Samstag, Flugtag. So weit, so erfreulich. Der Wetterbericht log ja irgendwas von mäßiger bis guter Cumulusthermik, ein Blick aus dem Fenster relativierte die Vorfreude jedoch. Das war mir zunächst freilich herzlich egal, denn nach meiner einigermaßen überlebten Umschulung auf die LS1 am Ostermontag wollte ich gleich ein paar Starts hinterherschieben, um langsam aber sicher Routine reinzukriegen.
Als erstes stand aber die Abholung des Else-Hängers vom Tüffonkel auf dem Plan. Mit passenden Reifen, frischer Plakette und sogar einer Wäsche versorgt, zerrte ich das ellenlange Ding vom Hof der Prüfstelle und dann gings im gestreckten Galopp nach Perleberg. Mit sechs Mann waren wir genug Leute, um einen einigermaßen reibungslosen Flugbetrieb auf die Beine zu stellen. Else, Pirat und Bocian rausgezerrt und an die Fahrzeuge gehängt. Bevor wir die Hallentore zuschieben, klaue ich aus Franks Rhönlerche noch ein Trapezförmiges Stück Hartschaum in der Hoffnung, mit dem Teil im Rücken in der LS1 einigermaßen Bequem sitzen zu können. Nachdem geklärt ist, in welche Richtung wir starten, nimmt der Flugbetrieb seinen geregelten Lauf. Ich checke die Else durch und notiere mir nebenbei alle Handgriffe, um sie demnächst mal in einer Checkliste zusammenzufassen. Beim Bocian hat mir der umfangreiche Abhakzettel schon bei der Prüfung geholfen, und da ich mich und meine Vergesslichkeit nur zu gut kenne, wird mich eine solche Liste wohl auch bei allen künftigen Flugzeugtypen begleiten. Sicher ist sicher.
Kaum bin ich einmal ums Flugzeug rum, ist der Bocian auch schon in der Luft und dreht seine ersten Runden. Siehe da, er hält sich, denke ich mir und mache mich fertig für meinen ersten Start. Da ist es wieder, das ungute Gefühl, ein Flugzeug noch so gar nicht richtig im Griff zu haben. Komisch eigentlich. Beim Piraten hatte ich seinerzeit nach dem dritten Start das Gefühl, den Flieger einigermaßen sicher handhaben zu können. Bei der LS hingegen verriet mein Handschweiß kurz vor dem vierten Start, dass da noch so einiges fehlt. Vielleicht liegt es an der ungewohnten Sitzposition, vielleicht aber auch an der miesen Erfahrung der Starts vom Ostermontag, wo mich die Beschleunigung derart in den Sitz gepresst hatte, dass ich schlagartig nicht mehr an die Seitenruderpedale kam. Das wollte ich dieses Mal unbedingt vermeinden. Mit Kissen und Decke unterm Arsch und der Hartschaumplatte im Rücken saß ich nun schon etwas besser, das Optimum war es aber sicher noch nicht. Kaum hat mir Eckart die Haube aufs Cockpit gelegt gehe ich den Startcheck durch. Die Pedale habe ich sicherheitshalber so eingestellt, dass ich mit deutlich angewinkelten Knien da hocke und sie direkt ans Instrumentenbrett stoßen. Scheiße eigentlich. Aber wenn sichs dadurch besser fliegt… Das Seil strafft sich, die Else rollt. Die Beschleunigung presst mich in den Sitz und ich kann gerade nochmal „Scheiße“ denken, weil ich wieder kaum an die Pedale komme, da reißt es die Nase des Fliegers hoch und ich habe Mühe, gegenzusteuern. Mit kräftigem Nachdrücken fange ich den Bock wieder ein und fliege erstmal ein paar Sekunden dem Seil hinterher, bevor ich mich traue, richtig in den Steigflug zu gehen. Ich bin noch nichtmal vom Seil los und schon völlig bedient. Der Ärger geht aber maßgeblich darauf zurück, dass ich nicht so recht weiß, was eigentlich schief gelaufen ist. Der Knüppel war beim Start neutral, so wie vorgeschrieben. Warum ist sie trotzdem derart hochgegangen? Ich weiß es schlicht nicht… Bei 350 Metern kracht das Seil aus der Kupplung. Ich ziehe das Fahrwerk ein, trimme aus und kurve ab nach Norden. Kaum ist der erste Schock verdaut, finde ich sanftes Steigen, dass aber gerade eben das Eigensinken kompensiert. Nunja, viel besser wirds nicht werden, denke ich mir und versuche, mich irgendwie zu halten. Der starke Wind treibt ich reichlich nach Norden ab. Der Bocian ist bereits gelandet, aber entgegengesetzt zur eigentlich angedachten Platzrunde. Es knirscht im Funk und ich bekomme Anweisung, ebenfalls entgegen der Startrichtung zu landen. Der Bodenwind hat so weit gedreht, dass wir umbauen müssen. Nun gut. Ich orientiere mich neu und fliege die Position von Westen her an. Landemeldung. Das Fahrwerk lasse ich regelwidrig noch ein bisschen drin, denn das Rumgekreise hat mich reichlich Höhe gekostet und ich will die Gleitleistung nicht noch weiter verschlechtern, indem ich das Rad in den Wind hänge. Kurz vor der dritten Kurve haue ich den Pneu raus und drehe erst nach Süden, dann auf den Platz ein. Klappen raus, Klappen rein, so richtig habe ich deren Wirkung noch nicht verinnerlicht. Ich fange wieder zu hoch ab und der Flieger schwebt ellenlang. Dann bumst er auf die Erde. Sah von draußen sicher völlig anfängermäßig aus. Aber egal, unten und überlebt.
Kaum aus dem Cockpit geschält, kommt der Rückholer und zerrt mich zur Winde, die gerade den Piraten in die Luft schleudert und anschließend die Position wechselt, ans andere Ende des Platzes. die Zwischenzeit vertreibe ich mir damit, einer Gruppe von Geocachern, die ich über unsere Zeitungsaktion kennen gelernt hatte, alles Wissenswerte über das schönste Hobby der Welt zu erzählen. Also das Segelfliegen, nicht das Cachen. Am Ende fliegt die Dame aus der Gruppe sogar mit Frank im Bocian eine Runde mit.
Flug zwei geht aus meiner Sicht genauso daneben wie der erste. Wieder haut es mich trotz Hartschaum und Kissen derart nach hinten, dass ich mich strecken muss, um an die Pedale zu kommen. Verdammter Bockmist. Ich verfluche mich und den Flieger, weil wir beide anscheinend so gar nicht harmonieren wollen. In der Luft geht es einigermaßen, wobei ich auch hier noch unsicher bin. Nach zehn Minuten bin ich wieder unten und gönne mir erstmal eine hinereichend Lange Pause, um über meine Fehler und potenzielle Lösungen zu sinnieren.
Währenddessen helfe ich meinen Kameraden beim Einsteigen und Anschnallen, Fahre Seile und zerre Flugzeuge aus der Bahn. Anderthalb Stunden später schiebe ich mir die Else ein drittes al an den Start. Die Wolken haben sich aufgelockert, schöne Cumuli ziehen inzwischen über den Platz. Kaum ist der Deckel auf dem Cockpit bescleicht mich wieder das ungute Gefühl, etwas zu tun, bei dem ich nicht absolut sicher bin. Aber ohne Starts keine Routine, keine Sicherheit. Die Kissen habe ich noch einmal anders geschichtet und auch die Pedale noch weiter in meine Richtung verstellt. Kaum nimmt der Flieger Fahrt auf, macht sich das auch bemerkbar. Sauber ziehe ich in den Steigflug und kontrolliere den Winkel mit einem Blick in die Flächen. So passt es, denke ich mir kann den Start bis auf 430 Meter ziehen. Nach dem Ausklinken haue ich das Fahrwerk rein und kurve ab. Es zuppelt und siehe da, das Vario zeigt Steigen an. Jetzt schalte ich auch das E-Vario ein, dessen erbämliches Geheule im Steigflug beim Start nicht zu ertragen ist. Kein Vergleich mit dem Super-Mario-Sound, der jüngst bei Facebook aufgetaucht ist. Es ist Thermik da, aber der Wind zerreißt die Bärte völlig. Im ersten Halbkreis liegt die Fahrt bei 90, im zweiten Halbkreis sackt sie erstmal völlig weg und ich muss nachdrücken, um nicht in den Kreis zu rutschen. Auch mein Faden geht offensichtlich völlig falsch, denn er liegt permanent nach innen. Korrigiere ich mit dem Knüppel und gebe mehr Querlage, habe ich den Eindruck, über die Fläche abzukippen. Ich kriege es einfach nicht hin und frage mich mit jeder Minute, ob ich zu doof bin, das Ding zu fliegen. In Richtung Perleberg steigt es immer besser, auch wenn es schwierig bleibt, die Kreise rund zu bekommen. Über Spiegelhagen liegt die kleine Nadel des Höhenmessers kurz vor der eins, und ich gebe mir intern hig five. Dennoch bin ich unzufrieden. Den Piraten und den Bocian habe ich bisher ohne Rücksicht auf Verluste in jede Kurve geprügelt, gerne mit Querlagen jenseits der 60 Grad, und mich dabei zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt. Bei der LS1 ist bei 30 Grad schluss. Mehr traue ich mich einfach nicht, und ich weiß nicht, warum. So schön sie sich am Ostermontag bei ruhiger Luft kreisen ließ, in der ruppigen Thermik wird sie von den Böen nur so hin- und hergeworfen. Andauernd reißt der Wind die Fahrwerksklappen auf und die Federn schlagen sie wieder zu. Mehrere Böen steuere ich reglexartig aus, weil mir der Flieger umzukippen droht. Ich bin froh, über 700 Meter hoch zu sein, denn im Falle eines Abrutschens oder gar Trudelns habe ich mehr als genug Höhe, um mein Geflügel wieder einzufangen. Aber die Unsicherheit bleibt. Nach eine guten halben Stunden geht mir die gekrümmte Haltung im Sitz derart auf die Nerven, dass ich beginne, Höhe abzufliegen. So wird das für Bad Breising nichts, muss ich mir eingestehen und grüble nebenbei über Varianten, es mir im Cockpit bequem zu machen. Auch mein Magen macht sich bemerkbar, das irre Geschüttel in Verbindung mit einem mäßigen Frühstück und dem ausgefallenen Mittagessen sorgt für ein gerüttet Maß an Unwohlsein. War der Start meines letzten Fluges an diesem Tag wirklich zufriedenstellend, versaue ich die Landung jetzt so richtig. Viel zu hoch abgefangen und dann runtergeplauzt. Scheiße. Aber immerhin unten.
Kurz nach mir landet der Pirat, der Bocian ist bereits unten. Ohne stress ziehen wir die Flugzeuge rein, und kaum haben wir die Hallentore zugeschoben, beginnt es zu tröpfeln. Ein entspannter Flugtag mit vielen Erkenntnissen über mich und mein Unvermögen, die LS1 richtig einschätzen zu können, geht zu Ende.


