Nach zehn Tagen Dauerstartbereitschaft auf der BBSW kam mir die Woche danach direkt wie Entzug vor. Es war brutal. Und in dieser Zeit habe ich so richtig gemerkt, wie wichtig mir das Fliegen ist. Und aus diesem Grund hieß es auch am vergangenen Wochenend: Ab auf die Hahnweide.
Am Samstag sieht das Wetter tatsächlich gut aus. Der erste Eindruck bestätigt sich, als zwei Flugschüler mit der Kilo 4 (Discus b) und der Kilo 8 (Discus 2b) je knapp zwei Stunden am Himmel hängen bleiben. Irgendwann pfeift sie der Fluglehrer runter und ich mache mir die Kilo 4 klar. Das heißt zunächst, FLARM und Handy via Blauzahn-Funk koppeln und so XCSoar mit den GPS- und Barodaten des Kollisionswarners versorgen. Nach drei Umwegen im Menü klappt das tatsächlich. Was die Ergonomie angeht ist es im alten Discus auf den ersten Blick nicht viel anders als in seinem Nachfolger, den ich drei Wochen zuvor viermal um den Platz gescheucht habe. Laut Fluglehrern unterscheiden sich beide auch vom Flugverhalten her kaum. Also Check, Haube zu und los. Der Start geht recht problemlos vonstatten, allerdings steige ich – wie so oft beim Erstflug mit einem unbekannten Typ – zu flach. Aber besser so als einen Stall zu riskieren. Die Überraschung kommt nach dem Ausklinken: Ich kurve nach links ab und der Faden macht, was er will. Entweder gebe ich viel zu wenig Quer- oder viel zu viel Seitenruder. Egal was ich mache, es passt nicht! Überhaupt kein Vergleich zum 2b, den ich auch schon als sensibel in Erinnerung hatte, bei dem ich den Dreh aber nach kurzer Zeit raus hatte. Außerdem dröhnt die Kilo 4 von hinten unangenehm in tiefen Frequenzen. Nunja. Da ich keine Thermik finde, mache ich mich klar zur Landung, setze die Positionsmeldung ab und haue das Fahrwerk raus. Kurve links über den kleinen Höhenzug östlich des Platzes, Höhenkontrolle, Kurve links in den Endanflug. Passt. Jetzt konzentration und sauber runter kommen. Tatsächlich gelingt es mir, den Flieger hinzuhungern, bis das Spornrad kurz vor dem Hauptrad aufsetzt. So soll es sein. Ganz zufrieden bin ich dennoch nicht, kürzer ginge immer – wenngleich alle anderen im Prinzip auch nicht kürzer landen als ich.
Nach zwei weiteren Flügen diskutiere ich mit Ausbildungsleiter „Biggo“ Berger, ob ich für die Überlandberechtigung mit dem Discus wirklich noch 30 Stunden am Platz rumgeigen muss oder ob knapp 20 Stunden Mönchsheide-Bootcamp plus die 20 Stunden LS1 aus dem Vorjahr dafür nicht ausreichen. Letztendlich will der Chef von mir die Pflichtstarts sehen – fünf pro Muster – und dann kann es mit der Streckenjagd im Wolf-Hirth-Bomber losgehen. Also schiebe ich noch zwei Starts auf der Kilo 4 hinterher, die aber allesamt nur Platzrunden werden. Egal, ich brauche die Starts und noch mehr die Landungen ohnehin für die Sicherheit am für mich immer noch ungewohnten Flugplatz. Am Ende steht im Mitgliedsausweis die Erlaubnis für die Überlandflüge.
Auch am Sonntag prügeln sich die Flugschüler fast um den Discus 2b. Auch der zweite, die Kilo 6, ist verplant, zudem gehen der Twin, der 2c mit 18 Metern und der Cirrus mit der Kennung Sierra 2 in die Luft. Wie ich so am Start in der Sonne vor mich hin brate und den anderen beim Fertigmachen helfe, kommt mir ein kühner Plan: Warum nicht Duo fliegen? Fluglehrer Kilian lässt sich breit schlagen und nimmt hinter mir Platz. Komisch, aber irgendwie fühle ich mich in dem 20-Meter-Bomber schnell sauwohl. Beim Start bin ich wieder etwas zu zaghaft, komme dennoch auf 350 Meter AGL. Anfangs ist es die Steuerung noch etwas ungewohnt – viel scheint vom ersten Flug auf dem Typ nicht hängen geblieben zu sein. Nullschieber, das sinken verzögern. „Kreis den mal mit 85 bis 90, das geht super“, kommt es von hinten. Tatsache, er verhält sich gutmütig und fliegt stoisch die von mir gewünschten Kreise. Nach sieben Minuten geht es zur Landung, und Kilian dirigiert mich ein stück weiter nach draußen, als ich es vom Einsitzer her gewöhnt bin. „Der gleitet einfach besser, und wenn Du zu nahe bist, kommste zu weit.“ Dann mach ich einen Kardinalfehler. Bedingt durch den Kurswechsel vom Platz weg kurve ich zu spät ein und entriegle, wwie vom Bocian gewöhnt, gleichzeitig die Klappen. Es geht einigermaßen sauber runter und ich versuche, den Anweisungen Kilians folgend genau die Fahrt zu halten, um nicht zu weit zu kommen. Da merkt man, wie 700 Kilo Trägheit nach vorne schieben. Als wir ausgerollt sind mahnt der Fluglehrer, dass das Klappen ziehen in der Kurve potenziell saugefährlich ist, denn wenn man dabei noch an Fahrt verliert reicht die Höhe meist nicht aus, um ein Abrutschen oder gar Trudeln zu korrigieren. Klingt sehr plausibel.
Im zweiten Anlauf läuft es besser, und mit Feingewinden, dich ich dank des guten Handlings des Fliegers in die Luft schneide, gelingt es uns, Höhe zu halten und sogar 150 Meter gut zu machen. Nach 17 Minuten ist das Spiel vorbei und wir hauen das Fahrwerk raus. Dieses mal will ich es besser machen mit der Landung, nehme aber unbewusst zu viel Fahrt auf, sodass Kilian eingreift und den Duo mit einem ordentlichen Slip an den Boden prügelt. Gut, dass jemand im Cockpit saß, der es kann. Ich wäre sicher nicht abgestürzt, hätte aber den halben Platz gebraucht, um zu landen.
Zum Abschluss des Flugwochenendes wird mir noch die Ehre zuteil, die Kilo 6 nach Hause zu fliegen. Gerne, zumal nach der ernüchternden Begegnung mit dem „alten“ Discus am Vortag. Also rein, Gurte fest und… was ist das? Ein naturtrüber Fahrtmesser? Bullshit. Warum sich Kondensat im Glas gebildet hat lässt sich nicht ermitteln, aber da das Instrument laut Aussage des vor mir fliegenden funktioniert hat, lasse ich mich davon nicht beirren. Haube zu, Startcheck und ab die Post. Im Anrollen bemerke ich, dass der rote Faden noch an einer einzigen Faser hängt. Kaum ausgeklinkt und abgekurvt, fliegt das wichtigste Instrument konsequenter Weise weg. In diesem Moment wünsche ich mich in eine alte Ostmöhre zurück, nen Piraten oder gar nen Bocian, denn dank der dort verbauten Wendezeiger (die zumeist deaktiviert waren) hatte man für diesen Fall immernoch eine Kugellibelle, die das Scheinlot anzeigte und damit Auskunft gab, wie sauber man flog. Keine Zeit also, sich über die herausragende Ruderabstimmung des Discus 2b zu freuen. Nach zwei oder drei Kreise im Sinken fällt mir zudem auf, dass ich erstaunlich wenig an Höhe verliere. Um genau zu sein verliere ich gar keine Höhe. Klopfen am Höhenmesser bringt nichts, das Ding klemmt. Großes Kino. Also vorsichtig zur Position, Fahrwerk raus, Landemeldung. Der Anflug kommt mir viel tiefer vor als er in Wirklichkeit ist, denn ich komme bequem bis zur Platzmitte, fange ab und rolle direkt vor der Einfahrt zur Halle aus. Beim Einschlag in den Globus hat auch der Höhenmesser „genullt“ und steht jetzt genau auf Platzhöhe. Tolle Sache, wenn wenigstens das Ergebnis stimmt.
Wir rüsten den Flieger ab, und nach meiner Meldung an den Vorstand kommt die Order, das Gerät gleich in die Halle zu fahren, zwecks Reparatur. Kommentar von Fluglehrer Jo: „Der rote Faden ist weg? Dann ist die Kiste unklar bis Weihnachten!“ So viel dazu. Beim Rangieren das Anhängers zur Halle vergesse ich natütlich, eine Stütze hochzukurbeln und verbiege sie total. Na super. Dritter Flugtag im neuen Verein und schon was kaputt gemacht. Ich beichte und mache mich gleich an die Reparatur, als die anderen den Rumpf in die Werkstatt stellen. Nach gut einer Stunde mit viel Eisenbiegerei funktioniert die Stütze wieder. Und es scheint so, als überwiege beim Vorstand die wohlwollende Erkenntnis, dass ein Journalist nicht nur schreiben, sondern auch schrauben kann, den Ärger über den Schaden. Mit WD40 auf die Schneckenachse und neuen Stoppmuttern auf den Schrauben sieht die Reparatur auch ordentlich aus. Na wenigstens was. Erst zwei Tage nach meinem „Ohne-Faden-und-Höhenmesser-Flug“ fiel mir ein, dass ja auch das E-Vario von Zander einen Höhenmesser integriert hat. Aber siehe da, im Notfall geht es auch ohne.