Als mein Physiotherapeut am Freitagmorgen auf mir rumdrückt und ich nicht vor Schmerzen zusammenbreche scheint sich zu bestätigen, dass zumindest mein Rücken bei dem Beinahecrash am Vortag nichts abbekommen hat. Wenigstens etwas.
Zurück auf dem Flugplatz sieht es zunächst nicht aus, als ob Großes zu erwarten wäre, da es die Nacht über geregnet hat und noch ziemlich zugezogen ist. Meteorologe Bernd ist verhalten optimistisch, dass es doch noch was wird und es wird ein zweites Briefing für 11.30 Uhr angesetzt. In der Zwischenzeit rüste ich die Else auf um noch einmal Schadensbegutachtung zu machen und vor allem das Funkgerät auszubauen und zu gucken, warum es am Vortag ausgesetzt und damit die Kette von dummen Zufällen und Fehlentscheidungen in Gang gebracht hatte.
Im Trubel des Aufrüstens bastle ich vor mich hin und fluche das ein oder andere Mal das Flugzeug und seine Konstrukteure an, weil man an gewisse Stellen einfach nur unfassbar beschissen heran kommt. Zwischenzeitlich helfe ich anderen hier und da beim Aufrüsten. Als ich wieder bei meinem Flieger bin rächt sich dies, denn ich finde von der Funkgerätblende nur noch drei Schrauben. Blöd nur, dass die Blende vier Löcher hat. Ob da aber vier Schrauben drin waren kann ich auch nach einem Anruf bei meinen Vereinskameraden nicht nach vollziehen, es gibt also drei Möglichkeiten: Erstens: Es waren nur drei Schrauben und alles ist gut. Zweitens: Es waren vier Schrauben und eine liegt irgendwo auf der Wiese oder im Anhänger. Drittens: Die Schraube liegt irgendwo im Flugzeug. Da ich Variante eins und zwei nicht verifizieren kann, muss ich von Variante drei ausgehen und bei dem Gedanken daran wird mir schlecht. Richtig schlecht.
Mies gelaunt latsche ich zum zweiten Briefing und hole mir die Flugaufgabe ab ohne sie mir genauer anzusehen, denn die Schraube rotiert durch meine Gedanken. Ich suche alles ab, finde sie aber nicht. Ich reiße wirklich alle Klappen und Verkleidungen auf, kann aber nix entdecken. Beim Abklopfen des Rumpfes verknackse ich mir die Hand und kann gerade noch an mich halten ohne das Flugzeug anzubrüllen. Startbereitschaft wird für 13.30 Uhr festgesetzt, und obwohl ich vorsorglich Akkus ins Flugzeug packe weiß ich, dass ich mit dieser Ungewissheit nicht starten werde. Das Risiko, dass die Schraube im Rumpf rumkullert und sich irgendwo in einem Gestänge verklemmt will ich nicht eingehen.
Als bereits alle anderen am Start stehen und ich noch immer den Schädel im Flieger habe kommt die Mönchsheider werkstattleiterin Frauke bei mir vorbei und begutachtet zunächst den Schaden von der Mit-ohne-Rad-Landung. Wir beschließen, das Flugzeug abzurüsten und in die Werkstatt zu verfrachten. Dort angekommen, saugen wir den Flieger komplett aus und reduzieren so die Flächenbelastung um ein gefühltes Kilo Erde, Staub und sonstigen Dreck, der im Rumpf des Fliegers herumvagabundiert. Zunächst nimmt Frauke alles genau unter die Lupe, leuchtet die zerkratzten Stellen von innen und außen ab.
Im Anschluss nimmt uns die Suche nach der Phantomschraube in Anspruch. Wir durchleuchten jeden nur erdenklichen Winkel der Else, und bei ihrem professionellem Umgang mit dem Spiegel bekomme ich den Eindruck, dass Frauke in einem früheren Leben mal als Zahnärztin oder Chirurgin gearbeitet haben muss. Nahezu überall findet sie Wollmäuse und Dreck, die Schraube aber – so sie je da war – bleibt verschwunden.
In der Zwischenzeit sind zwei Segler als „Thermikschnüffler“ gestartet, über Funk melden die aber auch nur Saufen. Um 15.02 Uhr neutralisiert die Wettbewerbsleitung den Wertungstag, da es für die vorgesehen Aufgabe nicht reicht. Dennoch lassen sich einige Piloten für einen Spaßflug in den Hiummel zerren.
Nach gut zwei Stunden in der Werkstatt geben wir die Suche auf. Frauke diagnostiziert, dass nach Menschlichem Ermessen in diesem Flieger nichts mehr liegt. Alle Steinchen, die beim Abklopfen noch Geräusche gemacht haben, sind rausgesaugt, und die Rudergestänge und Anlenkungen laufen laut Frauke auch alle so, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich da was verklemmt, gering ist. Ich mag Wahrscheinlichkeiten nicht besonders, vertraue aber auf ihr fachliches Urteil.
Während Frauke noch an meiner für das Oudie adaptierten LX20-Halterung bastelt, um die im Cockpit richtig fest zu bekommen, friemle ich das Funkgerät wieder an seinen Platz, dass offenbar vor meinen nicht vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten derartige Angst hatte, dass es einfach wieder ging. Senden, Empfangen, alles gut. Die Kratzer am Rumpf flicke ich mit weißem Panzertape, sodass auch der zerfledderte Gummilappen um die Schleppkupplung nicht im Wind flattert. Zum Abschluss spendiere ich der Else eine Rumpfwäsche und poliere die Haube auf Hochglanz. Schick sieht sie jetzt wieder aus, denke ich, als ich ihr über den schlanken Rumpf streichle. Langsam fange ich an, sie zu mögen.
Nachdem der Hänger wieder an seinem Platz steht werfe ich mir den Erbsensuppenrest vom Vortag ein und ziehe mit einer Flasche Tequila los, um mit Bernd und Bernd einen zu trinken. Die haben Orangen und Zimt besorgt und sind begeistert von der Zeremonie, mit der ich das goldene Wässerchen serviere. Wir machen uns einen schönen Abend und die beiden amüsieren sich köstlich über sächsisches Vokabular wie Daschndiescher, Tempo-Daschndiescher oder Norweschndier. Die Insider wissen hier bscheid. Dank Jonas und Nicola finde ich den Weg zurück zum Zeltplatz trotz leicht schwankenden Bewegungen um alle drei Achsen meines Körpers. Kaum im Bett, penne ich weg.

Tequila mag ich auch gerne. Freue mich schon auf einen neuen Bericht vom heutigen Wertungstag!
Ich finde nicht, dass harter Alkohol etwas auf eine Segelflugwettbewerb zu suchen hat! Die 24h-Regel lässt grüßen…
Es fällt mir schwer, da zu widersprechen.