Vielleicht ist dieser Beitrag der letzte Versuch, meinen Blog vor dem Schicksal vieler ähnlicher Internettagebücher zu bewahren, aber irgendwie habe ich ihn doch noch nicht ganz aufgegeben. In keinem Fall spiegelt die Vernachlässigung der Seite mein Interesse für den Segelflugsport wider, ganz im Gegenteil!!
Aber der Reihe nach. Anhand meines überraschend gut geführten Flugbuches will ich ein bisschen rekonstruieren, was sich in den letzten anderthalb Jahren fliegerisch so zugetragen hat, und passiert ist eine Menge! Nach dem im letzten Beitrag geschilderten Tagessieg folgten nur noch fünf Starts am 4. Oktober 2010 und dann ging es in die Winterpause, denn auch in Perleberg kam ich in jenem Jahr nicht mehr in die Luft. Der nächste Eintrag findet sich erst am 2. Juni 2011, und angesichts der langen Auszeit waren meine Flugleistungen auch entsprechend dürftig. Am 11. Juni saß ich dann wieder allein im Bocian. Übungsflüge im Alleinflug, gleichbleibende Kreisflüge mit 30-45° Querneigung, Kurvenwechsel beim Kreisen etc., allesamt abgeschlossen in der zweiten Hälfte des Sommerlehrgangs in Taucha, wo ich vom 2. bis zum 4. August 22 Flüge absolvierte. Auch beim Herbstlehrgang war ich dabei, insgesamt kam ich nochmal auf 16 Flüge bis zum Saisonende. Am 23. Oktober hieß es schließlich angetreten zur B-Prüfung: Drei einwandfreie Platzflüge mit Vollkreisen links und rechts, Kurvenwechsel und Rollen um die Längsachse sowie Landung im Zielfeld 50×200 Meter. Alles zur Zufriedenheit absolviert, anschließend gab es wie üblich Kloppe und den blauen Anstecker mit zwei silbernen Schwalben drauf. Die Runde Kloppe verdoppelte mein Fluglehrer Ulf übrigens, da die Theorieprüfung B noch nicht in den Ausbildungsnachweis eingetragen war und er das ganze nachholen musste.
F-Schlepp am UL
Richtig spannend wurde es dann wieder im Mai 2012: Premiere F-Schlepp-Ausbildung am UL. Unsere Wilga war inzwischen verkauft worden, da der Verein die fälligen 40.000 Latten für eine Generalüberholung des Hauptspants nicht investieren wollte. Also musste die D-MAIO unserer Motokollegen herhalten. Es war schon spannend zu sehen, wie sich ein motorisierter Klappstuhl, dessen maximale Abflugmasse irgendwo bei 470 Kilogramm liegt, abmüht, einen Bocian (MTOW 540kg) in die Luft zu zerren. Aber irgendwie hoben wir dann doch vom Boden ab und ich konnte mich daran versuchen, der Schleppmaschine bestmöglich zu folgen. Bis auf 400 Meter geschleppt und dann Höhe abgeglitten, das ganze dreimal. Im Dritten Flug gab Bernd Knösing das Kommando „Kästchenschlepp“, also aus der Schlepplinie heraus und wieder hineinzusteuern. Dass Gunter in der MAIO dabei nur noch gast in seinem Flieger war ließ er uns deutlich über Funk wissen: „Hört uff mit dem Mist!!“ Bei „Mist“ war aber die Sollbruchstelle – ein Schnürsenkel – längst Geschichte und wir eierten mit gut 40 Metern Schleppseil an der Bugkupplung über dem Flugplatz rum, um eine geeignete Abwurffläche zu finden. Fazit des Tages von Bernd: „Mit fortgeschrittenen Flugschülern ist das OK, für Anfänger definitiv nichts.“
72 Minuten im Bocian
Ende Juni verschlug es mich einmal mehr nach Perleberg. Die drei Starts und Landungen auf einem fremden Flugplatz hätte ich mir zwar auch aus den Vorjahren eintragen lassen können, aber da war ich eh also konnte ich sie auch live machen. Erstmals unter der Regie von Rüdiger Dierolf als Fluglehrer. Lapidare Frage vorab: „Dieses Jahr schon alleine geflogen?“ „Ja!“ „Na dann rein in den Flieger, zwei Starts mit Platzrunden, beim dritten so lange oben bleiben wie es geht.“ Mit Grinsen quittierte ich den Flugauftrag. Nach den etlichen Flügen mit Lehrer in Taucha – unsere Tost 4-Winde war kaputt, und die alte nicht zur Ausbildung zugelassen, was Alleinflüge unmöglich machte – war es befreiend, wieder solo abzuheben. Bereits in der ersten Runde konnte ich nicht umhin, etwas Seigen mitzunehmen, und nach 15 Minuten erinnerte mich Rüdiger an unsere Vereinbarung. Also zur Landung, die Orientierung klappte bei der idiotensicheren Perleberger Platzrunde sofort ohne wenn und aber. Schnell den zweiten Anlauf durchgezogen und wieder an den Start. Jetzt galt es, oben zu bleiben. Auskuppelhöhe irgendwas um die 400 Meter, und dann rein in den erstbesten Fahrstuhl. Bei rund zwölfhundert Meter Basis und Bärten von irrem Durchmesser eigentlich Segelfliegen für doofe. Rauf, runter, rauf, slippen, rauf, Schnellflug. Genial. Irgendwann ging es dann nichtmehr so richtig und ich hatte mich schon aufs Ende eingestellt, als ich auf Höhe der Position nochmal einen Bart einfädeln konnte. Aus den 400 Metern, die ich am Radarhügel noch hatte, wurden schließlich 1100 über dem Stadtzentrum von Perleberg. Dann meldete sich Perleberg INFO und bat um Rückgabe des Fliegers innerhalb der nächsten Viertelstunde. Was aber tun, wenn´s überall steigt? Querruder voll rechts, Seitenruder später nachgegeben und gezogen und hui, abwärts ging´s. Wechselseitiges Slippen, Schnellflug, Rollen und Klappen raus war ich ruck zuck wieder unten. Eine Stunde und zwölf Minuten, mein längster Alleinflug bis dahin.
Ich werde zum Piraten!
Zahlreiche Alleinflüge, ein Stundenflug und viele Slipübungen später stand dann das nächste Highligt auf dem Plan: Umschulung auf den Einsitzer, den SZD 30, besser bekannt als Pirat: 15 Meter Spannweite, Vmax 195 km/h, Gleitverhältnis 1:31. Der Standard-Einsitzer der GST. Unzählige ostdeutsche Segelflieger haben auf diesem Bock ihre ersten Erfahrungen jenseits von Bocian, Blanik oder Puchacz gesammelt. Theoretisch hatte ich das Flughandbuch bis ins Detail studiert, Geschwindigkeiten, Lastvielfache und Flugzustände ausgearbeitet. Mehrere Sitzproben folgten, Die Lage von Bedienelementen und Instrumenten kannte ich inzwischen auswendig. Dreimal schien es so weit, dreimal wurde der erste Piratflug abgeblasen. Zu viel Wind, Gewitterfront, sonstwas: Die Laune war im Keller. Am 24. Juli war es schließlich so weit. Nach einem Start im Bocian sollte ich mir den Pirat mit der Kennung D-1827 fertig machen, Sitz und Seitenruderpedale einstellen und mir die Bodenposition genau einprägen. Denn im Gegensatz zum Bocian sitzt man im Pirat regelrecht im Tiefparterre, muss also aus einer deutlich tieferen Position abfangen bei der Landung. „Alles klar?“ Fragte Fluglehrer Klaus Ledig. Klar ja, aber war ich wirklich klar? Immerhin noch nie geflogen das Ding, und einen zweiten, der erstmal alles in Ruhe erklärt und zur Not eingreift, den gab es hier nicht. Deckel zu, Startcheck, Seil läuft. Seil Straff und weg. Langsam lasse ich den Piraten wegsteigen, nehme den Knüppel langsam ran und gehe in den Steigflug. Ein Blick in die Flächen signalisiert, die Fluglage scheint zu stimmen. Bei 320 Metern klinkt das Seil aus und ich nehme die Nase runter. Doch der Zeiger im Fahrtmesser prescht los, 100, 110, 120, 130 km/h. Nase hoch und neu austrimmen. Alle hatten mich davor gewarnt, dass ich am Anfang permanent zu schnell fliegen würde. Das war nun eingetreten, denn das Horizontbild des Piraten hat mit dem des Bocian so gar nichts gemein. Zwei, drei Kreise, Positionsmeldung, Landeanflug. Austrimmen auf Anfluggeschwindigkeit 90. Letzte Kurve in 100 Metern Höhe. Bretter raus. Ach du Scheiße, das Vario fällt in den Keller, schnell wieder etwas rein die Klappen. Von deren Effektivität hatte ich zwar vorab gehört, überrascht hat sie mich dann doch. Abfangen, Ausschweben, Aufsetzen, Ausrollen. Der Rest der ersten Landung klappte erstaunlich gut.
Die Kritik hielt sich in Grenzen, der Steigwinkel hätte etwas steiler sein können, ansonsten alles soweit OK. Nächste Runde, wieder 320 Meter, dem noch fehlenden Vertrauen in eine größere Steigfluglage geschuldet. Dem Druck unter der Fläche konnte ich jetzt schon nicht mehr widerstehen, also Knüppel nach links, linkes Pedal und rein in den Kreis. Und siehe da: Auch der Pirat stieg. Nicht viel, aber beständig. Nach zwanzig Minuten war der Spaß vorbei und ich wieder unten, und der Anschiss folgte prompt: „Bei der Umschulung fliegt man eigentlich keine Thermik!“ rief Klaus mich zur Ordnung.
Nach einer dritten Runde war es das mit der Umschulung. Weitere 15 Flüge später war die Pirat-Umschulung abgeschlossen. Dass ich an meinem neuen Spielzeug sofort gefallen gefunden hatte beweist der vierte Flug, bei dem ich es auf 56 Minuten brachte. Gute fünf Flugstunden waren bis zum 4. August zusammengekommen, davon drei Thermikflüge von etwa einer Stunden, in denen ich reichlich Gelegenheit hatte, all das zu üben, was für die C-Prüfung verlang wurde: Kurvenwechsel und Slip. Und Slippen im Bocian war das eine, der hielt wenigstens stabil, wenn er einmal drin war. Beim Pirat genügte zu viel Querruder oder zu wenig Höhenruder, und der Slip sah einfach nur aus wie scheiße geflogen.
Drei Schwingen und reichlich Kloppe
Am 4. August kam schließlich die Order: Lars und Arkady fertigmachen für die C, Arkady Bocian, Lars Pirat. Na toll dachte ich, Pirat slippen, das wird ein Spaß. Ein bisschen beneidete ich meinen Kameraden darum, die C auf dem Doppelsitzer fliegen zu dürfen. Aber zum Jammern war keine Zeit. Rein in den Priaten, Deckel zu, starten. Die Drei Prüfungsflüge mit permanentem Richtungswechsel beim Kreisen waren derart unspektakulär, dass sie keiner weiteren Zeile bedürfen. Wobei, in einem Punkt hatte ich richtig Schwein: Der Wind kam aus Süden, ich konnte demnach mit Linksslips fliegen, also das Flugzeug über die linke Seite schieben lassen. Die hatten bei meinen Übungen deutlich besser geklappt als Rechtsslips. Geslippt wird üblicher Weise in Richtung des Windes, da effektive Kurskorrekturen nur in zur hängenden Fläche hin, also in den Wind, möglich sind. Lletzte kurve in 150 Metern, Fahrt 90, Klappen voll raus, Querruder links und Seitenruder voll Rechts ausschlagen. Die Nase geht nach rechts, die linke Fläche runter und der Fahrtmesser auf null. Halten, bis eine Höhe von rund 50 Metern erreicht ist. Richtungskorrekturen nur mit dem Querruder. Kurz vor dem Einschlag in den Globus Seiten- und Querruder rechts, Nase geradeaus, Abfangen und Ausschweben. Das ganze dreimal, und die C war erledigt.
Am Ende des Tages gab´s die obligatorische Zeremonie: Bücken, Festhalten und Schläge ertragen. Viele Leute, viele Schläge. Schließlich der begehrte Anstecker, die C, ein rundes blaues Abzeichen mit drei Schwalben drin. Einer meiner Kameraden hat übrigens daneben gehauen und den Steiß getroffen. Das merke ich heute beim Verfassen des Beitrags noch. Ich weiß wer´s war, und sollte derjenige irgendwann mal nach dem Starten eine Fehlfunktion seines Fahrtmessers bemerken, dann ist das vielleicht ein Gruß von mir, den ich mitsamt eines Kaugummis ins Staurohr gesteckt habe. Rache ist süß.
Der Traum vom Uhu
Infolge der Schmerzen im Hinterteil und angesagten Schlechtwetters hatte ich das Fliegen fürs vergangene Wochenende eigentlich geistig abgehakt und mich auf Familienbesuch nach Gera begeben. Angesichts fette Cumuluswolken konnte ich dann am Sonntag aber doch nicht anders… Fünf Jahre nach meinem Einstieg in die Segelfliegerei kam ich endlich dazu, den Fliegern in meiner Heimatstadt einen Besuch abzustatten. Zwar war ich schon das ein oder andere Mal in Leumnitz auf dem Flugplatz, habe es aber nie über das „Vorfeld“ hinaus geschafft. Also ruck zuck die Stufen zum Tower hoch gejoggt und nachgefragt, wo ich die Segelflieger finde. Die Frage hatte sich aber mit einem Blick in Richtung Süden erledigt, denn von oben aus war der SKP sofort zu sehen. Mit dem Hinweis, beim Überqueren der Piste auf Verkehr im Endanflug zu achten verabschiedete mich der Flugleiter und ich joggte rüber. Mit einem kurzen Hallo, ich bin der und der und komme von dort und dort war eigentlich alles gesagt und wir kamen ins Quatschen. Brücke war mein Tauchaer Fluglehrer Rolf Barthel, der auch in Gera das ein oder andere Mal ausgeholfen hatte, wenn Not am Mann war. Und dann sah ich das Objekt meiner Begierde im Landeanflug einschweben, oder besser, förmlich aus der Luft fallen: SZD 50 Puchacz, zu deutsch Uhu. Irgendwie hat mir dieser Flieger immer gefallen, keinen Plan wieso. Er ist einfach schick, gefälliger Rumpf, deutlich negative Pfeilung der Tragflächen, halbhohes Kreuzleitwerk. Und dann fragen mich die Geraer tatsächlich, ob ich ne Runde mitfliegen will. Dass ich keine Dokumente dabei hatte schien dabei kein Problem, als frisch gebackener C-Absolvent genoss ich offenbar ausreichend Vertrauen. Oder war es das Faktum, mehr als vier Jahre als Rolfs Flugschüler überlebt zu haben? „Kannst nur nicht vorne sitzen, da du bei uns nicht angemeldet bist“, schallte es lapidar aus dem SKP. Michael Pokall, einer der beiden Fluglehrer, flog mit mir zusammen. Schon das Einsteigen in den Puchacz fühlte sich an, als ob ich dieses Flugzeug uns gesucht und gefunden hatten. Platz ohne Ende und regelrecht bequemes Sitzen, das gibt´s in Taucha nur im Janus, und selbst in den lässt sich schlechter einsteigen. Also rein in die Kartoffel, Deckel zu und Startcheck. „Knüppel gedrückt oder neutral?“ erkundigte ich mich über das richtige Steuern beim Start. „Neutral, wegsteigen lassen und dann rannehmen“, gab mir Michael Instruktionen. Nunja, erster Start aufm unbekannten Flieger, an einem unbekannten Flugplatz und dann auch noch von hinten… Egal, Neugierde siegt! Der Puchacz rollt an, beschleunigt und hebt ab. Kaum nehme ich den Knüppel an den Bauch, geht die Nase nach Links. „Seitenruder leicht Rechts, die Kupplung liegt nicht in der Mitte“, erklärt Michael. Langsam bekomme ich ein Gefühl für den Flieger, kontrolliere den Steigwinkel mit Blick in die Flächen. Bei 350 Metern rutsch das Seil aus der Kupplung und ich kurve in die Südplatzrunde ab. „Orientieren!“ ermahne ich mich und merke nicht, wie ich gefährlich an Fahrt verliere. „Nicht so langsam, mindestens 80 müssen es sein, lieber etwas schneller“, kommt es von vorne. Der Puchacz mag gutmütig sein, aber wenn er nahe an den Stallspeed kommt braucht es nichtmal mehr einen Tritt ins Seitenruder. Durchaus trudelfreudig das Gerät! Ansonsten fliegt er sich fantastisch, Gehorcht sehr feinfühlig auf die Querruder, verlangt aber nach kräftigem Seitenruder. Und leise ist er, nur ein Säuseln dringt von draußen herein. Das Vario schlägt aus, einkurven, mist, daneben! „Wendekreis wie ein Reisebus“, feixt Michael über den missratenen Versuch. Aber die Luft in der Platzrunde trägt einigermaßen, selbst im Geradeausflug. Einige Kreise mit Null sinken, immerhin. Der ungewohnte Blick von oben auf meine Heimatstadt ist spannend. Ganz nah ist auch das Buga-Gelände von Ronneburg. „So langsam sollten wir zurück“, mahnt Michael. Vor lauter Konzentration auf die Umgebung unter mir und das ungewohnte Fliegen vom hinteren Sitz aus hatte ich den Versatz durch den Wind gar nicht gemerkt. Michael meldet Position und gibt mir Instruktionen für die Landung. Kurzer Endanflug mit reichlich Überfahrt, die Klappenwirkung des Puchacz sei legendär. Also letzte Kurve, Trimmen auf 90 und die Bretter raus. Plötzlich ist es wie Fahrstuhl fahren, und zwar ins Kellergeschoss. Michael drückt den Knüppel nach. „130-140 sollte man bei voller Klappe schon draufhaben wenn man abfängt, sonst sackt er unhaltbar durch“, erklärt er. Aufsetzen und ausrollen, dann steht der „Uhu“. Der Wahnsinn. Im kopf spiele ich mehrere Möglichkeiten durch, meinem Vereinsvorstand klar zu machen, dass ich ein neues Flugzeug haben will.
Als Dankeschön für die Einladung zum Fliegen packe ich beim Einräumen mit an, drei Flieger, das ist überschaubar. Bei einem Bibop klingt der Abend aus und mir bleibt nichts als ein dickes Dankeschön an die Geraer Segelflieger zu richten. Wir sehen uns mit Sicherheit!