Tageszweiter, Windenmops und ein Steuermannsplan

Ein tolles Flugwochenende mit Wermutstropfen – eine passendere Bezeichnung für die vergangenen beiden Flugtage fällt mir eigentlich nicht ein.

Die Sonnenstrahlen am Samstag Morgen ließen eigentlich auf bestes Flugwetter hoffen, je geringer die Entfernung zum Flugplatz jedoch wurde, desto mehr zog die Wolkendecke zu und ließ für den Vormittag keinerlei Hoffnung auf Nutzbare thermik aufkeimen. Für Platzrunden im Schulungsbetrieb sicher ausreichend, was mir aber fehlte, war eine Überlandflugeinweisung. Korrektur: Zwei Überlandflugeinweisungen. Zudem eine Außenlandeübung, die Überprüfung der Überlandflugreife, die – wieso auch immer – lediglich aus drei Ziellandungen besteht – und der 50km-Alleinüberlandflug.

Angesichts der Menge an Flugschülern, die Gastfluglehrer Wolfgang Pollmer umzingelten und ihre Starts wegschnorren wollten, wenig Aussicht auf Erfolg für meine anstehenden Übungen. Also ab auf die Winde, den neunten Tag meiner Windenfahrerausbildung voll machen. Nach inzwischen 86 Starts, die ich im Windensitz verbrachte, hielt es Windenfahrer Guido nicht mehr für nötig, daneben zu sitzen und mir zuzugucken, sondern gab eventuelle Korrekturen oder Hinweise aus der Distanz vom Boden aus.

Das Telefon klingelt.

„Winde für Start?“
„Winde hört!“
„Am Bergseil, Bocian, doppelsitzig, Seil straffen!“
„Bergseil, Bocian doppelsitzig, Seil straffen!“

Handbremse lösen, rechte Trommel einkuppeln. Kontrolle der Getriebestellung. Neutral, ok. Zündung, Start. Der Motor heult auf, blubbert mit entspanntem V8-Gebrabbel vor sich hin. Gang rein, die Trommel läuft an.

„Seil läuft!“
„Seil läuft! Seil straff!“
„Seil straff!“

Den Gashebel nach vorn, der Motor tourt hoch bis auf 5000 Umdrehungen. Der Bocian am anderen Ende des Seils nimmt Fahrt auf.

„Weg! Frei!“

Jetzt hängt sich der Flieger richtig ans Seil. Nach Anstellwinkel und Seildurchhang korrigiere ich die Geschwindigkeit, nehme das Gas langsam zurück und gehe kurz bevor die D-3685 die Winde überfliegt in den Leerlauf. Das Seil rutscht aus der Kupplung und der kleine Fallschirm öffnet sich. Jetzt heißt es wieder Gasgeben und die rund 300 Meter verbliebenes Seil zügig einholen. Der Schirm klatscht rund 20 Meter vor der Winde auf die Erde. Langsam ranziehen und Bremsen. Der Motor tuckert noch 20 Sekunden zur Kühlung nach. Zündung aus, Ruhe. „Sah doch ordentlich aus, kommentiert Guido.“ Nach einem weiteren Start biegt das Seilefahrzeug vor der Winde in die Schleppstrecke ein. Die Seile werden an den Auslegern des Anhängers befestigt, ich kontrolliere den Druck der hydraulischen Bremsen, die ein Durchdrehen der Trommel bei plötzlicher Unterbrechung des Ausziehvorgangs verhindern. „Alles klar?“ ruft der Seilefahrer. Mit erhobenem Daumen gebe ich das Ok. Es rumpelt, als der Benz anfährt, und die Trommeln beginnen sich schneller und schneller zu drehen. Sieben starts fehlen am Ende des Tages noch für die Windenfahrerlizenz.

Doch der Arbeit folgte schließlich auch das Vergnügen. Und dieses Mal hatte ich ausnahmsweise den richtigen Zeitpunkt erwischt. Neben mir im Piraten steht Uwe Tessmann mit seiner DG 300 am Start, geht bei rund 330 Metern vom Seil und kreist direkt ein. Schonmal keine schlechten Voraussetzungen denke ich. Haube zu, Startchek, los gehts. Mit Gezerre am Knüppel und nem Hüpfer kurz nach dem Ausklingen ergattere ich knapp 400 Meter, die DG ist schon höher gestiegen. Einkreisen, korrigieren und siehe da – es steigt. Es steigt sogar gut! Bis auf knapp über 600 Meter folge ich der 300er, dann fliegt Uwe ab ins Segelfluggebiet. Ich düse hinterher, aber der Pirat gleitet zu schlecht, um dranbleiben zu können. Und Thermik findet sich auch keine. Die DG ist schon auf Gegenkurs gegangen, ich wackle mit den Flächen, was mein Vereinsvorsitzender entweder übersieht oder ignoriert. Kehrtkurve um 180 Grad und zurück dahin, wo vorher mal Thermik war. Die DG kreist schonwieder, also nichts wie hinterher. Jetzt bin ich im Vorteil, da ich meine Kreise etwas langsamer und damit enger fliegen kann als der Plasteflieger vor mir. Perfekte Voraussetzungen zum Schießen mit Vorhaltemaß, denke ich mir. Inzwischen sind wir aber nicht mehr allein, auch ein Bocian und der Janus kreisen mit. Die DG ist plötzlich weg, feuert aber wenige Sekunden später unter mir durch. So spielen wir mit den Aufwinden, bis nacheinander alle Position melden, weil es plötzlich zuzieht und die Sonne und mit ihr die Thermik verschwindet. Kurz nach mir setzt Uwe auf und holt sich mit 31 Minuten und damit einer Minute Vorsprung vor mir den Tagessieg. Mist. Die zwei weiteren Flüge brachten nichts mehr.

Angesichts der Wettermeldungen für Sonntag, die gutes Streckenwetter gleogen hatten, hatte ich am Samstag Abend bis 23 Uhr mit Akribie einen Steuermannsplan für die Strecke Taucha-Böhlen-Oschatz und zurück ausgearbeitet, fand aber keinen Fluglehrer, der Zeit hatte, den Ritt mitzumachen. So dümpelte ich vier Platzrunden mit insgesamt 35 Minuten im Kampf um jede noch so kleine Thermikblase vor mich hin und ging schließlich auf die Winde, um die feehlenden Starts vollzumachen. Jetzt fehlt nur noch die schriftliche Prüfung, und ich darf offiziell und ganz ohne Aufpasser meine Kameraden an den Himmel feuern.

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