Covermodel

Ok, es ist weder das Time Magazin noch GEO noch irgend ein anderes hochtrabendes Medium. Es ist die Seite des Herstellers SZD Allstar, auf der seit neuestem ganz oben das Foto der 8E und meine Visage im Cockpit prangen. Die wirklich gelungene Aufnahme entstand im September beim Fotoshooting mit Tobias Barth in Stade, und die Verantwortlichen beim Allstar-Deutschlandvertrieb waren durch die Meine-Liebe-Story über die 8E im Segelflug-Special der Februarausgabe des aerokuriers darauf aufmerksam geworden. Man fand das Bild so gut, dass man mich bat, einen Kontakt zu Tobias herzustellen, um nach Nutzungsrechten zu fragen. Kurz darauf bekam ich nochmal eine Mail, ob es ok sei, wenn man dieses Foto als Header der Produktseite nutzen würde, denn ich sei darauf problemlos zu erkennen. Keine Ahnung, ob damit der Typ mit Bart und Kopftuch gemeint war, aber ich erkenne den nicht…

In jedem Fall die Warnung an alle, die mit Tobias fliegen gehen: Kann sein, dass  ihr euch dann recht fix im medialen Kontext wiederfinet. Für alle Piloten mit Rampensau-Gen also durchaus eine Empfehlung…

Flying in a Winter-Wonderland

Ich werde bequem. Zumindest gewinne ich diesen Eindruck, wenn ich meine Winterflugaktivitäten in diesem Jahr mit denen der Vorjahre vergleiche. Kaum erkannt, dass auf der Hahnweide die Saison eigentlich nie endet und die Thermik lediglich durch Hangwind und Welle abgelöst wird, war der Blick in die App „Windfinder“ ab Donnerstag obligatorisch, um die Lage fürs Wochenende zu checken auch ja keinen fliegbaren Tag zu verpassen. Nieselregen, leichter Schnefall, Affenkälte – wurschd, hauptsache Arsch in der Luft. Inzwischen aber kommen immer häufiger die Zweifel, ob ich mir für ein paar Minuten Flugspaß den Aufwand antun muss. Ab und an aber ist der innere Schweinhund mit anderem Kram beschäftigt und ich ziehe los, dick eingemummelt, mit ner Flasche heißem Tee und bisschen Knabberkram, um mir die verschneite Landschaft aus der Luft anzugucken.

Zweimal gab es in diesem Jahr diese klassischen Winter-Flugtage, am 24. Januar und am 13. Februar. Dazwischen war das Wetter einfach viel zu beschissen, um fliegen zu gehen. Viel Regen, der Platz klatschnass und auch keine Windsituation, die einen solchen Akt gerechtfertigt hätte. Am 24. hingegen war die Vorhersage gut und – noch viel wichtiger – es blieb trocken. Kurz nach dem Losfahren zuhause in Stuttgart drehe ich wieder um und hole noch Werkzeug, da ich mir nicht vorstellen kann, dass angesichts des aufkommenden Schneefalls mehr drin ist als Werkstattarbeit. Als ich aber am Flugplatz ankomme, findet sich hier ein Grüppchen hoch motivierter Kameraden, die es unbedingt wissen wollen. Mir graut davor, den Arcus aufbauen zu müssen, da der kurz zuvor noch zum Wellenflug in Mitteldeutschland unterwegs war, und ich überlege, nur den anderen zu helfen und mich dann in die Werkstatt zu verkrümeln. Als allerdings klar wird, dass ich der einzige mit drei Starts innerhalb von 90 Tagen bin, werde ich zum Arcus-Piloten bestimmt, sodass alle irgendwie in die Luft kommen. Neben der K2 gehen noch unser neuer Ventus K1 und der Discus 2c K9 an den Start sowie Tilo mit seiner VV.

Den ersten Flug mache ich zusammen mit David, einem Vereinskamerad, der in dieser Saison seinen Schein gemacht hat. Nach einem einigermaßen bockigen F-Schlepp, der stellenweise eher einem Seitengleitflug gleicht, geht es direkt an den Hang, der einigermaßen solide trägt. Tilo, der als erster gestartet war, hatte sich hier bis an den Deckel des Luftraums hocharbeiten können, aber bei uns geht es schon nicht mehr so prall. Dennoch haben wir irgendwann genug Höhe, um gegen den Wind vorzufliegen und den Sprung an die nächsten Hänge zu wagen. VV und K1 sind zu diesem Zeitpunkt schon reichlich Richtung Westen vorgeflogen. Ich hingegen taste mich vorsichtig von Grat zu Grat, weil ich dem Wind einfach nicht traue. Am Neuffen rumpelt es etwas, aber so richtig klappt es nicht. Auch die Kante des Höhenzuges, der von der Alb zum Jusi etwas westlich von Metzingen führt, funktioniert einmal mehr nicht, obwohl der Wind da volle Kanne draufbläst. Da ich keine Lust habe, mich samt Arcus irgendwo ausm Acker kratzen zu lassen, gehe ich wieder auf Kurs Teck und eiere hier noch ein bisschen rum, bis sich Rainer im Funk meldet und fragt, wann wir zurück kommen. Da ich zwecks FI-Vorbereitung noch einen Start vom hinteren Sitz machen will, fliege ich nach knapp 55 Minuten zurück zur Hahnweide und lasse den Arcus trotz satter Böen überraschend sanft auf den Asphalt der Piste 25 fallen – ein Anflug, der immer wieder ungewohnt ist.

Start zwei mit Rainer läuft ebenso bockig wie sicher ab, kaum vom Schleppflugzeug gelöst, übernimmt Rainer und ich konzentriere mich auf die Luftraumbeobachtung. Auch schön, wenn mal wer anders fliegt. Auch Rainer probiert es noch einmal Richtung Neuffen, kommt aber zu dem gleichen Ergebnis, dass es nur bedingt Punkte bringt, den Arcus in den Schnee zu stellen. Zwischenzeitlich kommt die Info, dass es Tilo wieder maximal ausgereizt hat mit dem Ergebnis, dass eine Rückholcrew gebraucht wird, die einen schneeweißen Flieger auf einer schneeweißen Wiese suchen muss. Nunja. Weil ich aber schon ewig keine Rückholtour mehr gefahren bin und mich mit Tilos Frau super verstehe, nutze ich die Chance, um mal wieder unter Leute zu kommen und melde mich freiwillig. Kaum gelandet, springe ich ins Auto, und wir fahren bis Stuttgart, wo ich meine Karre stehen lasse und wir mit einem Auto und dem Anhänger weiter fahren bis hinter Balingen, konkret ins Dorf Endingen. Einen besseren Ort für das Ende eine Streckenfluges hätte man sich kaum aussuchen können. Hier sammeln wir die VV und ihren Piloten ein, und nach eine Dreiviertelstunde Rückfahrt kippt mich Familie Holighaus in Stuttgart bei meinem Auto ab. Wieder was erlebt, wieder was zu erzählen.

Drei Wochen später dasselbe Spiel: Eine Handvoll fluggeiler Piloten mit massiven Entzugserscheinungen will spielen gehen. Der entscheidende Unterschied: Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Es ist zwar wieder arschkalt – noch kälter als beim Versuch zuvor – aber der Platz ist knackig gefroren und die Sonne scheint. Wie kalt es wirklich ist merken wir schon beim Aufrüsten, denn selbst die neuen Gasfedern im Anhänger der K9 halten den Deckel nicht, zwei Besenstiele müssen als zusätzliche Stützen herhalten. Außerdem ist es vor der Halle saumäßig glatt, und man muss tierisch aufpassen, damit man sich nicht mit einem Flugzeugteil in der Hand auf die Fresse legt. Mit zwei Discen geht es an den Start, die Köngener und ein paar Maschinen der Motorflugschule fliegen auch, und ein bisschen erinnert das ganze Ensemble an Stalingrad `43, wenn die Motorflugzeuge eine weiße Wolke aufwirbeln und die Segler mittendurch müssen. Allerdings ist der Beschuss weit weniger intensiv als in Pitomnik oder Gumrak seinerzeit, und auch die Außenstehenden wollen uns nicht etwa ans Leder, sondern winken uns lächelnd zu. Ich lasse zunächst meinen Kameraden Nico mit der K9 eine Runde drehen, denn Stress brauche ich nicht wirklich und außerdem muss ich meine neue Kamera mal ausprobieren. Motive gibt es ja genug.

Kaum dass ich ein paar Fotos von den Schlepps gemacht habe – nachdem der Flugleiter angefahren kam und mich gefragt hat, wer ich sei und was ich hier mache (die Anrede mit „Sie“ ließ mich in dem Moment den Schluss ziehen, dass das einer der Motorflieger ist, der nicht so häufig bei uns aufm Turm hockt…) – sehe ich die K9 einschweben und frage mich, was der nach nichtmal einer halben Stunde schon wieder hier macht. Es ist wohl doch noch bockiger als vorhergesagt, und Nico ist einmal so derbe mit dem Schädel an die Haube gedotzt, dass er die Schnauze voll hat. Na prima denke ich im Stillen.

Haube zu und Abflugmeldung. Kaum ist der kalte Wind nicht mehr zu spüren, wärmt die Sonne durch die Plexiglashaube das Gesicht. Als die Husky Fahrt aufnimmt, sehe ich noch ganze zehn Meter weit, aber da aus der weißen Puderwolke das Schleppseil kommt, liegt es nahe, das Motorflugzeug genau dort zu vermuten und stur dahin zu fliegen. Kaum ein paar Meter gerollt sehe ich wieder was und muss direkt nach dem Abheben die Nase deutlich nach links in den Wind nehmen und gleichzeitig mit der Husky in eine Art Parallel-Slip gehen, um irgendwie der Bahn zu folgen. Am Boden wars ja schon ne steife Brise, aber in ein paar Metern Höhe ist das ne ganz andere Liga. Da heißts, Knüppel festhalten bitte! Aber dank der vielen Flüge bei Hangwind bin ich da inzwischen einiges gewohnt und lasse mich nicht wirklich aus dem Konzept bringen.

Ich gönne mir 1100 Meter AGL, um etwas mehr Zeit zu haben, die Lage zu sondieren und eventuell einen Rotor für den Sprung in die Welle zu erwischen, die irgendwo sein muss. Ich finde natürlich nichts außer Steigen und Saufen im stetigen Wechsel, die beide das Vario jedes mal auf Anschlag gehen lassen. Das verspricht ein ordentlicher Ritt zu werden. Dem Wind entsprechend versuche ich es auf der Ostseite des Teckberges, aber das ist alles so turbulent, dass man nicht wirklich von entspanntem Hangfliegen sprechen kann. Stellenweise wird man mit sieben Meter pro Sekunde nach oben gerissen, nur um kurz darauf in einen Fünf-Meter-Abwind einzurasten. Vergnügungssteuerpflichtig ist das alles nicht, und auch die drei anderen Flugzeuge, die sich am Hang tummeln, scheinen ihre Mühe zu haben, so richtig was aus der brodelnden Suppe zu machen. Ein Ausflug Richtung Weilheim, wo gerne mal ein Rotor steht, erweist sich als Versuch ohne Ergebnis, abgesehen davon, dass ich ein paar Hundert Meter an Höhe verliere und mich dann wieder auf Burghöhe an den Teckberg einfädeln muss.

Nach gut 45 Minuten erwischt auch mich die Hammerböe und sorgt dafür, dass ich haptisch überprüfe, ob über mir noch Plexiglas ist. Ja, es ist noch da, und ja, das tut weh. Mich ärgert das, einfach, weil ich acro-bedingt normalerweise ein inniges Verhältnis zum Bauchgurt pflege und mich wundert, dass trotz der beinahe auf Anschag gezogenen Gurte im Discus dieses Malheur passiert. Ich fühle mich genötigt, ein Stück aus dem Gerumpel rauszufliegen und mich nochmal fester anzuschnallen, fluche lauthals über die Scheißgurte von Schroth (die bei den meisten unserer Flugzeuge inzwischen total aufgepelzt sind und sich ums Verrecken nicht ordentlich verstellen lassen) und bin zunehmend unzufrieden mit der Gesamtsituation. Außerdem meldet sich der Tee, und eiskalte Zehen habe ich auch. Eine Viertelstunde spiele ich das Rodeo noch mit, dann habe ich die Schnauze voll und setze Kurs Hahnweide. Mit Fox-Speed donnere ich in den Platz rein, weil es immernoch bockig ist wie sau und genieße das Gefühl der butterweichen Landung auf der Schneedecke. Mit Rollen bis zur Halle is aber Essig, der Widerstand des Pulvers ist einfach zu groß, und Winterreifen sind natürlich auch keine montiert.

Am Ende der beiden Winter-Flugtage stehen knapp drei Stunden im Flugbuch. Gar nicht so schlecht für einen, der Angst hat, bequem zu werden…

Herbst-Blues

„D-FABC, report GML“. „D-FABC will report GML.“ Kurz nachdem ich die Anweisung zurückgelesen habe, flitzen meine Augen über die Karte mit den Standard Instrument Departures  des Flughafens Düsseldorf. GML, wo ist der verfluchte Punkt? Ein bisschen suchen ist normal. Aber je mehr ich das Blatt Papier vor mir optisch umgrabe, umso mehr spüre ich seichte Panik in mir aufsteigen. Bitte nicht! Bisher lief es doch. „D-FABC, haben wir den Punkt gefunden?“, kommt es von vorn. „Ich würde jetzt gleich die Meldung `confirm GML´ senden, antworte ich. Der nächste Satz ist zugleich ernüchternd und wahnsinnig beruhigend. „Sorry, mein Fehler, falsche Departure. D-FABC, report MEVEL.“ Ich muss vor Erleichterung grinsen. Ich wars nicht, yeah! Noch bisschen verpeilt suche ich MEVEL, und als es vom imaginären ATC noch einmal trötet „D-FABC, wir wollen fertig werden!“ habe ich ihn. „D-FABC, MEVEL.“ „D-FABC, turning right direct Hannover and contact Langen Radar at 123.450.“ „D-FABC one two tri decimal four five siro.“

Geschafft. Ich habe mich erfolgreich einmal IFR auf die Runway des Düsseldorfer Flughafens und wieder in die Luft gefunkt. In der Außenstelle Mühlheim/Ruhr der Bundesnetzagentur, gemeinsam mit fünf anderen Prüflingen. Und das alles ohne wirklich grobe Schnitzer. Und als einziger AZF-Aspirant zwischen BZFlern. Akustisches Spicken: unmöglich. Noch vor der Funkerei habe ich meinen Angstgegner, den zu übersetzenden englischen Text aus der deutschen AIP, erfolgreich besiegt und einen Flugplan ausgefüllt. Ich bin mir ziemlich sicher, bis hierhin bestanden zu haben. Bleiben noch die Theoriefragen, die mich bis gestern nahezu jeden Abend im Bett liegender Weise beschäftigt haben. Hier stimmen 38 der 40 Antworten. 30 hätten gereicht. Also nahezu Durchmarsch.

Am Ende sammelt die Dame der BNetzAg mein BZFII ein und drückt mir das AZF in die Hand. Geschafft. Und dafür zwei Tage Panik, vor allem wegen der AIP-Texte. Behördendeutsch in gestelztes Englisch übersetzt. Der Hass. Aber egal, geschafft.

Die Idee mit dem AZF war bereits Anfang des Jahres im ersten Lockdown entstanden. Fliegen war tabu, also stand die Frage, inwiefern man sich theoretisch weiterbilden könnte. Englisch funken zu dürfen erschien mir selbst für einen (noch) Segelflieger erstrebenswert, denn früher oder später würde es mich beruflich ins Ausland führen. Kurzer Anruf bei Helge, einem freien Mitarbeiter des aerokuriers und Bestsellerautor des Standardwerkes „Sprechfunk im Instrumentenflug“. Von dem wusste ich, dass er regelmäßig Flugfunkkurse anbietet. „BZFI? Quark, mach gleich AZF!“, so seine fachmännische Einschätzung. Allerdings wusste er auch, dass die Bundesnetzagentur aktuell aufgrund von Corona nicht prüft und es keine Informationen gab, wann sich das wieder ändern würde. Klar war: ohne Prüfungstermine kein Kurs, denn das wäre Unsinn gewesen. Ein paar Fliegerkameraden hatte ich schon angetriggert, also eine Gruppe würde auf jeden Fall zustande kommen. Aber wann: unklar.

Irgendwann, die Saison war lange am Laufen, Helges Nachricht: „AZF-Kurs Mitte Oktober, biste dabei und was ist mit deinen Kollegen?“ Da holte mich meine Wahnsinnsidee vom Frühjahr ein. Aber gut, wer Alpha sagt muss auch Bravo… Allerdings erklärte Helge, dass wir ein stückweit Versuchskaninchen seien, denn der Kurs würde erstmals vollständig online via Zoom stattfinden. Corona, remember…

Zwei Abende zu je drei Stunden ging es erstmal nur um die Theorie. Und konsequenter Weise bedeutete das, sich zunächst mit dem Instrumentenflug an sich auseinanderzusetzen. Klar, wer weiß, warum er etwas wie tun muss, dann tut er sich damit leichter und versteht Zusammenhänge. Helge erklärte uns alles Notwendige über STARs und SIDs, über Waypoints, über das, was in einem IFR-Flugplan zu stehen hat (Stefans drei gefangene Fische reichen Yvonne sicher – Insider wissen, was gemeint ist 😉 ) Schon hier ist klar, dass sich der Kurs auch in beruflicher Hinsicht gelohnt hat, denn dieser Einblick in die IFR-Fliegerei ist Gold wert und macht Lust drauf, sowas irgendwann selber mal zu machen.

Die folgenden Montage und Dienstage geht es ans praktische Funken. Helge mimt den Gott, oder vielmehr die Götter, die in den Towern und Radarcentern der Republik den Flugverkehr koordinieren. Wir fliegen quer durch die Republik, kämpfen uns durch Anlass-, Roll-, Strecken- Start- und Landefreigaben. Fluchen, weil wir Wegpunkte auf Karten nicht finden, falsche Kurse von Routen ablesen oder mal wieder nicht auf Anhieb wissen, wie denn an diesem Tag unsere Obstacle Clearence Altitude ist. Ich habe bis zur letzten Vorbereitungsrunde zehn Tage vor meiner Prüfung den Eindruck, mehr schlecht als recht zu funken. Helge hingegen meint jedesmal, zum bestehen reiche es. Alle aus meinem Kurs haben vor mir Prüfung, und die Tatsache, dass sie alle bestehen, baut doch gewissen Druck auf. Andererseits deutet es darauf hin, dass „Gott“ sein Handwerk versteht.

Am Ende bin ich einfach nur froh, es hinter mir zu haben. Und beinahe automatisch öffne ich am Abend nach der Prüfung im Bett liegend die App mit den Theoriefragen, so wie die Abende zuvor auch. Kopfschüttelnd schließe ich sie wieder…

Koppüber mit Kollegen

Schon länger hatte ich den Plan gehegt, angesichts fehlender doppelsitziger Kunstflug-Aerobilie auf der Hahnweide die Salzlore des Fördervereins mal für ein paar Wochenenden nach Kirchheim zu holen, um auch ausgewählte Kollegen mit hinreichend Vitamin G zu versorgen. Hier verzichte ich zur Abwechslung mal auf schriftliche Selbstdarstellung und überlasse meinen Gästen das Wort.

Fabian

Es gibt diese Sätze, die will ich in einem Flugzeug nicht hören. „Ja, die fällt schön“, ist so einer. Dass Lars offensichtlich alles im Griff hat beruhigt mich zwar, als wir keine fünf Sekunden später senkrecht in Richtung Autobahn stürzen, halte ich trotzdem die Luft an. Kurz darauf spüre ich wieder Auftrieb und kann normal atmen – und lachen.
 
Ich brauche den Fallschirm also doch nicht. Kurz habe ich an die Worte „Wenn ich sage „raus“, nicht nachfragen“ gedacht. Nicht aus Mangel an Vertrauen, sondern aus dem Überlebenswunsch heraus, der sich mit eigenem Kontroll- und Orientierungsverlust nicht gut verträgt. Jetzt ist immerhin die Orientierung zurück und ich blicke nochmal auf den Zettel, der auf das Cockpit vor mit gepinnt ist. Den ganzen Weg nach oben habe ich ihn studiert, versucht mir das aufgezeichnete Kunstflug-Programm einzuprägen. Wollte mich währenddessen orientieren können. Mit dem Ausklinken vom F-Schlepp ist aber alles vergessen. Nach kurzem Austausch („Bereit?“ „Yes!“ „Ok, auf geht´s.“) sehe ich den Steuerknüppel zwischen meinen Beinen nach vorne wandern und es wird leicht in der Magengegend. „Whoooo!“ Wie lange die anschließende Kombination aus Rollen, Loopings  und Figuren, deren Namen ich nicht weiß, dauert – keine Ahnung. Jedes Manöver setzt mehr Endorphine frei, die dauerhaftes Lachen – mit jener kurzen Unterbrechung – verursachen. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Looping sich im Vergleich so harmlos anfühlt, aber über Kopf schräg in Richtung Boden segelnd eröffnen sich ganz neue Dimensionen. Ich umklammere das Smartphone mit beiden Händen und versuche die Kamera nicht zu verdecken. Später werden diese Aufnahmen meine Tapferkeit beweisen!
 
Wieder am Boden angekommen ist Lars sichtlich unzufrieden mit seiner Performance, spricht von Korrekturen und schlampigen Manövern – hab ich nix von gemerkt. Kein Superlativ kann dem Gefühl beim ersten Kunstflug gerecht werden. Selbst wenn etwas nicht gepasst hat, die Kräfte, die an Körper und Gliedern zerren, spürst du so nirgendwo. Achterbahn mal 1000! Mir bleibt nichts, als den Hut vor dieser Kontrolle über das Fluggerät zu ziehen. Lars macht sich derweil schon für das nächste Programm bereit. Während er sich wieder auf 1200 Meter schleppen lässt, schaue ich auf mein Smartphone. Jawoll, die Kamera hat alles eingefangen! Damit kann ich zuhause angeben: „Ja, da bin ich mitgeflogen. Nein, ich war natürlich ganz cool.“

Silke

Schnappatmung und ein erhöhter Puls bei eigentlich völliger Bewegungslosigkeit? Ich stelle ein immer lauter werdendes Rauschen in meinen Ohren, schweißnasse Finger, die sich an festgezurrte Sitzgurte klammern und ein extrem flaues Gefühl in meinem Magen fest. Aber warum wird mir Anfang November auch schlagartig so heiß? Wo kommt das alles denn auf einmal her?

Die Spucktüte klemmt unter meinem rechten Oberschenkel, wo ich sie noch beim Einstieg ins Kunstflugzeug gut versteckt hatte, da ich mir dieses Mal so sehr vorgenommen habe, sie auch heute nicht verwenden zu müssen. Nach einiger Zeit krallen sich meine Finger dann doch panisch an das Ding. Nur für den Fall der Fälle. Zum Glück bleibt das Rascheln der Tüte auf diesem Flug vom Piloten unbemerkt (oder zumindest unkommentiert…). Ich interpretiere das als gutes Zeichen, denn Lars ist gerade mitten in seinem ersten Flug am heutigen Tag und hochkonzentriert. Das will ich auch hoffen, denn er hat mir morgens noch hoch und heilig (auf Nachfrage) versprochen, dass wir heute nicht sterben werden. (Das verspreche ich jedem! Anm. des Piloten)

Heute ist nämlich der Tag gekommen, an dem ich das erste Mal bei einem Kunstflug dabei sein darf. Passiv, auf dem Beifliegersitz. Ich muss eigentlich nichts weiter tun, als gut aufzupassen, dass mir bei all den Loopings und Parabeln meine Mütze und meine Sonnenbrille nicht vom Kopf rutschen und dann womöglich unkontrolliert durchs Cockpit in Richtung Pilot purzeln. Und ruhig weiteratmen, das sollte ich ebenfalls, was mir auch meistens ganz gut gelingt. Zur Unterstützung dafür habe ich die Frischluft-Düse bereits relativ am Anfang des Steigfluges direkt auf mein Gesicht eingestellt. 

Vor mir im Cockpit klemmt ein kleiner Zettel mit der grafischen Darstellung der zu fliegenden Choreografie, welche Lars vorab ausgedruckt und mir ausführlich erklärt hat. Ich versuche, den geflogenen Figuren in Echtzeit zu folgen – spätestens bei Figur 4 bin ich aber raus. Mir ist schleierhaft, wie er da vorne im Cockpit den Überblick behalten kann – oder es zumindest danach aussehen lässt. All die Instrumente und Zahlen, auf die er achten muss, während er sich ja auch an oben und unten, rechts und links orientieren sollte. Ich kapituliere und versuche den restlichen Flug zu genießen, ohne dabei zu analysieren, welche wilden Figuren mir als nächstes bevorstehen.

Ich wundere mich darüber, wie deutlich mein Körper die Vibrationen spürt, wenn Lars da vorne irgendwas steuert und wie das Flugzeug unter der Krafteinwirkung lauthals ächzt und sich von einer Sekunde auf die nächste anders anhört. Ich sehe, wie sich die Flügel biegen und ich weiß eigentlich, dass das normal und wichtig und richtig ist. Mulmig wird mir dennoch immer mehr. Die enormen Fliehkräfte so nah und vorallem so deutlich zu erleben, darauf war ich nicht ansatzweise vorbereitet, auch wenn ich schon zwei Mal mit Lars Parabeln und Kreisel fliegen durfte. Der sekundenschnelle Wechsel von ganz leiser zu lauter Luft ist so surreal, dass ich auch gar keinen Blick mehr für die Schwäbischen Alb übrig habe, die da so friedlich im trüben Herbstlicht unter mir liegt. Deren Schönheit habe ich zum Glück bereits beim 15-minütigen Steigflug ausgiebig in mich aufgesogen.

Irgendwann nach Figur 12 ertönt von vorne ein „Glückwunsch, du hast es geschafft! Aber hey, wir sind noch so hoch, da können wir noch ein paar außerplanmäßige Drehungen einbauen – aber nur, wenn du willst.“ Ich gebe ein soziales Grunzen von mir, welches Lars als Zustimmung interpretiert und ich denke mir nur leise, was habe ich heute aber auch für ein Glück.

Sicher gelandet auf dem Boden der klatschnass geschwitzten Tatsachen möchte ich mich so taff wie möglich selbst abschnallen und eigenständig aus der Kabine krabblen. Ich bemerke, dass ein euphorischer Lars ganz schön lange vor dem Flugzeug stehend auf mich warten muss, bis meine Finger einigermaßen ihre Feinmotorik zurückerlangen und mich von allen Gurten befreien können. Kalter Angstschweiß überall.

Festen Boden unter meinen Füßen zu spüren, stimmt mich unfassbar glücklich. Sogar so glücklich, dass ich mich erst mal 30 Minuten auf selbigen setzen muss, bis ich begriffen habe, was meinem Körper da in den letzten 5 Minten so alles widerfahren ist. Bis mein Magen verinnerlicht, dass hier unten alles fest ist und sich der Horizont nicht mehr bewegt, dauert es allerdings noch ein Weilchen …

So aufregend der Tag war und so spektakulär ich diese körperliche Grenzerfahrung auch empfand, so sicher bin ich mir, dass ich meinen Gedärmen dieses Kuddelmuddel erst mal eine Weile nicht mehr zumuten werde. Man soll ja eigentlich niemals nie sagen, aber für diese Freizeitaktivität ziehe ich das tatsächlich in Betracht. Das stimmungsvolle Video erinnert mich aber für immer daran, wie ungeschickt es für die phänomenalen Aufnahmen gewesen wäre, wenn die Spucktüte doch zum Einsatz gekommen wäre.

Alisa

„Du warst noch nie Segelfliegen und machst jetzt den Kunstflug mit Lars?“, fragt mich der nette Herr am Flugplatz Hahnweide etwas ungläubig, bevor er mich freundlicherweise zur Toilette navigiert. Angstpipi? Naja richtig änsgtlich bin ich nicht. Aber als ich endlich an der Reihe bin, hinten im Segelflugzeug Platz nehmen darf, und ich so richtig, ich meine RICHTIG festgezurrt werde, steigt die Aufregung schlagartig in mir hoch. Lars hat mich zwar hervorragend eingewiesen und ich kenne den genauen Ablauf des Flugs, also das Kunstflug-Programm, aber als wir gemütlich vom Schleppflugzeug in die Höhe gezogen werden hallt ein Satz in meinem Kopf wider: „Wenn ich sage raus, dann heißt es raus! Und dann siehst du zu, dass du schleunigst das Flugzeug verlässt.“ Ich begreife, dass ich absolut keinen Bock habe, aus dem Flieger zu springen. Nach einem kurzen Versuch zu berechnen, bei welcher Höhe Lars das würde sagen müssen, sodass ich als ungeübte Aus-dem-Segelflugzeug-Springerin es auch schaffen würde, fällt mir ein, dass ich total schlecht rechnen kann und es jetzt eh zu spät ist. Ich knipse die letzten Fotos, denn ich habe das Glück, bei wunderschönem Wetter mitfliegen zu können. Von hier oben ist alles beruhigend klein und man vergisst tatsächlich seine Sorgen. Ich bewundere noch die Aussicht und dann: Klack Klack! Wir hängen nicht mehr am Schlepper. Es geht los.

Wir beginnen nach links und rechts zu pendeln und kündigen auch den Zuschauern unten an: Jetzt geht‘s rund! Ich atme so tief ein wie ich kann und dann fallen wir. Man braucht Schwung für den Looping! Mein Körper ist komplett angespannt und das Adrenalin schießt durch mich hindurch. Ich kann nichts tun als grinsen, lachen, schreien und die Augen aufreißen. Und ganz wichtig: atmen.

Lars spult sicher sein Programm ab, und mir ist absolut unverständlich, wie er nebenbei mit mir reden kann: „Immernoch alles gut bei dir da hinten?“, „Kann. Nicht. Antworten. Ich. Muss. Atmen.“, presse ich raus. Ich fühle mich trotz der Anstrengung die ganze Zeit total sicher, und das Gefühl, da oben zu sein, über Kopf, ist unfassbar. Diese volkommene Stille die zwischendurch plötzlich im Flieger herrscht…

Der Kunstflug an sich dauert nur etwa fünf Minuten, und das ist krasser, als jede Achterbahnfahrt meines Lebens. Ich muss nicht aus dem Flugzeug springen, und Lars landet am Ende überraschend sanft auf dem grünen Rasen. Im Anschluss muss ich mich kurz fangen, aber ich bin stolz, dass mein Magen das mit mir durchgezogen hat.

Jeder, der mal die Möglichkeit bekommt, einen Kunst-Segelflug zu erleben, dem rate ich nur eins:  Macht es. Das Erlebnis ist unvergesslich!

Danke an meine Kollegen für das Vertrauen. Mir hats Spaß gemacht 😉

ERster Hangflug mit der 8E

Am 19. November ergab sich endlich die Chance, mein Spielzeug auch mal am Hang auszuprobieren. War das zuvor mit den Vereinsfliegern eine recht simple Angelegenheit, stand ich nun vor der Frage: 13,2 oder 15 Meter? Vier Gleitzahlpunkte als Reserve oder doch lieber die Chance, die Möhre mal aufs Kreuz zu legen? Ich argumentiere vor mir selber, dass die kurze Variante weniger Aufwand braucht und ich damit auch am Ende – falls das Wetter schlechter wird – die 59 schneller wieder im Anhänger habe. Eigentlich aber hatte ich einfach nur Bock zu turnen. Mit fünf Seglern haben wir endlich mal wieder nen soliden Winterflugbetrieb, die üblichen Verdächtigen scheinen allesamt dem Bodenkoller nahe. Der Wind steht so lala auf Südwest, aber für ne entspannte Runde sollte es reichen.

Im Schlepp gehts auf 1000 Meter MSL, dann straight ahead Richtung Teckberg. Diejenigen, die vor mir gestartet sind, melden zurückhaltende Steigwerte. Nunja. Das schmale Aufwindband ist schnell gefunden, aber es steigt tatsächlich nur schwach. Einmal mehr nervt mich die für den Streckenflug einfach kaum geeignete Sitzposition im Cockpit. Mir fehlt durch das extreme Liegen einfach die Übersicht über das, was um mich herum passiert. In der Box stört mich das weniger, da sollte außer mir keiner drin sein. Außerdem gehen die Blicke da eh relativ fix hin und her: Visier vorne, Fahrtmesser, Höhenmesser, Visier Fläche, repeat.

Während meine Kameraden die Umgebung erkunden und ins Lenniger Tal, zum Neuffen und zum Breitenstein fliegen, bleibe ich an der Teck. Als ich 1250 Meter MSL erreicht habe, Checke ich die Umgebung, frage die anderen nach ihren Positionen und kurve 90 Grad zum Hang ab. Letzter Check, Fahrt 160, Knüppel an den Bauch und Tritt ins Pedal. Die 59 flippt herum und ich muss diabolisch grinsen. Das Einfangen gelingt leidlich, sodass ich ein bisschen korrigieren muss, um sie sauber im Rückenflug zu haben. Wie meinte Robin? Reißen links rum, stoßen rechtsrum? Erklärt hat er mir das ziemlich gut machvollziehbar mit der biologie des Rechtshänders: um den Knüppel ins hintere linke Eck zu knallen, reicht eine Bewegung aus dem Ellenbogen. Fürs rechte hintere Eck bedaf es einer Bewegung aus der Schulter, und die dauert länger und gelingt weniger abrupt. Beim Stoßen ist es andersrum, nach vorne rechts geht aus dem Ellenbogen und damit schneller als nach vorne links.

Blick auf den Fahrtmesser – da hatte ich mir vor einiger Zeit zwei rote Dreiecke reingeklebt, um die Speedlimits fürs Stoßen und Reißen zu kennzeichnen – und das ganze andersrum. Und so geht es immer weiter: Am Hang Höhe machen, abkurven, zwei bis vier halbe Rollen, mal gesteuert, mal gerissen/gestoßen, und dann wieder rein in den Aufzug. Keine Ahnung, wie viele Rollen es an diesem Tag sind, aber es macht riesigen Spaß, mal wirklich intensiv Figuren zu trainieren. Vielleicht wirds dadurch ja vielleicht besser? Nach Einer Stunde und 18 Minuten bin ich wieder unten. Und natürlich isses wieder Dämmrig, sodass wir im bis in die Dunkelheit abrüsten. Das Thema Anhänger-Innenbeleuchtung bekommt wieder Aufmerksamkeit…

BAuarbeiten

Angesicht der angespannten Corona-Lage im Dezember und des eher bescheidenen Wetters blieb genug Zeit, sich in der Werkstatt mal wieder nützlich zu machen. Mein Projekt in diesem Jahr: unser Startbus. Die alte V-Klasse tut seit Jahren ihren Dienst als Transportmittel für den ganzen Kram, den man an der Startstelle eben so braucht, wurde aber bisher alles andere als gut behandelt. Mir persönlich ging die unfassbare Unordnung da drinnen seit langem auf den Sack, also bot sich die Chance, beim Beseitigen derselben Baustunden zu sammeln. Die Idee: Die zwei Sitze in Clubanordnung hinten drin lassen und daneben eine Ablage für Rucksäcke, Trimmgewichte etc. bauen, unter der die Bierzeltgarnitur und der Pavillon Platz finden sollten.

Da ein Auto im Innenraum nahezu keine geraden Flächen hat, sondern alles geschwungen und verwinkelt ist, war es utopisch, alles von vornherein genau zu planen. Anfangen und die Idee fortwährend entwickeln, war vielmehr die devise. Als Leisten, OSB-Platten und Schrauben besorgt und losgelegt. Die Verkleidungen links rausgerissen, Platten angespaxt. Rahmenkonstruktion, auch hier OSB-Platten drauf und ne Rahmenkante gesetzt. Weiterhin durch Leisten mehrere Fächer oben abgetrennt und für zusätzliche Stabilität gesorgt. Ein fest eingebauter 12V-Kompressor, der bei einem Test in meiner Firma übriggeblieben war, sowie diverse Halterungen für Seile und Trimmgewichte vervollständigten die Ausstattung. Final habe ich noch alle losen Verkleidungen wieder fixiert und den Hobel noch komplett ausgesaugt und die Oberflächen abgewischt. Mit dem Ergebnis war ich so zufrieden, dass plötzlich der Selbstausbau eines Transporters zwecks mobiler Flugplatzunterkunft gar kein so abwegiger Plan mehr ist… 😉

Rückmeldung aus Ösiland

Bereits im Juli hatte ich in einem kurzen Beitrag geschrieben, dass die Jungs von Streckenflug.at meine Idee mit der Scho-Ka-Kola-Dose als Tape-Behälter zu einem netten Bundle zusammengestrickt haben und zehn Rollen Tape mit einer Dose Schkolade zum sehr fairen Preis verticken. Irgendwann im Oktober kam dann aus Austria ein kleines Päckchen mit ein paar Rollen Tape, einer Dose Scho-Ka-Kola Vollmilch und einigen weiteren Goodies. Danke fürs Dankeschön 😉

 

Angefixt und rumgeturnt

Ich hab mich getraut. Ich habe vor ein paar Wochen tatsächlich meine erste TMG-Flugstunde gehabt.

Er hat sich getraut? Was soll an einer Flugstunde aufm Motorsegler so besonders sein?

An der Stelle muss ich wahrscheinlich etwas ausholen, damit man das versteht. Es ist nicht so, dass ich seit zwölf Jahren beim Segelflug geblieben bin, weil mich der Motorflug nicht reizt. Ganz im Gegenteil, ich habe oft neidisch auf die motorisierten Kollegen geschaut, weil die eben einfach die Möhre aus der Halle ziehen, den Quirl anlassen und hinfliegen können wo immer sie wollen bzw. es das Wetter zulässt. Aber ich hatte schlicht Angst davor. Nicht Angst in dem Sinne, dass ich die Motorfliegerei für gefährlicher gehalten hätte als das Segelfliegen (wobei, so ohne Schirm fühlt sich das im Cockpit irgendwie nicht richtig an…). Sondern Angst davor, dass ich mir damit gesundheitlich Schaden könnte.

Seit meiner Jugend leide ich an Gehörproblemen, konkret Tinnitus und Hyperakusis. In den vergangenen 20 Jahren habe ich so ziemlich alles aus meinem Leben verbannt, was laut ist, bin beispielsweise auf keinem großen Konzert mehr gewesen und werde das sehr wahrscheinlich auch nie wieder tun. Selbst mit dicksten Ohrenstöpseln läuft in meinem Körper eine irrwitzige Stressreaktion ab, wenn die Bässe auf mich einzudreschen beginnen. Ich habe um Kinder mit Luftballons einen großen Bogen gemacht und bei schreienden Babys innerhalb von Sekunden Ohrentöpsel drin gehabt. Selbst im Segler trage ich bis auf wenige Ausnahmen Ohrenstöpsel, weil mich in den meisten Fliegern die Windgeräusche nach einer gewissen Zeit einfach nerven und ich merke, dass meine Konzentration leidet. (Solltes es anderne Piloten ähnlich gehen – versucht mal die Alpine FlyFit – wiederverwendbare Silikonstöpsel in Tannenbaumform mit offenem Lautstärkefilter, mit denen kann man Problemlos Druckausgleich machen). Aktuell macht die Idafieg übrigens eine Untersuchung zur Lärmentwicklung in Cockpits von Segelflugzeugen, und das wird sicher ziemlich spannend!

Aufgrund dieser Erfahrungen war Motorflug für mich einfach tabu. Selbst mit Aktivheadset und Stöpseln drunter hatte ich immer ein ziemlich ungutes Gefühl.

Allerdings – die Lust, mit dem Motorflug anzufangen, die war unterschwellig immer da. Berufsbedingt saß ich in den letzten Jahren mehrfach in Huskys und Cubs und anderen Flugzeugen, aus denen heraus ich bei offener Tür andere Flugzeuge fotografierte. Manchmal ging es mir danach so gut als wäre nichts gewesen, manchmal nahmen die Ohrgeräusche und damit die Angst, irgendwas endgültig kaputtgemacht zu haben, wieder zu. Der erste Ausflug in die selbstbestimmte Fliegerei war die Eigenstartberechtigung auf der ASK 21Mi, und schon damals war mir klar, wie geil das ist, einfach den Hebel nach vorn zu schieben und loszurollen. Das Interesse am TMG wuchs. Dann war 2018 die Grob 109 meines Vereins kaputt und Anfang 2019 hatte ich wieder eine Phase, in der es mir aufgrund meiner Gehörprobleme einfach richtig mies ging – ich verschob die Pläne auf unbestimmte Zeit.

Dieses Jahr schienen meine Löffel mitzuspielen – mehrere Fotoflüge liefen völlig ohne Probleme. Jetzt oder nie. Bis dann die Dokumente samt ATO-Meldung fertig sind, ist es Herbst, aber warum nicht die für den Segelflug eher maue Zeit nutzen, um den Rattelschein zu machen?

Der Moment, in dem ich den Gashebel nach vorne schiebe und die Grob 109 Fahrt aufnimmt, hat etwas Magisches. Es überkommt mich das gleiche Gefühl der diebischen Freude, dass mich schon bei meiner Eigenstarter-Einweisung ereilte. Fliegen ohne Windenbetrieb und Schlepp-Pilot – ätsch, ich kanns alleine, möchte ich durch den Äther brüllen, unterlasse es aber freilich im Sinne der Funkdisziplin. Dann eine kurze Schrecksekunde: Wir werden immer schneller, die Fahrtmessernadel aber bleibt stur bei null hängen. Als ich das aber realisiere, liegt gut die hälfte der abschüssigen Piste hinter uns, und das Flugzeug signalisiert überdeutlich, dass es fliegen will. Den Start durchzuzuiehen erscheint mir sicherer als der Abbruch, und auch mein Fluglehrer neben mir nickt zustimmend. Kaum haben wir den Platz hinter uns gelassen, kommt Leben in die Fahrtanzeige. Vermutlich ein Wassertropfen vom Schauer kurz vor dem Start.

Mein Fluglehrer lässt mich weitgehend mein Ding machen und vertraut darauf, dass ich mir in gut 500 Segelflugstunden und 1000 Starts gewisse fliegerische Fähigkeiten angeeignet habe. Nur hin und wieder höre ich eine Ermahnung, die Höhe zu halten. Und damit dürfte die größte Herausforderung für Umschüler, die vom Segelflug kommen, auch schon skizziert sein: die weitgehende Entkopplung von Horizontal- und Vertikalgeschwindigkeit. Im Segelflug konzentriert man sich in erster Linie darauf, die für die jeweilige Situation passende Fahrt zu halten und nimmt dafür einen spezifischen Höhenverlust in Kauf. Die Höhe gerät erst dann so richtig in den Fokus, wenn man aus der eigenen Komfortzone gleitet und sich wieder intensiv Gedanken um den nächsten Aufwind machen muss. Beim Flug mit Motorkraft ist das anders. Jetzt muss man sich plötzlich darauf konzentrieren, nicht unbeabsichtigt zu steigen und möglicherweise in einen freigabepflichtigen Luftraum einzufliegen. Für Segelflieger jenseits eines Hammerbartes ein Luxusproblem!

Dabei ändert sich am Grundprinzip der Fliegerei, wie man es aus dem Segler gewohnt ist, nur wenig. Die Fahrt wird weiterhin mit dem Steuerknüppel reguliert, allerdings bietet der Gashebel jetzt die Möglichkeit, aktiv auf die Steig- bzw. Sinkrate Einfluss zu nehmen. Hebel vor, Motor laut, steigen, Hebel zurück, Motor leise, sinken. Ungewohnt ist das Steuern mit der linken Hand, da Gashebel, Trimmung und und Propellerverstellung in der Mitte liegen.

Nach dem Steigflug hangeln wir uns entlang des Stuttgarter Luftraumes in Richtung Reutlingen, um hier – abseits lärmsensibler Gebiete – ein kleines Airwork-Programm zu machen. Steigen, Sinken, Rollübungen, Kurven, Steilkurven, Abkippen, Recovern – Scheiße macht das Spaß! Gas zurück auf 2200 U/min, Verstellgriff ziehen, warten, Gas wieder rein und zack, läuft die Möhre mit erträglicher Drehzahl cruise 170 km/h. Das rockt (Piloten mit fetten Motoren und richtig Leistung mögen mir die Begeisterung für 87PS mit Verstellprop verzeihen…). Der Suchtfaktor ist riesig, und ich sehe mich schon im nächsten Jahr Termine auf der Alb auf dem Luftweg ansteuern…

Nach 45 Minuten gehen wir wieder auf Kurs Richtung Hahnweide. Das einzige, was nervt, ist das miserable Intercom. Den Funk höre ich laut und klar, meinen Fluglehrer hingegen kann ich kaum verstehen. Memo an mich: Geschichte über mobile Intercoms machen. „Willste gleich landen oder noch ne Durchstartübung machen?“ fragt mein FI, während ich den Proo wieder in Startstellung bringe und den Motor aufheulen lasse. Wenn schon, denn schon, gebe ich zurück. Wir melden den Gegenanflug 25 zum Go-Around und es kostet mich alle Kraft, nicht sofort die Kend-Dravis-Nummer anzustimmen. You can always go around. If it don´t look right, coming down. Don´t wait untill your socks keep sliding on the ground. You can Always go around…

Der Anflug ist einigermaßen ungewohnt, aber selbst im Segler habe ich dieses Gefühl, wenn ich Kurs auf die abschüssige Asphaltpiste nehme. Ich hungere die Grob leicht schiebend in den Platz und vergesse, sie mit dem Seitenruder vor dem Aufsetzen Gerade zu stellen. Es quitscht, aber das ist unser geringstes Problem. Wir beide haben wohl unterschätzt, dass sich das Wetter entscheidend gebessert hat und wir jetzt voll in die tiefstehende Sonne durchstarten. Also halbblind Gas rein, Fahrtkontrolle und sanft in den Steigflug. Es läuft wie am Schnürchen. Die Abschlusslandung dürfen wir angesichts der Tatsache, dass es faktisch keinen Wind mehr gibt, mit der Sonne im Rücken machen. Diese Landung läuft auch besser, wenngleich ich durch die ungewohnte Position außerhalb der Flugzeuglängsachse noch immer nicht perfekt ausgerichtet auf dem Asphalt aufsetze.

Mit blubberndem Motor rollen wir zurück zur Halle, und ich bin glückselig wie selten. Lars Reinhold, der Motorflieger in spe. Klingt komisch, aber irgendwie auch richtig. Putzen, Flieger zerlegen, einhallen, und das alles in der Gewissheit, dass es wieder mal ein Anfang war.

Turnübungen auf der Hahnweide

Ich glaube es ist nicht übetreiben, den 24. Oktober 2020 als Zäsur auf der Hahnweide zu bezeichnen. Meine zwei Flüge an diesem Tag mit der 8E dürften die ersten, ernstzunehmenden Kunstflüge mit sportlichem Hintergrund sein, die hier seit dem Unfall von Klaus Lenhart im Jahr 2012 stattfanden. Klar, beim Oldtimertreffen hatte es immer mal wieder Kunstflugdisplays gegeben, aber dass sich jemand ein Programm ins Cockpit klemmt und das straight durchfliegt – zumindest in den vier Jahren, die ich jetzt dort fliege, hat es das nicht gegeben. Auch den Erzählungen anderer Piloten zufolge war mit dem Tod von Lenhart auch der Kunstflug auf der Hahnweide abrupt vorbei. Der Mann in der roten Extra hatte das seinerzeit forciert betrieben, es gab sogar einen Kunstfluglehrgang auf dem Platz, der gemeinhin als Streckenflieger-Mekka gilt.

Mit der Anschaffung der SZD-59 war für mich klar, dass ich etwas gegen die offensichtlich verbreitete (und mir unerklärliche) Kunstflugaversion tun musste. Leider scheinen in der Segeflugszene noch immer viele Aktive davon überzeugt, dass Kunstflieger irre sind, die nichts anderes tun als sinnlos Höhe zu verballern und dabei Flugzeuge kaputtzufliegen. Dass es höchst disziplinierte Sportler sind, die sich intensiv mit ihren eigenen Grenzen und denen ihrer Sportgeräte beschäftigen und sich infolge dessen sehr exakt am Limit bewegen können, kommt offenbar den wenigsten in den Sinn. Um den Faktor Disziplin von vornherein zu unterstreichen, verkniff ich mir jegliche Turnaktion in Platznähe und zog bis zur offiziellen Genehmigung lediglich weiter draußen mal einen Loop oder eine Rolle. Im Luftraum Golf, nach ausführlicher Luftraumbeobachtung, versteht sich.

Parallel sondierte ich die Lage, sprach mit den Vorständen der anderen Vereine und wollte ergründen, woher die Ablehung kam. Interessanter Weise reichten die Antworten auf meine Fragen von „Cool, wenn das wieder geht, machen wir mit!“ bis „Uns völlig egal, geh halt spielen“. Von wirklicher Ablehnung keine Spur. Warum dann dieser Aufriss? Rein rechtlich gab es in Bezug auf den Segelflugsektor bereits seit 2018 kein Problem mehr, denn damals hatte die DFS ihre Regelungen zu den Sektoren geändert, seitdem schlossen sich aktive Kunstflugboxen und die Sektorenfreigabe nicht mehr aus.

Also habe ich das Thema Kunstflug beim BWLV und meinen Verein mehrfach auf die Tagesordnung gebracht, und Anfang Oktober kam schließlich die Mail mit der erlösenden Botschaft: Einzelflüge sind bereits möglich, eine Box wird demnächst veröffentlicht. Krasser Scheiß, es war geschafft. Zwei Wochenenden musste ich dann noch warten, einfach, weil mir das Wetter jedes Mal eine Wolkendecke bei 2500 Fuß MSL reindrückte. Was willste da machen?

Umso schöner waren die beiden Flüge am 24. dann. Ich hatte mir ein schönes Programm ausgedacht, dass beim ersten Mal so lala lief, beim zweiten Mal ganz ok. Es war ein würdiger Auftakt für das nächste Kapitel im Buch „Kunstflug auf der Hahnweide“. Obwohl ich keine Chance hatte, Klaus Lenhart kennenzulernen, habe ich mich ihm in diesem Moment sehr nahe gefühlt. Alle die ihn gekannt haben, berichten übereinstimmend, dass er nicht nur den Kunstflug im Herzen hatte, sondern auch das Wohl der Leute um ihn herum. Sowas macht Menschen für mich unglaublich sympathisch. Ich glaube, wir hätten uns gemocht.

Eine Woche später habe ich in der Salzlore, die auf der Hahnweide interimsmäßig parkt, bis ihr neuer Anhänger vom Spindelberger abgeholt ist, die ersten zwei Gastkunstflüge gemacht. Auch wenn die beiden Programme völlig vereiert waren – Hinweis an Nachahmer: Fahrt null im Scheitel einer Kubanacht reicht nicht für die halbe Rolle, aber man kann noch nen Loop draus retten – hatten meine Mitflieger ihren Lautäußerungen zufolge eine Menge Spaß. Das konnte man selbst durch die Maske hören.

Jetzt ist wahrscheinlich erstmal vier Wochen Ruhe, auch wenn der BWLV den Platz wohl nicht zu macht. Individualsport und so. Andererseits ermöglicht die Flugpause effektivere vorbereitung auf die AZF-Prüfung, den den Kram habe ich mir auch noch ans Bein genagelt. D-FABC – request further instructions…

Mein erstes Tausender

Ich muss echt anfangen, Erlebnisse sofort aufzuschreiben. Es passiert einfach zu viel, ich komme da nicht hinterher. Andererseits: An den Laptop setzen und tippen, während die anderen am Abend den Tag „debriefen“? Never ever…

Zwei Wochen Fliegerurlaub versuche ich jetzt hier irgendwie zu rekapitulieren, obs gelingt, schau´mer mal.

Station 1: Kunstfluglehrgang in Tarmstedt. Das war eigentlich eine Notlösung, denn ursprünglich war die 37. KW in Reinsdorf geplant. Höhenwinde, für 22 Euro in die Box, prima für den kostenbewussten Segelkunstflieger. Aufgrund eines Trauerfalls im Aero Club Berlin und Corona fand dieser Lehrgang jedoch nicht statt, und Lima Foxtrott, den ich zwei Jahre zuvor in Reinsdorf kennengelernt hatte, wies mich auf freie Plätze in Tarmstedt hin. Why not?

Hier fliegt die Airbus Segelfluggemeinschaft Bremen auf einem hübschen kleinen Platz, der aus der Luft gar nicht mal so einfach zu finden ist. Aber dazu später mehr. Ich trudele am Montag meiner ersten Urlaubswoche Mitte September gegen Mittag ein, und den ein oder anderen anderen Piloten erkenne ich doch. Die wahrscheinlich denkwürdigste Begegnung ist die mit Christian. Er ist schuld daran, dass mein Leben vor zwölf Jahren die entscheidende Wende genommen hat. Ohne ihn hätte ich weder mit dem Segelfliegen angefangen, noch wäre ich jetzt Chef beim aerokurier noch hätte ich mit dem Kunstfliegen begonnen geschweige denn absurd viel Geld in ein Spielzeug investiert. Aber das Schicksal wollte es nunmal so, dass wir uns im Sommer 2007 auf diesem winzigen Autotreffen in Schmölln (war es wirklich dort??) begegneten, auf das uns unsere Vorliebe für die 124er Baureihe von Mercedes geführt hatte. Er erzähle damals, er sei Segelflieger, und das war eine Art Initialzündung für mich. Bis dato war ich nie auf die Idee gekommen, dass es mehr geben könnte, als Flugzeuge in Museen anzugucken. Jetzt sehen wir uns das zweite mal, nach einem Treffen auf der AERO vor zwei oder drei Jahren. Christian und drei Kameraden haben eine ASK 21 vom Landesverband Niedersachsen dabei, zwei weitere stellt der hiesige Club zur Verfügung, zudem ist der ISN-Fox dabei und meine 59. Tatsächlich bin ich auch scharf auf ein paar ASK 21-Starts, denn ich will die Bekannte für den Bayern-Dosi zwei Wochen später trainieren.

Und noch eine Gestalt springt da rum: Tobias Barth, der wohl beste Segelflug-Fotograf unserer Tage und würdiger Nachfolger des legendären Claus-Dieter Zink. Tobias und ich kennen uns, seit ich ganz zu Beginn meiner aerokurier-Zeit mal ein Porträt über ihn gemacht habe. Wir schätzen uns und kritisieren gern die Fotos des jeweils anderen. Tobias ist eher der Künstler von uns beiden, ich vielmehr der Handwerker. Das liegt vor allem an den äußeren Zwängen bzw. Nicht-Zwängen, denen wir unterworfen sind. Tobias macht das in seiner Freizeit und hat die Zeit, Bilder aufwändig zu gestalten, Hintergründe auszusuchen und auf das richtige Licht zu warten. Ich muss im Alltag des Luftfahrtjournalisten stets mit dem klarkommen, was an diesem Tag gerade an Wetter zu haben ist, denn mehr als einen Termin pro Flugzeug kann ich mir zeitlich schlicht nicht leisten, und der muss auch noch in den Redaktionsterminkalender passen. Und privat, das gebe ich offen zu, habe ich nur noch bedingt Lust zu fotografieren.

Und natürlich ist von vornherein klar, dass es an diesem Tag auch erste Air2Air-Fotos von der 8E geben wird. Ich gönne mir vorher allerdings einen Gewöhnungsflug, um zu gucken, wie mein Fliegerle und ich so drauf sind. Also nachdem ich den ganzen Papierkram erledigt habe, sprich Teilnehmerliste, Corona-Briefing, Lastschriftfreigabe, Passierschein A38 etc.

Tarmstedt ist der 60. Platz in meiner Liste, und die anfängliche Sorge, mit fremden Plätzen nicht zurecht zu kommen, ist inzwischen einer Art Vorfreude gewichen, etwas Neues von oben zu sehen. Wie üblich lasse ich mich über die örtlichen Gegebenheiten briefen, was Landemöglichkeiten für den Fall eines Startabbruchs angeht. Kurz darauf bin ich in der Luft und turne einmal das Bronze-Programm durch, dass mir irgendwer am Boden in die Hand gedrückt hat. Es läuft wie üblich: Winkel passen nicht, kreative Radiusvariationen im Kubaner und auch sonst ist es eben ein erster Flug einer Trainingswoche. Abhaken. Aber die 59 und ich sind uns einig, dass es für einen Fotoflug reichen sollte. Zunächst ist aber TvL im Fox dran, sich vor Tobias` Linse in Szene zu setzen. Während das Gespann in der Luft ist, beobachte ich mit Sorge das sich verschlechternde Wetter. Also nicht im eigentlichen Sinne schlecht, aber die Wolkendecke schließt sich wieder, was das passende Licht für die Fotoatmosphäre natürlich zunichte macht.

Als ich schließlich hinter der Husky hänge, rollt eine gigantische Wolkenwand auf den Flugplatz zu. Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit, um schnell genug so hoch zu kommen, dass sich die 59 noch den Bauch von Sonnenstrahlen kitzeln lassen kann und nicht alle Fotos im Schatten entstehen müssen. Am Boden hatten wir noch besprochen, welche Richtung ich grob fliegen soll, damit der Lichtwinkel passt. Also ausklinken und auf Kommando die Möhre auf den Rücken werfen. Und dann straight und rock steady Fluglage halten. Die Herausforderung besteht für mich vor allem darin, Tobias und seinem Fotopilot blind zu vertrauen, denn ich sehe ganz einfach nicht, was die beiden tun. Über Funk bekomme ich hin und wieder ein Kommando zu einer leichten Kurskorrektur und beschränke mich ansonsten darauf, so exakt wie möglich zu fliegen und vor allem genau Fahrt zu halten. Selten zuvor bin ich so fokussiert auf dem Rücken geflogen, sogar der Faden liegt akkurat in der Mitte. Keine Ahnung wie lange die erste Session dauert, aber als meine Fußzehen anfangen zu kribbeln, gebe ich per Funk durch, mal etwas Blut aus dem Kopf lassen zu müssen und rolle wieder in den Normalflug. Kurz darauf gehts nochmal upside down, und Tobias knipst weiter, bis das Kommando „fertig“ kommt.

Inzwischen sind wir allerdings arschweit weg vom Flugplatz, und aus der Luft sieht hier alles absolut gleich aus. Aber anstatt einfach 180° zu wenden, versuche ich mich anderweitig zu orientieren, was natürlich schiefgehen muss. Als ich im Navi Tarmstedt eindrehen will, klicke ich eins zu weit und habe Seedorf drin. Bevor ich das aber bemerke, muss die Husky mir erst dreimal zufunken, dass ich in die komplett falsche Richtung fliege. Also kehrt, nochmal am Navi gefummelt und dann endlich Tarmstedt eingedreht. Das LX lügt was von knapp zehn Kilometer Distanz, und noch nie war ich so froh, dass mein Eimer selbst mit Stummelflächen noch ein 34er Gleiten haben soll. Dennoch wird der Anflug spannend, und ich checke permanent Außenlandemöglichkeiten. Aber alles geht gut, und als sich abzeichnet, dass ich noch mit komfortabler Resthöhe in Tarmstedt ankomme, pfeife ich die Husky nochmal ran für ein paar Fotos im Normalflug. Landung, Debriefing, großes Gelächter bei den Anwesenden. Jaja, für Außenlandungen bin ich immer gut, wenns drauf ankommt, sogar im Kunstflug. Zu früh gefreut, Freunde!

Dienstag – Mistwetter und Bettruhe. Ich schniefe schon wieder, auch das hat Tradition in der KW37. Also Frühstück, wieder hinlegen und weiter pennen. Den Abend nutze ich noch, an einem Hochzeitsgeschenk für meinen besten Freund zu basteln, und so wird aus der Werkstatt der Tarmstedter kurzerhand eine Bootswerft. Also zumindest im kleinen Maßstab. Angesichts der miesen Wettervorhersage habe ich den Plan, mein Zelt aufzuschlagen, ad acta gelegt und bin in eins der Zimmer im Vereinsheim gezogen. Hier schläft außer mir offenbar noch eine Maus, zumindest deutet die nächtliche Geräuschkulisse darauf hin.

Mittwoch – immernoch Mistwetter. Aber ein Plan: Deutsches Schiffahrtsmuseum Bremerhaven und die Wilhelm Bauer, das letzte existierende Klasse XXI-Uboot besuchen. Und anschließend den Stationsleiter von Christoph 6 in Bremen treffen, den ich durch ein Interview kennen gelernt hatte und der mir sofort so sympathisch war wie selten ein Fliegerkamerad zuvor. Während mich im Uboot permanent die Frage begleitet, ob man mit dem Ding einen Looping fahren kann oder nicht, erfahre ich später auf der Rettungswache von Christoph 6 alles mögliche aus dem Alltag eines ADAC-Hubschrauberpiloten. Spannend in jedem Fall! Und die Zeit hat an diesem Tag sogar noch gereicht, um mir die Known für den DoSi mal ordentlich auszudrucken…

Donnerstag – es geht weiter. Früh aushallen, jede Minuten nutzen, damit möglichst viele der Grundschüler durchkommen. Das ist auf jedem Lehrgang die Maxime, dafür stecken auch die Weiterbilder immer mal wieder zurück. Dennoch bin ich optimistisch, zwei oder drei Starts auf der 21 abzukriegen, um das krude DoSi-Programm mal durchzuspielen. Donauwelle, Senkrechte abwärts, Turn mit Loop in der Aufwärtslinie, Zwei Viertel in Rückenlage, Käseecke, Fassrolle, halber Kubaner, gedrückter Humpty, Treppe auf. Mal abgesehen davon, dass ich von den anwesenden Fluglehrern vier verschiedene Anleitungen bekomme, wie man eine Fassrolle fliegt, sollte das machbar sein. Rainer ist der erste, der sich von mir durchschleudern lässt, nachdem er das Programm kompfschüttelnd zur Kenntnis genommen hat. Tatsächlich funktioniert das ganze einigermaßen, auch wenn ich feststelle, dass es in einer ASK 21 wohl keinen unsinnigeren Einbauort für einen G-Messer gibt als ganz unten im Panel vorm Steuerknüppel. Ablesbarkeit gleich null. Da man aber einige der Figuren nur mit Schmackes fliegen kann, macht sich das ziemlich beschissen ohne den entscheidenden Zeiger im Blickfeld. Ich jedenfalls hab da immer Angst, zu viele Gs aufzulegen.

Um die G-Messer-Problematik zu umgehen, switche ich für Flug zwei und drei auf die andere vereinseigene 21 und habe sodann Kamerad Sebastian im Rücken sitzen, den ich aus Hayingen kenne. Am Boden gehen wir das Programm nochmal durch, diskutieren über das Fahrtmanagement, und nach zwei weiteren Runden glaube ich, für den DoSi zumindest nicht völlig unvorbereitet zu sein.

Freitag – Wetter gut, Stimmung gut, Potenzial für einen passenden Abschluss einer gelungenen Woche. Drei Flüge auf der 59 gönne ich mir noch und habe mir dafür ein erstes, eigenes Spaßprogramm gebastelt. Natürlich musste da auch was Gerissenes drin sein, denn das macht mit der 59 einfach nur einen Heidenspaß! Kneifzange mit ganzer gerissener auf der 45 ab, Weibchen, Turn mit 2/8 abwärts, gedrückter Humpty mit 1/4 ab, Avalanche, 2/4 in den Rücken, Käseecke, Kubaner, Aufschwung mit vorgeschalteter ganzer Rolle. Und dabei direkt die Erkenntnis gewonnen, dass das einfangen ganzer gerissener Rollen deutlich anspruchsvoller ist als bei halben Rollen. Und: Ein Avalanche fliegt sich definitiv deutlich einfacher als ein Chinese. In Ansbach war in einem Programm so ein Drecksding mit einer Zweizeitenrolle drin, das mich völlig fertig gemacht hat. Das bedarf noch sehr sehr viel Übung, wohingegen der Avalanche vom ersten Moment an gesessen hat. Warum? Keine Ahnung. Passt vielleicht besser zu einem Grobmotoriker wie mir.

Schließlich packe ich mein Schätzchen wieder in den Anhänger und verbringe den Rest des Abends damit, in der Werkstatt für die Fluglehrer und den Organisator Kunstflugfiguren aus Schweißdraht zu biegen – als Andenken. Offenbar hatte ich mich mit meiner Bootsbau-Kür dafür qualifiziert.

Tarmstedt kann ich rückblickend nur als gelungene Woche bewerten. Wir haben aus wechselhaftem Wetter das beste gemacht, die meisten Grundschüler sind durchgekommen und ich habe in einem persönlichen Gespräch erfahren, warum bei einer Ariane-Rakete auch mal ein Triebwerk ausfallen kann. Spoiler: am Spritmangel lags nichts… Organisator Julian hat vor Ort wirklich einen top Job gemacht und unser Küchenbulle hat die Meute jeden Tag mit leckerem Futter und sogar frisch gebackenem Kuchen zur Kaffeezeit versorgt. Daher auch an ihn nochmal ein ganz besonderer Dank! Schön wars bei euch!

Sturm im Norden

Der Samtag ist mit der Hochzeit in Kiel verplante, aber sicherheitshalber habe ich die 8E dabei, man weiß ja nie. Tatsächlich ist der Plan, am Sonntag nach Aventoft zu fahren und mir den nördlichsten Flugplatz Deutschlands ins Flugbuch zu schreiben. Als ich gegen zehn uhr erstmals aus dem Delirium erwache, bin ich fast froh zu hören, wie es draußen stürmt. Wie üblich bei solchen Feiern war ich am Vorabend abgesehen vom Brautpaar und meinem völlig dichten Kumpel Benni der letzte. Wobei Vorabend Quatsch ist, wenn man bedenkt, dass ich erst halb fünf wieder im Hotelzimmer war. Ich beschließe, aus Gründen der Flugsicherheit noch weiter zu dösen und verlasse das Hotel erst gegen 11.30 Uhr. Ein Anruf in Aventoft bringt die Erlösung. „Du kannst herkommen und aufrüsten, aber dann fliegt dein Flugzeug noch bevor du drinsitzt“, erfahre ich von den Locals. Ich lehne also das Kaffeeangebot dankend ab und verspreche, es im nächsten Jahr erneut zu versuchen. Der Tag geht dann mit einem exzellenten Frühstück (Waffel mit Vanillieeis, Apfelmus und Eierlikör), Dösen in der Hängematte, abhängen am Strand und schließlich Helfen beim Aufräumen in der Feierlocation drauf. Hätte schlechter laufen können.

Fotosession die zweite

Da es von Kiel nur gut zwei Stunden nach Stade sind, winken dort ein weiterer neuer Flugplatz und die zweite Chance, mit Tobias ein Fotoshooting zu machen. Da Tobias auch erst am frühen Nachmittag Zeit hat, muss ich keine Hektik machen. Aber selbst die Anreise ist schön. Zwischen Hamburg und Stade ist die gesamte Elbaue gesäumt von Obstplantagen, und die durch die Blätter schimmernden knallroten Äpfel machen Lust, dort eine Handvoll zu klauen. Allerdings kann ich mit dem Anhänger schlecht mal eben anhalten, und die feine Art ist Obstdiebstahl ja auch nicht. Kurz vor 14 Uhr laufe ich in Stade ein, und nach einem kurzen Briefing stecken wir die 59 zusammen. Zunächst bekommt sie die langen Ohren, denn davon wollen wir auch Fotos haben. Dieses Mal fliegt Tobias im Motorsegler selbst, im Gegensatz zur „Gastposition“ in der Husky bietet ihm das nach eigener Aussage mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Mein Job erneut: rock steady neben ihm herfliegen und darauf achten, dass die SZD möglichst in der Winkelhalbierenden zwischen Fläche und Rumpf der Dimona bleibt. Wir fliegen Kreise mit nur fünf Grad schräglage, und ich bin überrascht, dass mein Flieger das überhaupt kann, denn eigentlich sind das 55 Grad zu wenig… Trotz der Fokussierung auf den Fotoflug kann ich hin und wieder den Blick etwas schweifen lassen über die tolle Landschaft unter uns. Die Elbe, das AKW Stade an ihrem Ufer, die vier großen Hochspannungsmasten, die die Leitungen über den Fluss führen und die weiten Obstplantagen.

Für den zweiten Flug kommen die langen Ohren ab und dafür die Visiere dran. Erneut ein Schlepp bis unter den Deckel in 4500 Fuß. Dieses Mal allerdings scheint der Wurm drin zu sein. Zunächst versuche ich krampfhaft, mit Tobias in Funkkontakt zu kommen – nichts. Ich wechsle permanent zwischen Platz- und Fotofrequenz, aber nichts passiert. Irgendwann knistert es im Funk und Tobias ist da, der Stecker seines Headsets hatte sich aus der Buchse gerüttelt. Auf Kommando drehe ich die 8E auf den Rücken und halte wie schon in Tarmstedt so genau es geht meine Geschwindigkeit. Dann die Aufforderung zum sanften Rückenkreis mit fünf Grad Bank. Und wieder merke ich, dass man auch auf dem Rücken absolut koordiniert fliegen kann, wenn man nur den Druck im Schädel konsequent genug ignoriert. Kurz darauf fliege ich im Normalflug wieder im 45-Grad-Eck hinter dem Motorsegler, wir beschleunigen auf etwa 150 und ich lasse die 59 mit einem kräftigen Zug am Knüppel bei gleichezitigem Seitenruderausschlag um die Längsachse schnippen. „Das sah ja geil aus“, kommentiert Tobias im Funkt, und ich freue mich schon diebisch auf das Foto.

Nach der Landung kommt aber das böse Erwachen. Tobias’ Kamera hat zwischendrin andauernd ausgesetzt, und so ist keins der Bilder aus der Session so richtig verwertbar. Frust auf beiden Seiten. Aber was willste machen? Für einen dritten Flug ist es zu spät, und Frau Barth wartet zuhause bereits mit dem Abendessen. Also flugs den Flieger auseinander gerissen, den Anhänger gesichert und den Ärger auf später verschoben. Und um ehrlich zu sein – so richtig viel Ärger wars auch gar nicht. Den Abend nutzen wir noch, um gemeinsam Fotos anzugucken und zu quatschen, und im Gästezimmer finde ich ein weiches Bett vor. Gastfreundschaft par Excellence, danke dafür!

Im Duo über die Hansestadt

Nächster Stopp meiner Flugplatztour: Hamburg-Boberg. Hier bin ich mit Peer vom HVL verabredet, um mir die Hansestadt mal aus der Luft anzugucken. Dafür bietet der Platz im Osten der Stadt mit einer Entfernung von gerade mal 15 Kilometern zur Hafencity beste Voraussetzungen. Das Wetter allerdings lässt kaum auf gute Segelflugbedingungen hoffen. Aber der Turbo wirds richten, sagt Peer, mit dem ich mich am Airbus-Werksflugplatz in Finkenwerder treffe, um gemeinsam nach Boberg zu fahren. Allerdings geht er den Verkehr ziemlich sportlich an, und ich habe einige Mühe, mit der 8E im Schlepptau dranzubleiben. Aber irgendwie schaffen wir es doch in einer knappen Dreiviertelstunde durch den Verkehr zum Flugplatz. Dort ist Dienstags immer Flugbetrieb, normalerweise die Senioren, jetzt alle, die Corona bedingt Zeit haben. ASK 21, ASK 23 und ein Duo stehen bereits am Start. Ob wir uns da unkompliziert einen Doppelsitzer klauen können?

Zunächst wieder das übliche Spiel, wenn man mit einem Anhänger, der auf den ersten Blick weder als Spindelberger noch als Anschau zu erkennen ist, irgendwo auf den Hof rollt. „Wasn da drin? Zeich ma her!“ Also Deckel auf, Rumpf raus und die wesentlichen Fragen beantwortet. Peer hat uns in der Zwischenzeit den Duo klargemacht. Also rin in die Kartoffel, Startcheck und ab dafür. Im Gegenanflug ziehen wir den Turbo und ratteln uns ein paar Minuten nach oben, damit es zumindest für eine kleine Sightseeing-Tour reicht. Auch wenn uns wegen der Kontrollzone ein Flug über die Innenstadt verwehrt bleibt, so finde ich es doch unheimlich spannend, Hamburg so nah zu sehen. Die Hafencity mit der Elbphilharmonie und dem großartigen Miniaturwunderland, der Hafen mit seinen Containerterminals und überhaupt das ganze urbane Umfeld faszinieren mich total. Peer gibt vom Rücksitz den Tourguide. Nach knappen 20 Minuten sind wir wieder unten. Eine knappe Stunde und ein Eis später bekommen wir noch die Chance auf einen zweiten Flug, und ich parke den Duo danach direkt vor der Halle ein. Boberg erlebt, Daumen hoch und danke für die freundliche Mitfluggelegenheit!

Beim Benni zu Besuch

Nach Hamburg blieb noch die Frage: wohin als nächstes? Bis zum DoSi hatte ich noch etwas Luft, nur Donnerstag wollte ich in Stuttgart sein, um mal paar Klamotten durch die Waschmaschine zu pressen. Nach der Boberg-Aktion hatte ich es noch bis Hannover geschafft und durfte dort bei einer guten Freundin aus Schultagen die Reste selbstgemachten Hühnerfrikassees verhaften und konnte von hier aus viele Plätze schnell erreichen. Als mein Kumpel und Fliegerarzt Benni aus Gelnhausen darauf hinwies, dass bei ihm am Platz Segelflugbetrieb sei und auch die Box ruckzuck angemeldet werden könne, war klar, wohin mich der Weg führt. 330 Kilometer mit Anhänger sind zwar kein Pappenstiel, aber da auspennen angesichts der Tatsache, dass zwei Kids durch die Wohnung turnen, eh nicht drin war, sollte ich kurz nach dem Mittag dort sein können. Gesagt getan. Gegen 13 Uhr schlage ich in Gelnhausen auf, ein Ort, mit dem mich die ziemlich schräge Freundschaft zu Benni und seiner Frau Melanie verbindet.

Vielleicht ist das der einzig richtige Moment, um das öffentlich zu machen: Am 16. Dezember 2017 gründete ich auf Facebook die Gruppe „Ride & Fly – Wo Reiterinnen auf Piloten treffen“. Mutmaßlich aus dauerhafter Frustration über mein Singledasein heraus ist das entstanden, und weil ich kurz zuvor auf dem Blog Pferdekosmos einen hoch interessanten Beitrag mit dem Titel „Warum Männer reiten und Frauen segelfliegen sollten“ gelesen hatte, dessen Logik ich mich nicht verschließen konnte. Zu dieser Zeit saß ich mit meinem aerokurier-Office noch Tür an Tür mit der Cavallo-Redaktion, und mutmaßlich hat mir eine von den Mädels den Link geschickt. Jedenfalls wird darin vom konträten Geschlechterverhältnis der beiden Sportarten berichtet, und wenn man mal bisschen in Statistiken wühlt, bestätigt sich das dort Geschriebene. Also warum nicht den gefrusteten Reiterinnen und Piloten gleichsam was Gutes tun und eine Plattform für Begegnungen initiieren? Gesagt, getan. Die Mitgliederzahlen stiegen, und tatsächlich gab es irgendwann rund 40 Prozent Single-Ladys in der Gruppe – selten für solche Anbahnungs-Prothesen. Irgendwann fanden sich auch Benni und Melli in diesem Dunstkreis wieder, und Mellis Einstands-Statement hatte ziemlich den Nagel auf den Kopf getroffen und musste einen versierten Jak-Piloten einfach zu einem Kommentar hinreißen. Man schrieb sich, traf sich – der Tatsache zufolge, dass nach nicht allzu langer Zeit Sohn Emil dazu kam lässt den Schluss zu, dass man sogar Sex hatte – und ich habe seitdem wohl für immer in Gelnhausen eine Couch, auf der ich pennen kann. Melli hat inzwischen zudem den LAPL(A) und Benni ein Pferd… Mir selbst hat die Gruppe übrigens nichts gebracht, trotz der aktuell 660 Mitglieder…

Zurück zum Thema. Angekommen, Döner gegessen, nen Strafzettel über 30 Ocken kassiert, weil ich aufm fremkontrollierten Netto-Parkplatz die Parkscheibe vergessen hatte und schließlich vor Wut kochend wieder am Platz angekommen. Flieger raus, visiere dran und dann erstmal ein nettes Gespräch mit dem Supervisor der DFS gehabt, ob man denn die Airliner, die im Anflug auf die Frankfurter 27 in dreieinhalbtausend Fuß über den Platz donnern, nicht mal für zwei Stunden umleiten kann, damit der Herr Reinhold spielen gehen kann. Und siehe da: die DFS konnte. Das hat mich dann doch überrascht und mir einmal mehr gezeigt, dass viele Dinge gehen, wenn man nur nett fragt.

Zeitgleich am Platz ist auch Moritz Kirchberg, der hier ein paar Starts auf einer Cub für die Spornradeinweisung machen will und sich sofort bereit erklärt, mein Spaßprogramm zu kommentieren. Short Story noch shorter: Der erste Flug ging völlig daneben, mieses Positioning und die Hälfte der Figuren vergeigt. Das zweite hingegen war wohl so, dass sich selbst Moritz zum ein oder anderen Lob hinreißen ließ. Und sogar das Weibchen sah wohl richtig schön aus. Beim zusammenpacken helfen mir Bennis Bruder und noch ein paar andere Gelnhausener, wobei ersterer drängelt, denn im Hause Schaum gibts zum Abendessen Burger, und Zuspätkommer müssen dann die Küche putzen oder so… Dennoch setze ich hier noch den Plan um, meine Anhängerdeichsel mit Griptape zu bekleben. Benni hat mir vor seinem Verschwinden nach Hause und in die Küche ein paar Reste und eine Schere bereitgelegt. Beim Einladen des Staufachs gut zehn Tage zuvor war ich im Übereifer auf die feuchten Deichselträger geklettert und hatte im Wegrutschen fast nen Abgang gemacht, worauf mir die Idee mit dem Tape kam.

Schließlich kommen wir im Dunkeln bei Benni an und in der Küche sind die Burger schon am brutzeln. Dazu gibt es urst gutes Radler aus Hellers Brauwerkstatt, das mir der Braumeister, ein Kumpel von Benni, höchstselbst als oberlecker, da wenig süß weil mit selbst gemachter Zitronenlimonade gemixt, anpreist. Und obwohl ich kurz zuvor eigentlich zu dem Schluss gekommen war, dass ich kein Radler mehr trinken will, kaufe ich gleich noch vier Flaschen, die der Braumeister dabei hatte.

Als ich am Donnerstag Abend endlich mal Zeit finde, mein Flugbuch zu führen, frohlocke ich, dass ich auf dem DoSi mein erstes Tausender voll mache. Natürlich kein Strecken-Tausender, sondern den tausendsten Start. Dann fallen mir im Vereinsflieger noch drei Flüge von mir auf, die ich offenbar vergessen habe einzutragen. Och nö! Nachdem das Malheur korrigiert ist, wird mir klar, dass die Tausend ungefeiert an mir vorüber gegangen ist. Mein tausendster Start war der zweite in Gelnhausen. Aber hey, immerhin hat Moritz den als gar nicht mal so übel besprochen. Damit kann ich dann doch irgendwie leben.

Koppüber in Agathazell

Nach einem Tag Waschpause gehts direkt weiter ins Allgäu nach Agathazell. Bayern-Dosi – der einzige Wettbewerb, den ich in diesem Jahr fliegen sollte. Dafür hatte ich mir von den Kollegen der Caravaning-Redaktion eine knallgelbe Knutschkugel samt passendem Zugfahrzeug geborgt, denn einen Flieger musste ich ja nicht mitnehmen. Als ich am frühen Nachmittag am Flugplatz aufschlage, bin ich einer der ersten. Wohnwagen abstellen, dabei bemerken, dass ich keinen Steckeradapter von Womo auf Schuko dabei habe und schon die erste Bastelaktion planen. Vorher noch Tonanlage aufbauen und verkabeln – immerhin habe ich mit Ines vom Degerfeld einen grandiosen Kulturbeitrag geplant. Von vorbereitet zu sprechen wäre hier sicher übertrieben. Also Baumarkt, zwei Stecker und ein Stück Kabel sowie drei Lampen für die Lichterkette in der Halle geholt und zurück zum Platz. Allerdings rächen sich jetzt der Stress des Tages und zu wenig Flüssigkeitszufuhr, und ich habe nen mega Schädel, der mich sogar dazu zwingt, auf den Trainingsflug zu verzichten. Dank Chief-Judge Suna – im richtigen Leben Ärztin – gibts für mich ne Tablette, sodass ich bis zum Eröffnungsbriefing mit meinem Kopf wieder durchs Hallentor passe. Wenigstens was.

Fleischi, einer der FIs, die an meiner Leidenschaft für Kunstflug erhebliche Schuld tragen, hat als Wettbewerbsleiter den DoSi Generalstabsmäßig organisiert. 3D-Animationen der Box, die sich derjenige Kunstflieger, der echt viel zu viel Zeit hat, vorher hätte in Google Maps anschauen können, eine bis auf einen Eckmarker komplett ausgelegte Box und vor allem die detaillierten Zeitpläne, wer wann in welchem Flugzeug zu sitzen und zu starten hat, lassen so ein ganz kleines bisschen Salzmanncup-Feeling aufkommen. Denn da haben wir im Vorjahr in Vielbrunn den Startkladden-Fanatiker und den F-Schlepp-Verschränker erlebt, die mit militärischem Führungsstil respektive kruden Ideen zur Effizienzsteigerung im Schleppbetrieb für einige Erheiterung sorgten. (Anmerkung dazu: den permanent rumbrüllenden Typ mit der Kladde, der jeden irgendwie von der Seite angemacht hat, hat keiner so richtig ernstgenommen, und der Schleppbetrieb lief trotz der Doktorarbeit im Vorfeld einigermaßen chaotisch, weil man versuchte, mit einer bis zum Stehkragen vollgetankten Diesel-Remo Föxe in den Himmel zu ziehen, und weil auch schonmal Schlepp-Piloten doof guckend rumstanden, obwohl ein abflugbereiter Segler auf einen Schlepp wartete… Abgesehen von diesen kritikwürdigen Punkten hat das dort aber durchaus Spaß gemacht!)

Mit 19 Teilnehmern ist der DoSi nahezu ausgebucht, und auch die Judgeline ist prominent besetzt. Suna, Robins Freundin, wacht als Chief Judge über den ordnungsgemäßen Ablauf der Wettbewerbsflüge, weiterhin sitzen hier Nationaltrainer Schorsch, Rainer, Linda und Tobi mit ihren Assistenten, allesamt erfahrene Schiedsrichter. Und ziemlich unbestechlich. Suna macht direkt klar, dass Einspruch zwar möglich aber a) teuer und b) sinnlos ist. Nunja.

Der Abend geht schließlich mit einer eineinhalbstündigen Probe in der Werkstatt dahin, in der Ines, Martin und ich probieren, aus Gitarre, Cajon und Mundharmonika ein brauchbares Programm für den folgenden Abend zu zimmern. So schlecht klangs nichtmal. Ab in die Knutschkugel und halbe gerissene ins Bett.

Samstag. Frühstück und Wetter top. Und soooobock! Da Fleischi vergisst, meinen Cockpitplatz zu verlosen, der durch die kurzfristige Absage von JL vakant geworden ist, setze ich mir Matze aus der Advanced-Nationalmannschaft hinten rein. Der ist zwar als Safetypilot eingeplant, diesbezüglich aber noch arbeitslos. Wir starten irgendwo im Mittelfeld. Unser weltbester Schlepppilot der Welt, Sammy, ist wieder dabei, und angesichts der Konstanz, mit der er Segler in den Himmel zieht, bin ich geneigt, ihm ein T-Shirt mit dem Schriftzug MASCHINE drucken zu lassen. Wir sprechen das kuriose Programm nochmal durch und verständigen uns bezüglich der Eingangsgeschwindigkeiten der Figuren. Haube zu und los!

Bei 1250 Metern klickt das Seil aus der Kupplung. Allerdings sind wir recht nahe an der Box, sodass ich mit dem Positionieren eigentlich schon zu weit reinfliege. Anwackeln, Fahrt, Donauwelle. Die Senkrechte aufwärts am Ende gerät einen Tick zu lang, sodass ich Mühe habe, die 21 auf der folgenden Linie zu halten. Senrechte abwärts, Fahrt holen für den Turn mit Loop in der Aufwärtslinie. Der Loop kommt, Fächerung ist so lala, Senkrechte drücken, Abfangen und rein in die zwei Viertel in den Rücken. 30° Aufwärts, Käseecke. Und dann die Fassrolle. Eher nicht schön, aber wahrscheinlich auch keine Null. Halber Kubaner, der Bogen könnte schöner sein und sicher wieder zu wenig Linie nach der halben Rolle. Senkrechte zum Humpty, knapp vor der Ballistik läuft die 21 in den Bogen, Senkrechte ab und abfangen. Treppe auf, Abwackeln. Blick zum Höhenmesser: 500 quetsch. Sollte gepasst haben. „Also ne Null hab ich da nicht gesehen“, kommt es von hinten. Sehe ich auch so, weiß aber nicht, wie das von unten ausgesehen hat. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass ich wieder mal zu schnell durch die Box gedübelt bin.

Nach der Landung debriefen wir noch kurz, kommen aber zu dem Schluss, dass es so schlecht nicht gewesen sein kann. Jetzt heißt es, den anderen zugucken, abschätzen, wer besser und wer schlechter fliegt, und natürlich beim Einsteigen und abfertigen helfen.

Irgendwann nach dem Mittag trommelt Fleischi zum Zwischenbriefing in der Halle. Alle warten gespannt auf ihre Platzierung nach dem ersten Durchgang. Ines auf Rang 1, Fisch auf 2 und Stephan auf 3. Immer mehr Namen fallen, meiner nicht. Ich spüre Enntäuschung und Wut in mir aufsteigen. Weniger, weil andere vor mir sind, sondern vielmehr, weil ich mir nicht erklären kann, wo ich die Punkte liegengelassen habe. Rang 12 von 19 ist es am Ende, ich koche innerlich, versuche aber noch irgendwie, mir das nicht anmerken zu lassen. Auch Matze guckt sparsam, weil er nicht so richtig kapiert, was da los ist.

Jetzt wird das Wettbewerbsfeld geteilt in Advanced und Sportsman. Die Advanced bekommt ein völlig krudes Programm, angesichts dessen ich eigentlich froh sein müsste, dass ich in der Sportsman gelandet bin. Wir haben aber auch ne ziemlich kreative Figurenfolge für unseren zweiten Durchgang bekommen: 30 Grad ab, mit einer je einer viertel Rolle in eine Richtung und wieder zurück in den Normalflug. Gezogener Humpty, halbe Donauwelle mit halber Rolle in Rückenlage und halbem Loop, Rolle, Wingover, Doppel-Loop, also zwei Loops auf einer Stelle, Turn, gedrückter Humpty, Aufschwung. Dideldum hat die Sportsman-Meute um sich gesammelt und geht mit uns die Figuren durch. Knackpunkte sind die gegenläufigen Viertelrollen, da die 21 nunmal langsam rollt und auf der Abwärtslinie sukzessive Fahrt aufnimmt. Auch die Donauwelle verlangt nach reichlich Fahrt, damit oben noch genug Energie für die halbe Rolle da ist.

Als nächstes fliegt die Advanced ihre Unknown, und ich bin eigentlich die ganze Zeit damit beschäftigt, meine Wut über den vergeigten ersten Durchgang irgenwie im Zaum zu halten. Ich kanns mir ums verrecken nicht erklären, was da falsch gelaufen ist. Und es gelingt mir leider nicht wirklich, das vor den anderen zu verbergen. Sowohl Robin als auch Dideldum scheitern daran, mir den Ärger auszureden. Keine Chance. Obwohl die ganze Nummer noch gar nicht gelaufen ist, fühle ich mich ein kleines bisschen wie nach dem letzten Durchgang bei den Schweizer Meisterschaften in Thun ein Jahr zuvor.

Die Zeit Schreitet voran, und es sieht ganz so aus, wie wenn die Sportsman erst am nächsten Tag fliegen kann und es bei insgesamt zwei Durchgängen bleibt. Als die Judges einpacken, gelingt es mir, einen Blick in den Wertungsordner zu werfen. Abgesehen von der Fassrolle, die jeder der Schiris anders gesehen haben will, sehen die Noten gar nicht mal so schlecht aus. Ganz unten im Bewertungsbogen steht die Antwort auf meine Frage nach dem warum: 70 Strafpunkte für ein low. LOW? WTF? Kann nicht sein. Wir waren nach dem Abwackeln sowas von saumäßig hoch, dass man da noch entspannt zwei Figuren hätte fliegen können. Low? Im Leben nicht. Als ich in die Bewertungsbögen linse, muss ich einsehen, dass alle vier Judges den gedrückten Humpty zu tief gesehen haben. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass wir auf der 30er-Treppe am Ende 100 Meter gut gemacht haben sollen. Aber was solls? Ändern kann ichs eh nicht. Was mich entspannt ist die Tatsache, dass ich ohne die Strafe im Gesamtclassement auf Rang sechs gelandet wäre und sogar meinen Kunstflug-Lehrer Oli hinter mir gelassen hätte. Ich muss bei dem Gedanken in mich rein grinsen, gebe aber nach außen weiterhin den „Wutbürger“. Auch wenn jetzt jede Bemerkung über blinde Schiedsrichter und dekalibrierte Augenmaße mit einem ironischen Unterton kommt. Ich vermute aber, den bekommen angesichts meiner realen Wut vom Nachmittag nur die wenigsten mit.

Am Abend hat unsere frisch zusammenimprovisierte Band ihren ersten Auftritt. Kurz zuvor gibt es aber noch eine Überrschung für mich. Fleischi überreicht mir ein Unklar-Schild in Flamongo-Rosa. Und damit hat unsere Kapelle dann auch ihren Namen, denn das Blechding baumelt für die rund anderthalb Stunden, die wir unsere Kameraden und die vielen Helfer mit klassischer Lagerfeuermucke von Clapton, Pink Floyd und co. unterhalten, an meinem Mikrofonständer.

Noch an diesem Abend bekommt mein Copilot Matze die fristlose Kündigung, da er es versäumt hat, durch einen Hinweis auf die verbleibende Höhe das Low zu verhindern. Morgen fliege ich mit Isa, die gerade in Beilngries ihren Turnschein gemacht hat. Und sie bekommt einen einzigen Auftrag: den Höhenmesser nicht aus den Augen zu lassen und bei 600 und 500 Metern ne Ansage zu machen.

Tag zwei, Flug zwei, jetzt gilts. „Maschine“ setzt uns wieder perfekt positioniert vor der Box ab. Die Wechselrolle fühlt sich mit der 21 regelrecht behindert an, der gezogene Humpty läuft einigermaßen. In die halbe Donauwelle gehe ich zu langsam rein, sodass das Flugzeug regelrecht in den halben Loop reinfällt. Au Backe, das gibt wahrscheinlich ne Null. Die Rolle sitzt gefühlt halbwegs vernünftig, aber für den Wingover ist es arg wenig Fahrt, sodass die 21 nach der halben Drehung viel zu stark in die Abwärtslinie eintaucht. Doppelloop. Hoch, rum, raus, direkt wieder hoch, rum, raus. Wie das wohl von unten ausgesehen hat? Vorspannen, Senkrechte zum Turn, Tritt – hat man auch schon schöner gesehen. „600!“ kommt von hinten. 150 Meter noch. Ein zweites Low würde mich wohl zu wutbedingt vorzeitiger Abreise nötigen. Also Konzentration! auf zum Humpty, rumdrücken, Senkrechte nicht zu lange stehen lassen und raus. 45 auf, abwackeln. Höhe irgendwas über 500. Auch egal nun, vorbei ist vorbei.

Nach der Landung meint Isa nur, mein Flugstil sei gar nicht so rabiat wie sie befürchtet hatte. Ich fasse das mal als Kompliment auf und versuche, irgendwie mit dem zufrieden zu sein, was ich da zusammengeflogen habe. Gelingen mag mir das nicht so recht, was mich auch schonwieder ärgert, denn es macht ein stückweit den Spaß an solch einem an und für sich grandiosen Wochenende zunichte.

Nach den Wertungsflügen werden die Flieger zusammengepackt und es kehrt langsam Ruhe ein auf dem Agathazell International Airport, wie es selbstbewusst in großen Lettern am Tower steht. Und ja, der Platz ist echt schön gelegen. Und er hat einen unfassbar hohen Anteil an verdammt hübschen Mädels im Team. Hier muss ich wohl häufiger zu Besuch und zum Turnen kommen…

Fleischi pfeift zum finalen Debriefing samt Siegerehrung. Ich bin gespannt, wie schlecht es in Summe aussieht. Von hinten nach vorne geht er die Platzierungen der Sportsman durch, und als bei Rang vier mein name immernoch nicht gefallen ist, kann ich mich gegen die in mir aufsteigende Freude nicht wehren. Will ich auch nicht. Denn die Pokale, die die Organisatoren gebastelt haben, sind derart cool, dass ich mich einfach nur wie bolle freue, einen davon mit nach Hause nehmen zu dürfen. Silber in der Sportsman geht an Michael Köllner, Gold an Matthias Spreng. In der Advanced hat Ines abgeräumt. Sie hat nicht nur die höchste Gesamtpunktzahl, sondern auch den punkthöchsten Flug des Wettbewerbes gezeigt. Absoluten Respekt dafür. Rang zwei geht an Fischi, Bronze holt unser Mundi-Meuchler Martin. Damit gehen vier von sechs Pokalen des Bayern-Dosi nach Baden-Württemberg! Die BWLV-Luftturner haben wieder zugeschlagen.

Logisch, dass nach zwei derart emotionalen Tagen die Verabschiedungszeremonie so richtig wehmütig ausfällt. Aber während beispielsweise die Dideldums neun Stunden nach Hause in Kauf nehmen müssen, um Tags darauf wieder arbeiten zu müssen, geht es für mich weiter nach Schänis für ein Flugplatzportrait samt erstem Alpen-Einweisungsflug. Aber das ist wieder eine Story, die im aerokurier zu lesen sein wird. Spoiler: Es kommt ziemlich oft das Wort „Unlandbar“ drin vor…

Federleicht und Sackschwer

Aktuell ist es wirklich so, dass ich dem Erlebten schreiberisch kaum hinterher komme. Angesichts des coronabedingt verstpäteten Saisonstarts scheine ich all das nachholen zu wollen, was in er ersten Jahreshälfte liegengeblieben ist.

Tatsächlich gab es vor meinem Sightseeing-Flug über Gera noch ein Episode, die hier zumindest kurz Erwähnung finden sollte. Direkt von Riesa ging es nach einem Zwischenstopp zuhause nämlich nach Nastätten. Hier, so der Plan, wollte ich eine Einweisung auf Ultraleichtsegelflugzeuge machen. Natürlich berufsbedingt, für eine Reportage im aerokurier. Konkret hieß das, einen Start auf einer ASK 21 mit Harro Renth, Fluglehrer und Ausbilder beim Deutschen Verband zur Förderung des Sports mit Leichten Luftsportgeräten, kurz DVLL, und anschließend die Umschulung auf den Banjo. Wie üblich will ich nicht groß spoilern – sonst muss ja keiner mehr den aerokurier lesen – aber s sei so viel gesagt, dass ultraleichte Segelflugzeuge eine ganz andere Welt sind. Vom Aufrüsten angefangen – „Ähm, ist das alles oder kommt da noch Gewicht??“ – über den Start hinterm Trike, bei dem man nach gefühlt fünf Metern Rollstrecke in der Luft ist bis hin zum federleichten Fliegen und der Erkenntnis, dass schon leichter Gegenwind jede Landung zum Sarajevo-Approach macht. Nach drei starts und rund 60 Flugminuten im Banjo reckt Harro Renth den Daumen in die Höhe und gratuliert mir zum Ultraleichtschein für Segelflugzeuge. So mein Medical irgendwann mal ausläuft habe ich also die Chance, in dieser Klasse mit nahezu unglaublichen Freiheiten zu fliegen. Zwar nur Banjo, aber immerhin.

Eine Woche nach Gera habe ich mal wieder gemuggelt. Der Arcus stand rum, das Wetter sah brauchbar aus und ein Co-Pilot fand sich auch schnell. Nach bissl rumdaddeln und gemeinsamem Kreisen mit unserer Husky reichte die Thermik doch, dass selbst ich als Streckenflug-Versager bis zum Klippeneck und wieder zurück kam. Unterwegs trafen wir auf eine PIK-20E, unseren K1 und am Klippeneck auf eine Pilatus B4, wobei zumindest PIK und B4 zwei Muster sind, die man gar nicht so häufig am Himmel sieht.

Am Sonntag sattelte ich einmal mehr die 59 und zerrte sie nach Sinsheim. Hier hat meine Beziehung zu diesem Muster erst richtig angefangen, nachdem ich nach zwei Starts auf der Fördervereins-SZD in Landsberg nur noch genervt war von der vermeintlich beschissenen Sitzposition. In der Werkstatt des FSR Kraichgau aber habe ich mehr als eine Stunde Sitzprobe in Robins RK gemacht, mit GFK-Klotz in der Schale, ohne GFK-Klotz in der Schale, mit zig gerollten Handtückern hier und da und dort. Und irgendwann kam die Erkenntnis: scheiß drauf, für 20 Minuten Kunstflug gehts allemal.

Eine Sitzprobe am Boden und ein Besuch für eine aerokurier-Story über den Rolliflieger Martin Köhl reichen aber freilich nicht, um mir den Platz in meine Liste zu schreiben. Also heißt es: fliegen! Noch am Abend zuvor hatte ich mit mehreren Sinsheimern telefoniert, weil ich Robin zunächst nicht ans Rohr bekam. Aber Sonntag früh weiß ich, dass er auch da ist. Kaum angekommen, wird die 59 unter kompetenter Leitung zusammengesteckt und an den Start geschoben. Kurze Flächen, Visiere, Winde. Mal gucken. Short Story ganz short: Es ging nicht. Die Auskuppelhöhen reichten nichtmal, um ne ordentliche Sightseeingrunde über dem Museum mit Tu-144 und Concorde zu drehen. Ich lande lediglich um die Erkenntnis reicher, dass der Platz echt mitten in der City liegt und keine Fehler bei Startunterbrechung oder Landeeinteilung verzeiht.

Um allzu großer Frustration vorzubeugen, stelle ich mich direkt nochmal an den F-Schlepp und gönne mir einen Start auf 1250 Meter Höhe. Vor mir klemmt wieder Robins Advanced-Kür, die ich allerdings um eine ganze gerissene erweitert habe, um auch diese Figur zu trainieren. Da ich nicht wirklich gut vorbereitet bin, fliege ich die Viertelab direkt nach dem Weibchen, obwohl da eigentlich noch ein Turn auf der gleichen Linie gekommen wäre. Am Ende wirds ein ziemliches Durcheinander garniert mit mieser Positionierung und fehlender Figurntrennung, also klassisch 50 Euro zum Fenster rausgeworfen. Nunja. Als ich wieder am Boden bin, kommentiert Robins Freundin Suna meine Performance mit dem lapidaren Satz „So wie du am Boden rumläufst, so fliegst du auch.“ Das schlimme ist, ich weiß genau, was sie meint.

Zum Abschluss will ich mir eigentlich noch einen Windenstart gönnen, allerdings überrascht mich mein Flugzeug mit einem platten Reifen. Subbor Sach. Das Ventil steckt auch so weit drinnen, dass man nicht mal mit einer Ventilverlängerung dran kommt. Unter Robins Anleitung lerne ich, wie man bei der 59 das Rad ausbaut, und stehe anschließend in der Werkstatt, um die Felge auseinander zu fummeln und den Schlauch zu prüfen. Ein Tauchbad bringt aber kein Loch zutage, es blubbert nirgendwo. Also alles wieder zusammenbauen, Flieger verpacken und bei einer Cola den Tag ausklingen lassen. Gab schon schlechtere.

Offene Klasse, pt. II

Nur eine Woche später fahre ich wieder Richtung Sinsheim, aber dieses Mal ohne Flugzeug und noch weiter. Ludwigshafen-Dannstadt ist das Ziel, hier wartet das zweite Flugzeug der alten Offenen Klasse auf mich: die Sportinė Aviacija LAK-12. Als ich auf den Trichter kam, die vier alten Langohren für den aerokurier zu porträtieren, war ich fest überzeugt davon, dass dieses Muster am schwersten zu finden sein würde. Tatsächlich hatte ich nach der Jantar 2B-Aktion recht schnell zwei Flugzeuge im Auge, die in Roitzschjora hatte allerdings nur noch ein paar Tage ARC, und irgendwer gab mir dann den Tipp, dass in Ludwigshafen-Dannstadt wohl eine fliegt.

Peter, Kopf der LAK-12-Haltergemeinschaft, war relativ schnell überzeugt, dass das eine schöne Sache sei und vielleicht auch ein bisschen scharf auf nette Bilder von seinem Flugzeug. Am Freitagabend hatten wir uns für das Fotoshooting verabredet, und dank der Nähe zu Bensheim konnte ich einmal mehr auf Moritz und die Bensheimer Husky als kombiniertes Schlepp-/Fotoflugzeug zurückgreifen. Dankenswerter Weise ist der Kahn schon aufgerüstet, als ich in Dannstadt aufschlage, denn eine Fläche der LAK wiegt 108 Kilo! Nach einer guten halben Stunde ist alles im Kasten, und ich lasse mir von Peter bei einer Weinschorle noch erzählen, wie sie zu diesem außergewöhnlichen Muster gekommen sind.

Am nächsten Vormittag ist erstmal Regen angesagt, aber die Prognose für Mittag und Nachmittag ist gut. Das gibt mir genug Zeit für intensives Handbuchstudium. Folgt man den Ausführungen des Herstellers, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die LAK-12 absolut harmlos zu fliegen ist. Witzig: Selbst Kunstflugmanöver sind im Handbuch beschrieben – eigentlich ein Witz bei dem fetten Bock. Besonders interessiert mich das Ausleiten des Trudelns, denn natürlich will ich wissen, wie sie sich im Grenzbereich verhält. Vorbildlich: Am Ende des Handbuchs hat der Hersteller mehrere V-N-Diagramm für unterschiedliche Beladungszustände und Wölbklappenstellungen eingefügt. Sowas würde ich mir für alle Muster wünschen!

Nach ellenlanger Suche nach der passenden Sitzposition, einer Einweisung in die ausgefallene, aber wirksame Fahrwerskinematik und einem etwas wackligen Start verbringe ich eine gute Stunde mit der LAK in der Luft. Details gibts im aerokurier, aber so viel sei verraten: Es war das Flugzeug mit der am wenigsten definierten Steuerung, das ich je geflogen bin. Nie zuvor war mir so unklar, was genau bei der und der Bewegung am Knüppel passieren würde. Im Höhenruder ist sie direkt, aber die Querruder sind maximal schwammig, vor allem unter 100 km/h. Das Seitenruder funktioniert aufgrund seiner kleinen Fläche nur digital: an oder aus. Allerdings, und das überraschte mich dann doch, lässt sie sich bei 90 in der Thermik nahezu auf dem Teller drehen. Und ja, sie trudelt, lässt sich aber völlig unkompliziert wieder einfangen. Die Landung gelingt leidlich gut, nachdem sie aufgesetzt ist, lasse ich sie noch einmal abheben, bis sie wirklich rollt. Nicht schön, aber safe. Alles in allem eine außergewöhnliche Begegnung.

Auf dem Rückweg besuche ich noch einen Kollegen im Odenwald und checke gegen 19.30 Uhr in Malsch ein, denn hier fliegt Robin an diesem Abend eine Pyro-Show. Da kann ich mich noch beim Flugzeugschieben und Ablöschen nach der Landung nützlich machen. Viele andere Kunstflieger sind auch da. Außerdem treffe ich hier einen Leser meines Blogs, der behauptet, einer seiner Fluglehrer von den Luftsportfreunden Wesel sei mal von mir erwähnt worden. Eine Recherche ergibt, dass das Sascha war, der mich vor meinem ersten Alleinflug überprüft hat. Klein ist die Welt. Irgendwann gegen Mitternach rolle ich vom Hof und träume auf der Heimfahrt von meinem ersten Display vor Publikum. Bögchen und Schleifchen zu schöner Musik. Total entspannt.

Neues wagen

Am 16. Februar 2008 – vor 4579 Tagen – erschien in diesem Blog der erste Eintrag. Damals hatte ich wirklich keinen blassen Schimmer, ob die Segelfliegerei was für mich ist und wenn ja, wie lange ich dabei bleibe. Den ersten Post habe ich damals tatsächlich an dem Tag gemacht, an dem ich mich auf dem Flugplatz Taucha über die Möglichkeiten der Segelflugausbildung informiert habe, und insofern lässt sich hier wirklich meine gesamte fliegerische Laufbahn nachlesen. Wer weiß, vielleicht wird da irgendwann mal ein Buch draus oder so, keine Ahnung. Wer beruflich viel schreibt, hat privat oft nur noch bedingt Lust dazu, und zwischenzeitlich sah es mal so aus, als würde auch mein Blog das Schicksal vieler anderer teilen und zu einer langsam verblassenden Karteileiche in den Weiten des World Wide Web werden. Aber ich habe die Kurve gekriegt und mich doch wieder dazu aufgerafft, meine Erlebnisse zu teilen, und die Zugriffszahlen waren gerade in den letzten Monaten, in denen ich über die Anschaffung der 59 und meine ersten, ernstzunehmenden Kunstflugaktivitäten berichtete, wirklich ordentlich.

4579 Tage blieb „Mein Logbuch“ optisch unangetastet. Jetzt hat mir WordPress ein unschlagabres Angebot gemacht, mal meinen Tarif für wenig Geld upzugraden, und damit ergab sich auch die Chance, das Design mal zu modernisieren. Das wird bestimmt die nächsten Wochen noch etwas umgebaut, bis es mir richtig gefällt.

Ich hoffe, dass mir meine Follower weiter treu bleiben und sich beim Lesen der ein oder anderen Episode wiedererkennen. In diesem Sinne: Fliegt sicher, habt Spaß und ladet mich ein, euch besuchen zu kommen. Hals- und Beinbruch!

Heimatbesuch

Manchmal kommen großartige Sachen dabei heraus, wenn etwas nicht so läuft wie geplant. So war das mit dem Flug am vorvergangenen Wochenende.

Nachdem ich den Samstag mit einem herrlichen Großeltern – Enkel – Urenkeltag verbracht hatte, hatte ich mir für den Sonntag vorgenommen, endlich mal einen Loop über der Göltzschtalbrücke zu fliegen. Mit den Greizer Segelfliegern hatte ich schon zwei Wochen zuvor Kontakt aufgenommen, war dann aber doch in Ansbach geflogen, weil ich früh nicht wirklich aus dem Bett gekommen war und nicht die beste Zeit des Tages auf der Autobahn verbringen wollte. Zwar erreichte ich in Greiz am Morgen niemanden, konnte mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass dort angesichts des Megawetters kein Flugbetrieb sein könnte. Also die 59 angehängt und Kurs Greiz.

Auf den 30 Kilometern dorthin wurde das Wetter immer Besser. Zwar war es brutal heiß, aber Richtung Erzgebirge ploppten immer mehr Cumuli auf. Die zu erwartende Thermik sollte selbst für mich reichen, um die drei Kilometer bis zur Brücke zu schaffen. Als ich jedoch in Greiz ankomme, dröhnt nur der Motor einer Extra, die sich kurz darauf in Richtung Kunstflugbox verabschiedet. Ansonsten ist abgesehen vom Flugleiter niemand auf dem Platz. Es seien früh nur zwei oder drei Segelflieger da gewesen, die dann beschlossen hätten, es angesichts der Hitze sein zu lassen. What???

Zwei Telefonate später weiß ich, dass wohl auch die Zwickauer nur bis Mittag machen und dass auch in Gera aktuell geflogen wird. Gera, meine Heimatstadt. Zwar hab ich dort mal drei Platzrunden auf der LS1 geflogen, aber für ein richtiges Sightseeing hatte es damals freilich nicht gereicht. Ist heute meine Chance? Also kehrtgemacht, den gleichen Weg zurück, quasi ein Jojo mit dem Anhänger, und in Gera vorgefahren. Kurzer Schwatz mit den Kameraden vom dortigen Luftsportverein und flugs die 59 Zusammengesteckt.

Der folgende Text ist der, der eine Woche später in der Ostthüringer Zeitung über diesen Flug abgedruckt wurde. Warum ich den hier 1:1 veröffentliche, obwohl der Lokalkolorit jenseits meiner Heimatstadt kaum jemanden interessieren dürfte? Weil ich damit zeigen will, dass ein vergleichsweise banaler Flug über der Heimatstadt taugt, um eine knappe Zeitungsseite für den Segelflug zu bekommen. Also: Fliegt über eure umliegenden Ortschaften, schreibt was  dazu und bietet es der Zeitung an. Einfacher können wir  Öffentlichkeit für unseren Sport kaum bekommen.

Entdeckungen aus der Vogelperspektive

Lars Reinhold ist Luftfahrtjournalist und Segelflieger. Jüngst hatte der gebürtige Geraer zum ersten Mal die Chance, seine Heimatstadt aus der Luft zu erkunden. Eine ungewöhnliche Sightseeing-Tour.

Wo zum Teufel ist der Garten meiner Großeltern? So sehr ich den Kopf auch verrenke, ich kann ihn nicht entdecken. Der Funkturm auf dem Büchsenberg oberhalb Taubenpreskeln müsste doch selbst aus 1500 Metern über dem Boden eigentlich gut zu sehen sein, und ein Stück darunter sollte ich den Garten, in dem ich als Kind so viele schöne Stunden verbracht hatte, finden können. Ich peile die Zwötzener Wendeschleife an, beiße mich mit meinen Augen an der Kaimberger Straße fest und folge ihr bis sie unter meiner Tragfläche verschwindet. Dann drücke ich den Steuerknüppel noch weiter nach rechts und lege mein Segelflugzeug in eine noch steilere Rechtskurve, sodass ich beinahe senkrecht nach unten sehen kann. Da ist er! Genau unter mir!

Ungefähr drei Stunden zuvor hatte ich noch am verschlossenen Greizer Flugplatztor gestanden. Einmal einen Looping über der Göltzschtalbrücke fliegen, das war mein Plan gewesen, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass in Greiz bei diesem Hammerwetter kein Flugbetrieb sein könnte. Also kehrt gemacht, den Flugzeuganhänger wieder zurück nach Gera gezerrt in der Hoffnung, dass wenigstens der hiesige Luftsportverein der Hitze trotzt. Dank der Hilfe dreier Geraer Segelflieger sind die fünf Eizelteile – Rumpf, linker und rechter Flügel sowie linkes und rechtes Höhenleitwerk – ruckzuck zu einem Flugzeug zusammengebaut. Etwa 30 Minuten später bin ich startbereit, das Windenseil wird straff und die Beschleunigung drückt mich in den Sitz. Knapp 1000 Mal habe ich das inzwischen erlebt, und es ist doch immer wieder beeindruckend, wenn das Flugzeug innerhalb von drei Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h gebracht wird.

Die ersten zehn Minuten sind zäh. Aufgrund der Hitze kommen die thermischen Aufwinde, in denen ich Höhe gewinnen kann, unten raus nur schwer in Gang. Doch etwas südlich des Flugplatzes finde ich schwaches Steigen, das mit der Zeit stärker wird und mich auf knapp 2000 Meter über dem Flugplatz bringt. Die Sightseeing-Tour kann beginnen!

Nachdem ich den Garten am Büchsenberg entdeckt habe, geht es nach Lusan. Was mit dem Auto locker 20 Minuten dauert, erledige ich Luftlinie drei Minuten. Es sind ja auf dem direkten Wege auch nur gute zwei Kilometer. Der Sportplatz Brüte sieht aus der Luft sehr gepflegt aus, ein Stück davor, in der Karl-Matthes-Straße, stand einmal der Block, in dem ich häufig bei meiner Uroma zu Besuch war. Weiter Richtung Wendeschleife Zeulsdorf fällt mir auf, wie lückenhaft die Bebauung hier inzwischen ist. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, in der ganz Lusan dicht mit Plattenbauten zugestellt war und hier richtig Leben herrschte. Rechts abbiegen, über den Keplerpark, in dem ich bei LFG Oertel mein Schülerpraktikum absolvierte, nach Debschwitz. In der Eiselstraße verbrachte ich die ersten 16 Jahre, ein Reihenhaus mit Garten. Die alte 4. Grundschule in der Debschwitzer Straße ist lange abgerissen, nur die Turnhalle steht noch.

Nachdem ich mir mit einigem Kreisen in einem Aufwind wieder etwas Höhe geholt habe, bringt mich ein Abstecher nach links über die Radrennbahn zum Klinikum. Erst aus der Luft bemerkt man, dass die neuen Gebäude ziemlich UFO-mäßig aussehen mit ihren geschwungenen Formen und sich dadurch deutlich von den klotzigen DDR-Bauten des alten Krankenhauses abheben. Nochmal rechts, Kurs Ost und Blick zum Stadtzentrum. Der Hofwiesenpark ist derzeit eher Steppe, die Arcaden und das Stadtmuseum sind selbst aus der Höhe gut zu erkennen. Ich folge der Elster Richtung Tinz und suche nach dem alten Liebegymnasium, wo ich 2004 mein Abi gemacht habe. Auf dem Postsportplatz etwas oberhalb des markanten Baus habe ich insbesondere beim Ausdauerlauf den Lehrern manch bösen Fluch entgegengebrüllt.

In einem weiten Bogen geht es nun über die Autobahn wieder Richtung Flugplatz. Links die Pionierkaserne, in der ich immerhin 28 Tage Dienst am Vaterland leistete. Rechts unter mir Bieblach-Ost, wo viele meiner Freunde ihre Kindheit verbrachten und das ähnlich wie Lusan in den letzten Jahren Federn lassen musste. Stichstraßen, die ins Nichts führen, künden noch von der einst dichten Bebauung hier. Auf dem Weg nach Leumnitz drehe ich noch eine Runde über dem Osten und fotografiere den Reuß-Park, wo mich – wann immer es mich nach Gera verschlägt – bei meinen Eltern ein weiches Bett und ein leckeres Frühstück erwarten.

Während ich mich südlich des Flugplatzes langsam nach unten kreise, genieße ich noch ein paar Blicke auf die neue Landschaft Ronneburg. Ganz ehrlich: Wer nicht weiß, wie es hier bis ins Jahr 2000 aussah, wer nie die Halden und Löcher gesehen hat, die der Uranerzbergbau hinterließ, kann sich nicht vorstellen, was hier geleistet wurde. Nach gut zweieinhalb Stunden setzt das Rad meines Segelfliegers wieder auf dem Gras des Leumnitzer Flugplatzes auf, und ein Kurztrip in die eigene Vergangenheit endet. Gera aus der Luft ist ein echtes Erlebnis – das jedem offensteht. Eine Mail an den Luftsportverein Gera reicht.

An dieser Stelle muss ich noch Buße tun. Meine liebe Schwester hat sich massiv darüber beschwert, dass sie im Text nicht vorkam. Also, Schwester, groooßes Sorry. Kommt nicht mehr vor!

At Work

Ich habe ja das große Glück, dass mich mein Beruf regelmäßig auf Flugplätze landauf, landab führt. Die vergangene Woche verbrachte ich von Dienstag an auf dem Flugplatz Kamenz, um eine eher ungewöhnliche Geschichte zu produzieren: Einen Vergleich der drei Schuleinsitzer ASK23, Grob Astir und SZD-51 Junior. Alle drei war ich noch nie zuvor geflogen und konnte entsprechend unvoreingenommen an die Sache herangehen. Als ich mit der Idee bei Facebook um die Ecke kam und fragte, ob es Vereine gibt, in denen alle drei Muster fliegen, kamen zunächst die Boberger mit zwei 23en und einem Junior, dort fehlte aber der Astir. Kurz darauf schrieb mich Max Heilmann von der Luftsportjugend an und meinte, in Kamenz stünden Astir und Junior, und in Klix – Luftlinie nur einen Katzensprung entfernt – sei eine 23 behaimatet. Grund genug, nach Abklärung der Modalitäten mit beiden Vereinen meine Feldredaktion eine Woche in der Steppe nordwestlich von Dresden aufzuschlagen.

Inhaltlich ist die Woche schnell erzählt: Dienstag Nachmittag zwei Testflüge auf der ASK23. Dann ein Fotoflug mit Max  am Steuer der C42 aus Großenhain, mit der wir innerhalb von 40 Minuten alle drei Schulflugzeuge plus einen Jantar Standard 3 durchfotografierten. Mittwoch zwei Checkflüge mit dem Bocian und Lutz Kern als Lehrer, um mich würdig zu erweisen, das hiesige Vereinsgerät zu bewegen, sowie viel Office einschließlich eines fantastischen Interviews mit dem Stationsleiter von Christoph 6 in Bremen, der seit 37 Jahren Rettungshubschrauber für den ADAC fliegt. Donnerstag die Testflüge mit Astir und Junior mit insgesamt bestimmt 20 Trudelumdrehungen auf den beiden und am Ende noch ein hoch spannendes Interview mit dem Ober-Jantar-Jünger Markus Uhlig, der jüngst bewiesen hat, dass man nicht absurde Summen an Schempp-Hirth, Schleicher oder Jonker überweisen muss, um 1100 Kilometer zu fliegen.

Freitag gehörte schließlich mir allein, erst Maintenance an der 8E und dann zwei Windenstarts ohne Thermik und schließlich zweimal Wilga-Thermik für Turneinlagen. Und überdies viel Informationsarbeit bezüglich Kunstflugausbildung, Trudelverhalten von Segelflugzeugen und meine Erlebnisse im Fox-Cockpit gemeinsam mit Dideldum. Würde mich wundern, wenn am Ende nicht der ein oder andere Kamenzer doch Lust darauf bekommt, künftig andersrum (also richtigrum) zu fliegen…

Da ich dem Artikel nicht vorgreifen will, der irgendwann in einer der nächsten Ausgaben erscheint, nur ein kurzes Fazit an dieser Stelle: Keines der drei Schulflugzeuge Flugzeuge ist perfekt. Die 23 ist absolut idiotensicher, sich damit totzufliegen geht nur, wenn man sie unangespitzt in den Boden rammt. Ruderabstimmung ist mäßig gelungen, Trudeln mit meiner Masse völlig unmöglich. Der Junior ist vergleichsweise fickrig zu fliegen und bietet den schlechtesten Sitzkomfort, für ihn sprechen aber die automatischen Ruderanschlüsse (Ausnahme Höhenruder) und das geringste Gewicht, weswegen er einfach am besten steigt. Und er trudelt verdammt gut, was für ein Schulflugzeug vielleicht nicht optimal ist. Nach der fünften Umdrehung hab ich ihn dann rausgeholt… Und der Standard-Astir, ja was soll ich sagen: Es ist eigentlich eine Unverschämtheit, wie in der Szene über diesen Harzklumpen gelästert wird. Für meine Größe bietet er das bequemste Cockpit der drei, fliegt sich wirlich solide und dürfte am Ende die beste Gesamtperformance bieten, und das zum günstigsten Preis in dieser Konkurrenz! Einige Details sind sogar so genial gelöst, dass ich mich frage, warum andere Hersteller da vergleichsweise unsinnigen Mist bauen. Der Kuller fällt, falls vergessen, spätestens am Ende des Windenstarts von alleine ab, und die Fahrwerksmechanik ist feinster Maschinenbau und derart leicht zu bedienen, dass es mir ein Rätsel ist, warum beispielsweise Schempp-Hirth selbst bei seinen Premium-Mustern Kulissen einbaut, die sich ganz einfach scheiße bedienen lassen. Sorry für die Wortwahl, aber wenns im Discount-Einsitzer mit einer lässigen Handbewegung geht, dann verstehe ich nicht, warum ich beim Gastflug mit Passagier ohne Flugerfahrung im Zweihunderttausend-Euro-Doppelsitzer zero g fliegen muss, um das Fahrwerk einzufahren und zu verriegeln, weil mir die Kraft des Co-Piloten fehlt, der sonst mit am Gestänge reißt. Aber die Eindrücke werden bald im aerokurier nachzulesen sein.

Schließlich erfüllte sich am Samstag in Riesa-Canitz ein kleiner Traum für mich. Ich durfte einen Jantar 2B fliegen! Obwohl ich normalerweise mit 67,5 Prozent der Spannweite auskomme, reizte es mich doch ungemein, dieses polnische Dickschiff mal zu bewegen. Seit mehr als einem Jahr war ich mit dem Besitzer aus Jena in Kontakt, und der freute sich richtig, dass sich jemand für sein Flugzeug interessierte. Dann kam Corona, alles geriet ins Stocken, und er vercharterte den Flieger nach Riesa, weil er zwischenzeitlich sein Medical verloren hatte. Zu dem Zeitpunkt war ich schon knapp ein Jahr in der Versicherung eingetragen. „Du kannst jederzeit fliegen, wenn du willst, das würde mich freuen“, hatte Leo damals in seiner ersten Mail an mich geschrieben – und das, ohne mich zu kennen. Ein riesiger Vertrauensvorschuss! Und am Samstag war es dann endlich so weit. Uwe, der das Gerät aktuell in Charter betreibt, wies mich gründlich ein und briefte vor allem Start und Landung so ausführlich, dass nicht viel schief gehen konnte. Ich schrieb mir die wesentlichen Infos aufs Kniebrett, insbesondere Start und Landung verlangten eine Menge Aufmerksamkeit. Sollte der Flieger im Anrollen mehr als 15 Grad aus der Richtung kommen, sollte ich sofort Ausklinken. Und bei der Landung sei auf den Abfangpunkt zu achten, da der 2B ein sehr hohes Fahrwerk hat und man dadurch gegebenenfalls zu spät dran ist.

Auch hier greife ich dem Artikel nicht vor – am Ende soll daraus eine vierteilige Geschichte über die alte Offene Klasse werden. Das erste Flugzeug ist mit dem Jantar 2B erledigt, mal gucken, ob ich die anderen drei – Nimbus 2C, ASW 17 und LAK-12 – noch in dieser Saison schaffe, wird sich zeigen.

Schließlich bleibt noch, mich bei den Vereinen zu bedanken, die meine Arbeit unterstützt haben. Allen voran die Kamenzer, bei denen ich eine Woche wie ein Vereinsmitglied im Flugbetrieb assimiliert war, und die einen echt tollen Verein haben, um dessen Werkstätten ich sie so richtig beneide (siehe Bilder oben!). Danke auch an die Klixer, deren 23 ich verprügeln durfte und natürlich Dank an Leo und Uwe, die mich den Jantar 2B erleben ließen. Weiterhin Dank an die Riesaer, die extra dafür den Flugbetrieb länger am Laufen gehalten haben und natürlich an Claude für den Schlepp. Finaler Dank geht an Max für seinen Einsatz als C42-Kutscher bei den Fotoflügen. Es war mir ein Fest mit euch!

Trainings-Urlaub

Wenn man nach einer Woche einen Flugplatz mit einer Mischung aus debilem Grinsen und Wehmut verlässt, dann muss dort in den Tagen zuvor eine ganze Menge richtig gelaufen sein. Und genau so war es, in Ansbach, mit einer Meute von Kunstflugverrückten, die sich im Zeitraum der Corona-bedingt abgesagten DM für ein paar Trainingsstarts zusammengefunden hatten.

Allerdings – beinahe hätte ich an diesem illustren Treiben verletzungsbedingt gar nicht teilnehmen können. Drei Tage zuvor meinte ich nämlich, nach einem tiefenentspannten Tag mit Bau einer Flügelschere auf der Treppe zu meiner Wohnung umknicken zu müssen, Kreislaufkollaps und Fahrt im Rettungswagen inklusive. Immerhin: im Halbdelirium hatte ich es noch geschafft, das Malheur in unserer Whattsapp-Gruppe kundzutun, und ich war mir in dem Moment ziemlich sicher, dass die Bänder durch sind und der Urlaub damit gelaufen ist. In der Notaufnahme interessierte mein Fuß aber niemanden, der genervte Assistenzarzt hat sich, nachdem ich zweieinhalb Stunden zwischen wirklich ernsten Fällen nur umlag, nur das EKG angeschaut, mich gefragt, wie es mir geht und mich dann nach Hause geschickt. Auf dem Parkplatz vor der Notaufnahme sitzend – in Arbeitsklamotten, mit einem gänzlich nackten und einem immerhin besockten Fuß – rief ich direkt den Fliegerarzt meines Vertrauens an und bat um fachliche Einschätzung. Das Gespräch im Gedächtnisprotokoll:

„Hi.“
„Wat willste?“
„Umgeknickt, böse verstaucht, aua aua, nächste Woche Kunstflugtraining.“
„Hm, doof.“
„Spricht da was dagegen oder kann ich fliegen?“
„Welcher Fuß isses denn?“
„Der Linke.“
„Wie rum turnst du lieber?“
„Rechts.“
„Na dann ist doch alles gut!“

So stell ich mir medizinische Beratung Freitags um 22 Uhr vor. So und nicht anders. Und das als Kassenpatient! Der Doc meines Vertrauens [Achtung, Wertbeblock: umfassende flugmedizinische Betreuung finden sie bei Dr. med. Benjamin Schaum, www.fliegerarzt-gelnhausen.de] empfahl mir noch, mir Ibuprofen mitgeben zu lassen und gleich zu nehmen, um einer Entzündung vorzubeugen. Unterdessen hatten sich bei Whattsapp etliche Kameraden nach meinem Befinden erkundigt und klar gemacht, dass Kneifen nicht gilt. Selbst die Kunstflug-Mutti Franzi, Teamchefin der Nationalmannschaft, machte ne klare Ansage und verwies darauf, dass mit der Frau vom Dideldum (hier verwende ich mal Spitznamen, um beteiligte Personen zu schützen) eine Physiotherapeutin anwesend sei, die Erfahrung mit sowas habe.

Kaum von einem Kollegen zuhause abgesetzt, bekam der Knöchel einen Eisbeutel, und angesichts der Tatsache, dass das TV-Programm gar nicht so scheiße wie sonst war, zog ich mir noch zwei Filme rein und hatte entsprechend Zeit zum Kühlen.

Am Tag darauf geht es mir schon besser, das Kühlen und die Ibu scheinen erste Wirkung zu entfalten. Richtig motivierend ist aber ein Telefonat mit der Dideldumfrau, die mir erzählt, welche Wunder sie an verstümmelten Kunstflug-Piloten vollbringen kann, was wiederum die Erkenntnis reifen lässt, dass der Urlaub wohl doch nicht im Eimer ist. Linda hat bei einer WM vor einigen Jahren einen gewissen M. W. versorgt, der nach dem Genuss eines hopfenhaltigen Kaltgetränks (oder mehrerer?) meinte, seine Basketball-Skills demonstrieren zu müssen und dabei mit einer Bordsteinkante kollidierte. Ergebnis: die Kante gewann das Duell, Bänderriss. Die Dideldumfrau aber zurrte die malade Region mit Tape in Form und der Pilot konnte seinen Wettbewerb fliegen. Dann sollte es doch für Training auch reichen, oder?

Sonntag Anreise und großes Hallo. Es ist dieses Mal eine Mischung aus Leuten der Landsberg-Connection und anderen, die eigentlich in dieser Woche die DM fliegen wollten. Kaum dass ich mit offenen Fenstern und aus der Anlage dröhnender Top-Gun-Titelmelodie in Ansbach auflaufe, ereilt mich eine nahezu magische Begegnung: die mit dem Dideldum. Advanced-Teamweltmeister, inzwischen in der Unlimited unterwegs, und mir bisher nur auf Distanz vom Salzmann-Cup in Vielbrunn bekannt. Und irgendwie sah der auf den Fotos, die ich von ihm kannte, immer ziemlich unentspannt aus. Wir sehen uns an, grinsen und fallen uns in die Arme. Schräge Nummer, aber irgendwie bezeichnend dafür, dass jene, die mal eben nen Fuffi für 1250 Meter Höhe ausgeben und die dann innerhalb von fünf Minuten nahezu verbrennen, allesamt den gleichen Nagel im Kopp haben (Zitat Dideldum!). Ich freue mich wie bolle, mit Fleischi, JL und Oli drei der FIs wiederzusehen, die mir die Kunstfliegerei beigebracht haben, und alle anderen, die mir seit meinem Eintritt in die Sekte ans Herz gewachsen sind.

Nach einer halben Stunde ist Richtfest für meine Rohr-Tuch-Villa, und mancher fragt sich, ob da die 59 auch mit rein soll. Platz haben ist besser als Platz brauchen, zumal ich Ines, einer Kameradin vom Degerfeld, angeboten habe, ihren Schlafsack bei mir mit reinzuwerfen, weil sie nur ein paar Tage vorbei kommen will und sich dann ihre Dackelgarage sparen kann. Der Abend wird im Anschluss gemütlich, die Nacht dafür umso ungemütlicher. Meine Isomatte hat ein Loch und verliert Luft. Und das von mir bestellte Feldbett, das direkt nach Ansbach geliefert worden sein soll, ist unauffindbar. Egal, halbe gerissene und Nachtruhe.

Silber

Trainingstag 1. Da ich keine Ahnung habe, wie man eine Trainingswoche richtig plant, hab ich mir mal realistische Ziele gesetzt: Sicherheit, Spaß, silbernes Leistungsabzeichen. Und natürlich Erfahrungen auf meiner polnischen Schönheit sammeln. Das sollte doch drin sein, auch wenn ich noch nicht abschätzen kann, wie es sich mit meinem lädierten Huf fliegt.

Um nicht auf die Fresse zu fliegen, will ich zuerst ein paar Fox-Starts mit Lehrer machen. Der Reißwolf, einer der beiden Föxe des Segelkunstflug-Fördervereins BaWü, ist ohnehin in Ansbach stationiert und steht uns die ganze Woche zur Verfügung. Beste Voraussetzungen also, um sich gewisse Dinge von Leuten zeigen zu lassen, die es können. Außerdem ist mit drei Flugzeugen fast ein Zehntel der gesamten Swift-Produktion vor Ort, und meine 59 und die 21 der Ansbacher komplettierten das Acro-Quintett.

Nun brauche ich ein Opfer, das sich freiwillig zu mir in den Fox setzt. Zugegeben: Vor dem Hobel ist mein Respekt so groß, dass man fast von Angst sprechen könnte. Zu viele Unfälle haben sich damit schon ereignet, nicht zuletzt der von Silvia, die ich zwei Jahre zuvor in Reinsdorf kennegelernt hatte und die beim Training für ihr Gold-Programm verunglückt war. Das ist mir überraschend nahe gegangen, weil wirklich gut kenne ich sie nicht. Sie hat aber großes Glück im Unglück gehabt und ist auf dem Weg der Besserung und sogar schon wieder geflogen. Dennoch: Fox bleibt Fox: kurze Spannweite, hohe Flächenbelastung, brutal wirksames Höhenruder, dass den Eimer in nahezu jeder Situation zum Stall bringen kann. Daher gibt es klare Regeln: nichts Gerissenes unter 600 Meter. Andererseits ist es keine Option, mich an das Ding nicht heranzutasten. Aber eben mit Sinn und Verstand. Und mit Dideldum.

Den kann ich überreden, mit mir den ersten Start zu machen. Er meint, ich solle gleich Silber fliegen und schauen, wie es läuft. Er sei ja da, falls es schief geht. Nungut. Gemeinsam tanzen wir das ganze mehrfach durch und ich erkundige mich nach den passenden Geschwindigkeiten für die Figuren. Insbesondere der Innenrollenkreis macht mir Sorgen, weil ich den bisher nur auf der 21 geflogen bin. Und da ist er nichts anderes als ne Rolle mit extremem Höhenruderfehler. Ausheben, Querruder voll rein und dann reinziehen und rumdrücken. Beim Fox braucht das Querruder aber Gefühl, sonst ist der nach 90 Grad Abbiegen mehr als einmal um die Längsachse rum. Nach ein paar weiteren Tipps zu Start und Landung sitzen wir im Cockpit, ich gehe meinen Startcheck durch und schließe die Haube. Und habe Puls. Wie immer, wenn ich ein neues Flugzeug fliege. Das Seil strafft sich, der Fox nimmt Fahrt auf. Und hier wird es das erste mal ungewohnt, denn der Hobel braucht wirklich ne Menge Fahrt. Bei 110 kann man den so leidlich in die Luft lupfen, aber schön wirds erst ab 120. Alles was ich bisher so kannte flog da lange stabil der Schleppmaschine hinterher.

Apropos Schleppmaschine: Eine WT-9 mit Rotax 914. 115 PS, die geht gut. Dazu ein Schlepp-Pilot, der sein Handwerk versteht, die Schlepproute eingespeichert hat und wirklich jeden Akro-Segler mit 1250 Metern exakt mittig am Anfang der Box absetzt. Ich will jetzt kein Bashing betreiben, aber da können die meisten Vereins-Hobby-Schlepper einfach nicht mithalten. Ok, der Sammy fliegt die WT-9 mehrere hundert Stunden im Jahr. Aber das Geeier, was es laut Aussagen der Kameraden bei Wettbewerben immer wieder geben muss, wenn Hinz und Kunz schleppt, das kann einen Segelkunstflieger schon in den Wahnsinn treiben.

Rund zehn Minuten später sind wir in der Box. Gurte nochmal nachziehen, anwackeln und los gehts. 45° ab, Linie, Loop. Wenig Kritik von hinten. Schräger Humpty, Aufwärts läufts einigermaßen, die 45 Grad abwärts nach dem Bogen ist definitiv zu flach, das rausdrücken trotzdem unangenehm. Negative g finde ich immernoch doof. Rolle Rücken in Rücken – „Kein Seitenruder“, knurrt Dideldum von hinten. Dann die 180-Grad-Wende. Sah bisher immer Scheiße aus bei mir. Ist dieses mal gefühlt nicht besser. Halbe Rolle in Normalflug. „Kein Seitenruder!!!“ Grrr. Turn. Schlampig vorgespannt, aber immerhin richtig getreten. Fächerung i.o., senkrechte passt. Die Kubanacht garniere ich mit den üblichen Radius-Variationen, da bin ich immer reichlich kreativ. Dann der Rollenkreis. Irgendwie gelingt es mir, den Fox rumzuwürgen, ohne völlig aus der Richtung zu kommen, auch wenn am Ende wohl zehn Grad fehlen. Die hole ich mir im Viertelkleeblatt wieder, richte in der Box aus und hole mir in der abschließenden Vierzeitenrolle wieder einen Seitenruder-Anschiss. Abwackeln, feddich. Die Höhe reicht noch, damit mir Dideldum mit der Ansage „Ich zeig dir mal nen Ordentlichen Turn“ des Flugzeug entreißt, am Knüppel zerrt und mir vor Augen führt, dass beim Fox wirklich immer ein Stall provoziert werden kann. Die Lautäußerung von hinten lässt auf eine Überraschung seinerseits schließen, die ich mit einem (für ihn unsichtbaren Grinsen) quittiere. Quod erat demonstrandum. Dideldum fängt den tänzelnden Fox wieder ein und setzt nochmal ordentlich zum Turn an. Der fächert schön, und kaum ausgeleitet übergibt er mir wieder das Kommando und ich versuche mich an meiner ersten Fox-Landung. Es ist schon ungewohnt, mit einem Flieger mit 130 in den Platz reinzubettern. Später im Lehrgang lerne ich dafür noch die passende Vokabel: Fliesenleger-Anflug – Kacheln bis zum Boden.

Kaum wieder unten und das Flugzeug aus der Bahn gezerrt – Gegenlandung ist im Kunstflug obligatorisch, da alle zu faul zum Schieben sind und sich der Verkehr eh in Grenzen hält – die gefürchtete Frage: „Wie fandest Du es selbst?“ Und ich in meiner überbordenden Selbstkritik nehme den Flug natürlich völlig auseinander. Dideldum hingegen bremst mich ein und meint, es sei gut gewesen. Angesichts meines Trainingsstandes und des für mich ungewohnten Flugzeugs gebe es gar nicht so viel zu kritteln. Auch als ich das Diktiergerät von Trainer Schorsch abhöre, klingt das alles gar nicht so mies. Die 45°-Auf- und Abwärtslinien sowie die Senkrechten waren allesamt nicht optimal, aber wertbar. „Dann die 59 aufrüsten und fliegen“, weist Dideldum an. Ich sehe das anders und kontere, dass ich es noch einmal doppelsitzig fliegen will, weil ich mich a) noch nicht sicher genug fühle und b) keine Lust habe, mich am ersten Trainingstag umzubringen.

Nach dem Mittagessen stecken wir meinen Hobel zusammen, und es bringt mich zum Grinsen, die 59 das zweite mal mit montierten Visieren zu sehen. Ja, Schätzelein, gleich gehen wir spielen.

Einigermaßen widerwillig steigt Dideldum noch einmal in den Fox und lässt sich von mir durchschleudern. Wieder ist das Programm für meine Begriffe wertbar, und die Auswertung nach dem Flug ergibt nochmal nahezu das gleiche. Laut Schorsch alles wertbar, laut Dideldum Ok, aber nicht so gut wie der erste Versuch. „Der Flug war unnötig, du hättest ihn nicht gebraucht. Jetzt flieg das Programm auf der 59 und gut ist.“

Das reicht mir als Ansage, und nachdem ich mich noch eine halbe Stunde in einen der Campingstühle unter unserem „Event-Shelter“ gelümmelt habe, tanze ich den ganzen Kram noch einmal durch. Dann schiebe ich die 21 an den Start hinter die Swifte und bereite mir das Cockpit vor. Im Geiste gehe ich das Programm nochmal durch, das direkt vor mir im Programmträger klebt. Wird schon laufen. Haube zu und los gehts. Die 59 ist hinter der Dynamic wahrscheinlich kaum zu spüren. Es ist kurz vor 17 Uhr, die Luft abgekühlt und entsprechend sauerstoffreich. Mit im Schnitt vier Metern pro Sekunde steuer Sammy den Schleppzug wie auf Schienen zur Box. Ausklinken anwackeln und 45 Grad ab.

Ich habe an den Flug selbst wirklich absolut keine Erinnerung. Als ich abwackle bin ich mir relativ sicher, bestanden zu haben, denn alle Figuren waren drin und keine komplett vergeigt, auch wenn ich den Rollenkreis mutmaßlich nicht sauber geflogen bin. Mit ein paar Spaßfiguren turne ich die Resthöhe ab, melde Position und poltere die 59 über den Platz. Im Adrenalin vergesse ich, den Schwanz in der Luft zu halten, und der erste Schlag aufs Spornrad bringt den Kübel natürlich zum Trüffeln. Egal, die Schutzfolie wirds schon halten. Kaum ist die Haube auf, steht Martin vor mir und mein trocken, ich hätte mich wohl für einen Kasten Bier qualifiziert. Auch Schorsch bestätigt: bestanden. Lehrgangsziel am ersten Tag erfüllt, und das mit Klumpfuß. Hätte schlechter laufen können.

Erste Unbekannte

Die zweite Nacht im Zelt ist nicht wesentlich besser als die erste. Meine Isomatte verliert immernoch Luft, und dagegen hilft es auch nicht, vom Feldbett zu träumen, das der Hermes-Bote wahrscheinlich irgendwo im Wald abgestellt hat. Weitere Erkenntnis: Ines quatscht auch im Schlaf, ich bin also nicht der einzige, der seine Tageserlebnisse des Nachts akustisch verarbeitet. Allerdings labert sie Schwäbisch, und mir fehlt ein Simultandolmetscher.

Nach einem klassischen Flugplatzfrühstück – Semmel mit Wurst gefolgt von Semmel mit Nutella – räumen wir die Flugzeuge aus der Halle und bringen sie zum Start. Nachdem Silber im Sack ist, meinen all jene, die es wissen müssen, ich müsste nun unbekannte Programme fliegen, um mich langsam an die Wettbewerbssituation heranzutasten und herauszufinden, welche Figuren mir liegen und welche ich für sich trainieren muss. Schorsch hat ein buntes Sammelsurium an Programmen dabei und drückt allen Advanced-Fliegern dasselbe in die Hand. Soso. Männchen. Noch nie absichtlich geflogen. Loop mit Zweizeitenrolle drin – dasselbe. Der Rest zumindest verständlich, wenngleich nicht unbedingt im ersten Anlauf machbar. Aber was sollst, ab ins Cockpit und in die Luft!

Was mir hier in Erinnerung bleibt, sind die aufs Neue schlampig geflogenen Winkel in den Linien. Das rausdrücken aus dem Rücken in die 45°-Aufwärts ist noch immer reudig, das Rausrollen hingegen halwegs entspannt. Das erste Männchen geht völlig überraschend gut, in der Viertelab hole ich mir die leicht verzogene Richtung wieder. Gedrückter Humpty ok, jetzt der Chinesenloop. Die Rolle kommt viel zu früh und oben fehlt natürlich die Fahrt. Völlig verkackt. Turn – ok. Dann der Aufschwung mit der Wechselrolle. Weil ich offenbar zu wenig Fahrt auflege, reicht es oben nicht mehr für die halbe in zwei Zeiten. So ziemlich jeden meiner eigenen Kritikpunkte höre ich kurz danach auch auf dem Band von Schorsch. Hier greift der Spruch „Hat sich nicht umgebracht, Applaus.“ Im Zweiten Versuch läuft es etwas besser, dafür wird das Männchen zum Weibchen, was einmal mehr meinen Zentralrechner kurz ausknipst und wieder bootet. Mit der Bewegung ist mein Hirn schlicht überfordert. Zwei Flüge reichen mir, auch, weil ich versprochen habe, die ganze Meute mit Soljanka zu bekochen. Damit die auch mal wissen, dass wir im Osten nicht nur von trockenem Brot gelebt haben… Während ich am Gaskocher stehe, dreht JL noch eine Runde mit meiner polnischen Schönheit. Und hat ganz offenbar seinen Spaß dabei.

Lichtschwert und Sprengeinweisung

Mittwochfrüh. Es schifft. Entsprechend zäh kommt der Tag in Gang. Ich habe wieder beschissen geschlafen, meine Isomatte musste ich mitten in der Nacht nachpumpen. Zudem bin ich genervt davon, dass ich meine Schlafmaske vergessen habe – ich kann echt nur im Dunkeln pennen und verfluche am frühen Morgen jeden Lichtstrahl. Schließlich musste ich schon um sechs Uhr mal raus um Getränke zu recyceln. Beim Frühstück gucken alle sparsam aus der Wäsche, weil klar ist, dass bis Mittag nichts fliegen wird. Ab Mittag ist dann weitgehend klar, dass auch bis zum Abend nichts fliegen wird. Dennoch: Die Stimmung leidet darunter kaum, alle nutzen die Zeit, um irgendwelchen Kram zu erledigt. Programme werden besprochen, Tipps ausgetauscht, Veranstaltungen geplant.

Ich nutze den Tag, um mir die Insignie der Kunstflieger-Coolness ins Cockpit zu bauen: den LED-G-Messer. Eingeweihte nennen ihn nur das Lichtschwert. Ein Balken von LEDs, die bei definierten G-Lasten aufleuchten und optisch und akustisch vor Überlastung warnen. Ab 3 g beginnen grüne LEDs nach innen zu laufen, ab 6 g kommen gelbe dazu und es ertönt ein Warnton aus einem Summer. Bei 7 g werden die LEDs rot und es gibt einen Dauerton. Negativ sind die Werte -2, -4 und -5. Der Vorteil ist, dass die LED-Anzeige auch aus dem Augenwinkel erkennbar ist und man einfach schneller weiß, was anliegt, als beim Blick auf die Zeiger des normalen g-Messers.

Das ganze System besteht aus dem LED-Balken, der Sensorbox, dem Summer und ein bisschen Kabelage. Robin, der das Ding auch bei sich verbaut hat, sägt mir für die Montage ein paar Winkel passend, während ich den Kabelbaum für die Stromversorgung aufdrösle. Der passende Schrumpfschlauch ist natürlich nicht zur Hand, sodass wir die Lötstellen mit Isolierband überkleben. Sieht scheiße aus, aber früher oder später muss die ganze Verkableung von den Akkus bis nach vorne ohnehin neu. Ich stehe total auf sauber verlegte Kabelbäume, ordentliche Stromverteiler und vernünftige Stromkreisabsicherungen, und so wie die 59 aktuell verkabelt ist, ist es ne Katastrophe. Auf einem Akku hängen FLARM und LX, auf dem anderen der Funk. Wen einer leer, is alle, umschalten ist nicht. Wird im Kunstflug nicht passieren, aber ich hätte es trotzdem gerne anders. Das muss dann aber komplett neu von hinten bis vorne. Und ein LED-Blitzer ist ja auch noch in Planung.

Die Sensorbox findet mit Doppelseitigem Klebeband Platz am LX, der Sensor kalibriert sich selbt. Das Lichtschwert befestigen wir ebenfalls mit Wundertape, und das hält tatsächlich bombenfest. Der Summer wird mit Kabelbindern an einen der Kabelbäume getüdelt, das muss reichen. Bei der Panelsanierung irgendwann wird das alles richtig gemacht. Irgendwann.

Schließlich muss ich noch den Programmträger einkürzen, damit man das Schwert auch sieht. Nach einer halben Stunde mit Eisensäge und Schleifpapier ist das Werk fertig. Das Schwert leuchtet, der Programmträger sitzt wieder und ich kann es nicht lassen, immer wieder den Akku anzustecken und mich an der Disco zu erfeuern.

Am Abend klart es etwas auf, und wir nutzen die Chance auf eine gemütliche Runde am Lagerfeuer. Irgendwann erzählt Dideldum aus seiner Bundeswehrzeit bei den Pionieren. Ich stelle mal die steile These in den Raum, dass die Bundeswehr der Arbeitgeber ist, über den jene, die dabei waren, in ihrer aktiven Zeit am meisten Fluchen und danach am meisten zu erzählen haben. Als Pionieroffizier hatte Didel natürlich auch mit Sprengstoffen zu tun. So gibt er eine Geschichte nach der anderen zum Besten, und die Runde lauscht gespannt. Als es schließlich um ein Malheur infolge eines nicht eingehaltenen Sicherheitsabstandes geht, platzt es aus Schorsch heraus: „Na das ist doch klar: 300 Meter bei Holz, 500 Meter bei Stein und 1000 Meter bei Stahl!“ Ich, von Unwissenheit über Schorschs vergangenheit bei der Bereitschaftspolizei geschlagen, kommentiere den Satz mit „Was man auf der Judge-Schule halt so lernt.“ Das reicht, um die Runde komplett zusammenbrechen zu lassen. Als Schorsch dann auch noch erklärt, warum man bei einem Zündversager 15 Minuten warten muss, haben wir unsere take-home-message für den Rest der Woche. „Drei Abstände und eine Zeit!“ wird die Frage der Fragen…

Erst den Burrito, dann den Wrap

Donnerstag, das Wetter taugt immernoch nicht zum Fliegen. Wieder ist Werkstattarbeit angesagt, der Swift von Fleischi, Oli und Franz bekommt auch noch ein Lichtschwert. Highlight des Tages ist aber – abgesehen vom Grillen am Abend – die Show, die Franz abliefert, als er versucht, sein Wurfzelt einzupacken. Mit der Arbeitsanweisung „Erst den Burrito, dann den Wrap!“ versucht die Dideldumfrau das Drama in geregelte Bahnen zu lenken, während ihr Ehemann mit diabolischem Gekicher ein Video von der Aktion macht.

Achso, mein Feldbett ist tatsächlich aufgetaucht. Das war im Ort an irgend eine Adresse geliefert worden, die Amazon automatisch anstatt der von mir eingetippten Flugplatzadresse übernommen hatte. Und die Leute dort haben es an eine ähnliche Adresse im Nachbarort weiter gegeben. Am Vorabend hatte ich dort einen Zettel im Briefkasten deponiert, und derjenige, der es angenommen hat, bringt es mir tatsächlich auf den Flugplatz.

Trudelei und Weltmeisterprogramm

Freitag, Wetter! Frühstück, aushallen, warten bis sich der Nebel verzieht und los gehts! Zunächst darf der Dideldum eine Runde 59 fliegen, und findet „dat Mopped jar ned mal so schlecht“. Nach dem Mittag verdonnere ich ihn zu einer weiteren Fox-Runde mit mir, denn ich will mal ne richtige Trudelübung machen. Das letzte Mal mit Lehrer ist lange her, und der Fox bietet beste Möglichkeiten, mal alle rotierenden Sauereien durchzuspielen.

Vorher gibt mir Dideldum eine intensive Bodeneinweisung in die Trodelzustände. Das Normaltrudeln wird nach Standardmethode ausgeleitet, das habe ich mit der 59 schon mehrfach durchexerziert. Wirklich spannend wird es im Rückentrudeln. Das ist nur was für Kunstflieger, dürften die meisten Streckenmuggels denken. Weit gefehlt! Martin Pohl vom Kunstflugförderverein Aufschwung Ost hat ein sehr lehrreiches Video gedreht, wie ein Segelflugzeug bei übertriebener Gegenreaktion in Form zu starken Drückens aus dem Normaltrudeln nahtlos ins Rückentrudeln umschlägt. Zunächst demonstriert er das mit einer 59 – klar, ein Kunstflugzeug macht ja jeden Scheiß mit. Dann aber fliegt er mit einer LS4, und auch die geht bei übetriebener Reaktion direkt auf den Rücken und dreht munter weiter. Nun ist es, erklärt Dideldum, entscheidend, über die Nase zu peilen, um die Drehrichtung des Flugzeugs richtig einzuschätzen. Guckt man hingegen nach oben, durch die Haube, dreht sich alles genau andersherum! Da das Rückentrudeln auch nach Standardmethode ausgeleitet wird, ist es aber essenziell zu wissen, welche Richtung die Rotation gerade hat. Dann Gegenseitenruder, Höhensteuer nachlassen und Abfangen. Soweit die Theorie. Wenn noch Höhe über ist, will ich mal eine halbe Gerissene probieren. Dideldum stimmt zu.

1300 Meter. Halbe Rollen in den Rücken und Fahrt wegdrücken. Der Fox wird weich, schüttelt ein wenig und mit einem Seitenruderausschlag geht er ins Rückentrudeln. Ungewohnt, aber beherrschbar. Ausleiten klappt. „Jawoll, so passt das „, kommt von hinten. Jetzt ziehe ich im Normalflug die Fahrt weg, trete ins Seitenruder und der Fox bäumt sich auf, beginnt aber nicht zu drehen. „Drin bleiben, drin bleiben“, quäkt Dideldum. Nach einer halben geeierten Umdrehung geht der Fox ins Trudeln. Die übertriebene Gegenreaktion mit voll gedrücktem Höhenruder lässt ihn unmittelbar umschlagen ins Rückentrudeln. Blick über die Nase: Obwohl ich rechts herum eingeleitet habe drehen wir jetzt links herum. Also Gegenseitenruder rechts, Höhensteuer neutral und sofort habe ich ihn wieder. Wahnsinn! Wenn einen sowas in niedriger Höhe erwischt, musst man wirklich genau wissen, was man tut und vor allem dem Impuls, zu ziehen, um den Höhenverlust zu stoppen, einfach konsequent ausschalten können. „Das war gut!“, sagt mein FI zufrieden.

Jetzt die halbe gerissene. Fahrt 150, schlagartiger Zug am Knüppel und Seitenruder rechts. Der Fox flippt herum und mit perfekt getimtem Gegenseitenruder fange ich ihn auf dem Rücken ein. „Yeah, die war ja mega“, höre ich den Master. „Halbe Rolle in Normalflug und nochmal!“. Ich tue, wie mir geheißen, und auch die zweite sitzt auf Anhieb perfekt. Sollte ich mich doch mit dem Flugzeug anfreunden, vor dem ich bisher riesigen Respekt bis Angst hatte? Mit einigen Spaßfiguren verballere ich die Resthöhe und setze die D-6660 wieder auf die Ansbacher Piste. Als wir die Haube aufklappen, kommentiert Dideldum die Aktion nur mit „Wie geil war das denn bitte?“ Offenbar war mein Timing gar nicht so schlecht.

Noch zwei Flüge mache ich auf der 59 und probiere, das Programm, mit dem Robin Einzel-Silber bei der Advanced-WM irgendwann vorm Krieg geholt hat. Der erste Flug ist eher mäßig, beim zweiten klappt es etwas besser. Auch wenn ich hinterher erschrecke, dass der Schleppzeiger bei -4,3 g eingerastet ist. Tatsächlich beschäftigt mich seit Beginn meiner Kunstfliegerei die Frage, wie gesund es sein kann, sich auf diese Art und Weise das Blut in den Schädel zu drücken. Beim Salzmann-Cup hatten es manche Kameraden derart übertrieben, dass ihnen Äderchen in den Augen und im Gesicht geplatzt sind. Wenngleich mein Fliegerarzt [Achtung, Wertbeblock: umfassende flugmedizinische Betreuung finden sie bei Benjamin Schaum, www.fliegerarzt-gelnhausen.de] mir mal erklärt hat, ich würde mir beim Scheißen auch mindestens drei g in den Kopf pressen, warte ich noch auf eine neurologische Studie, die mal wirklich untersucht was da passiert, und mir ganz offiziell Entwarnung gibt. Bis dahin werde ich wohl immer die Bremse im Kopf haben…

Fliegerisch ist Ansbach damit für mich im Wesentlichen durch. Ich habe endlich mein Baby wirklich artgerecht bewegt, habe mit demoliertem Fuß das silberne Segelkunstflug-Leistungsabzeichen abgelegt und bin die ersten unbekannten Programme geflogen. Die ersten Männchen und Weibchen habe ich ebenso in die Box gedengelt wie die ersten gerissenen Figuren. Und mit dem Trudeltraining fühle ich mich jetzt auch nochmal sicherer in solchen Situationen.

An dieser Stelle nochmal der Appell an alle Segel- und Motorflieger, egal ob mit Kunstflug-Ambitionen oder ohne: macht Trudeltrainings! Sucht euch Leute die das können, davon gibt es genug, und spielt das durch. Mental, im Bodentanz und praktisch in der Luft. Das kann im Fall der Fälle lebensrettend sein. Und es macht auch noch einen Heidenspaß! Eine Episode, die ich dazu vielleicht noch erwähnen sollte, ist die von Dani. Die hat in Ansbach nicht nur ihren Turnschein light – das neue Basis-Acro-Rating – geschafft, sondern, und das ist viel wichtiger, ebenfalls mit Dideldum ein Trudeltraining geflogen, um endlich über das Trauma hinwegzukommen, dass ein unbeabsichtigtes Trudelerlebnis mit einem Cirrus vor vielen Jahren in ihr ausgelöst hat. Als sie nach dem Flug aussteigt strahlt sie, und zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass ihre Gesichtsmuskeln vom Lachen verkrampft sind und nicht vom Stress und Druck, den diese unverarbeitete Situation immer wieder in ihr ausgelöst haben, wenn Gespräche auf das Thema Trudeln kamen.

Als die Halle eingeräumt ist, unterschreibt mir Dideldum tatsächlich das Fox-Checkout. „Du kannst den fliegen, da bin ich mir sicher. Halte dich einfach an die Grundregeln: Nix ohne Strömung unter 600 Meter und penible Fahrtkontrolle im Anflug.“ Da bin ich dann doch ein bisschen stolz.

Bei Schnitzel und Kartoffelsalat klingt der Tag aus und setzt einen perfekten Schlusspunkt unter eine Woche im Kreise von ziemlich verrückten und verdammt liebenswerten Menschen, die allesamt gezeigt haben, was Segelkunstflug bedeutet: Sicherheit, Disziplin, Sportsgeist und eine riesige Portion Spaß!

Nachklapp

Am Samstag, nachdem die Rohr-Tuch-Villa wieder abgebaut und das ganze Gerödel im Auto verstaut ist, mache ich mit Matze, Pilot im Advanced-Nationalteam, noch einen Fox-Start. Allein traue ich mich doch noch nicht. Und nochmal wird getrudelt und auch der Rückensackflug demonstriert. Irre, wie der Fox da mit einer Sinkrate von 20 Metern durch den Himmel schwabbelt. Ob ich mich jetzt alleine reinsetze? Villeicht. Vielleicht mache ich aber auch noch ein paar Starts mit einem, der es wirklich drauf hat. We will see. Oberorganisator Klaus meinte nur: Wenn du hier lang fährts, komme vorbei. Er steht immer aufgerüstet in der Halle! Also Lust hätte ich schon… 😉