Es ist vorbei. Und das ist bitter. Hatte ich schon bei meiner BBSW-Teilnahme im vergangenen Jahr bei der Abreise das Gefühl, mich von liebgewonnenen Menschen zu trennen, so begleitet mich dieser Eindruck in diesen Tagen noch viel mehr. Ja, so sentimental bin ich manchmal. Aber der Reihe nach.
Nach meiner Ackerlandung am 11. Mai zeigt sich das Wetter einen Tag später keinen Deut besser. Für die Club-/Standardklasse wird gleich beim Briefing neutralisiert, die Renn/Offene und die DoSis bekommen zwar noch Aufgaben, aber nachdem die Crews eine Stunde auf der Wiese geschmollt haben wird der Tag abgebrochen. Also ab in die Sauna… Anschließend lassen wir den Tag bei einem Essen am Gutshof ausklingen – bei wunderbarer Abendsonne.
Einen Tag später sieht das Spiel so ähnlich aus, allerdings wissen unsere Wetterfrösche noch nicht, ob das Mistwetter uns voll trifft oder vorbei zieht. Nachdem in einem Feldbriefing die Streichung des ersten Wendepunktes bekannt gegeben ist warten wir zunächst in einer Mischung aus Sonne und dunklen Wolken auf den Start. Langsam wird klar, dass der Tag auch keien Wettbewerbsbedingungen bietet, schließlich neutralisieren die Chefs. Da über dem Platz das (grau)blaue Loch klafft und ich Bock zu fliegen habe, hänge ich mich hinter die Morane und lasse mich ins Ungewisse schleppen. Allerdings: Die dunklen Wolken ziehen ordentlich. Vielleicht ein Drittel der Flugzeuge startet, ein paar Clubbis, ein paar Dosis und auch der ein oder andere Rennklasseflieger. Es steigt gut, aber bei 1200 Meter wird es sehr sehr diesig, an der Basis ist es absolut grenzwertig zu fliegen. So richtig geheuer ist mir das Ganze nicht, aber die Lust am Fliegen ist in diesem Fall stärker.
Irgendwo kreist gerade irgendwer einen Bart kaputt und irgend ein anderer kommentiert lakonisch „Na, das gemeinsame Kurbeln üben wir aber noch mal…“. Ein zeitlang fliege ich einem DoSi hinterher und feile seine angemalten Aufwinde nach. Nach vielleicht 30 Minuten ist der Top-Meteo-Bernd im Funk zu hören. Was er genau gesagt hat, weiß ich nicht mehr, aber inhaltlich hat es sich in etwa im Rahmen „Das Wetter ist totale scheiße, aber die Chancen stehen gut, dass es noch schlechter wird“ abgespielt. Wenn der meint, es wäre Zeit zu landen, dann sollte auch ich meinen Arsch auf die Erde bekommen. Aber wie das so ist: Es steigt und steigt. Also Klappen raus, Querruder links, Gegenseitenruder und runter den Kahn. In diesem Flugzustand schüttelt die Else wie eine Waschmaschine im Schleudergang, vermutlich, weil reichlich verwirbelte Luft vom Flügel auf das Pendelruder trifft. Mit Slips und Steilkreisen vernichte ich Höhe und bekomme zweimal sogar Regentropfen ab. Die Landerichtung ist inzwischen von 28 auf 10 geändert, weil der Wind gedreht hat. Weil ich keine Ahnung habe, welche Turbulenzen durch die Bäume im Anflug verursacht werden, fliege ich mit Überfahrt an, der Platz ist ja lang genug. Bei einem knappen Drittel der Bahn fange ich ab, setze auf und rolle nach rechts raus. Das Pisswetter kommt immer näher, und sofort sind Kameraden bei mir und helfen, den Flieger an den Anhänger zu schieben. Zunächst helfe ich Henning vom LSC Erftland, der direkt neben mir steht beim Abrüsten, dann ist die Else dran. Kurz bevor der Rumpf verschwindet, fängt es richtig an zu schütten, und wir werten den Tag in kleiner Runde unter dem Carport für die Anhänger aus. Bernds vorhergesagte vier Achtel Cumulus sind inzwischen deutlich gewachsen, trommeln aufs Dach und werfen sogar mit Hagelkörnern.
Für den 13. Mai scheint das Wetter etwas besser zu werden. Da die Basis jedoch niedrig und der Wind stark sein soll, entscheidet sich die Wettbewerbsleitung dagegen, Clubklasse-Weitwurf zu spielen und lässt uns am Boden. Ich reiße unbedacht meine Fresse auf und beschwere mich, dass mir damit die letzte Chance genommen wird, das Feld aufzurollen. Gerd verdonnert mich darauf hin dazu, meine Karre aufzurüsten und Schnüffler zu spielen. „Sonst nehmen wir ja Leute, die das können, aber wenn es Freiwillige gibt, dann nehmen wir auch die“, kommentiert er und das Plenum grölt. Nunja.
Ich stecke also die Else zusammen in der Gewissheit, 40 Euro für nen F-Schlepp auszugeben und mich dann derart zu blamieren, dass es nur für ne Platzrunde reicht. Ganz großes Kino. In der Staraufstellung frieren sich schließlich alle den Arsch ab und ich warte drauf, dass mir Gerd den Befehl zum Start gibt. Nichts aber passiert. Während wir warten, inspiziert Markus Böhnisch den Ventus vom Top-Meteo-Bernd und analysiert die kleinen Turbulatoren, die am Rumpf und am Flächenansatz kleben und gemeinsam mit den Wölbklappenscheiben dafür sorgen sollen, dass die Kiste trotz deutlichen Mehrgewichts besser steigt als Markus‘ eigener (der ist übrigens ein Musterbeispiel an Sicherheit: Gesamtrettungssystem, Dynafoam, Blitzlicht auf dem Rücken und reichlich Leuchtlack an Nase, Winglets und Seitenruder; vielleicht stelle ich den hier mal noch ausführlich vor).
Schließlich taucht der Besitzer des Fliegers auf, scheucht die Meute weg und übernimmt den Schnüffelstart höchstselbst. Als auch der Profi, der bestimmt 300 Stunden im Jahr fliegt, so gar nichts findet, wird neutralisiert. Heute schleppe ich den Flieger einfach nur zurück, rüste ab und mache meinen dritten Saunatag. Hier ein bisschen Schleichwerbung, denn das Monte Mare in Andernach ist ein absoluter Geheimtipp. Teuer, aber jeden Cent wert. Auch an diesem Abend wird das Wetter noch richtig schön, in der Abendsonne sitzen wir bei einer oberleckeren Soljanka zusammen, die mein Vater für uns, die Erftländer und den Geisen/Wiesenthal-Clan kocht. Bei Eierlikörchen, leckeren Weinen und dem üblichen Neuzeller Klosterbräu Kirsch machen wir uns einen schönen Abend, an dem sicher auch die Hunde ihren Spaß gehabt haben dürften – Fotobeweis in der Galerie 😉
Sonntag. Briefing auf 11.30 Uhr verschoben. Es gilt verschärfte Hörbereitschaft. Die Bernd-Fischer-Show startet mit dem gleichen diffusen Wolkenbild wie am Vortag. Die Startbereitschaft wird bekannt gegeben: 25. Mai 2017, 11.30 Uhr. Damit ist klar, der Sonntag ist neutralisiert und alle können sich in Ruhe um das abrüsten der Flieger kümmern und auf das gemeinsame Wildschweinessen vorbereiten. Und natürlich mental auf das Abschlussbriefing einstimmen.
In Vorbereitung dessen sitzen Pilotensprecher und Teilzeit-Kabarettist Mario, Simon und ich nochmal zusammen und proben unsere Songs, die wir für die Show am Abend vorbereitet haben. Alles klappt gut und wir beschließen, es nicht totzuproben, sondern einfach Rauszugehen und es zu machen. Nur ein Bandname fehlt noch. Schließlich fällt die Wahl auf 5,3m integriert (minus). Sperrig, aber passend.
Nachdem das Wildschwein verputzt und die Sieger geehrt sind, geht es los. Mit meiner Mönchsheide-Version des Songs „Hier bin ich Mensch“ von der Flugplatzkapelle Stölln reiße ich gemeinsam mit Simon, der mit seine iPad und der App Garage Band noch Begleitsamples komponiert hat, den Saal echt von den Sitzen.
Jeden Tag um Punkt neun, manchmal auch viertel zehn,
kann man wagemutige Piloten an den Hängern sehn.
Sie komm’ von Nah und Fern, Oberhausen, Neuenahr,
Und von drüben, aus’m Osten ist auch wieder einer da.
Flugzeuge und Menschen, wohin ich auch seh’
Kein Zweifel auf der Heide läuft die BBSW!
Ein hübscher Flugplatz und dazu ein echt netter Verein,
so muss es sein, so muss es sein.
Es ist so schön, dabei zu sein,
wenn ich richtig überlege kann ich nicht mehr ohne sein.
Es ist so schön, dabei zu sein,
hier bin ich Mensch, hier kreis ich ein.
Zelt-Frühstück, dazu erstmal nen starken Kaffee kochen.
Der Likör von gestern Abende steckt noch richtig in den Knochen.
Dann zum Hänger denn der Flieger rüstet sich allein nicht auf,
jetzt nimmt das Spiel aus Kraft und Präzision seinen Lauf.
Der Rumpf ist raus, die Helfer stöhnen an den Flächen rum
Ein alter Hase witzelt „ja da brauchste richtig Mumm!“
Auf mein Kommando flutscht der Bolzen in die Buchse rein
und mir fällt ein, und mir fällt ein
Es ist so schön…
Kaum sind die Flieger aufgebaut, die Ritzen abgeklebt,
brüllt der Doepner-Gerd zum Briefing, wohin es wohl heute geht?
Ein Zylinder bei Wershofen und noch einer auf der Binz.
Was, Wershofen? Nicht schon wieder. Alles guckt mich an und grinst.
Auf dem Weg zur Startaufstellung gibt mir Bernd noch paar Hinweise,
kaum am Flieger spinnt das Navi und ich fluche „was ne Scheiße!“.
Die ersten Schlepps sind lange raus, ich mache mich bereit,
von hinten dröhnt die Remo und ich weiß, jetzt wird es Zeit.
Und dann seh’ ich auch noch wie der Gerd in seine Funke schreit:
„Tango-Whiskey, sofort klinken!“, – war natürlich viel zu weit.
Bis der Schlepper endlich da ist und mich an den Haken nimmt,
blicke ich hinauf zur Sonne – Optimismus, eingestimmt.
60 Meter – grüne Sollbruchstelle, ja so muss es sein,
und mir fällt ein, und mir fällt ein
Es ist so schön…
Nach dreimal Überrollen geht es endlich in die Höhe,
Vollgas mit 170, hoffentlich kommt keine Böe.
Basis bei 400, Kurve rechts als ob’s was bringt,
dann direkt zu Position weil die Else so schnell sinkt.
Erst im Zweiten Anlauf klappt es und ich finde sattes Steigen,
das Flarm brüllt ohne Ende, aus dem Kreis raus, schon herrscht Schweigen.
Nach `ner gefühlten Stunde ist der Abflug endlich frei
und mir fällt ein, und mir fällt ein…
Es ist so schön…
Kaum auf Strecke geht es freilich permanent nur noch nach unten,
wenn es weiter nur so säuft dann wird das nichts mit dem Umrunden.
Die Heide ist weit weg ich bin noch knapp 400 hoch,
dunkle Wolken straffer Wind und nirgendwo ein blaues Loch.
Doch da unten ist ein Acker, braun, die Pflügung ist noch frisch.
Paradies für Außenlander – Hammertypen so wie mich.
Gurte straff das Fahrwerk raus und in den Anflug rein
so muss es sein, so muss es sein…
Es ist so schön…
Die Aktion hätte voll daneben gehen können, man weiß ja nie, was das Volk von spontanen Musikeinlagen hält. Aber das Gefühl, wenn man vor 100 Leuten sitzt, ein Lied spielt, das Gelächter über den Text hört und im Refrain wirklich alle mitsingen – das ist fast noch schöner als das Fliegen selbst. Das war echt Gänsehautfeeling. Wahnsinn. Hier schonmal ein Dankeschön an euch alle, es war toll!
Mario nimmt die Wettbewerbsleitung in seiner Show gnadenlos auseinander. Bernd und Gerd bekommen Eisbeutel umgehängt, weil sie uns am Start so oft haben frieren lassen, bevor endlich die Neutralisation kam. Flugleiter Andreas bekommt eine Spezialbrille, damit er die Kennzeichen der Flieger künftig ohne Probleme erkennt, und unsere Internetfee Babette ein riesengroßes Blatt, auf dem sie vorne und hinten den Satz „Segelflieger wollen nicht außenlanden“ oder so schreiben soll. Dann ist noch Markus Geisen dran, genau der, der jüngst mit seiner Partnerin und Co-Pilotin Karin Wiesenthal in Südafrika mit einem Arcus M 1370 Kilometer geflogen ist. Markus hatte an einem der ersten Tage ein Radieschen aus einem der Abflüsse gefischt, dass Mario dort offenbar unabsichtlich platziert hatte. Zitat von Bernd Fischer damals zum Brifing: „Es brauchte einen Doktor der Zahnmedizin, um das Radieschen in den Syphon hinein und zwei Doktoren der Naturwissenschaften, um es wieder heraus zu bekommen!“. Jedenfalls hatte unser Pilotensprecher und Urheber des Malheurs den Reinhard-Mey-Song „Er ist Klempner von Beruf“ auf Markus umgedichtet, und wieder feierte das Plenum die musikalische Darbietung von -5,3 Meter integriert. Zum Abschluss sangen wir noch gemeinsam „Über den Wolken“, und auch wenn ich nur ein BBSW-Abschlussbriefing live erlebt habe behaupte ich einfach mal, dass es das bewegendste in 30 Jahren war.
Zunächst feiern wir noch in der Halle weiter, es gibt reichlich Eierlikörchen aus Schoko-Waffel-Bechern, dann klingt der Abend in der Flugplatzkneipe bei Cocktails aus.
Für den Pfingstmontag bleibt nur noch, die Zelte abzureißen und alles transportfertig zu verpacken. Felix nimmt die Else an den Haken und zerrt sie Richtung Perleberg, für mich soll es direkt nach Stuttgart gehen. Jeder Abschied von einem Fliegerkameraden ist wehmütig. Als die Mönchsheider aber ihre Winde aufbauen und mit Schulbetrieb anfangen, wittere ich noch eine Chance: Mein erster ASK21-Flug. Tatsächlich lässt mich Fluglehrer Bernd Dolba für eine Runde einsteigen. Die dauert zwar nur drei Minuten und ich weiß jetzt über ihr Flugverhalten auch nur, dass sie eben fliegt, aber es ist ein perfekter Abschluss meiner zweiten BBSW. Was auch immer kommt, ich komme wieder. Definitiv. Danke an alle, die diese tolle Veranstaltung möglich machen. Leute, fahrt nach Bad Breisig, lernd den Luftsportverein Mönchsheide kennen. Es lohnt sich!
Ein besonderes Dankeschön geht noch an Thorsten, der sich mehrfach als Rückholer verdingt hat, sowie an Simon und Gerhard, die mir einen Teil der Bilder zur Verfügung gestellt haben. Und an die Flugplatzkapelle Stölln für die wunderbare Textzeile „Hier bin ich Mensch, hier kreis‘ ich ein.“
Die Platzierungen:
DoSi: 1. 4Y (Wiesenthal/Geisen); 2. BD (Dolba/Lengemann); 3. RR (Richter/Hannemann)
Renn: 1. PC (Schmidt/Schmidt); 2. LO (Loth); 3. C8 (Goretzki)Club: 1. OE (Schumann); 2. PG (Lauer/Roloff); 3. NT (Mülligan); 7. IL (Reinhold)