Bevor am kommenden Wochenende die nächsten großen Taten anstehen – der Wetterbericht lügt irgendwas von mäßiger bis guter Cumulusthermik – müssen meiner bisherigen Faulheit geschuldet die letzten drei Flugtage wieder Mal zusammen abgehandelt werden.
Am 15.06. hatte ich wieder Mal die Chance, in Perleberg in den Flieger zu steigen. Bei dicken Cumulus am Himmel schien es jetzt endlich mal zu klappen mit dem Flug im roten Baron, dem knallroten Perleberger Piraten mit Totenkopfflaggen auf den Cockpitseiten. Da mein letzter Flug allerdings schonwieder mehr als vier Wochen zurücklag, bestand Bernd zuerst auf einem geneimsamen Flug im Bocian. Gesagt, getan, dank straffem Winde rechlich 500 Meter Auskuppelhöhe und dementsprechend etwas Spielraum, um Thermik zu suchen. Diesbezüglich hatten uns die Wolken allerdings wieder Mal verarscht, denn allenfalls zerrissene Halbbärte mit einem Meter Steigen zu anderthalb Metern Saufen. Es war zum Verrücktwerden. Bereits im Gegenanflug hieß es reichlich nach links vorhalten, um einigermaßen Parallel zur Platzgrenze zu fliegen und nicht zu weit nach Norden abgetrieben zu werden. „Ran jetzt an den Platz!“ kam es von hinten, den Bern schien schon zu ahnen, was uns im Queranflug bevorstehen würde. Saufen, saufen und straffster Gegenwind. Hatten wir in Kurve vier noch reichliche 200 Meter gehabt, ging der Zeiger des Höhenmessers nun derart in den Sturzflug, dass wir nur noch abkürzen konnten, um uns mit Tempo 110 irgendwie gegen den Wind an den Platz ranzuarbeiten. In geringer Höhe flitzten wir, von Böen geschüttelt, über den Zaun kurz vor der Landebahnschwelle. Abfangen, Ausschweben und Aufsetzen. „Bei dem Wind lass ich keinen Schüler alleine fliegen!“ machte Bernd jegliche Hoffnungen auf den Flug mit dem Roten zunichte. Frustriert kletterte ich also nochmal in den Bocian, um mit Bernd noch ne zweit Runde zu drehen. Nunja, besser als nichts.
Eine Woche später trat ich in Taucha meinen ersten offiziellen Dienst als verantwortlicher Windenfahrer an. 100 Starts hatte ich unter Aufsicht absolviert und auch die theoretische Prüfung zur Zufriedenheit des Ausbildungsleiters zusammengekrizzelt, und nun durfte ich eigenverantwortlich meine Kameraden an den Himmel feuern. Briefing, Klärung der Startaufstellung und los gings. Und da kam die „WOLKE“ ins Spiel, die Eselsbrücke schlechthin für den Windenfahrer zum Durchchecken seines Gerätes. WOLKE steht dabei für Wasser-Öl-Luft-Kraftstoff-Elektrik/Equipment. Also Verkleidungen auf und die wesentlichen Parameter gechecht. Noch nen 20-Liter-Kanister Sprit in den Tank gefüllt und dann konnte es losgehen. Draußen auf dem Platz die Winde genau gegenüber vom Startwagen geparkt, entsprechend der Segelflugsport-Betriebsordnung im 10-Meter-Umkreis abgesperrt und das Feldtelefon zur Verständigung mit dem Start angestöpselt. Dann den V8 angelassen und im Leerlauf auf Betriebstemperatur gebracht. Doch nicht nur die Temperatur muss stimmen, auch im Luftkessel sollten acht bar Druck anliegen, damit die Kappeinrichtung funtkioniert und der Windenfahrer das Seil in dem Fall, dass die Ausklinkvorrichtung am Segler nicht funktioniert, durchtrennen kann.Das Klingeln des telefons kündigt den ersten Start an. „Bergseil, Bocian doppelsitzig, Seil straffen!“, tönt es aus dem Hörer. Der V8 blubbert los, die Seiltrommel läuft. „Seil läuft!“, gebe ich durch, „Seil läuft!“, kommt die Bestätigung. „Seil straff!“ Gleichmäßig schiebe ich den Gashebel nach vorn, der Motor heult auf und der Bocian hebt am. Tempokorrektur nach Seildurchhang, doch die Geschwindigkeit scheint zu stimmen. Kurz bevor der Segler die Winde überfliegt nehme ich das Gas komplett raus und das Seil rutscht aus der Kupplung. Der war gut, lobe ich mich selbst und ziehe das Seil zügig ein. Gut sechs Stunden später löst mich Arkady auf der Winde ab und ich ergattere noch drei Flüge im Piraten.
Den vergangenen Samstag habe ich aufgrund des miesen Wetters gleich mal komplett ausfallen lassen, was die Fliegerei angeht. Auch am Sonntag sah es erst nach Beschäftigungstherapie aus, worunter ich derzeit alles verbuche, was nichts mit Streckenflugeinweisungen zu tun hat, die ich dringend für das Vorankommen in der Ausbildung benötige. Andererseits hatte sich Gunter als Schlepppilot mit der Trial angekündigt. Aber Ausbildung am UL? Nunja, das schien nicht allzu Erfolg versprechend. Aber da mein Fluglehrer Uwe ohnehin F-Schlepps für sich selbst machen wollte, warum nicht. Also rein in den Bocian, Kommandos über Funk an das UL und los gings. Es ist schon ein bisschen beschwerlich, wenn ein Flugzeug, dass eine Maximale Abflugmasse von 475kg hat, versucht, einen Reisebus wie den Bocian (MTOW 540kg) in die Luft zu zerren. Korrigieren, korrigieren, korrigieren heißt es da auf den ersten 200 Metern, erst wenn Tempo 80 anliegen kann man den Segler sanft vom Boden wegziehen und in Ameisenkniehöhe hinter dem immernoch rollenden UL hergleiten lassen. Aber dann war auf Gunter mit seinem fliegenden Klappstuhl frei und es ging auf Höhe. Uwe musste nur unwesentlich korrigieren und beschränkte sich in erster Linie auf Korrekturkommandos. Gerade in der Kurve neigte ich noch ein wenig dazu, zu viel Schräglage einzunehmen. „Lieber mit dem Seitenruder korrigieren, so dass die Nase eher zur Außenseite der Kurve zeigt“, empfahl er mir. Und das klappte dann auch einigermaßen, bis ich uns bei 600 Meter mit beherztem Zug am Ausklinkgriff vom Schleppseil befreite. „19 frei!“ gab ich per Funk durch und fing an, mangels Thermik die Höhe abzugleiten. Damit waren die ersten 25 Euro an diesem Tag auch schon verheizt. Runde zwei folgte unmittelbar im Anschluss, und dabei schien meine Fliegerei Uwe derart zu überzeugen, dass er bei Gunter nachfragte, ob er mit dem UL auch einen Schüler allein schleppen würde. War ich anfangs noch davon ausgegangen, dass ich für meine Alleinschlepps würde warten müssen, bis im Lehrgang eventuell mal eine Wilga am Platz war, hatte ich so die Chance, eventuell doch noch meine F-Schlepp-Berechtigung anzugehen. Gunter gab grünes Licht, für mich das Kommando, den Rücksitz des Bocian leer zu räumen und die Gurte festzuzurren. Startcheck, Daumen hoch und mein Starthelfer klickte das Seil in die Kupplung. „Start frei für Schleppzug, die 19 gibt die Kommandos selbst“, quittierte Flugleiter Karsten meine Startanfrage. Der Motor des UL heulte. „Seil straff!“ gab ich nach vorn und Gunter beschleunigte auf Vollgas. Der Bocian nimmt fahrt auf, und es fühlt sich ein bisschen an wie beim ersten Alleinflug. Ist es ja im Prinzip auch, erster Alleinflug hinterm Schleppflugzeug. Vom frisch gemähten Platz fliegen mir Dreck und Gras entgegen, aber das Tempo steigt und der Bocian ist frei. Es ist wie so oft im Leben und besonders beim Fliegen: Wenns drauf ankommt, klappt das gelernte Tatsächlich. Konzentriert ziehe ich hinter dem UL her, korrigiere die Höhe, lasse es auf dem „Horizont rollen“, halte also die Unterkante des Fahrwerks mit der Horizontlinie in Deckung. Und siehe da, es klappt wirklich. Wir steigen mit etwa 2m/s, und bei 400m gebe ich das Seil frei. Nach einer entspannten Platzrunde gehe ich in die Landung und lasse den Bocian gleich noch einmal zum F-Schlepp ziehen. Gleiche Prozedur ein zweites Mal, wieder geht alles glatt und ich erwische bei 400 Metern tatsächlich Thermik, in der ich mich nochmal bis auf 600m hochkurbeln kann. Dann ist aber schluss, und im Einflug in die Platzrunde merke ich, dass es plötzlich nur noch abwärts geht. Trotz 200m bei der Meldung zum Gegenanflug eiere ich mehr schlecht als recht mit 70 Metern durch die letzte Kurve, die ich aufgrund des extremen Höhenverlustes schon nur noch als flachen Bogen fliege, um die Gefahr von Steuerfehlern zu minimieren. Die Landung sitzt perfekt, aber der Anschiss kommt prompt: Start super, Platzeinteilung scheiße, kommentiert Uwe. Egal, noch drei Alleinstarts am UL und ich hab den Stempel im Ausbildungsnachweis!