Metern melde ich mich zu Landung, um genügend Reserve für das unbekannte Terrain zu haben. Dritte und vierte Kurve und dann ein sauberer Landeanflug: Meine von der Physiotherapie am Morgen geschundene Wirbelsäule hat eine neuerliche Folter bei einer harten Landung einfach nicht verdient. Und sieh da, mit halb gezogener Klappe gleitet die Else auch ordentlich gen Globus, lässt sich sauber abfangen und aufsetzen.
Wie die vor mir gelandeten rolle ich nach rechts aus der Bahn und gondele zurück zum Hänger, um Auto, Kuler und Seil zu holen. Flächenrad ist Luxus, an eine Schleppstange gar nicht zu denken. Wir kommen ja aus dem Osten. Zwei Mann haben Mitleid und helfen mir, den Flieger zum Hänger zu ziehen. Beim Abrüsten kommt die Überraschung. Die Sonde am Seitenleitwerk klemmt, und nur mit zwei Zangen ist das Rohr zu lösen. Auch beim Trennen der Ruderanschlüsse habe ich geschlampt und den rechten Hotelierverschluss des Querruders zwar von Seiner Fokkernadel befreit, aber nicht richtig ausgehängt. Gotteseidank bemerke ich das beim Herausziehen der Fläche sofort und kann regieren, bevor das Gestänge Schaden nimmt. Gegen 19 Uhr sind die Klappen des Hängers dicht und zur Feier des Tages gönne ich mir im Flugplatzcasino ein exzellentes Chili con carne, mit anderen Fliegern ins Gespräch vertieft. Ein schöner Abschluss für den ersten Flugtag auf der Mönchsheide, der mein Spaßprojekt mit dem Titel 100 Plätze – 100 Flüge einleitet. Mal gucken, ob ich 100 Flugplätze in Deutschland zusammen bekomme. Gibt es überhaupt so viele?




